VfGH G224/2021 ua

VfGHG224/2021 ua16.12.2021

Abweisung der Anträge auf Aufhebung einer Bestimmung betreffend den Ausschluss der Amtshaftung für – durch die FMA zugefügte – Schäden der An- und Einleger von Kredit- und Finanzinstituten nach dem FinanzmarktaufsichtsbehördenG; keine Verletzung im Gleichheitsrecht und im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums sowie kein Verstoß gegen den verfassungsgesetzlichen Grundsatz der Amtshaftung; Schutzzweck des finanzmarktrechtlichen Aufsichtsrechtes erfasst ausschließlich die der Aufsicht unterworfenen Rechtsträger, die Kredit- und Finanzinstitute und nicht deren Kunden; nationale und unionsrechtliche bank- und auch sonstige finanzmarktaufsichtsrechtliche Regelungen verfolgen das Ziel eines reibungslosen Funktionierens des volkswirtschaftlich wesentlichen Bank- und Finanzsektors sowie den abstrakten oder institutionellen Schutz der Gläubiger in ihrer Gesamtheit, um das Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren des Finanzmarktes zu gewährleisten; Schutz einzelner An- und Einleger vor Aufsichtsfehlern im finanzmarktaufsichtsrechtlichen Regelungsregime nicht vorgesehen – Beschränkung der Aktivlegitimation auf Banken; keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch den Amtshaftungsausschluss im Hinblick auf die Einlagensicherung von Anlegern; Österreichische Nationalbank im Bereich der Bankenaufsicht ausschließlich als Hilfsorgan der FMA ohne behördliche Kompetenzen tätig

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art23
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
EMRK 1. ZP Art1
StGG Art2
StGG Art5
FinanzmarktaufsichtsbehördenG §3 Abs1
AHG §1
BWG §4, §6, §20, §69, §70, §76
Sanierungs- und AbwicklungsG (BaSAG) §2, §131
Einlagensicherungs- und AnlegerentschädigungsG §7, §12
ABGB §353, §1293, §1295, §1304, §1311
StGB §125
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2021:G224.2021

 

Spruch:

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anträge

1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G224/2021 protokollierten Antrag begehrt die Antragstellerin,

"der Verfassungsgerichtshof möge

 

1. §3 Abs1 Satz 2 FMABG als verfassungswidrig aufheben, sodass §3 Abs1 FMABG lautet wie folgt: 'Für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 genannten Bundesgesetze zugefügten Schäden, einschließlich Schäden gemäß §29 Abs1 DSG 2018, haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes – AHG, BGBl Nr 20/1949. Die FMA sowie deren Bedienstete und Organe haften dem Geschädigten nicht.';

 

2. in eventu das Wort 'Rechtsträgern' und den Halbsatz 'die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen' des §3 Abs1 Satz 2 FMABG als verfassungswidrig aufheben, sodass §3 Abs1 FMABG lautet wie folgt: 'Für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 genannten Bundesgesetze zugefügten Schäden, einschließlich Schäden gemäß §29 Abs1 DSG 2018, haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes – AHG, BGBl Nr 20/1949. Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die unmittelbar zugefügt wurden. Die FMA sowie deren Bedienstete und Organe haften dem Geschädigten nicht.';

 

3. in eventu das Wort 'Rechtsträgern' und den Halbsatz 'die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen' sowie den Begriff 'unmittelbar' des §3 Abs1 Satz 2 FMABG als verfassungswidrig aufheben, sodass §3 Abs1 FMABG lautet wie folgt: 'Für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 genannten Bundesgesetze zugefügten Schäden, einschließlich Schäden gemäß §29 Abs1 DSG 2018, haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes – AHG, BGBl Nr 20/1949. Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die zugefügt wurden. Die FMA sowie deren Bedienstete und Organe haften dem Geschädigten nicht.'".

 

2. Mit weiteren, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G235/2021, G246/2021 und G248/2021 protokollierten Anträgen begehren die antragstellenden Parteien jeweils in ihrem Hauptantrag, der Verfassungsgerichtshof möge

"§3 Abs1 Satz 2 FMABG idF BGBl I 2008/136 als verfassungswidrig zur Gänze aufheben".

 

3. Mit weiteren, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G257/2021, G292/2021, G293/2021 und G300/2021 protokollierten Anträgen begehren die antragstellenden Parteien, der Verfassungsgerichtshof möge

"§3 Abs1 Satz 2 FMABG idF BGBl I 2008/136 als verfassungswidrig aufheben".

 

4. Mit weiteren, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G267/2021, G268/2021, G270/2021 und G299/2021 protokollierten Anträgen begehren die antragstellenden Parteien jeweils in ihrem Hauptantrag, der Verfassungsgerichtshof möge

"§3 Abs1 Satz 2 des Bundesgesetzes über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz – FMABG), BGBl I Nr 97/2001, idF BGBl I Nr 37/2018 als verfassungswidrig aufheben, sodass §3 Abs1 FMABG lautet wie folgt: 'Für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 genannten Bundesgesetze zugefügten Schäden, einschließlich Schäden gemäß §29 Abs1 DSG 2018, haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes – AHG, BGBl Nr 20/1949. Die FMA sowie deren Bedienstete und Organe haften dem Geschädigten nicht.'".

 

5. Mit einem weiteren, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G286/2021 protokollierten Antrag begehrt die antragstellende Partei in ihrem Hauptantrag, der Verfassungsgerichtshof möge (ohne die Hervorhebung im Original)

"aussprechen, dass §3 Abs1 Satz 2 FMABG, StF BGBl I 2001/97 idF BGBl I 2008/136, verfassungswidrig ist und §3 Abs1 Satz 2 FMABG, StF BGBL I 2001/97 idF BGBl I 2008/136, zur Gänze als verfassungswidrig aufheben und weiters aussprechen, dass frühere Gesetzesfassungen nicht wieder in Kraft treten".

 

6. Mit weiteren, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G263/2021, G266/2021, G269/2021, G297/2021, G353/2021 und G356/2021 protokollierten Anträgen begehren die antragstellenden Parteien jeweils in ihrem Hauptantrag, der Verfassungsgerichtshof möge

"Satz 2 in §3 Abs1 des FMABG idF BGBl I 37/2018 als verfassungswidrig aufheben".

 

7. Mit einem weiteren, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G291/2021 protokollierten Antrag begehrt die antragstellende Partei in ihrem Hauptantrag, der Verfassungsgerichtshof möge

"aussprechen, dass §3 Abs1 Satz 2 FMABG idF BGBl I 2008/136 verfassungswidrig ist und §3 Abs1 Satz 2 FMABG idF BGBl I 2008/136 zur Gänze als verfassungswidrig aufheben".

 

II. Rechtslage

§3 des Bundesgesetzes über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz – FMABG), BGBl I 97/2001, idF BGBl I 37/2018 lautet (der angefochtene Satz ist hervorgehoben):

"Haftung für die Tätigkeit der FMA

 

§3. (1) Für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 genannten Bundesgesetze zugefügten Schäden, einschließlich Schäden gemäß §29 Abs1 DSG 2018, haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes – AHG, BGBl Nr 20/1949. Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen. Die FMA sowie deren Bedienstete und Organe haften dem Geschädigten nicht.

 

(2) Die FMA hat bei ihrer Tätigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen alle nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen, zweckmäßigen und angemessenen Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Sie hat dabei auf die Wahrung der Finanzmarktstabilität zu achten. Sie kann bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Prüfungsberichte der Abschlussprüfer und Organe der ihrer Aufsicht unterliegenden Unternehmen sowie die Prüfungsberichte der Oesterreichischen Nationalbank im Rahmen ihrer gesetzlichen Prüfungsbefugnisse nach dem BWG zu Grunde legen, es sei denn, dass sie begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Prüfungsberichte oder an der Fachkunde oder Sorgfalt der Prüfer hat oder solche Zweifel bei entsprechender Sorgfalt hätte haben müssen. Gleiches gilt für die Prüfungsberichte der von der FMA selbst beauftragten Prüfer hinsichtlich der Prüfungshandlungen gemäß den in §2 genannten Bundesgesetzen.

 

(3) Hat der Bund einem Geschädigten den Schaden gemäß Abs1 ersetzt, so kann er von den Organen oder Bediensteten der FMA Rückersatz nach den Bestimmungen des AHG begehren.

 

(4) Die FMA hat den Bund im Amtshaftungs- und Rückersatzverfahren nach den Abs1 und 2 in jeder zweckdienlichen Weise zu unterstützen. Sie hat insbesondere alle Informationen und Unterlagen, die das Amtshaftungs- oder Rückersatzverfahren betreffen, zur Verfügung zu stellen sowie dafür zu sorgen, dass der Bund das Wissen und die Kenntnisse der Organe und Bediensteten der FMA über die verfahrensgegenständlichen Aufsichtmaßnahmen in Anspruch nehmen kann.

 

(5) Die von den der Aufsicht unterliegenden Unternehmen bestellten Abschlussprüfer sind nicht Organe im Sinne des §1 Abs1 AHG, es sei denn, dass sie im gesonderten Auftrag der FMA für diese Prüfungen nach den in §2 genannten Bundesgesetzen durchführen. Gleiches gilt für die Prüfungsorgane gesetzlich zuständiger Prüfungseinrichtungen.

 

(6) Ein auf bundesgesetzlicher Regelung beruhender Ersatzanspruch aus Handlungen der FMA, ihrer Bediensteten oder ihrer Organe, die im Rahmen der Verordnung (EU) Nr 1024/2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. Nr L 287 vom 29.10.2013 S. 63, tätig werden, ist in folgenden Fällen ausgeschlossen:

1. Handlungen in Vollziehung einer Weisung oder Erfüllung eines Auftrages der Europäischen Zentralbank;

2. Handlungen in Vorbereitung oder Durchführung von Entscheidungen der Europäischen Zentralbank;

3. Zusammenarbeit, Informationsaustausch oder sonstige Unterstützung der Europäischen Zentralbank.

 

(7) Ein auf bundesgesetzlicher Vorschrift beruhender Ersatzanspruch aus Handlungen der FMA, ihrer Organe oder ihrer Bediensteten sowie Handlungen der Abwicklungsbehörde oder ihrer Bediensteten, die im Rahmen der Verordnung (EU) Nr 806/2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr 1093/2010 , ABl. Nr L 225 vom 30.07.2014, S. 1, tätig werden, ist in folgenden Fällen ausgeschlossen:

1. Handlungen aufgrund einer Weisung des Ausschusses gemäß §2 Z18a BaSAG;

2. Handlungen in Vorbereitung oder Durchführung von Beschlüssen des Ausschusses gemäß §2 Z18a BaSAG;

3. Handlungen im Bereich Zusammenarbeit, Informationsaustausch oder sonstige Unterstützung des Ausschusses gemäß §2 Z18a BaSAG."

