Normen
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art129c Abs1
EMRK Art3
EMRK Art8
EMRK Art13
AsylG 1997 §5
AsylG 1997 §38
AsylG 1997 §42
Dubliner Übereinkommen betr die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen innerhalb der EG BGBl III 165/1997
FremdenG 1997 §33 f
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art129c Abs1
EMRK Art3
EMRK Art8
EMRK Art13
AsylG 1997 §5
AsylG 1997 §38
AsylG 1997 §42
Dubliner Übereinkommen betr die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen innerhalb der EG BGBl III 165/1997
FremdenG 1997 §33 f
Spruch:
Den Anträgen wird keine Folge gegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Unabhängigen Bundesasylsenat (im folgenden auch bloß: Bundesasylsenat) sind Verfahren über Berufungen einer jugoslawischen Staatsangehörigen und ihrer drei minderjährigen Kinder sowie von zwei chinesischen Staatsangehörigen (Vater und seine minderjährige Tochter) gegen Bescheide des Bundesasylamtes vom 17. Feber 2000 bzw. vom 29. Mai 2000 anhängig, mit denen deren Asylanträge unter Bezugnahme auf §5 Abs1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen wurden und gemäß Art5 Abs2 (beim Bescheid vom 17. Feber 2000 allerdings unter - wie der Bundesasylsenat darlegt - versehentlicher Zitierung des Abs2 dieses Artikels, da die Zuständigkeit tatsächlich auf Abs1 beruht) des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags (im folgenden: Dubliner Übereinkommen), BGBl. III 165/1997, ausgesprochen wurde, daß für die Prüfung der Asylanträge Italien bzw. (in den Fällen der chinesischen Staatsangehörigen) Frankreich zuständig sei. Unter einem wurde in diesen Bescheiden verfügt, daß die Asylwerber aus dem Bundesgebiet nach Italien bzw. Frankreich ausgewiesen werden.
2. Aus Anlaß dieser Berufungssachen (und zwar bei den aus Jugoslawien stammenden Asylwerbern nur im Hinblick auf das von der Erstberufungswerberin (d.i. die Mutter der übrigen Berufungswerber) erhobene Rechtsmittel) stellte der Bundesasylsenat unter Bezugnahme auf Art140 Abs1 iVm Art129c Abs6 und Art89 Abs2 B-VG drei Anträge, den letzten Satz im §5 Abs1 AsylG 1997, BGBl. I 76, sowie im §5 Abs3 leg.cit. idF BGBl. I 4/1999 die Wortfolge "1 und" als verfassungswidrig aufzuheben.
Diese Gesetzesprüfungsanträge wies der Verfassungsgerichtshof mit Beschlüssen G47/00 und G83/00 ua. jeweils vom 27. September 2000 zurück, weil der Anfechtungsumfang vom Bundesasylsenat zu eng gewählt worden war; die für dieses Vorgehen maßgeblichen näheren Erwägungen sind der Begründung der die Anfechtung verfahrensrechtlich erledigenden Beschlüsse zu entnehmen.
3. Unter Bedachtnahme auf die eben bezogenen Beschlüsse stellte der Bundesasylsenat aus Anlaß derselben Berufungssachen gemäß Art140 Abs1 iVm Art129c Abs6 und Art89 Abs2 B-VG die nun vorliegenden weiteren drei Anträge, den letzten Satz im Abs1 des §5 AsylG sowie dessen (gesamten) Absatz 3 als verfassungswidrig aufzuheben. Dieser unter der Rubrik "Unzulässige Asylanträge wegen vertraglicher Unzuständigkeit" stehende Paragraph hat folgenden Wortlaut:
"§5. (1) Ein nicht gemäß §4 erledigter Asylantrag ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat das Bundesasylamt auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Ein solcher Bescheid ist mit einer Ausweisung zu verbinden.
(2) Gemäß Abs1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist.
(3) Eine Ausweisung gemäß Abs1 und 2 gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat."
Die Absätze 1 und 2 des eben (unter Hervorhebung der angefochtenen Stellen) wiedergegebenen §5 AsylG beruhen auf der Stammfassung dieses Gesetzes (BGBl. I 76/1997); Abs3 dieses Paragraphen wurde durch Ziffer 2 der (am 8. Jänner 1999 kundgemachten) Novelle des AsylG, BGBl. I 4/1999, angefügt.
