VfGH G369/2016

VfGHG369/201623.2.2017

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer - auch auf Verfahren zur Rechtsunwirksamerklärung eines Vaterschaftsanerkenntnisses anzuwendenden - Bestimmung des Abstammungsverfahrens; keine Präjudizialität in einem streitigen Verfahren über die Klärung von Pflichtteilsansprüchen

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
ABGB §142, §153 Abs3, §154
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
ABGB §142, §153 Abs3, §154

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge "die Bestimmung des §153 Abs3 ABGB in der Fassung BGBl I 2013/15 zur Gänze" als verfassungswidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. §153 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS 946/1811 idF BGBl I 13/2015, lautet (die angefochtene Gesetzesbestimmung ist hervorgehoben):

"§153. (1) Ein Antrag auf Feststellung, dass das Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt, kann binnen zwei Jahren ab Kenntnis der hiefür sprechenden Umstände gestellt werden. Diese Frist beginnt frühestens mit der Geburt des Kindes, im Fall einer Änderung der Abstammung frühestens mit der Wirksamkeit der Änderung. Ein Antrag ist nicht zulässig, solange die Abstammung des Kindes von einem anderen Mann feststeht.

(2) Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange die antragsberechtigte Person nicht eigenberechtigt ist oder innerhalb des letzten Jahres der Frist durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Antragstellung gehindert ist.

(3) Später als 30 Jahre nach der Geburt des Kindes oder nach einer Änderung der Abstammung kann nur das Kind die Feststellung der Nichtabstammung begehren."

 

2. §154 ABGB, JGS 946/1811 idF BGBl I 13/2015, lautet:

"

Rechtsunwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses

 

§154. (1) Das Gericht hat das Anerkenntnis für rechtsunwirksam zu erklären

1. von Amts wegen, wenn

a) das Anerkenntnis oder – im Fall des §147 Abs2 – die Zustimmung des Kindes oder die Bezeichnung des Anerkennenden als Vater durch die Mutter nicht den Formvorschriften entspricht oder

b) es auf Seiten des Anerkennenden oder – im Fall des §147 Abs2 – des Kindes oder der Mutter an der Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder – beim Anerkennenden oder beim Kind – an der gesetzlichen Vertretung gemangelt hat, es sei denn, der Mangel der gesetzlichen Vertretung ist nachträglich behoben worden oder der Anerkennende hat nach Erreichung der Eigenberechtigung das Anerkenntnis gebilligt;

2. aufgrund eines Widerspruchs, es sei denn, es ist erwiesen, dass das Kind vom Anerkennenden abstammt oder – wenn das Kind durch eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten gezeugt worden ist – dass der Anerkennende dem in Form eines Notariatsakts zugestimmt hat;

3. auf Antrag des Anerkennenden, wenn er beweist,

a) dass sein Anerkenntnis durch List, ungerechte und gegründete Furcht oder Irrtum darüber veranlasst worden ist, dass das Kind von ihm abstammt oder dass an der Mutter eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit seinem Samen oder mit seiner Zustimmung mit dem Samen eines Dritten vorgenommen wurde oder

b) dass das Kind nicht von ihm abstammt und er erst nachträglich von Umständen Kenntnis erlangt hat, die für die Nichtabstammung des Kindes sprechen.

(2) Der Antrag nach Abs1 Z3 kann längstens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Entdeckung der Täuschung, des Irrtums oder der genannten Umstände oder nach Wegfall der Zwangslage erhoben werden. Die Frist beginnt frühestens mit der Geburt des Kindes."

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Der Antragsteller stellt den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag aus Anlass einer Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. September 2016, Z818 41 Cg 55/16f, mit welchem der Antragsteller als beklagte Partei des Ausgangsverfahrens zur Zahlung eines Geldbetrages auf Grund von Pflichtteilsansprüchen der klagenden Partei verurteilt wurde.