 

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem zu G224/2021 protokollierten Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Die Antragstellerin hat im April 2020 ein Konto bei der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG eröffnet und darauf Ersparnisse eingezahlt.

1.2. Mit Mandatsbescheid vom 14. Juli 2020 untersagte die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG gemäß §70 Abs2 Z4 BWG mit sofortiger Wirkung, weiterhin Bankgeschäfte zu tätigen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Antragstellerin Einlagen in Höhe von € 246.518,18 auf dem Konto der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG.

1.3. In der Folge wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Bilanzfälschung und der Untreue gegen Verantwortliche der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG eingeleitet und mit Wirksamkeit vom 29. Juli 2020 das Konkursverfahren über das Vermögen der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG eröffnet.

1.4. Die Antragstellerin erhielt von der *************************** einen Betrag in Höhe von € 159.030,30. Den verbleibenden Betrag in Höhe von € 87.487,88 hat die Antragstellerin bis dato nicht erhalten; ein Erhalt des offenen Einlagenbetrags ist – nach Meinung der Antragstellerin – im Hinblick auf die Höhe der Forderungen der ************************** als bevorrechtete Gläubigerin gemäß §131 Abs2 Z2 BASAG im Hinblick auf die Insolvenzmasse der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG nicht zu erwarten.

1.5. Die Antragstellerin erhob in der Folge Klage gegen den Bund, gestützt auf einen Amtshaftungsanspruch wegen mangelnder Aufsichtstätigkeit der FMA und der der FMA zurechenbaren Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Die FMA habe Schutzgesetze iSd §1311 ABGB rechtswidrig und schuldhaft verletzt, weil sie im Zuge einer Vor-Ort-Prüfung im Jahr 2015 Mängel in der Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG trotz Vorliegens konkreter Anhaltspunkte einer Whistleblower-Anzeige bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nicht aufgedeckt, die Zuverlässigkeit und fachliche Geeignetheit des Aufsichtsrates der Bank nicht hinreichend überprüft und dadurch §28a Abs5 BWG in unvertretbarer Weise verletzt habe.

1.6. Mit Urteil vom 7. Juni 2021 wies das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Klage der Antragstellerin ab. Das Gericht begründete dies im Wesentlichen damit, dass mit Einführung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG idF BGBl I 136/2008 die Amtshaftung für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der FMA auf Schäden, die den geprüften Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, beschränkt worden sei. Es handle sich dabei um eine zulässige Klarstellung und Definition des Schutzzweckes der Ausübung der Bankenaufsicht. Der Antragstellerin sei daher als Bankkundin die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen auf Grund von Handlungen oder Unterlassungen der FMA und der OeNB im Rahmen der Ausübung der Bankenaufsicht über die Commerzialbank Mattersburg Burgenland AG verwehrt.

2. Gegen dieses Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien erhob die Antragstellerin Berufung und stellte den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten, zu G224/2021 protokollierten Antrag.

Die Antragstellerin legt die Bedenken, die sie zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original):

"IV. Zur Verfassungswidrigkeit des §3 Abs1 Satz 2 FMABG im Einzelnen

 

[…]

 

2. Verstoß gegen Art23 Abs1 und 4 B‑VG

 

a) Art23 Abs1 B‑VG sieht vor, dass öffentliche Rechtsträger, wie der Bund, für den Schaden haften, den die als ihre 'Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaftzugefügt haben.' Art23 Abs1 B‑VG normiert damit den Grundsatz der Amtshaftung und in Durchführung dieser verfassungsrechtlichen Bestimmung ist das Amtshaftungsgesetz (AHG) ergangen. […]

 

b) Nach §1 Abs2 AHG sind Organe alle physischen Personen, die für die genannten Rechtsträger in Vollziehung der Gesetze handeln, unabhängig davon, ob sie dauernd oder nur vorübergehend bestellt sind und unabhängig weiters von der Art der Bestellung. Das AHG verwendet einen funktionellen Organbegriff, weshalb die formelle Organstellung der schädigenden Person nicht erforderlich ist. Es ist daher ausreichend, dass die ermächtigte Person 'bestellt' ist und organisationsrechtlich eine Organstellung besitzt. […]

 

c) Das Verhalten der FMA als im Anlassfall zuständige Bankenaufsichtsbehörde (§69 BWG) ist funktionell dem Bund zuzurechnen (§2 Abs1 iVm §3 Abs1 FMABG). Die Behörde nimmt, wenn sie die Bankenaufsicht durchführt, ua die im BWG grundgelegten Aufgaben und Kompetenzen wahr. […] Die FMA handelt daher in Vollziehung der Gesetze für den Bund. ln §3 Abs1 Satz 1 FMABG ist die Haftung des Bundes nach den Bestimmungen des AHG, für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der Gesetze zugefügten Schäden, normiert. Die Bankenaufsicht ist ein Bereich der Hoheitsverwaltung, weshalb für Schäden, welche die FMA verursacht, grundsätzlich die Amtshaftung des Bundes zu bejahen ist.

 

d) Mit der Novelle BGBl I Nr 136/2008 wurde in §3 Abs1 FMABG ein Satz 2 eingefügt der lautet: 'Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche[,] die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen.' Zur Begründung dieser Gesetzesänderung führt der Gesetzgeber in den Erläuterungen aus, dass damit die Haftung für Schäden, die sich lediglich als Reflexwirkung des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter auswirken, ausgeschlossen werden soll. […]

 

e) §3 Abs1 Satz 2 FMABG schließt die Amtshaftung des Bundes für Schäden von unbeaufsichtigten Dritten – wie zB Einlegern eines konzessionierten Kreditinstitutes – aus. Damit schränkt §3 Abs1 Satz 2 FMABG Art23 B‑VG – also eine einfachgesetzliche Vorschrift eine Verfassungsbestimmung – ein. Art23 Abs1 B‑VG sieht eine solche Einschränkung der Haftung auf bestimmte geschädigte Personen aber nicht vor, sondern stellt auf Schäden ab, die 'wem immer' zugefügt werden. […] Art23 Abs4 B‑VG ermächtigt den einfachen Gesetzgeber zwar, die näheren Bestimmungen zur Amtshaftung durch einfaches Bundesgesetz zu treffen. Die Bestimmung ermächtigt den Gesetzgeber aber eben nicht, dadurch den Kreis der ersatzfähigen Schäden so zu verengen und zu modifizieren, dass die in Art23 Abs1 verfassungsgesetzlich vorgesehene Haftung des Bundes gegenüber 'wem immer' ausgeschlossen wird. […] Eine schrankenlose Einschränkung einer verfassungsgesetzlichen Norm durch eine einfachgesetzliche Bestimmung ist verfassungsrechtlich nicht zulässig. […] Vielmehr muss der einfache Bundesgesetzgeber die ihm durch die Bundesverfassung auferlegten verfassungsrechtlichen Beschränkungen beachten. Das Einräumen eines Ausgestaltungsspielraums ist daher nicht als Ermächtigung zu verstehen, durch welche der einfache Bundesgesetzgeber für einen Teil der Hoheitsverwaltung die Staatshaftung generell oder die Haftung für alle Schäden ausschließen kann, deren Interessen unzweifelhaft im Schutzbereich der verletzten Norm (hier ua jene des BWG) liegen. Da der einfache Gesetzgeber aber diese ihm auferlegten Grenzen bei §3 Abs1 Satz 2 FMABG nicht berücksichtigt hat, ist die Bestimmung kompetenz- und verfassungswidrig.

 

f) Art23 Abs1 B‑VG ist dabei Ausfluss des rechtstaatlichen Prinzips, nach dem die gesamte Vollziehung an das Gesetz gebunden ist und eine Reihe von Einrichtungen das Einhalten der Gesetze sicherstellen soll. Ein durch einen Staatsakt unmittelbar Betroffener kann daher Rechtsmittel erheben, mit welchen er das Prüfen und allfällige Beseitigen eines rechtswidrigen Staatsakts verlangen kann. Dadurch werden die Folgen einer Rechtsverletzung nicht immer gutgemacht, weshalb Art23 Abs1 B‑VG ergänzend eine Schadenersatzpflicht für rechtswidriges Verhalten vorsieht.

 

g) Die zivilrechtliche Haftung der Rechtsträger für rechtswidrige Schädigungen ist daher ein essenzielles Element des Rechtsstaates, gerade, weil es sich dabei um eine effektive Möglichkeit handelt, das staatliche hoheitliche Handeln zu kontrollieren. […] Wohl auch deshalb hielten Kelsen/Fröhlich/Merkl zur Stammfassung des Art23 Abs1 B‑VG 1920 fest, dass 'hinsichtlich des Kreises der geschädigten und daher schadenersatzberechtigten Personen keine Einschränkung gemacht werden' darf. Diese Auffassung kann auf Art23 Abs1 und 4 B‑VG idgF übertragen werden, weil die Grundsystematik der Stammfassung des Art23 B‑VG und der nunmehr geltenden Fassung übereinstimmen. […]

 

h) Der VfGH hat dabei in der Vergangenheit schon festgehalten, dass 'eine gesetzliche Regelung, welche eine Amtshaftung eines Rechtsträgers für die in seinem Vollzugsbereich von welchem Organ auch immer gesetzten rechtswidrig schuldhaften Verhaltensweisen ausschließt,' verfassungswidrig ist, weil sie dem Art23 B‑VG widerspricht. […] Demnach ist es nicht zulässig, die Amtshaftung eines Rechtsträgers für rechtswidriges und schuldhaftes Handeln seiner Organe gegenüber wem immer auszuschließen. Dies würde auch dem rechtsstaatliehen Prinzip der Bundesverfassung widersprechen, weil damit die Möglichkeit, das staatliche hoheitliche Handeln zu kontrollieren, wesentlich geschwächt wird.