II. 1. Der Bundesasylsenat begründet seinen Erstantrag nach einer eingehenden Darstellung des Verwaltungsgeschehens einschließlich der Äußerungen des Bundesasylamtes als Partei der Berufungsverfahren im wesentlichen wie folgt (der Zweit- und Drittantrag verweisen nach einer jeweils kurzen Darstellung des Verwaltungsgeschehens auf die Begründung des den weiteren Anträgen beigelegten Erstantrages):
1.1 Der Bundesasylsenat habe in den Berufungsverfahren die im Antrag genannten Normen anzuwenden und habe gegen diese wegen Widerspruchs zu Art3, 8, 13 EMRK bzw. Art83 Abs2, 129c Abs1 B-VG verfassungsrechtliche Bedenken.
Auszugehen sei dabei von der Überlegung, daß auch im Anwendungsbereich des §5 AsylG die dort angeordnete Verbindung einer Ausweisung - welche zugleich als (aus der Sicht des Asylwerbers negative) Refoulemententscheidung gelte - mit dem Zurückweisungsbescheid nicht dazu führen dürfe, daß im Ergebnis dem Asylwerber der Schutz des Art3 oder des Art8 EMRK versagt, bzw. daß ihm die Möglichkeit verwehrt werde, die Behauptung, durch die Ausweisung in einem dieser Rechte verletzt zu werden, mittels einer wirksamen Beschwerde bei einer nationalen Instanz iSd Art13 EMRK vorzutragen.
1.2 Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach de lege lata - ohne Möglichkeit verfassungskonformer Interpretation - Gegenstand eines Verfahrens nach §5 AsylG ausschließlich die Prüfung der Frage sei, ob ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, sei evident, daß eine Prüfung, ob in Rechte des Asylwerbers eingegriffen werde, jedenfalls nicht in einem Verfahren nach §5 AsylG erfolgen dürfe, soweit nicht der in §5 Abs1 erster Satz AsylG angesprochene Staatsvertrag eine derartige Berücksichtigungsmöglichkeit vorsehe.
Das als derartiger Staatsvertrag heranzuziehende Dubliner Übereinkommen sehe grundsätzlich eine solche Berücksichtigungsmöglichkeit in Gestalt des Art3 Abs4 vor. Dessen Textierung lege aber nahe, daß diese Bestimmung keinen in einem Verfahren nach §5 AsylG anwendbaren Zuständigkeitstatbestand darstelle, sondern gerade das Nichtbestehen einer vertraglichen Zuständigkeit zur Voraussetzung habe. Demnach wäre schon aus diesem Grund im Ergebnis die Auffassung zutreffend, eine Anwendung des Art3 Abs4 Dubliner Übereinkommen sei zwar dem Bundesasylamt, nicht aber dem Bundesasylsenat in einem Berufungsverfahren gemäß §§5, 32 AsylG zugänglich.
Gegen das Vorbringen, eine grundrechtskonforme Anwendung des Art3 Abs4 Dubliner Übereinkommen durch das Bundesasylamt sei vom betroffenen Asylwerber durch eine Maßnahmenbeschwerde nach §67a Abs1 Z2 AVG durchsetzbar, habe das Bundesasylamt den Einwand erhoben, Art3 Abs4 Dubliner Übereinkommen begründe keine subjektiven Rechte. Bei Zutreffen dieser Sichtweise könne aber die rein objektiv-rechtliche Ausgestaltung des Grundrechtsschutzes schon allein deshalb dem Art13 EMRK nicht genügen, weshalb es dahingestellt bleiben könne, inwieweit das Erfordernis einer wirksamen Beschwerde im gegenständlichen Kontext erfüllt wäre. Hinsichtlich einer Berücksichtigung des Art8 EMRK schienen daher keine genügenden Möglichkeiten de lege lata offen zu bleiben.