2. Zum Sachverhalt führt der Antragsteller aus, dass der verstorbene Erblasser am 8. Juli 1949 ein Vaterschaftsanerkenntnis zu der unehelich geborenen Klägerin abgegeben habe, welche durch Eheschließung des Erblassers mit der leiblichen Mutter der Klägerin im Jahr 1951 die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erlangt habe. Nach dem Tod des Erblassers sei dem Antragsteller – dem leiblichen Sohn des Verstorbenen – als Alleinerben eingeantwortet worden.

3. Im Verfahren vor dem Erstgericht stützte die Klägerin ihr Begehren auf die Behauptung, ihr stünden gesetzliche Pflichtteilsansprüche nach dem Verstorbenen zu. Der Antragsteller begehrte als beklagte Partei des Ausgangsverfahrens die Klagsabweisung, da die Klägerin nicht die leibliche Tochter des Verstorbenen sei und ihr daher keine Pfichtteilsansprüche zustünden. Da der Antragsteller im Abstammungsverfahren keine Parteistellung gehabt habe, sei ihm gegenüber das von seinem Vater abgegebene Vaterschaftsanerkenntnis unwirksam.

4. Das Erstgericht führte in seiner Begründung aus, dass nach der Bestimmung des §153 Abs3 ABGB, welche analog auch auf das Verfahren zur Unwirksamerklärung von Vaterschaftsanerkenntissen anzuwenden sei, nach Ablauf von 30 Jahren nach der Geburt nur mehr das Kind die Feststellung der Nichtabstammung begehren könne. Da die Frist von 30 Jahren seit langem abgelaufen sei, könne ein Antrag auf Unwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses nicht mehr gestellt werden, weshalb der Verstorbene der rechtliche Vater der Klägerin sei und ihr Pflichtteilsansprüche zustünden. Den verfassungsrechtlichen Bedenken könne nicht beigetreten werden, da die allseitige Bindungswirkung von Statusverhältnissen durch die Prinzipien der Rechtssicherheit und der Einheit der Rechtsordnung gerechtfertigt seien. Im Übrigen sei der Antragsteller durch das Vaterschaftsanerkenntnis seines Vaters auf Grund der Reduktion des Erbes nur mittelbar berührt.

5. Der Antragsteller sieht sich durch die angefochtene Bestimmung in den durch Art6 und Art8 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt. Überdies verstoße §153 Abs3 ABGB gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art7 B‑VG). Auf das Wesentliche zusammengefasst bringt der Antragsteller vor, dass der vorliegende Fall aufzeige, dass in Österreich kein faires Verfahren im Rahmen von Vaterschaftsfeststellungen gegeben sei. Es könne nicht sein, dass durch die Frist des §153 ABGB in die Rechte Dritter eingegriffen werde. Außerdem verletze die Bestimmung das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, welches eine Gleichbehandlung von ehelichen und unehelichen Kindern und folglich auch von rechtlichen und leiblichen Kindern verlange. Demgemäß müssten "natürliche oder rechtliche Abkömmlinge" dieselben Rechte genießen, was zufolge §153 Abs3 ABGB nicht der Fall sei.

6. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, mit welcher den Bedenken des Antragstellers entgegengetreten wird. Zur Rechtslage bringt die Bundesregierung auszugsweise das Folgende vor:

"5. Die Rechtsunwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses erfolgt unter den in §154 Abs1 ABGB näher bezeichneten Voraussetzungen von Amts wegen (§154 Abs1 Z1 ABGB), aufgrund eines Widerspruchs (§154 Abs1 Z2 ABGB) oder auf Antrag des Anerkennenden (§154 Abs1 Z3 ABGB). Ein solcher Antrag kann längstens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Entdeckung der Täuschung, des Irrtums oder der genannten Umstände oder nach Wegfall der Zwangslage erhoben werden. Die Frist beginnt frühestens mit der Geburt des Kindes (§154 Abs2 ABGB). Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Ausschlussfrist des §153 Abs3 ABGB analog anzuwenden. Später als 30 Jahre nach der Geburt des Kindes kann somit auch derjenige, der seine Vaterschaft anerkannt hat, die Rechtswirksamkeit des Anerkenntnisses nicht mehr in Frage stellen (RIS-Justiz RS0123634; OGH 20.6.2008, 1 Ob 106/08g = iFamZ2009, 14 [Zemanek]; 20.6.2008, 2 Ob 12/12x). Nach der Übergangsbestimmung des ArtIV §5 Abs2 FamErbRÄG 2004 hat auch diese Frist frühestens mit dem Inkrafttreten der Novelle am 1. Jänner 2005 zu laufen begonnen (OGH 8.3.2012, 2 Ob 12/12x = EF-Z2012, 113; Hopf in KBB4 §154 Rz 6).