 

i) ln Folge könnte diese verfassungswidrige Rechtslage dazu führen, dass die Folgen einer Rechtsverletzung für einen Geschädigten nicht mehr gutgemacht werden können. Ein geschädigter Einleger könnte nämlich bei einer Verletzung der Aufsichtspflicht der FMA weder Schadenersatzansprüche gegen den Bund noch gegen sonst jemanden geltend machen. Ein anderes Rechtsschutzinstrumentarium gegen rechtswidrige Aufsichtsakte (oder Unterlassungen) der Bankenaufsicht sehen weder das FMABG noch das BWG vor. Im Insolvenzfall des beaufsichtigten Rechtsträgers – wie im vorliegenden Fall – könnte der geschädigte Einleger daher leer ausgehen und sein Erspartes verlieren bzw nur die begrenzte Geldsumme aus der Einlagensicherung zurückbekommen. […] Da Art23 Abs1 B‑VG eine Schadenersatzpflicht des Bundes für rechtswidriges Verhalten vorsieht, ist ein Haftungsausschluss für Geschädigte, deren Interessen durch das BWG und das einschlägige Unionsrecht geschützt sind, die folglich keinen Schaden geltend machen können und ihr Erspartes verlieren, nicht im Sinne des Art23 Abs1 und 4 B‑VG.

 

j) Genau diese Nachteile für den Einleger wollte der Gesetzgeber von 2005 bei der Änderung des FMABG verhindern und führte in den Erläuterungen zu §3 Abs1 aus, dass eine Haftung des Bundes (und nicht der FMA selbst) im Interesse des Geschädigten sei, 'der sich beim Bund und nicht bei der nur mit begrenzten Mitteln ausgestatteten Aufsichtsbehörde schadlos halten' will. Eine 'Übertragung des Amtshaftungsrisikos auf die FMA als Rechtsträger wäre für Unternehmen und Konsumenten nachteilig und mit verfassungsrechtlichen Unsicherheiten behaftet.' […]

 

k) Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber selbst bereits das Schlechterstellen der Geschädigten durch die bloße Verlagerung der Haftung vom Bund auf die FMA als verfassungswidrig ansieht. Wenn schon eine pure Verlagerung der Haftung verfassungswidrig ist, dann muss der gänzliche Ausschluss der Haftung für unbeaufsichtigte Dritte (Bankeinleger) umso mehr verfassungswidrig sein. […]

 

I) Eine Ermächtigung des Bundesgesetzgebers zur Einschränkung der aus Art23 Abs1 B‑VG Berechtigten ist nicht vorgesehen (jedenfalls nicht in Art23 Abs4 B‑VG). Auch §1 Abs1 AHG enthält keine solche Beschränkung des Kreises der anspruchsberechtigten Geschädigten. Der einfache Gesetzgeber hätte daher nur die Möglichkeit, die Haftung gemäß Art23 Abs4 B‑VG näher aus[zu]gestalten und wie in §1 Abs1 AHG beispielsweise den Ersatzanspruch auf Geldzahlungen beschränken, sie aber nicht gänzlich auszuschließen. ln §3 Abs1 Satz 2 FMABG wird aber nicht der Schaden(sbegriff) oder der Schutzzweck der Bankenaufsicht konkretisiert, sondern die Haftung für viele Geschädigte, insb Bankeinleger, vollkommen und pauschal ausgeschlossen. Zu betonen ist, dass gerade diese Kategorie an geschädigten Einlegern die überwiegende Mehrzahl beim Ausfall eines Kreditinstituts darstellt, und deren Schutz durch das Bankwesengesetz somit keineswegs ein minderes Interesse reflektiert. Art23 Abs4 B‑VG ermächtigt den Gesetzgeber eben nicht, die Haftung für Geschädigte auszuschließen, deren Interessen unzweifelhaft im Schutzbereich der verletzten Norm (und des im Anlassfall maßgebenden Unionsrechts) liegen. […]

 

m) Ein so weitereichender Ausschluss kann auch nicht durch eine lnteressens- bzw Verhältnismäßigkeitsabwägung gerechtfertigt werden: Der Bund hat schließlich wesentlich einfachere Möglichkeiten, Schäden, wie sie im vorliegenden Fall entstanden sind, zu verhindern, etwa, indem er zusätzliche fachliche und personelle Ressourcen bereitstellt. Derartige Maßnahmen sind wesentlich weniger einschneidend für einzelne Einleger, als – wie im vorliegenden Fall – Einlagen zu verlieren, die. durch die gesetzliche Einlagensicherung nicht geschützt sind. Weiters sehen bereits die allgemeinen, einfachgesetzlichen Normen des Amtshaftungsrechts bestimmte Beschränkungen vor, um eine uferlose Haftung des Bundes zu verhindern (etwa durch Verjährungsfristen, klare Kausalitätsnachweiserfordernisse und Beweislastverteilungen etc).

 

n) Weiters liegt es nicht im öffentlichen Interesse, dass der Bund sich durch eine einfachgesetzliche Haftungsfreistellung von der Haftung befreien kann. Jedenfalls können budgetäre Erwägungen, die 2008 Grund für die Einfügung des §3 Abs1 Satz 2 FMABG waren, den Pauschalausschluss des En[t]schädigungsanspruches der geschädigten Bankeinleger nicht rechtfertigen. Vielmehr besteht das öffentliche Interesse darin, dass der Bund durch vorausschauende Planung und Aufsicht mit hinreichenden Personalressourcen schädigendes Handeln der ihm zurechenbaren Aufsichtsorgane unterbindet. Im Anlassfall sprechen lediglich budgetäre bzw fiskalpolitische Erwägungsgründe gegen eine Übernahme der Haftung durch den Bund; solche Gründe liegen aber nicht hinreichend im öffentlichen Interesse.

 

o) Dabei ist es nicht von Bedeutung, wie das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anführt, ob eine 'bloße' Beschränkung der Haftung vorliegt, weil eine Beschränkung der Haftung auf manche Rechtsträger gleichzeitig einen Ausschluss der Haftung für alle anderen Geschädigten – die durch das BWG und das maßgebende Unionsrecht geschützt werden – bedeutet. Art23 Abs1 B‑VG statuiert aber eine Amtshaftung der öffentlichen Rechtsträger für Schäden, welche ihre als Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zufügen. Art23 Abs1 B‑VG bezieht sich demnach auf jeden Geschädigten, der vom Schutzzweck der einschlägigen Normen umfasst ist und normiert für diesen eine Haftung des Schaden zufügenden Rechtsträgers. Ein Ausschluss von einfachen Gläubigern verstößt gegen Art23 Abs1 und 4 B‑VG.

 

p) Der Ansicht, dass dieser Haftungsausschluss durch den einfachen Gesetzgeber zulässig sei, weil es sich um einen Ausschluss des Schutzzwecks der Bankenaufsicht für die Interessen der Gläubiger handelt, ist nicht zu folgen. Der Schutzzweck ist –wie ich noch unter Punkt 3 zum Gleichheitssatz im Detail ausführen werde – durch Rechtsprechung mehrerer Höchstgerichte, durch gesetzliche Grundlagen im BWG und des unmittelbar anwendbaren Unionsrechts, durch den Gesetzgeber selbst und auch durch die Auffassung der FMA klargestellt. Die Konsequenz dessen, nämlich, dass geschützte Einleger Schadenersatzansprüche geltend machen können, kann nicht durch das Einfügen eines zweiten Satzes in §3 Abs1 FMABG vollständig abgeändert und gänzlich ausgeschlossen werden. Auch deutet in der Genese der genannten Novellierung nichts darauf hin, dass der Gesetzgeber den 'Schutzzweck' der Bankenaufsicht abändern bzw einschränken wollte. Insgesamt verstößt §3 Abs1 Satz 2 FMABG gegen Art23 Abs1 und Abs4 B‑VG und ist daher kompetenz- bzw verfassungswidrig und vom VfGH aufzuheben.

 

q) Eine verfassungskonforme Auslegung des §3 Abs1 Satz 2 FMABG, nämlich dahingehend, dass der Bundesgesetzgeber nur klargestellt hat, dass das Gesetz bloße Reflexschäden ausklammert, aber – im Sinne eines 'auch' – Schäden von Bankeinlegern nicht explizit ausschließt und das Gesetz lediglich Schäden von beaufsichtigten Instituten positiv hervorhebt, scheidet im Anlassfall aus. Dagegen sprechen zunächst systematische Erwägungen – §3 Abs1 Satz 2 FMABG wurde im Gefolge der 'Hypo Alpe-Adria-Krise', wohl aus fiskalischen Erwägungen, gerade deshalb eingefügt, um den Kreis der potentiellen Anspruchsberechtigten zu beschränken. […] Außerdem wäre es in historischer Sicht wenig zielführend, dem Gesetzgeber zu unterstellen, er wollte lediglich die bestehende Rechtsage klarstellen. ln den Erläuterungen zur Novelle BGBl I 2008/136 verweisen die Verfasser der RV ausdrücklich auf die deutsche Rechtslage in §4 Abs4 dt FinDAG. Dieser Hinweis spricht explizit gegen eine bloße Klarstellung.

 

3. Verstoß gegen den Gleichheitssatz

 

a) Der in Art7 Abs1 B‑VG normierte Gleichheitssatz verbietet es dem Gesetzgeber, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zwischen den Normadressaten zu schaffen – er muss im Wesentlichen Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln. Eine Differenzierung ist daher nur dann zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist. Dies ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn die Differenzierung nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen erfolgt. […]

 

b) ln Bezug auf die Haftung des Bundes (der Republik) für das Handeln der FMA kommt es durch die Bestimmung in §3 Abs1 Satz 2 FMABG zu einer unterschiedlichen Behandlung von beaufsichtigten Rechtsträgern und sonstigen potenziell Geschädigten. Für beaufsichtige Rechtsträger bestehen Amtshaftungsansprüche gegen den Bund für Schäden, die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der Gesetze zugefügt werden. Alle anderen durch das Handeln oder Unterlassen der Organe und Bediensteten der FMA in Vollziehung der Gesetze Geschädigten können hingegen keine Amtshaftungsansprüche gegen den Bund geltend machen, obwohl auch sie durch das maßgebende Aufsichtsrecht geschützt werden.