Eine weitere Möglichkeit der Berücksichtigung des Art3 EMRK mittels eines Antrages nach §75 FrG könne jedoch nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden, wobei der Gesetzgeber bei dieser Formulierung wohl nur an die in den §§33ff FrG vorgesehenen Verfahren, nicht aber auch an das Verfahren nach §5 AsylG gedacht habe. Demnach sei es sehr zweifelhaft, ob einem betroffenen Fremden dieses Verfahren überhaupt offenstehe. Sollte aber ein derartiger Antrag während eines anhängigen Verfahrens nach §5 AsylG zulässigerweise gestellt werden dürfen und spräche man weiters einer vor Abschluß des fremdenrechtlichen Verfahrens etwa bereits rechtskräftigen Feststellung iSd §5 Abs3 AsylG die formelle oder inhaltliche Bindungswirkung für dieses fremdenrechtliche Verfahren ab bzw. leugne man im Fall umgekehrter Reihenfolge jede Beeinträchtigung der materiellen Rechtskraft dieser Entscheidung durch die spätere, etwa gegenteilig lautende Feststellung iSd §5 Abs3 AsylG, so käme man geradewegs zu dem Ergebnis, daß das auch ohne rechtliche Existenz des §5 Abs3 AsylG gelte bzw. bereits gegolten habe. Eine derartige Auslegung halte der Bundesasylsenat aber dem einfachen Gesetzgeber für kaum mehr zusinnbar.
1.3 Es sei noch auf die Möglichkeit zu verweisen, den Gegenstand eines Verfahrens nach §5 AsylG nicht ausschließlich in der Zuständigkeitsentscheidung zu erblicken, sondern der Ausweisung iSd §5 Abs1 letzter Satz AsylG eigenständigen Inhalt beizumessen. Dabei käme man unschwer zu dem Ergebnis, daß dieser Ausweisung sowohl der Charakter einer Ausweisung nach den §§33ff FrG, weiters aber auch der eines Überstellungsbeschlusses iSd Art11 Abs5 Dubliner Übereinkommen, schließlich aber auch der einer Refoulemententscheidung, bezogen auf den zuständigen Staat, zukomme. Eine derartige Interpretation sei nach Auffassung des Bundesasylsenates im Lichte der Art3, 8, 13 EMRK vollkommen unbedenklich, ihr stehe jedoch entgegen, daß der einfache Bundesgesetzgeber vom Bundesverfassungsgesetzgeber ausdrücklich nur zur Einrichtung des Bundesasylsenates als oberste Berufungsbehörde in Asylsachen ermächtigt worden sei. Im Lichte dieser materiellen Beschränkung bedürfe schon die ihm nach §8 AsylG zugewiesene Kompetenz einer restriktiven Auslegung. Sei aber schon diese sich mit dem Gegenstand eines Verfahrens nach §7 AsylG inhaltlich in beiden Bereichen überschneidende Kompetenz nur mehr ausnahmsweise den Asylbehörden zuweisbar, so scheine die Erlassung einer Ausweisung jedenfalls nicht mehr unter den in Art129c Abs1 B-VG gebrachten Begriff einer Asylsache subsumierbar zu sein.
1.4 Der Bundesasylsenat hege daher zusammengefaßt das Bedenken, daß eine verfassungskonforme Deutung des §5 AsylG nicht möglich sei. Überdies führten die Unklarheiten hinsichtlich der Bindungswirkung einer Feststellung iSd §5 Abs3 AsylG zu einer möglichen Zuständigkeitskonkurrenz (Art83 Abs2 B-VG) zwischen Fremden-, Asylbehörden und ev. den Unabhängigen Verwaltungssenaten. Im Fall antragsgemäßer Aufhebung wären nach Ansicht des Bundesasylsenates die sodann allein anzuwendenden ersten beiden Sätze des §5 Abs1 AsylG verfassungskonform interpretierbar.