 

6. Die Feststellung der Abstammung, deren Änderung oder die Feststellung der Nichtabstammung kann gemäß §142 ABGB nach dem Tod des Kindes oder des Vaters von den Rechtsnachfolgern oder gegen diese bewirkt werden. Bei unehelicher wie auch bei ehelicher Abstammung können die Erben – und ebenso der ruhende Nachlass (OGH 13.7.2007, 6 Ob 150/07p = iFamZ2007, 286 [Fucik]) – als Gesamtrechtsnachfolger (OGH 8.3.2016, 7 Ob 38/06y = EF-Z2006, 16) sowohl des Vaters als auch des Kindes als Antragsteller oder Antragsgegner im Abstammungsverfahren auftreten. Die Fristen der §§153 f ABGB gelten aber auch für die Rechtsnachfolger des Ehemannes und des Kindes. Nach Ablauf der Fristen sind somit auch die Rechtsnachfolger nicht mehr antragsberechtigt. Hat beispielsweise der Ehemann der Mutter noch zu Lebzeiten Kenntnis davon erlangt, dass er nicht der Vater Kindes sein kann, und binnen zwei Jahren keinen Antrag auf Feststellung eingebracht, so haben auch die Rechtsnachfolger des Ehemannes keine Möglichkeit mehr, eine Feststellung nach §153 ABGB oder eine Unwirksamerklärung nach §154 ABGB zu erwirken (RV 471 BlgNR 22. GP 15). Auf ihre eigene Kenntnis der Umstände kommt es in diesem Fall nicht an (vgl. Stormann in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 §142 Rz 1 unter Hinweis auf die ErlRV 471 BlgNR 22. GP 15; Hopf in KBB4 §142 Rz 1; Bernat in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 §153 Rz 8).

 

7. Die Vaterschaft kann nur im Abstammungsverfahren nach §§81 ff AußStrG festgestellt werden. Dieses ist mit besonderen Verfahrensgarantien ausgestattet (Amtswegigkeit, Mitwirkungspflicht). Die nach §§144ff ABGB begründete Abstammung und deren Änderung sowie die Feststellung der Nichtabstammung wirken gegenüber jedermann (§140 ABGB). Eine selbstständige Beurteilung der – durch Anerkenntnis oder gerichtliche Entscheidung begründeten – Abstammung als Vorfrage in einem anderen gerichtlichen Verfahren als dem Abstammungsverfahren ist daher grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. Hopf in KBB4 §140 Rz 1; RIS-Justiz RS0128912; vgl. auch RIS-Justiz RS0009648). Eine inzidente Vaterschaftsfeststellung im Rahmen anderer gerichtlicher Verfahren ist nach der Rechtsprechung nur zulässig, wenn es sich um ein 'nichtexistentes Vaterschaftsanerkenntnis' (OGH 15.12.2015, 10 Ob 71/15m; RIS-Justiz RS0130561), um einen 'Scheinvaterregress' (OGH 2.7.2015, 7 Ob 60/15x) oder um das Kontaktrecht des biologischen Vaters (vgl. dazu §188 Abs2 ABGB idF KindNamRÄG 2013 sowie die Erläuterungen dazu in RV 2004 BlgNR 24. GP 29 unter Hinweis auf EGMR Anayo gegen Deutschland, Appl. 20578/07, sowie die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in VfGH 13.12.2016, G494/2015 Rz 62) handelt. In allen anderen Fällen kann eine Vorfragenbeurteilung hinsichtlich der Abstammung nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes nicht stattfinden (RIS-Justiz RS0128912; vgl. etwa zu Pflichtteilsklagen OGH 21.4.2005, 6 Ob 52/05y, zum Verlassenschaftsverfahren OGH 28.5.2013, 8 Ob 49/13h, zu Erbrechtsklagen OGH 8.8.2007, 9 Ob 31/07k)."