 

c) Eine sachliche Rechtfertigung für das unterschiedliche Behandeln dieser beiden Personengruppen ist aber nicht ersichtlich. Schließlich erstreckt sich doch der Schutzzweck der Bankenaufsicht unterschiedslos nicht nur auf beaufsichtig[t]e Unternehmen (etwa bei rechtswidriger Verweigerung einer Konzession oder dem rechtswidrigen Verhängen einer Maßnahme nach §70 Abs2 BWG), sondern auch auf die Interessen der Bankeinleger. Sowohl beaufsichtigte Rechtsträger als auch Bankeinleger als Bankgläubiger können durch die mangelnde Bankenaufsicht geschädigt werden.

 

d) Aus den Aufsichtsbestimmungen des BWG (zB §§4 ff; 6 Abs2 Z2; 20 ff; 70 Abs2; §76 Abs8) […] folgt, dass nicht nur bestimmte Finanzmarktteilnehmer durch die Bankenaufsicht geschützt werden sollen, sondern diese Bestimmungen vielmehr unterschiedslos den einzelnen Sparer und Einleger, unabhängig von ihrer Finanzkraft, schützen. […] Der Gesetzgeber hat den Zweck, den er mit der Bankenaufsicht im Allgemeinen verfolgt hat, in den Erläuterungen zur Stammfassung des BWG zum Ausdruck gebracht: Demnach ist der individuelle Gläubigerschutz als Maßstab bei der Ausübung der Bankenaufsicht zu wahren. […]

 

e) Da der Schutz der Gläubiger also nach dem Willen des EU- und des nationalen Gesetzgebers Leitmotiv der Bankenaufsicht sein soll, […] wollte der Gesetzgeber mit den Vorschriften zur Bankenaufsicht auch den Schutz einzelner Gläubiger von Kreditinstituten – wie zB Sparern oder Einlegern – bezwecken. Einige Bestimmungen des BWG, insbesondere §70 Abs2, §76 Abs8 und §6 Abs2 Z2 verweisen unmittelbar auf den Gläubigerschutz. Der Zweck des Gläubigerschutzes ergibt sich unter anderem auch unmittelbar aus §69 Abs1 BWG, laut dem das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Bankwesen und an der Finanzmarktstabilität (wozu notwendigerweise auch der Schutz der Einleger zählt, dazu sogleich) als zentraler Aufsichtszweck genannt wird. Es gehen aus dem Wortlaut des §69 Abs1 BWG neben dem Einlegerschutz noch andere Leitmotive der Bankenaufsicht hervor. Der individuelle Gläubigerschutz ist somit eine von mehreren Zielrichtungen der Bankenaufsicht. Dies schadet nicht, weil es für die Qualifikation als Schutzgesetz iSd §1311 ABGB ausreicht, wenn ein Gesetz 'auch nur nebenher' einen bestimmten Schutzzweck verfolgt.

 

f) Auch in der Judikatur ist unbestritten, dass der individuelle Gläubigerschutz ein Bankenaufsichtsziel ist. […] So dient nach ständiger Rechtsprechung des OGH die Aufsicht des Bundes über die Kreditinstitute auch dem Schutz des Gläubigers, womit die Vorschriften der Bankenaufsicht Schutzgesetze zumindest zu Gunsten von Einlegern und Sparern sind. […] Der OGH sprach in einer Entscheidung aus, dass 'das Instrument der Bankenaufsicht auch dem Schutz von Anlegern (Sparern) vor Verlusten' diene. Insbesondere soll es dazu dienen, einer Insolvenz von Banken vorzubeugen, indem Missstände rechtzeitig erkannt und abgestellt sowie drohende Gefahren abgewendet werden. […] Daher können geschädigte Gläubiger einer Bank grundsätzlich Amtshaftungsansprüche gegenüber dem Bund geltend machen.

 

g) Auch der VwGH und das BVwG führen in mehreren Entscheidungen aus, dass das Vertrauen in die Funktion des Kapitalmarktes im Rahmen des Gläubigerschutzes ein wesentlicher Zweck des Bankwesens ist. […] So führt das BVwG beispielsweise aus, dass 'dem Funktionieren des Bankwesens allgemein und dem Vertrauen (der Öffentlichkeit) in den Kapitalmarkt vom Österreichischen Bundesgesetzgeber wie auch jenem der EU sowie seitens der Höchstgerichte ein besonderes öffentliches Interesse bescheinigt' wird und bereits 'mögliche Nachteile für Kunden, Verlust des Vertrauens in das Bankwesen und Beeinträchtigung des Gläubigerschutzes' als Gefährdung dieser zwingenden öffentlichen Interessen zu werten sind. […]

 

h) Selbst die FMA gibt auf ihrer Homepage an, dass es 'der wichtigste Beitrag der FMA zum Verbraucher-, Anleger- und Gläubigerschutz ist, über die Eigenmittelausstattung und Einhaltung der gesetzlichen Verhaltensregeln bei Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu wachen'. […]

 

i) Die Beklagte hat im vorbereitenden Schriftsatz ein Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 25.2.2021, E-5/20 erwähnt und ausgeführt, durch den Verweis darin auf das Urteil des EuGH vom 12.10.2004, Rs C-222/02 sei bestätigt, dass der Zweck der Aufsicht die Wahrung der Stabilität des Finanzmarktes ist und diese somit nicht dem Schutz einzelner Gläubiger dient. Das besagte Urteil betrifft die Aufsichtspflichten im Versicherungs- und Rückversicherungsgewerbe und hat demnach keine Berührungspunkte mit der Bankenaufsicht, weshalb dieses nicht für Ausführungen zum Gläubigerschutz in Bezug auf die Bankenaufsicht herangezogen werden kann. […] Weiters befasst sich das Urteil mit einem Haftungsausschluss nach dem Unionsrecht und bejaht die Zulässigkeit eines solchen nach maßgebendem Sekundärrecht. Das deshalb, weil im konkreten Fall das Ziel der Beaufsichtigung nicht der Schutz einzelner Wirtschaftsteilnehmer, sondern der Schutz des öffentlichen Interesses im Allgemeinen ist. Dies ist allerdings für die Beurteilung der Zulässigkeit nach österreichischem Verfassungsrecht bedeutungslos, weil österreichisches Bankenaufsichtsrecht wie auch das maßgebende EU-Bankenaufsichtsrecht (insbesondere RL 2013/36/EU sowie EU-VO 575/2013 ) ganz klar individuelle Gläubigerinteressen schützen, weshalb ein Haftungsausschluss mit diesen Zielvorgaben nicht kompatibel ist.

 

j) Aus den Ausführungen zum individuellen Gläubigerschutz als ein wesentlicher Bestandteil des Schutzzwecks der Bankenaufsicht ist ersichtlich, dass der Finanzmarkt notwendigerweise nicht nur aus den beaufsichtigten Instituten besteht, sondern auch aus den Kunden bzw Gläubigern der Institute (etwa Einleger). Ohne den einzelnen Kunden ist weder ein funktionsfähiges Bankwesen noch ein stabiler Finanzmarkt denkbar. Im Gegenteil bildet der einzelne Kunde den Ausgangspunkt jedweder Finanzdienstleistung, die korrespondierend vom Staat – via Bankenaufsicht – reguliert wird. Der Gläubigerschutz muss damit auch Individualinteressen umfassen, will er in seinem Zweck nicht völlig ausgehöhlt werden. Damit ist auch die Haftung der Republik (des Bundes) nicht uferlos ausgedehnt, wie – vom Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien im Urteil ausgeführt. Es ist daher auch nicht ersichtlich, wieso die beaufsichtigten Rechtsträger und die einzelnen Bankgläubiger (Einleger), die ebenfalls vom Schutzzweck der Bankenaufsicht erfasst sind, unterschiedlich behandelt werden und alle Sparer und Einleger von der Amtshaftung des Bundes ausgeschlossen werden.

 

k) Zwar erfolgte, wie vom Landesgericht für Zivilrechtsachen in Wien im Urteil ausgeführt, gleichzeitig mit der Änderung des §3 Abs1 FMABG mit BGBI. I Nr 136/2008 auch eine Novellierung der Bestimmungen zur Einlagensicherung, welche den Bankgläubiger zumindest zu einem gewissen Teil vor Schäden schützen sollen. Dem Anleger wird gemäß §7 Abs1 Z5 ESAEG im Sicherungsfall in der Regel eine Einlage bis zu einem Betrag von EUR 100.000,00 erstattet. Darüber hinaus gehende Einlagen können jedoch meist nicht geltend gemacht werden, was aber jedenfalls unsachlich ist.

 

l) Die Einlagensicherung rechtfertigt keine unterschiedliche Behandlung der beaufsichtigten Rechtsträger und der sonstigen Geschädigten. Die Einlagensicherung kann keinen absoluten Schutz für alle Einleger bieten, […] sondern entschädigt Bankgläubiger nur bis zu einem Betrag von EUR 100.000,--. Alle Beträge über der EUR 100.000,-- Grenze werden nicht ausbezahlt. Es ist nicht ersichtlich, wieso beaufsichtigte Rechtsträger Amtshaftungsansprüche gegen den Staat geltend machen und damit in voller Höhe entschädigt werden können, während hingegen Einleger von Amtshaftungsansprüchen gegen den Bund ausgeschlossen werden. Wie gerade auch mein Fall zeigt, stehen die erwartbaren 'Einsparungen' der Republik durch das Unterlassen von Schadenersatzzahlungen auch in keiner adäquaten Relation. Das ergibt sich auch schon daraus, wenn man auf vergangene Fälle zurückblickt, in denen die Republik (der Bund) für mangelhafte Aufsicht der FMA gehaftet hat. Die Bestimmung des §3 FMABG besteht bereits seit langer Zeit ohne Haftungsbeschränkung; das Staatsbudget wurde dadurch aber nicht überfordert.

 

m) Weiters sieht §3 Abs1 Satz 2 FMABG eine Haftung für alle unmittelbaren Schäden der Rechtsträger vor, welche der Aufsicht nach dem Bundesgesetz unterliegen. Die Bestimmung schränkt die Haftung nicht auf die konkret mangelhaft beaufsichtigten Rechtsträger ein. Auch aus diesem Grund verstößt ein Haftungsausschluss für nicht beaufsichtigte Geschädigte gegen den Gleichheitssatz, weil keine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung der einzelnen Einleger vorliegt.

 

n) Es besteht daher keine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von beaufsichtigten Rechtsträgern und sonstigen potenziell geschädigten Bankeinlegern. Diese lässt sich weder aus dem Unionsrecht, dem nationalen Recht, noch aus den einschlägigen Materialien entnehmen und liegt im Ergebnis auch nicht vor.