2. Den Gesetzesprüfungsanträgen schloß der Bundesasylsenat eine von ihm in den Verfahren G47/00, G83/00 ua. eingebrachte Replik auf die damalige Äußerung der Bundesregierung an und erhob seine replizierenden Ausführungen zum Inhalt der vorliegenden Prüfungsanträge. In dieser Replik wird ua. dargelegt:
Verfassungskonformität des §5 AsylG sei auch nach Ansicht der Bundesregierung nur dann und insoweit gegeben, wenn sichergestellt sei, daß die Schutzgüter der Art3 und 8 EMRK in einem Verfahren nach §5 AsylG erforderlichenfalls ausreichende Berücksichtigung finden. Dem Bundesasylsenat liege es fern, im Bedarfsfall eine konventionskonforme Vollziehung des §5 AsylG durch Einbeziehung des Art3 Abs4 Dubliner Übereinkommen in dieses Verfahren für denkunmöglich zu halten, zumal er selbst bereits diese Auslegung vertreten habe. Da aber die verfassungskonforme Interpretation nicht zwingend sei, werde sie etwa vom Bundesminister für Inneres keineswegs geteilt, der in einem solchen Fall eine Amtsbeschwerde erhoben habe. Nach der in dieser Beschwerde vertretenen Rechtsansicht des Bundesministers für Inneres, der auch das Bundesasylamt im Verfahren vor dem Bundesasylsenat grundsätzlich gefolgt sei, bestehe kein subjektives Recht des Asylwerbers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch das Bundesasylamt, und es sei die in Art3 Abs4 Dubliner Übereinkommen eingeräumte Möglichkeit, eine Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages zu übernehmen, laut AsylG ausschließlich dem Bundesasylamt vorbehalten. Diese von der Bundesregierung vorgeschlagene verfassungskonforme Interpretation werde in der Amtsbeschwerde auch in Bezug auf Art13 EMRK bestritten.
Zur Auslegung des Begriffs "Asylsachen" (Art129c Abs1 B-VG) sei darauf hinzuweisen, daß eine "Ausweisung" als Gegenstand des Begriffes "Asyl" auch im §1 Z2 AsylG (vom Bundesasylsenat wohl irrtümlich als Abs2 bezeichnet) keineswegs genannt sei.
III. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung mit dem (Primär-)Antrag auszusprechen, daß die angefochtenen Bestimmungen nicht verfassungswidrig sind. Ihre Stellungnahme zu den verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesasylsenates hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"Der UBAS äußert im Hinblick auf Art3 EMRK verfassungsrechtliche Bedenken dahingehend, dass die Ausweisung nach §5 AsylG lediglich an die Feststellung der Zuständigkeit eines anderen Vertragsstaates mit der Konsequenz geknüpft ist, dass ohne weitere Prüfung, ob in die Rechte nach Art3 EMRK eingegriffen wird, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zulässig sein sollen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass eine Ausweisung gem. §5 AsylG nur in einen Mitgliedstaat des DÜ erfolgen kann. Im gegebenen Zusammenhang ist hervorzustreichen, dass derzeit sämtliche Vertragspartner des DÜ auch Mitgliedstaaten des Europarates und der EMRK sind und davon auszugehen ist, dass diese Staaten in ihren Rechtsordnungen dem in Österreich bestehenden Rechtsschutz gleichwertige Regelungen vorsehen und dass sie diese Regelungen auch tatsächlich vollziehen. Auch die Erläuterungen zu §5 Abs3 AsylG (1494 BlgNR 20. GP, 3) führen aus, dass diese Bestimmung davon ausgeht, dass Verträge wie das DÜ nur mit Staaten abgeschlossen werden, die sich innerstaatlich denselben Verpflichtungen unterwerfen, wie sie für Österreich in §57 Fremdengesetz festgelegt sind. Die letztgenannte Bestimmung normiert das sogenannte Refoulement-Verbot.