 

7. Zur Zulässigkeit des Antrages bringt die Bundesregierung wörtlich Folgendes vor:

"1. Dem Anlassverfahren liegt eine Klage über Pflichtteilsansprüche zugrunde. Der Antragsteller ist Beklagter in diesem Verfahren. Die Klägerin hat – nach den Feststellungen im Urteil des Landesgerichts Innsbruck – aufgrund eines vom Erblasser abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnisses sowie nachfolgender Verehelichung des Erblassers mit der Kindesmutter rechtlich die Stellung eines Kindes des Erblassers. Der Antragsteller hat den Pflichtteilsanspruch der Klägerin mit der Begründung bestritten, dass sie nicht die leibliche Tochter des Erblassers sei. Mit Urteil vom 19. September 2016 gab das Landesgericht Innsbruck dem Begehren statt, nachdem es sich als Vorfrage mit dem Vorbringen des Antragstellers zur Abstammung der Klägerin befasst hatte. Am 22. Oktober 2016 erhob der Antragsteller dagegen Berufung; gleichzeitig erhob er den vorliegenden Parteiantrag auf Normenkontrolle.

 

2.1. Gemäß §62 Abs2 VfGG idF BGBl I Nr 101/2014 kann von einem Gericht oder einer Person gemäß §62a VfGG ein Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw. die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht der Antragsteller wäre. Der Antrag hat darzulegen, inwiefern das Gericht das Gesetz anzuwenden und welche Auswirkungen die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auf die beim Gericht anhängige Rechtssache hätte.

 

2.2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Gerichtsanträgen fehlt es an der gemäß §62 Abs2 VfGG erforderlichen Präjudizialität, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die angefochtene Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. VfSlg 17.670/2005, 17.790/2006, 17.983/2006).

 

3. Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Anwendbarkeit der angefochtenen Bestimmung des §153 Abs3 ABGB in der vorliegenden anhängigen Rechtssache denkunmöglich:

 

3.1. §153 Abs3 ABGB normiert eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist für die Feststellung der Nichtabstammung eines Kindes vom Ehemann der Mutter. Wie oben dargelegt wurde (s. Pkt. I.7.) kann die Beurteilung der – durch Anerkenntnis oder gerichtliche Entscheidung begründeten – Abstammung oder Nichtabstammung grundsätzlich nur im außerstreitigen Abstammungsverfahren (aufgrund von Anträgen etwa gemäß §153 Abs1 oder §154 Abs1 Z3 ABGB) erfolgen. Eine selbstständige Beurteilung der Abstammung als Vorfrage in einem anderen gerichtlichen Verfahren ist grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. die Nachweise unter Pkt. I.7.). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gilt dies insbesondere auch für Verfahren betreffend Pflichtteilsklagen wie das Anlassverfahren (OGH 21.4.2005, 6 Ob 52/05y). Die Bundesregierung geht folglich davon aus, dass §153 Abs3 ABGB im Anlassverfahren nicht denkmöglich anzuwenden ist.

 