 

o) Weiters nimmt der Gesetzgeber eine Differenzierung zwischen dem Handeln der FMA und dem Handeln von anderen Organen des Bundes vor. Der Gesetzgeber hat nämlich, im Gegensatz zur Haftung für das Handeln der FMA, die Haftung der Republik für Organhandeln an anderen Stellen nicht ausgeschlossen. So haftet der Bund beispielsweise jedem Geschädigten für Handlungen und Unterlassungen der Organe der Staatsanwaltschaft, nicht aber jedem Geschädigten für die Handlungen und Unterlassungen der Organe und Bediensteten der FMA.

 

p) Auch in diesem Fall ist ein Unterschied zwischen den Organen des Bundes, der eine unterschiedliche rechtliche Behandlung sachlich rechtfertigt, nicht ersichtlich. Vielmehr kommt der Bundesgesetzgeber anscheinend sonst zu dem Ergebnis, dass es ihm zumutbar ist, für das rechtswidrige Handeln seiner Organe zu haften, und zwar unabhängig davon, welcher Kategorie an Geschädigten er ausgesetzt ist. Es ist dem Bund offensichtlich zumutbar, für das rechtswidrige Handeln anderer Organe zu haften, womit offen bleibt, wieso das der Republik bei der FMA nicht zumutbar sein soll.

 

q) §3 Abs1 Satz 2 FMABG verstößt daher auch gegen den Gleichheitssatz, weil einerseits beaufsichtigte Rechtsträger und sonstige potenziell Geschädigte und andererseits Organe und Bedienstete der FMA und andere Organe des Bundes unterschiedlich behandelt werden, ohne dass es dafür eine sachliche Rechtfertigung gibt.

 

4. Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums

 

a) Die Unverletzlichkeit des Eigentums ist verfassungsrechtlich in Art5 StGG und Art1 1. ZP zur EMRK normiert. Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinn sind alle vermögenswerten Privatrechte […], wobei auch ein Schadenersatzanspruch ein solches vermögenswertes Privatrecht iSd Art1 1. ZPEMRK bzw Art5 StGG ist. […] Der Gesetzgeber beschränkte durch Erlassung des §3 Abs1 Satz 2 FMABG verfassungsrechtlich (durch Art5 StGG bzw Art1 1. ZP EMRK) geschützte Ansprüche der Bankeinleger, indem er unbeaufsichtigte Dritte von der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen gegen den Bund ausschließt. Schadenersatzansprüche von unbeaufsichtigten Dritten werden beschränkt.

 

b) Eine Beschränkung des Eigentums ist verfassungsrechtlich dann zulässig, wenn die gesetzlich vorgesehene Regelung im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismäßig ist. […]

 

c) Ein öffentliches Interesse ist ein Allgemeininteresse an der Beschränkung des Eigentums. Dieses wurde beispielsweise bei einer effizienten Strafverfolgung oder der Erhaltung des Gleichgewichtes des Krankenversicherungssystems angenommen. Rein fiskalische Interessen begründen hingegen kein solches öffentliches lnteresse. […] Der VfGH führt in einer Entscheidung aus: 'zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit eines derartigen Eingriffs ist es erforderlich, dessen Intensität mit dem Gewicht der den Eingriff tragenden öffentlichen Interessen – etwa die Unvermeidbarkeit des Eingriffes zur Erhaltung der Finanzierbarkeit des Systems – abzuwägen.' […]

 

d) Im konkreten Fall fehlt jegliches öffentliche Interesse, das die gegenständlich interessierende Eigentumsbeschränkung rechtfertigen könnte. Durch §3 Abs1 Satz 2 FMABG will der Bund den Staatshaushalten vor Schadenersatzzahlungen, welche durch Fehler der ihm zurechenbaren FMA bzw OeNB entstehen, schützen. Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Haftungsausschluss daher rein finanzielle Interessen, welche kein berücksichtigungswürdiges öffentliches Interesse sind. Daher ist der durch §3 Abs1 Satz 2 FMABG resultierende Eigentumseingriff nicht gerechtfertigt. Andernfalls könnte sich der Staat regelmäßig weitgehend von Haftungsansprüchen befreien. Eine Reduktion potenzieller Haftungsfälle sollte hingegen primär über das Verhindern von schädlichem Verhalten erfolgen und nicht über einen gesetzlichen Haftungsausschluss für eben dieses Verhalten.

 

e) Wie das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien in seinem Urteil ausführt, wollte der Gesetzgeber die Haftung beschränken, um die Stabilität des Finanzsystems zu erhalten und dieses vor uferlosen Amtshaftungsansprüchen zu schützen. Die Stabilität des Finanzsystems ist aber nicht dadurch gefährdet, dass der Staat allen Finanzmarktteilnehmern, die durch die Verletzung der Aufsichtspflicht geschädigt wurden, für das Verhalten der FMA haftet, sondern ganz im Gegenteil durch eine mangelhafte Bankaufsicht durch die FMA, bei welcher im konkreten Fall erhebliche Bedenken bestehen. Zudem lässt sich faktisch nicht nachweisen, dass eine Haftungsbegrenzung auf beaufsichtigte Unternehmen keine Überforderung des Fiskus zur Folge hätte. Im Gegenteil halten solche Rechtsträger regelmäßig deutlich höhere Einlagen bei Kreditinstituten als Privatkunden, womit auch das Schadenspotential (etwa bei Entzug der Konzession oder einer rechtswidrigen Maßnahme nach §70 Abs2 BWG) vergrößert wird. Bei einer gewissenhaften Aufsicht durch die FMA würde es nicht zu derartigen Amtshaftungsansprüchen kommen. Die Aufsichtsverletzung ist demnach die Ursache für die Haftung des Bundes und die Amtshaftungsansprüche nur die Wirkung. Werden hingegen Amtshaftungsansprüche ausgeschlossen, tritt sogar der gegenteilige Effekt ein.

 

f) Wenn sich Einleger nicht mehr darauf verlassen können, bei Fehlern in der Bankenaufsicht beim Bund (der Republik) Regress nehmen zu können bzw dass Fehler auf Grund bestehender Haftungen nicht passieren, werden sie erst kein Geld bei Banken einlegen. Das wiederum führt dazu, dass die Banken über weniger Kapital verfügen und dieses in weiterer Folge nicht mehr im Geldkreislauf zur Verfügung gestellt werden kann, was erst recht die Stabilität des Finanzmarkts gefährdet. Damit dient die Haftungsbeschränkung aber schon nicht mehr dem öffentlichen Interesse, weil sie die Stabilität des Finanzsystems nicht stärkt, sondern erst recht gefährdet.

 

g) Eine Haftungsfreizeichnung des Bundes für ein Fehlverhalten der FMA liegt auch deshalb nicht im öffentlichen Interesse, weil die FMA durch diese Befreiung des Bundes für Amtshaftungsansprüche nicht zur genauen und gewissenhaften Ausübung ihrer Aufsichtspflicht motiviert wird. Vielmehr steigt dadurch die Gefahr, dass die Behörde nicht mehr sorgfältig arbeitet, schließlich muss sie in diesem Fall keine Konsequenzen fürchten. Noch dazu besteht die Gefahr, dass sich die FMA mit Kreditinstituten zum Nachteil der Gläubiger in vermehrten Kompromissen arrangiert (zB zur Höhe der Eigenmittel- oder Liquiditätsanforderungen), um das Haftungspotential gegenüber diesen (haftungstechnisch privilegierten) Instituten wegen unverhältnismäßig (strenger) Aufsicht zu reduzieren. Ein haftungsfreies Beaufsichtigen ist aber immanent systemwidrig und auch sonst dem (staatlichen) Haftungsregime fremd – schließlich gibt es auch sonst nirgends eine Vorschrift, bei der eine (privatrechtliche) Aufsichtsperson, ohne Haftungen befürchten zu müssen, tätig werden kann. Daher läuft ein Haftungsausschluss sogar diesem öffentlichen Interesse zuwider. […]

 

h) Verhältnismäßig ist eine Beschränkung dann, wenn bei einer Abwägung der Interessen des Betroffenen an der Vermeidung des Eigentumseingriffs und dem öffentlichen Interesse an der Regelung das öffentliche Interesse überwiegt. Weiters darf die Regelung nicht weitergehen als das zum Erreichen des Regelungsziels notwendig ist. […]

 

i) Mangels öffentlichen Interesses kann aber schon gar kein verhältnismäßiger Eingriff vorliegen, weil der Eingriff in die Interessen der Betroffenen (zB die Interessen der geschädigten Einleger) deutlich weitergeht, als es zum Erreichen eines allfälligen öffentlichen Interesses notwendig wäre. Der Bund (die Republik) könnte nämlich die Fälle, in denen er (sie) für die FMA haftet, auch reduzieren, indem er (sie) versucht, rechtswidriges Handeln oder Unterlassen von vornherein zu unterbinden, dann würde es in Folge auch zu keinen Amtshaftungsansprüchen bzw zu weniger Amtshaftungsansprüchen des Bundes für das Handeln der Organe und Bediensteten der FMA kommen. Der Bund könnte die FMA beispielsweise stärken, indem er ihr mehr personelle oder finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellt. Darüber hinaus sind auch die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätze geeignet, das Ausufern von Haftungsfällen zu reduzieren (zB eingeschränkte Haftung bei bloßen Vermögensschäden). Ein Ausschluss der Amtshaftung für nichtbeaufsichtigte Dritte, die noch dazu Kunden/Gläubiger des ausgefallenen Kreditinstituts und ökonomisch primär Geschädigte sind, geht daher weiter, als für die Erreichung des Regelungsziels notwendig ist.

 

j) Die Entschädigung durch die Einlagensicherung iHv EUR 100.000,-- vermag die Schäden durch die Verletzung der Aufsichtspflicht in vielen Fällen (nämlich jene die eine Summe bis EUR 100.000,-- auf einer Bank angelegt haben) unmittelbar auszugleichen, doch ändert dies nichts daran, dass für Anleger, die über EUR 100.000,-- bei einer Bank angelegt haben, eine Eigentumsbeschränkung besteht, weil sie den Schaden nicht auf Amtshaftungsansprüche gegen den Bund stützen können. Die Eigentumsbeschränkung ist trotz des ESAEG nicht verhältnismäßig, da zum Erreichen eines allfälligen öffentlichen Interesses, wie der Stabilität des Finanzmarktes, andere, für den Anleger weniger eingriffsintensive, Maßnahmen geeignet sind. Dies könnte wie oben angedacht eine Verbesserung der Ausstattung der FMA sein.