Sollte (pro futuro) allerdings der Fall eintreten, dass ein Vertragsstaat diese rechtlichen Kriterien - generell oder bezogen auf einen Einzelfall - nicht erfüllt, so wäre, wie auch in der Stellungnahme des Bundesasylamts vom 20. März 2000 zutreffend ausgeführt, eine Zurückweisung des Asylantrages gem. §5 AsylG unzulässig und von der Möglichkeit des 'Selbsteintrittsrechtes' gem. Art3 Abs4 DÜ, wonach ein Mitgliedstaat mit Zustimmung des Asylwerbers ein Verfahren 'an sich ziehen' kann, Gebrauch zu machen. Wenngleich diese Bestimmung ein 'Recht' eines Mitgliedstaates normiert und keine Verpflichtung, in bestimmten Fällen von diesem Recht Gebrauch zu machen, muss dieser innerstaatlich unmittelbar anwendbaren Norm des Art3 Abs4 DÜ - sowie auch unter Anwendung des Grundsatzes verfassungskonformer Interpretation (VfSlg. 10.817/1986, 12.468/1990, 15.199/1998) - die Bedeutung beigemessen werden, dass ein Staat von dieser Bestimmung in jenen Fällen Gebrauch machen muss, in denen ansonsten eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte droht; insofern gebietet Art3 Abs4 DÜ daher, eine Grundrechtswidrigkeit, die sich bei strikter Auslegung des §5 AsylG, der die Zuständigkeitsverteilung des DÜ umsetzt, ergeben würde, zu vermeiden. Das DÜ ist ja - wie bereits in den einleitenden Bemerkungen ausgeführt - ein in Verbindung mit den erwähnten innerstaatlichen Rechtsvorschriften grundsätzlich unmittelbar anwendbarer Staatsvertrag. Es ist von den zuständigen Behörden bei Vorliegen der relevanten Voraussetzungen daher auch - neben dem AsylG - anzuwenden.
Dem entsprechend ist §5 Abs1 AsylG so zu interpretieren, dass er unter der vertraglichen Zuständigkeit eines anderen Staates nur eine solche Zuständigkeit versteht, die nach Ausschöpfung jener in der vertraglichen Regelung eingeschlossenen Korrektive besteht, die eine Vermeidung grundrechtswidriger Ergebnisse erlauben. Angesichts dieser Ausführungen kann eine Verfassungswidrigkeit des §5 AsylG im Hinblick auf Art3 EMRK nicht erkannt werden.
3.2 Zu den Bedenken hinsichtlich Art8 EMRK:
...
Wenn ein naher Angehöriger (§10 Abs2 AsylG) in Österreich asylberechtigt ist, ist auf die Sonderbestimmungen der §§10 ff AsylG zur Ermöglichung einer Asylerstreckung zurückzugreifen. §11 Abs1 AsylG normiert, dass die Behörde aufgrund eines zulässigen Antrages durch Erstreckung Asyl zu gewähren hat, wenn dem Asylwerber die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist. In diesem Sinn ist auch in Art4 DÜ vorgesehen, dass dann, wenn der Asylwerber einen Familienangehörigen hat, dem in einem Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der Fassung des Protokolls von New York (BGBl. Nr. 55/1955 idF BGBl. Nr. 78/1974) zuerkannt worden ist und der seinen legalen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat, dieser Staat für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist, sofern die betreffenden Personen dies wünschen.
Im Hinblick auf eine gleichheitskonforme Vollziehung des AsylG muss auch auf den Fall Bedacht genommen werden, dass ein naher Angehöriger in Österreich aufhältig ist, jedoch nicht asylberechtigt ist, aber die Familie aufgrund politischer Konflikte gezwungen ist, den Heimatstaat zu verlassen. Mangels ausdrücklicher Regelung dieses Falles im DÜ sowie im AsylG ist - wie oben erwähnt - in verfassungskonformer Interpretation der genannten Vorschriften davon auszugehen, dass die Behörde - wie auch im Falle eines asylberechtigten Angehörigen - ebenso wie nach der Bestimmung des §11 Abs1 AsylG - zu prüfen hat, ob ein Familienleben gemäß Art8 EMRK in einem anderen Vertragsstaat oder nur in Österreich möglich ist. Letzteren Falles müsste das Bundesasylamt von seinem 'Selbsteintrittsrecht' gemäß Art3 Abs4 DÜ Gebrauch machen.
Auch im Hinblick auf Art8 EMRK ist die behauptete Verfassungswidrigkeit des §5 AsylG daher nach Auffassung der Bundesregierung nicht ersichtlich.
3.3 Zu den Bedenken hinsichtlich Art129c Abs1 B-VG:
...
Bereits in der Stammfassung des §5 AsylG vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999 war das Bundesasylamt zur Erlassung einer Ausweisung zur Umsetzung des DÜ zuständig. Mit dieser Norm wird eine Ausweisung sui generis (vgl. Erk. des VwGH vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0424) vorgesehen. Es muss dem Verfassungsgesetzgeber 1997 daher zugesonnen werden, dass er mit der Verfassungsbestimmung des Art129c Abs1 B-VG und der Einrichtung des UBAS genau jenen (einfachgesetzlichen) Bereich auch umfassen und abdecken wollte, der ihm aktuell zur Umsetzung dieser Verfassungsbestimmung zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegen ist.