3.2. Selbst unter der – von der Bundesregierung jedoch, wie soeben dargelegt wurde, nicht geteilten – Annahme der Zulässigkeit der Beurteilung der (Nicht-)Abstammung als Vorfrage in einem Verfahren über Pflichtteilsansprüche, ist die angefochtene Bestimmung im Anlassverfahren jedenfalls nicht denkmöglich anzuwenden: §153 regelt die Feststellung der Nichtabstammung von dem Mann, der gemäß §144 ABGB als der eheliche Vater des Kindes gilt (Hopf in KBB4 §§151-153 Rz 2). Ehelicher Vater iSd der angefochtenen Bestimmung ist jener Mann, der mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet ist oder als Ehemann der Mutter nicht früher als 300 Tage vor der Geburt des Kindes verstorben ist. Wie sich aus den Feststellungen im Urteil des Landesgerichts Innsbruck ergibt, ist die Klägerin im Anlassverfahren am 15. Mai 1949 unehelich geboren worden. Erst am 23. November 1951, also rund zweieinhalb Jahre später, ehelichte der Vater des Antragsstellers die leibliche Mutter der Klägerin. Der Sachverhalt betraf daher nicht die Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter iSv §153 ABGB, sondern die Erklärung der Rechtsunwirksamkeit des vom Erblasser abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnisses gemäß §154 Abs1 Z3 ABGB. Danach hat das Gericht auf Antrag des Anerkennenden ein Vaterschaftsanerkenntnis für rechtswidrig zu erklären, wenn dieser beweist, dass das Kind nicht von ihm abstammt und er erst nachträglich von Umständen Kenntnis erlangt hat, die für die Nichtabstammung des Kindes sprechen. Auch ein solcher Antrag hätte aber gemäß §154 Abs2 ABGB binnen zwei Jahren ab Kenntnis der betreffenden Umstände gestellt werden müssen. Da der Vater des Antragstellers nach seinen Angaben gewusst habe, dass die Klägerin nicht seine leibliche Tochter sei (s. Rz 5 des Urteils des Landesgerichts Innsbruck), liegt ein Fristablauf gemäß §154 Abs2 ABGB vor, weshalb eine (analoge, s. oben Pkt. I.5.) Anwendung des §153 Abs3 ABGB von vornherein nicht in Betracht käme. Auch insofern kann die angefochtene Bestimmung im Anlassverfahren nicht denkmöglich anwendbar sein.

 

4. Die Bundesregierung geht folglich davon aus, dass §153 Abs3 ABGB im Anlassverfahren nicht präjudiziell ist. Der Antrag wäre daher als unzulässig zurückzuweisen."

 

8. Die Bundesregierung beantragt, den Antrag mangels Aussicht auf Erfolg abzulehnen, in eventu als unzulässig zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

9. Die beteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Äußerung, mit welcher den Bedenken des Antragstellers entgegengetreten wird. Die beteiligte Partei begehrt, der Verfassungsgerichtshof möge den Antrag als unzulässig zurückweisen, in eventu das Gesetzesprüfungsverfahren einstellen, in eventu die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufheben.

IV. Zulässigkeit

1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist sohin – entsprechend der Formulierung des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache", also eines Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz. Außerdem muss der Parteiantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG "aus Anlass" der Erhebung eines Rechtsmittels gestellt werden.

1.1. Mit der Berufung, aus deren Anlass der vorliegende Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erhoben wurde, wendete sich der Antragsteller gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. September 2016, mit welchem der Antragsteller zur Leistung eines Geldbetrages an die klagende Partei des Ausgangsverfahrens auf Grund von Pflichtteilsansprüchen verpflichtet wurde.

1.2. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels hat der Antragsteller jedenfalls dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass er den vorliegenden Parteiantrag und die Berufung gegen das näher bezeichnete Urteil am selben Tag erhoben und eingebracht hat (vgl. VfSlg 20.001/2015; VfGH 8.10.2015, G264/2015; 26.11.2015, G197/2015).

Der Verfassungsgerichtshof geht auf Grund einer entsprechenden Mitteilung des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. November 2016 davon aus, dass das Rechtsmittel des Antragstellers rechtzeitig und zulässig ist.

2. Ein Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw. wenn die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht der Antragsteller wäre. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG setzt daher voraus, dass die angefochtenen Gesetzesbestimmungen in der vor dem ordentlichen Gericht entschiedenen Rechtssache präjudiziell sind (vgl. zB VfGH 7.10.2015, G224/2015 ua.; 19.11.2015, G498/2015 ua.; VfGH 13.10.2016, G33/2016 ua.; 30.11.2016, G286/2016).

3. Die angefochtene Rechtsvorschrift des §153 Abs3 ABGB bestimmt, dass nach Ablauf von 30 Jahren ab dem Zeitpunkt der Geburt oder der Änderung der Abstammung nur mehr das Kind zur Antragstellung hinsichtlich der Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter aktivlegitimiert ist. Diese das Abstammungsverfahren betreffende Frist wird von der Rechtsprechung in analoger Anwendung der Vorgängerbestimmung zu §153 Abs3 ABGB (§158 Abs3 ABGB aF) auch für das Verfahren zur Rechtsunwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses angenommen (OGH 20.6.2008, 1 Ob 106/08g; vgl. auch OGH 8.3.2012, 2 Ob 12/12x).