 

k) Der Haftungsausschluss des §3 Abs1 Satz 2 FMABG verstößt daher auch gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentumsfreiheit.

 

5. Vergleich mit der deutschen Rechtslage

 

a) Die beklagte Partei hat in der Klagebeantwortung auf die Rechtslage in Deutschland verwiesen und sich darauf gestützt, dass §4 Abs4 deutsches Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz ('dFinDAG') zu dem gleichen Ergebnis führt wie §3 Abs1 Satz 2 FMABG und Amtshaftungsansprüche für Dritte ausschließt. Aus diesem Grund gehe ich an dieser Stelle auf den Vergleich mit der deutschen Rechtslage ein.

 

b) §4 Abs4 dFinDAG, wie auch dessen Vorgängerbestimmung §6 Abs4 deutsches Kreditwesengesetz ('dKWG') idF 22.10.1997 normiert, dass die Bundesanstalt ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt.

 

c) Für das Erheben eines Amtshaftungsanspruchs aufgrund fehlerhafter Entscheidungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ('BaFin') nach §839 BGB iVm Art34 Satz 1 GG ist es nötig, dass die Amtspflicht den Zweck umfassen muss, das Interesse gerade dieses Geschädigten wahrzunehmen. […] Diese Eigenschaft wurde vom BGH zuvor für verschiedene Bestimmungen des dKWG bejaht, weshalb sich der deutsche Gesetzgeber bei der Bestimmung des §6 Abs3 dKWG […] dafür entschied, zu normieren, das Bundesaufsichtsamt nehme die ihm nach diesem Gesetz und nach anderen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahr.

 

d) Der deutsche Gesetzgeber hat im Gesetzesentwurf dazu erläutert, dass durch die Neuregelung ausgeschlossen werden soll, 'dass einzelne Personen die in geschäftlichen Beziehungen zu Kreditinstituten oder sonstigen Unternehmen und Privatpersonen stehen, an die das Bundesaufsichtsamt Maßnahmen richten kann, wegen eines bestimmten Handelns oder Unterlassens der Behörde Schadensersatzansprüche gegen den Staat erheben können.' Eine Haftung für beaufsichtigte Kreditinstitute bestehe hingegen weiterhin. […]

 

e) Aus §4 Abs4 dFinDAG ergibt sich daher ein Ausschluss der Staatshaftung im Bereich der Bankenaufsicht, gegenüber dritten Personen die nicht der Bankenaufsicht unterliegen. So entschied auch der BGH: 'Sowohl §839 BGB als auch Art34 Satz 1 GG setzen für eine Haftung voraus, daß der Amtsträger 'die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht' verletzt hat. Hiervon kann im Bereich der Bankenaufsicht, soweit einzelne Anleger betroffen sind, nicht ausgegangen werden.' […]

 

f) Vorab möchte ich anmerken, dass die Verfassungskonformität der deutschen Bestimmung durchaus umstritten ist. In der Literatur wird etwa die Ansicht vertreten, dass §4 Abs4 FinDAG mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist, weil ein so umfassendes Haftungsrisiko erfasst wird, dass die Bestimmung mit der verfassungsrechtlichen Mindestgarantie der Staatshaftung aus Art34 GG unvereinbar ist. […]

 

g) Die deutsche Rechtslage schließt einen Amtshaftungsanspruch unbeaufsichtigter Dritter aus, doch lässt sich dieser Ausschluss nicht mit der Österreichischen Rechtslage vergleichen. §4 Abs4 dFinDAG normiert den Schutzzweck der Bankenaufsicht und schließt Gläubigerinteressen von diesem aus, woraus in logischer Folge auch ein Haftungsausschluss für Bankgläubiger folgen muss, weil diese sich nicht auf eine Schutzgesetzhaftung berufen können. Der Österreichische Gesetzgeber hat in §3 Abs1 Satz 2 FMABG hingegen nicht den Schutzzweck der Bankenaufsicht normiert, sondern diesen unberührt gelassen und lediglich die Haftung für unbeaufsichtigte Dritte ausgeschlossen.

 

h) Der Schutzzweck in Österreich umfasst weiterhin individuelle Gläubigerinteressen, welche sich daher auf eine Schutzgesetzhaftung berufen können. Dieses völlig andere Iegistische Vorgehen des österreichische[n] Bundesgesetzgebers, um die Haftung Dritter auszuschließen, ist daher der Sache [nach] nicht vergleichbar. Die argumentative Heranziehung der deutschen Rechtslage ist systematisch auch deswegen nicht zielführend, wenn man den textlich anders gefassten §3 Abs6 FMABG in die Betrachtung einbezieht: Danach agiert die FMA bei der Verfolgung des 'unerlaubten Betriebes' ausschließlich im 'öffentlichen Interesse'. Dadurch soll eine Haftung des Bundes nach dem Vorbild des §4 Abs4 dt FinDAG ausgeschlossen werden. §3 Abs1 Satz 2 FMABG kann daher, da die Norm anders textiert ist, nicht wie §3 Abs6 FMABG oder §4 dt FinDAG ausgelegt werden. […]

 

i) Darüber hinaus hat sich der Gesetzgeber 2005 bei der Normierung des §3 Abs1 FMABG bewusst entschlossen, nicht dem deutschen Vorbild zu folgen und den Schutzzweck der aufsichtsrechtlichen Regeln auf die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen einzuschränken, weil dies im Ergebnis faktisch jegliche Haftung des Bundes ausschließt. […] Der Gesetzgeber von 2005 hatte also ohnehin kein Interesse daran, die Haftung für Dritte auszuschließen.

 

6. Unionsrechtskonformität

 

a) Die beklagte Partei zitiert darüber hinaus auch die Entscheidung des EuGH in der Rs Peter Paul ua […] Dieser Entscheidung ging ein Vorabentscheidungsersuchen des BGH zur damals geltenden Rechtslage im Bereich der Einlagensicherung voraus, in dem der EuGH zu dem Schluss kam, dass es grundsätzlich nicht unionsrechtswidrig sei, wenn nach nationalem Recht die für die Bankenaufsicht zuständigen Behörden nur im öffentlichen Interesse tätig werden.

 

b) Die Mitgliedstaaten sind somit zwar nicht zur Einführung von (eigenen) Entschädigungsverfahren verpflichtet, die über den Anwendungsbereich der Einlagensicherungsrichtlinie der EU (damals RL 94/19/EG ) hinausgehen; es steht ihnen aber frei, dies zu tun. Das Unionsrecht steht einer staatlichen Haftung gegenüber Dritten für mangelhafte Bankenaufsicht daher richtigerweise nicht entgegen.

 

c) Überdies könnte §3 Abs1 Satz 2 FMABG auch einen Verstoß gegen Art22 MiFID II (RL 2014/65/EU ) darstellen, welcher die Mitgliedstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass die zuständige nationale Behörde Wertpapierfirmen und Kreditinstitute hinsichtlich der Einhaltung der Bedingungen für deren Tätigkeit laufend überwacht. Aus den Erwägungsgründen der RL geht hervor, dass die MiFID II auch dem individuellen Anlegerschutz dient. […]

 

d) Der EuGH hat in der Rs Peter Paul ua entschieden, dass der Ausschluss von Schadenersatzansprüchen wegen unzureichender Aufsicht für Anleger nicht gemeinschaftsrechtswidrig ist und die europarechtlichen Vorschriften keine Haftung der Mitgliedstaaten für Schäden der Anleger vorsehen. Im Urteil führt der EuGH aus, dass zwar die entsprechenden Richtlinien laut Erwägungsgründen auch den Anlegerschutz beabsichtigen, nirgends aber konkret vorsehen.

 

e) Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass das Urteil aus dem Jahr 2004 stammt. Seitdem wurde nicht nur die RL 1994/19/EG durch die RL 2014/49/EU ersetzt, welche die Entschädigungspflicht der staatlichen Einlagensicherung pro Einleger beitragsmäßig limitiert – anders, als dies die RL 1994/19/EG vorsah. Seitdem ist ferner die MiFID II erlassen worden, welche die Aufsichtspflichten der Mitgliedstaaten nun deutlicher als vor der EuGH-Entscheidung festlegt […] und den Anlegerschutz stärkt. Der individuelle Anlegerschutz wird in den Erwägungsgründen der MiFID II vermehrt erwähnt und als Ziel der Richtlinie, sowie auch als wichtiges und wesentliches Ziel in der Union erkannt. […] Dieser Ansatz ist daher bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen. Ob der EuGH vor diesem Hintergrund die Entscheidung Peter Paul in derselben Weise noch einmal erlassen würde, ist fraglich.

 

f) Aus der Entscheidung geht auch hervor, dass in jenen Fällen, in denen keine Einlagensicherung oder Anlegerentschädigung gegeben ist oder in welchen die Einlagensicherung/Anlegerentschädigung, aus welchen Gründen auch immer, nicht eingreift, diese Lücke durch ein nationales Haftungsregime geschlossen werden muss. Dieser Lückenschluss ist durch die Einführung von §3 Abs1 Satz 2 FMABG unmöglich geworden, weshalb hier auch eine Unionsrechtswidrigkeit vorliegen könnte. […]"

 

3. Die antragstellenden Parteien in den Verfahren zu G235/2021, G246/2021, G248/2021, G257/2021, G263/2021, G266/2021, G267/2021, G268/2021, G269/2021, G270/2021, G286/2021, G291/2021, G292/2021, G293/2021, G297/2021, G299/2021, G300/2021, G353/2021 und G356/2021 hegen ebenso Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung unter dem Blickwinkel des Art23 B‑VG und des Gleichheitsgrundsatzes mit im Wesentlichen gleichlautender Begründung. Mit Ausnahme der Anträge in den Verfahren zu G257/2021, G292/2021, G293/2021 und G300/2021 behaupten die antragstellenden Parteien auch einen Verstoß der angefochtenen Bestimmung gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK. Soweit sich die Bedenken im Einzelnen vom Antrag zu G224/2021 unterscheiden, wird dies in der nachstehenden Beurteilung zum Ausdruck gebracht.