3.4 Zu den Bedenken hinsichtlich Art13 EMRK:
...
Diesfalls könnte der Asylwerber jedoch durch Berufung an den UBAS geltend machen, dass die Feststellung, dass ein anderer Staat zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, im Lichte der erwähnten staatsvertraglichen Verpflichtung des Art3 Abs4 DÜ bzw. im Lichte des Gebots einer verfassungskonformen Interpretation des §5 Abs1 AsylG nicht zutrifft und das Bundesasylamt von seinem 'Selbsteintrittsrecht' nach Art3 Abs4 DÜ Gebrauch zu machen hätte.
Ebenso verhält es sich in dem unter Pkt. 3.2 beschriebenen Fall, wenn ein naher Angehöriger im Sinne des §11 Abs1 AsylG in Österreich aufhältig ist, ohne asylberechtigt zu sein. Hier ist der Asylwerber ebenfalls berechtigt, durch Berufung an den UBAS ein mangelhaftes Verfahren zur Feststellung der Zuständigkeit eines Staates zur Durchführung des Asylverfahrens geltend zu machen.
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass dem Asylwerber ein Rechtsmittel an den UBAS zusteht und dieses eine wirksame Beschwerdemöglichkeit an eine nationale Instanz darstellt. Auch hier ist eine Verfassungswidrigkeit des §5 AsylG im Hinblick auf Art13 EMRK nicht ersichtlich.
3.5 Zu den Bedenken hinsichtlich Art83 Abs2 B-VG:
Der UBAS sieht eine im Lichte des Art83 Abs2 B-VG bedenkliche Zuständigkeitskonkurrenz zwischen Asyl- und Fremdenbehörden. Dem ist entgegenzuhalten, dass die in §5 AsylG vorgesehene Ausweisung durch das Bundesasylamt - wie bereits unter Pkt. 3.3 erwähnt - eine solche sui generis darstellt, die kumulativ zu den in §§33 ff FrG normierten Ausweisungen hinzutritt (vgl. Erk. des VwGH vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0424).
Der Gesetzgeber weist die Zuständigkeit zur Erlassung einer Ausweisung nach §5 AsylG ausdrücklich dem Bundesasylamt zu, sodass eine Zuständigkeit der Fremdenbehörden in diesem Fall ausgeschlossen ist.
Da die Zuständigkeit in §5 AsylG somit klar geregelt ist und keine 'Konkurrenz' zu den Fremdenpolizeibehörden besteht, ist diese Bestimmung auch im Hinblick auf Art83 Abs2 B-VG verfassungsrechtlich unbedenklich.
4. Zur Replik des Unabhängigen Bundesasylsenates zur Äusserung der Bundesregierung vom 14. Juni 2000 im Verfahren G47/00, welche aufgrund Punkt I des Antrages des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 31. Oktober 2000 nunmehr Bestandteil des Antrages sein soll, wird folgendes ausgeführt:
Die verfassungskonforme Interpretation 'ist nur ein Ausdruck der allgemeinen Interpretationsmaxime, dass erzeugungsmäßig niedrigere Rechtserscheinungen unter Bedacht auf die - ihre Erzeugung regelnden oder determinierenden - Rechtsvorschriften auszulegen sind. Im Zweifel ist kein Rechtsakt so zu verstehen, dass er fehlerhaft erscheint' (Walter/Mayer, Verfassungsrecht9 (2000) 135). Daher ist, auch im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des VfGH zur verfassungskonformen Interpretation, diese Interpretation zwingend.
Überdies lag in der zitierten Amtsbeschwerde kein Fall einer zu befürchtenden Verletzung des Art3 oder des Art8 EMRK vor, ansonsten wäre schon das Bundesasylamt gemäß Art3 Abs4 DÜ vorgegangen.
...