3.1. Bei dem Verfahren zur Rechtsunwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses handelt es sich – ebenso wie bei Abstammungsverfahren im Allgemeinen – um ein außerstreitiges Verfahren (§§82 ff AußStrG; Hopf, in: Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg.), ABGB-Kurzkommentar4, 2014, §154 Rz 1; Spitzer, in: Gitschthaler/Höllwerth (Hrsg.), Kommentar zum Außerstreitgesetz, 2013, §82 Rz 18).

3.2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist eine selbständige Beurteilung der – durch Anerkenntnis oder gerichtliche Feststellung be-gründeten – Abstammung oder Nichtabstammung im Rahmen einer Vorfragenprüfung ausgeschlossen (OGH 28.5.2013, 8 Ob 49/13h; 15.12.2015, 10 Ob 71/15m). Auch in Bezug auf die Bestreitung der Ehelichkeitsvermutung des §144 ABGB (§138 ABGB aF) hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass die Vermutung lediglich im Rahmen eines Ehelichkeitsbestreitungsverfahrens widerlegt werden kann und eine vorfrageweise Beurteilung in einem anderen behördlichen Verfahren ausgeschlossen ist (OGH 21.4.2005, 6 Ob 52/05y, in Zusammenhang mit einem Pflichtteilsverfahren; 30.10.2008, 2 Ob 174/08i, jeweils mwN).

3.3. Das Rechtsmittel, aus dessen Anlass der Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestellt wurde, richtet sich gegen ein Urteil in einem streitigen Verfahren über die Klärung von Pflichtteilsansprüchen zwischen dem Antragsteller und der mitbeteiligten Partei. Wie die Bundesregierung zutreffend festhält, ist es vor dem Hintergrund der eben skizzierten Rechtslage geradezu denkunmöglich, dass die Bestimmung des §153 Abs3 ABGB in einem solchen Verfahren angewendet wird, zumal die Rechtsunwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses gemäß §154 ABGB – und damit die analoge Anwendung des §153 Abs3 ABGB – ausschließlich in einem Außerstreitverfahren erfolgen kann.

3.4. Demgemäß können die im Antrag vorgetragenen Bedenken allenfalls nur aus Anlass eines Beschlusses im Verfahren zur Rechtsunwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses zulässiger Weise geltend gemacht werden. Dem Gesamtrechtsnachfolger eines Verstorbenen im Sinne des §142 ABGB kommt dabei dem Grunde nach auch die Legitimation zur Antragstellung auf Rechtsunwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses unter den Voraussetzungen des §154 Abs1 Z3 und Abs2 ABGB zu (OGH 8.3.2006, 7 Ob 38/06y, zur insoweit vergleichbaren alten Rechtslage nach §138a Abs2 ABGB; Deixler-Hübner, in: Kletečka/Schauer (Hrsg.), ABGB-ON1.04 §154 Rz 6; Spitzer, aaO, Rz 22 f).

4. Der Antrag erweist sich damit schon aus diesem Grund als unzulässig.

5. Aus den dargelegten Gründen treffen im Übrigen auch die Ausführungen des Antragstellers zur behaupteten Auswirkung der beantragten Aufhebung auf das weitere Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht nicht zu. Selbst im Falle einer Aufhebung des §153 Abs3 ABGB durch den Verfassungsgerichtshof könnte das Berufungsgericht nämlich auf Grund des Umstandes, dass die Unwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses zwingend dem außerstreitigen Verfahren vorbehalten ist, im streitigen Ausgangsverfahren zu keiner abweichenden Beurteilung betreffend die Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses bzw. die Abstammung gelangen.

V. Ergebnis

1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

3. Der beteiligten Partei sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, da es im Falle eines auf Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens Sache des ordentlichen Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 19.019/2010 mwN).

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