4. Die Bundesregierung erstattete folgende Äußerung zu den in den Anträgen in den Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu G224/2021, G235/2021, G246/2021, G248/2021, G257/2021, G263/2021, G266/2021, G267/2021 und G268/2021 erhobenen Bedenken:

"II. Zu den Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:

 

1. Den Anlassverfahren liegen allesamt Zivilverfahren zur Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen (Schadenersatzansprüchen) gegen die Republik Österreich in der Causa Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG zu Grunde.

 

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat jeweils mit Urteil die Klagen der antragstellenden Parteien abgewiesen, wobei es sich im Rahmen seiner Begründung jeweils auch auf §3 Abs1 zweiter Satz FMABG gestützt hat. Eine Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung dieser Gesetzesbestimmung gemäß Art89 Abs2 B‑VG erfolgte nicht, da das Gericht in den gegenständlichen Anlassverfahren nach reiflicher Überlegung zum Schluss kam, dass gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung keine Bedenken bestehen.

 

Gegen diese Urteile erhoben die antragstellenden Parteien jeweils Berufungen und stellten aus Anlass dieser die vorliegenden Anträge gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG.

 

2. Zur Zulässigkeit

 

Gemäß §62 Abs1 erster Satz VfGG sind die anzufechtenden Bestimmungen genau und eindeutig zu bezeichnen (zB. VfSlg 11.888/1988, 12.062/1989, 12.263/1990, 14.040/1995, 14.634/1996). Es darf nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung [der] antragstellenden Parteien tatsächlich aufgehoben werden soll (VfSlg 12.062/1989, 12.487/1990, 14.040/1995, 16.340/2001). Eine ungenaue Bezeichnung der Gesetzesvorschriften, deren Aufhebung beantragt wird, ist nach stRsp kein verbesserungsfähiger Mangel (VfSlg 14.634/1996; vgl auch VfSlg 17.570/2005).

 

Die antragstellenden Parteien in den zu G224/2021, G235/2021, G246/202[1], G248/2021 und G257/2021 protokollierten Verfahren begehren allesamt die Aufhebung von §3 Abs1 zweiter Satz FMABG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 136/2008. Im Antrag zu G224/2021 wird dabei jedoch der Wortlaut des §3 Abs1 in der Fassung BGBl I Nr 37/2018 zitiert. Im Antrag zu G267/2021 und G268/2021 wird im Rubrum die Fassung BGBl I Nr 136/2008 genannt und in den Anträgen eine Aufhebung in der Fassung BGBl I Nr 37/2018 beantragt. In den Anträgen zu G263/2021 und G266/2021 wird mit dem Hauptantrag die Fassung BGBl I Nr 37/2018 und nur mit Eventualanträgen die Fassung BGBl I Nr 136/2008 – nicht jedoch auch kumulativ mit der Fassung BGBl I Nr 37/2018 – angefochten.

 

Die Bundesregierung weist diesbezüglich darauf hin, dass der angefochtene Satz zwar mit der Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz-Novelle 2008, BGBl I Nr 136/2008, in §3 Abs1 FMABG eingefügt wurde, §3 Abs1 FMABG aber mit dem 2. Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, BGBl I Nr 37/2018, zur Gänze neu erlassen wurde.

 

Nach Ansicht der Bundesregierung ist daher schon fraglich, ob derartige Anträge wie zu G224/2021, G267/2021 und G268/2021 überhaupt der von §62 VfGG geforderten Klarheit gerecht werden und nicht schon aus diesem Grund zurückzuweisen wären.

 

Eine Aufhebung der angefochtenen Bestimmung in der Fassung BGBl I Nr 136/2008 – bzw wohl präziser, ein Ausspruch, dass die Bestimmung verfassungswidrig war (Art140 Abs4 B‑VG) – würde jedenfalls §3 Abs1 zweiter Satz in der Fassung BGBl I Nr 37/2018 nicht beseitigen. Somit wären wohl Schadenszeiträume, die ab dem 15. Juni 2018 (erstmals) entstehen, weiterhin nach §3 Abs1 zweiter Satz FMABG in der Fassung BGBl I Nr 37/2018 zu beurteilen. Diesfalls wäre die Fassung BGBl I Nr 136/2008 nicht (mehr) präjudiziell und die entsprechenden Parteianträge allein schon aus diesem Grunde unzulässig.

 

Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, dass die Anträge zumindest teilweise unzulässig sind.

 

Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof die Anträge dennoch als zulässig erachten sollte, nimmt die Bundesregierung im Folgenden in der Sache Stellung:

 

III. In der Sache:

 

[…]

 

2. Die antragstellenden Parteien führen in den verfahrensgegenständlichen Anträgen – inhaltlich weitgehend übereinstimmend – auf das Wesentliche zusammengefasst aus, §3 Abs1 zweiter Satz FMABG sei vor dem Hintergrund des Bankaufsichtsrechtes verfassungswidrig, weil die Bestimmung gegen das Rechtsstaatsprinzip, gegen Art23 Abs1 und 4 B‑VG, gegen den Gleichheitsgrundsatz sowie gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verstoße.

 

Der individuelle Gläubigerschutz sei Teil des Schutzzweckes der bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen, weshalb der in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG normierte Haftungsausschluss gegenüber nicht von der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) beaufsichtigten Gläubigern der beaufsichtigten Rechtsträger, insbesondere also gegenüber Einlegern, eine kompetenz- und verfassungswidrige Einschränkung darstelle. Die Einschränkung sei weder verhältnismäßig noch sachlich gerechtfertigt, weil der Gesetzgeber mit dem Haftungsausschluss rein finanzielle Interessen verfolge, die kein berücksichtigungswürdiges öffentliches Interesse darstellten; der angefochtene Haftungsausschluss könnte vielmehr die öffentlichen Interessen konterkarieren, weil der Anreiz für eine sorgfältige Bankenaufsicht vermindert würde. Zudem gebe es wesentlich weniger einschneidende Maßnahmen (gelindere Mittel), um eine uferlose Haftung des Bundes zu verhindern. Die Einlagensicherung ändere nichts an der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung, weil sie für Einleger keinen absoluten Schutz biete.

 

Die angefochtene Bestimmung bewirke darüber hinaus eine sachliche Ungleichbehandlung zwischen von der FMA beaufsichtigten Rechtsträgern und Dritten.

 

Schließlich führen manche antragstellende Parteien zusätzlich aus, dass die angefochtene Bestimmung den (bürgerlich-rechtlichen) ersatzfähigen Schaden in verfassungswidriger Weise – ihrer Ansicht nach unabhängig vom Schutzzweck der bankaufsichtsrechtlichen Normen – verändere.

 

3. Zum Schutzzweck bankaufsichtsrechtlicher Normen

 

Die antragstellenden Parteien behaupten, die bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften würden (unter anderem auch) den Schutz der einzelnen Einleger bezwecken.

 

Die Bundesregierung entgegnet dem wie folgt:

 

3.1. Allgemeines

 

Hoheitliches Handeln kann Schaden verursachen. Die Haftung für diesen wird in Art23 B‑VG verfassungsrechtlich institutionalisiert und grundsätzlich bestimmt, dass der Bund, die Länder, die Gemeinden und die sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben, zu haften haben. Die nähere Ausgestaltung dieser Haftung obliegt dem Bundesgesetzgeber, der dazu unter anderem das Amtshaftungsgesetz (AHG), BGBl Nr 20/1949, erlassen hat. Nach §1 leg. cit. haften die öffentlichen Rechtsträger 'nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts' für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Dabei sind die Bestimmungen des allgemeinen Schadenersatzrechts des ABGB maßgeblich, soweit sie nicht durch speziellere Normen, insbesondere das AHG, verdrängt werden.

 

Der Schadensbegriff des Schadenersatzrechts umfasst unterschiedliche Arten des Schadens. Die Art des Schadens ist entscheidend für die Frage, ob und inwieweit er ersetzt wird. Eine Vermögensminderung beim Geschädigten, der keine Verletzung eines absolut geschützten Rechts bzw Rechtsgutes zugrunde liegt, ist als 'reiner Vermögensschaden' zu qualifizieren. Außerhalb einer bestehenden vertraglichen Beziehung ist eine Schädigung des bloßen Vermögens (deliktische Schädigung) grundsätzlich nur dann ersatzfähig, wenn sie vorsätzlich sittenwidrig oder unter Verletzung eines Schutzgesetzes erfolgt ist. Dies gilt im allgemeinen Schadenersatzrecht ebenso wie im Amtshaftungsrecht.

 

Daher gilt auch im Amtshaftungsrecht die Lehre vom Schutzzweck und vom Rechtswidrigkeitszusammenhang. […] Nach der Lehre vom Schutzzweck hat der Schädiger nur diejenigen Schäden zu ersetzen, bei denen dies durch den Zweck der haftungsbegründenden Norm gerechtfertigt ist; […] die Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang besagt, dass der Schädiger nur für jene Schäden zu haften hat, welche die Haftungsnorm verhindern will. Im Fall der Unrechtshaftung ist die Lehre vom Schutzzweck, Rebhahn folgend, mit dem Erfordernis des Rechtswidrigkeitszusammenhanges identisch. […]

 

Schäden, die außerhalb dieses Schutzbereiches liegen, bezeichnet man als 'mittelbare'; sie sind in der Regel […] nicht ersatzfähig – weder im [A]llgemeinen Schadenersatzrecht noch im Amtshaftungsrecht. […] Es soll nämlich nicht jeder irgendwie geartete Vermögensschaden ersetzbar sein, […] eine 'uferlose Haftpflicht' soll also vermieden werden. […]

 

Für die Bejahung eines Schutzzweckes reicht es nicht aus, dass die Regelung tatsächlich ein bestimmtes Interesse schützt; erforderlich ist vielmehr, dass die Norm den Schutz des Interesses objektiv (mit-)bezweckt. […] Dementsprechend umfasst der Schutzzweck auch nicht bloß subjektiv-öffentliche Interessen, sondern kann über diese, die Parteistellung indizierenden Interessen auch hinausgehen. […]

 

Die Bestimmung des Schutzzwecks erfordert daher eine eingehende Analyse der konkreten einzelnen Regelungen; die allgemeine Zielrichtung eines Gesetzes kann hier freilich als Auslegungsstütze dienen, nicht aber unmittelbar den Schutzzweck bedingen. […] Dieser ist vielmehr durch die anerkannten (grammatikalische, systematisch-teleologische, historische) Auslegungsmethoden zu gewinnen. […] Im Folgenden werden daher die einschlägigen rechtlichen Grundlagen vor dem Hintergrund des behaupteten individuellen Gläubigerschutzes analysiert, wobei dabei ein systematisch-teleologischer Auslegungsansatz zur Anwendung gelangt, der das Mandat der FMA vor Augen hat, das insbesondere

 

(1) das Einrichtungsgesetz der FMA (FMABG) (unten Pkt. 3.2.) bestimmt und

(2) durch die materiellen

a) unionsrechtlichen und

b) nationalen

Bankaufsichtsregelungen (unten Pkt. 3.3.) komplementiert wird. […]

 

3.2. Zum Einrichtungsgesetz der FMA

 

Gemäß der Verfassungsbestimmung in §1 Abs1 FMABG ist die Finanzmarktaufsichtsbehörde zur Durchführung der Bankenaufsicht, der Versicherungsaufsicht, der Wertpapieraufsicht und der Pensionskassenaufsicht eingerichtet. Diese Zuständigkeit, insbesondere auch in Verbindung mit §2 FMABG, der die Vollzugsmaterien der FMA nennt, definiert ausweislich der Materialien zur FMABG-Stammfassung den (verfassungsrechtlich garantierten) […] 'Daseinszweck' der 'Allfinanz-Aufsichtsbehörde' (ErlRV 641 BlgNR 21. GP 67).