Zu den Ausführungen des Unabhängigen Bundesasylsenats zur Auslegung des Begriffs 'Asylsachen' in Art129c Abs1 B-VG ist darauf hinzuweisen, dass §1 Z2 AsylG 1997 (vom Unabhängigen Bundesasylsenat wohl irrtümlich als Abs2 bezeichnet) nur den Begriff Asyl als ein subjektives Recht bestimmt, ohne damit den verfassungsrechtlichen Begriff Asylsachen einengen zu wollen. Daher sind die Bedenken zur Subsumtion der Ausweisung unter 'Asylsachen', die der Unabhängige Bundesasylsenat in seiner Replik abermals anspricht, nicht nachvollziehbar."
IV. Der Bundesasylsenat betonte in einer Replik zum erstangeführten Antrag, daß festzustellen sei, ob dem subjektiven Recht auf Schutz vor Verletzung der durch Art3 bzw. Art8 EMRK gewährleisteten Standards ein ausreichend effizientes Verfahren gegenüberstehe. Weiters verneint er die Möglichkeit, eine Ausweisung unter dem Begriff Asylsachen zu subsumieren, da es keinerlei Anhaltspunkte dazu in der Rechtsordnung (§1 Z2 AsylG oder §10 Abs1 Z1 Asylgesetz 1991) gäbe.
V. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Anträge, denen Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen (vgl. auch in diesem Zusammenhang die Begründung der schon erwähnten hg. Beschlüsse G47/00, G83/00 ua.), erwogen:
1. §5 (- diese Paragraphenbezeichnung bezieht sich im folgenden stets auf das AsylG 1997 idF BGBl. I 4/1999 -) ist - wie sich aus dem im Abs1 bezüglich der Annahme der Zuständigkeit eines anderen Staates gebrauchten Adverb "vertraglich" zwingend ergibt - verfassungsrechtlich nicht isoliert, sondern nur in Zusammenschau mit in die österreichische Rechtsordnung generell transformierten Staatsverträgen zu beurteilen. Als derartiger (auf die Zuständigkeit eines anderen Staates bezughabender) Vertrag kommt nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsordnung ausschließlich das Dubliner Übereinkommen in Betracht; eine gleichsam abstrakte Berücksichtigung vom Gesetzeswortlaut an sich mitumfaßter allfälliger anderer zukünftiger Staatsverträge (und damit ein eventuell anderes inhaltliches Verständnis des §5) verbietet sich von vornherein, weil die verfassungsrechtliche Wertung schon zufolge des Sinngehaltes der Art140 und 140a B-VG nur auf dem Boden einer bestehenden (unter bestimmten Umständen einer bestandenen), nicht aber einer fiktiven gesetzlichen bzw. staatsvertraglichen Rechtslage vorgenommen werden kann. Zieht man also das Dubliner Übereinkommen mit in Betracht, so ist (und darin pflichtet der Verfassungsgerichtshof der von der Bundesregierung dargelegten Rechtsauffassung bei) im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob §5 im Einzelfall überhaupt anzuwenden ist, auch das in Art3 Abs4 festgelegte Eintrittsrecht Österreichs als Mitgliedstaat des Dubliner Übereinkommens zwingend zu berücksichtigen. Diese in die österreichische Rechtsordnung kraft genereller Transformation eingegangene Vertragsbestimmung schafft nicht etwa ein durch innerstaatliche Rechtsvorschriften ausschaltbares Recht österreichischer Staatsorgane, die betreffende Asylsache an sich zu ziehen, sondern verpflichtet die zuständige Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des §5 vorzunehmen und von der Annahme einer negativen Prozeßvoraussetzung in der Asylsache abzusehen. Das von der Bundesregierung durch Judikaturhinweise (s.
etwa das zitierte Erk. VfSlg. 15.199/1998) belegte, vom
Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bekräftigte
Prinzip der verfassungskonformen Gesetzesauslegung gebietet es, auch
den Sinnzusammenhang zweier Vorschriften in der Weise zu
berücksichtigen, daß durch eine bestimmte Auslegung der einen
Vorschrift die sonst eintretende Verfassungswidrigkeit der anderen
ausgeschlossen wird. Der Verfassungsgerichtshof stimmt der
Bundesregierung auch darin zu, daß eine strikte, zu einer
Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des
§5 Abs1 durch die Heranziehung des Art3 Abs4 des Dubliner
Übereinkommens von der Asylbehörde zu vermeiden ist; Art3 Abs4 ist -
als ins innerstaatliche Recht transformierte, unmittelbar anwendbare
Norm betrachtet - nicht etwa als eine Ermächtigung zur
Ermessensübung, sondern als eine durch sämtliche in Betracht
kommenden Verfassungsvorschriften zielgerichtete und daher unter dem
Aspekt des Legalitätsprinzips ausreichend determinierte
Rechtsvorschrift zu werten. Damit erledigen sich die vom
antragstellenden Bundesasylsenat aus dem Blickwinkel der Art3 und 8
EMRK vorgebrachten Bedenken (vgl. in diesem Zusammenhang die
Entscheidung des EGMR vom 7. März 2000, T.I. vs United Kingdom, der
zufolge "... the indirect removal ... does not affect the
responsibility of the United Kingdom to ensure that the applicant is
not ... exposed to treatment contrary to Article 3 of the
Convention"). Im gegebenen Zusammenhang bleibt bloß noch anzumerken, daß die Frage, ob überhaupt im Hinblick auf den Kreis der Mitgliedstaaten des Dubliner Übereinkommens im Einzelfall ein Absehen von einer Entscheidung nach §5 in Betracht käme, ebenso unbeantwortet bleiben kann, wie die im Verfahren weiters aufgeworfene Frage, ob der Bundesasylsenat eine seiner Rechtsauffassung nach verfehlte Entscheidung gemäß §5 meritorisch zu korrigieren oder bloß kassatorisch vorzugehen hat.
2. Zum Bedenken, die in Erörterung stehende Regelung verstoße gegen Art13 EMRK, genügt der Hinweis, daß jegliche Entscheidung des Bundesasylamtes, demnach auch eine solche gemäß §5, der uneingeschränkten Rechtskontrolle durch den Bundesasylsenat unterliegt (s. dazu §38 AsylG 1997), gegen dessen Entscheidungen wiederum beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts angerufen werden können.
3. Der Verfassungsgerichtshof vermag auch keineswegs zu finden, daß die in §5 geregelte Ausweisung nicht dem in Art129c Abs1 B-VG festgelegten Begriff der "Asylsachen" zu unterstellen sei. Es ist - wie die folgenden Überlegungen zeigen - evident, daß der Zuständigkeitsbereich des Bundesasylsenates als Berufungsbehörde im Verhältnis zum Bundesasylamt von Verfassungs wegen (zumindest) alle jene Angelegenheiten umfaßt, mit denen das Bundesasylamt durch das AsylG 1997 betraut wurde. Dies folgt schon daraus, daß der Verfassungsgesetzgeber - und zwar offenkundig einem einheitlichen Konzept folgend - einerseits den aus Art129c bestehenden Abschnitt B des sechsten Hauptstücks des B-VG durch Art151 Abs17 B-VG mit 1. Jänner 1998 in Kraft setzte, andererseits mit demselben Inkrafttretenszeitpunkt durch die Verfassungsbestimmung des §42 Abs1 AsylG 1997 dessen §38 Abs1, der im Rahmen seiner Einrichtung des Bundesasylsenates als Rechtsmittelinstanz gegen Bescheide des Bundesasylamtes implizit auf den mit demselben Gesetz festgelegten Wirkungsbereich des Bundesasylamtes abstellt, also auch auf die in §5 Abs1 geregelte Entscheidung über eine Ausweisung.
4. Was schließlich das Antragsbedenken anlangt, daß sich eine im Hinblick auf Art83 Abs2 B-VG unzulässige Zuständigkeitskonkurrenz zwischen der Asylbehörde und den Fremdenbehörden ergeben könnte, so tritt der Verfassungsgerichtshof auch hier dem Standpunkt der Bundesregierung bei, daß es sich bei der in §5 vorgesehenen Ausweisung durch das Bundesasylamt um ein eigenes Rechtsinstitut handelt, das zu den in §§33 f. FrG 1997 normierten Ausweisungen hinzutritt.
5. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß sich die vom Unabhängigen Bundesasylsenat gegen Teile des §5 AsylG 1997 (idF BGBl. I 4/1999) vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken als nicht gerechtfertigt erweisen. Den Gesetzesprüfungsanträgen konnte sohin keine Folge gegeben werden.
VI. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.
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