 

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) umschreibt die Aufsichtstätigkeit der FMA ähnlich institutsbezogen dahingehend, dass sie sich insbesondere auf die Überwachung der Einhaltung der (öffentlich-rechtlichen) Vorschriften der Aufsichtsgesetze des Finanzmarktes durch die beaufsichtigten Unternehmen bezieht und damit grundsätzlich die wirtschaftliche Tätigkeit der der Aufsicht unterliegenden Unternehmen betrifft. […]

 

Die primäre Aufgabe der FMA als Finanzmarktaufsichtsbehörde im Sinne des §1 Abs1 FMABG liegt sohin in der Überwachung des erlaubten Geschäftsbetriebes der in Österreich tätigen Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen, Pensionskassen, Kapitalanlagegesellschaften usw […] Eng damit verwoben ist die Sonderkompetenz betreffend den unerlaubten Geschäftsbetrieb, um auch den 'grauen Kapitalmarkt' […] zumindest ein Stück weit in das Blickfeld der Aufseher zu rücken.[…] Dieser Tätigkeit soll die FMA gemäß dem Gesetzestext des §22e FMABG 'im öffentlichen Interesse' nachkommen. […] Außerdem bestimmt §13 FMABG, dass der FMA auch Kompetenzen hinsichtlich des beim Bundesministerium für Finanzen eingerichteten Finanzmarktstabilitätsgremiums zukommen, das seinem Namen entsprechend gemäß Abs1 leg cit die Finanzmarktstabilität stärken soll.

 

Gemäß §3 Abs2 FMABG hat die FMA bei ihrer Tätigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen alle nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen, zweckmäßigen und angemessenen Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen, wobei sie 'auf die Wahrung der Finanzmarktstabilität zu achten' hat. […]

 

Wie aus den angeführten Bestimmungen deutlich wird, hat die FMA das – volkswirtschaftlich bedeutsame – Interesse der Finanzmarktstabilität zu wahren, also ein Gemeininteresse. Die Bundesregierung verkennt dabei nicht, dass jedes Gemeininteresse auf Individualinteressen basiert, erachtet das Gemeininteresse aber jedenfalls nicht mit dem einzelnen Individualinteresse als deckungsgleich; vielmehr kann es diesem auch diametral entgegenlaufen.

 

Zusammenfassend lässt die Analyse des FMABG – selbst ohne Bezugnahme auf §3 Abs1 zweiter Satz FMABG – nach Ansicht der Bunderegierung eine klare Ausrichtung des Schutzzwecks der Bankenaufsicht erkennen: Dieser liegt im Gemeininteresse der Wahrung der Finanzmarktstabilität. Dieser Befund deckt sich auch mit der Qualifikation des Bankaufsichtsrechtes als Wirtschaftsaufsichtsrecht, […] das sich dadurch auszeichnet, volkswirtschaftliche Ziele anzuvisieren. […]

 

3.3. Zum materiellen Bankenaufsichtsrecht

 

3.3.1. Zum internationalen und supranationalen Rechtsrahmen

 

'Basler Core Principles'

 

Der bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ansässige 'Basler Ausschuss für Bankenaufsicht' – ein internationales Gremium, das sich aus hochrangigen Vertretern der Bankenaufsichtseinrichtungen und Zentralbanken zusammensetzt […] – legt internationale Aufsichtsstandards fest. Diese haben zwar keinen normativen Charakter; nachdem sich das unionsrechtliche und nationale Bankaufsichtsrecht aber an ihnen orientiert, sind sie für die Auslegung der Bestimmungen trotzdem maßgeblich. […]

 

Zu den internationalen Aufsichtsstandards gehören die 'Basler Core Principles'. Dem ersten Prinzip ist zu entnehmen: 'The primary objective of banking supervision is to promote the safety and soundness of banks and the banking system. If the banking supervisor is assigned broader responsibilities, these are subordinate to the primary objective and do not conflict with it.' […] Bankenaufsicht soll also jedenfalls und primär die Sicherheit und Solidität der Banken und des Bankensystems stärken; ihr dürfen zwar weitere Kompetenzen übertragen werden, diese sind aber dem vorrangigen Ziel unterzuordnen und dürfen mit diesem nicht konfligieren.

 

Unionsrechtliche Aufsichtsanforderungen

 

Dieses Prinzip findet sich wieder in den europäischen Umsetzungsakten von Basel III. So hält Erwägungsgrund 7 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen ('CRR') […] fest: 'Mit dieser Verordnung sollten unter anderem die Aufsichtsanforderungen für Institute festgelegt werden, die sich strikt auf die Funktionsweise der Bank- und Finanzdienstleistungsmärkte beziehen und die Finanzstabilität der Wirtschaftsteilnehmer an diesen Märkten sichern sowie einen hohen Grad an Anleger- und Einlegerschutz gewährleisten sollen'. 'Um Sparern vergleichbare Sicherheiten zu bieten und gerechte Bedingungen für den Wettbewerb zwischen vergleichbaren Gruppen von Instituten zu gewährleisten, die Geld oder Wertpapiere ihrer Kunden halten […],' so Erwägungsgrund 33 der CRR, '[…] müssen an Institute gleichwertige finanzielle Anforderungen gestellt werden.'.

 

Im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit soll Erwägungsgrund 47 der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen ('CRD')[…] zufolge die Beaufsichtigung von Instituten auf konsolidierter Basis darauf abzielen, 'die Interessen von Einlegern und Anlegern zu schützen und die Stabilität des Finanzsystems sicherzustellen', wobei es den Behörden möglich sein soll, 'geeignete Maßnahmen [zu] ergreifen, um weitere Verstöße zu verhindern, um dadurch die Interessen der Einleger, Anleger und sonstigen Personen, für die Dienstleistungen erbracht werden, zu schützen oder die Stabilität des Finanzsystems zu sichern' (vgl Art50 Abs4 CRD).

 

Auch hier steht also die Funktionsweise der Bank- und Finanzdienstleistungsmärkte strikt im Vordergrund, aus der sich wiederum die Stabilität der Finanzintermediäre […] sowie ein hohes Schutzniveau für Gläubiger ableiten (sollen). Dass diese Ziele keinesfalls überholt sind, zeigt auch Erwägungsgrund 4 der Verordnung (EU) 2019/876 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr 648/2012 , ABl. L Nr 150 vom 07.06.2019 S. 1 ('CRR II'), wonach die angeordneten 'Risikominderungsmaßnahmen' die 'Widerstandsfähigkeit des europäischen Bankensystems und das Vertrauen der Märkte in dieses System weiter stärken' sollen und 'Grundlage für weitere Fortschritte bei der Vollendung der Bankenunion bilden' sollen.

 

Neben der CRR und CRD bilden insbesondere […] noch die BRRD (Richtlinie 2014/59/EU zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen) […] und die DGSD (Richtlinie 2014/49/EU über Einlagensicherungssysteme) […] das sogenannte europäische 'Single Rule Book' – das Fundament der europäischen Bankenunion, welche

(1) den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus ('SSM'; als materiell-rechtliche Bestimmungen fungieren hier vor allem die CRR und CRD),

(2) den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus ('SRM'; als materiell-rechtliche Grundlage ist hier insbesondere die BRRD zu verorten) und

(3) die Einheitliche Einlagensicherung (einschlägige materiell-rechtliche Regelungen finden sich in der DGSD)

umfasst und in der die FMA als national zuständige Behörde fungiert. […]

 

Laut Erwägungsgrund 5 der BRRD zielt das Abwicklungsregime darauf ab, 'eine Destabilisierung der Finanzmärkte verhindern [zu] helfen und die Kosten für die Steuerzahler so gering wie möglich [zu] halten'. Die Einlagensicherungsrichtlinie soll entsprechend dem Erwägungsgrund 3 der DGSD schließlich '[…] wesentlich zur Verwirklichung des Binnenmarkts für Kreditinstitute bei[tragen] und […] gleichzeitig die Stabilität des Bankensystems und den Schutz der Einleger [erhöhen]'.

 

Die Ziele des materiellen unionsrechtlichen Bankaufsichtsrechtes sind demnach vielfältig; sie umfassen die Sicherstellung der Funktionsweise der Bank- und Finanzdienstleistungsmärkte, der Widerstandsfähigkeit des europäischen Bankensystems, die weitere Stärkung des Vertrauens der Märkte in dieses System, die Finanzstabilität der Wirtschaftsteilnehmer, einen hohen Grad an Anleger- und Einlegerschutz sowie den Schutz der Steuerzahler.

 

Wenngleich die unionsrechtliche Gesetzgebung zwar nicht ausdrücklich eine Rangfolge bestimmt, ergibt sich eine solche jedoch schon vor dem Hintergrund des erwähnten ersten Prinzips der Basler Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht denklogisch und zwingend, da ohne Funktionsschutz ('Funktionsweise der Bank- und Finanzdienstleistungsmärkte') auch die anderen genannten Ziele nicht verwirklichbar sind; beispielsweise ist ein 'hoher Grad an Anleger- und Einlegerschutz' nur erreichbar, solange der Bankenmarkt funktioniert und ist der Funktionsschutz das zentrale Ziel der europäischen Bankenaufsicht, dem alle anderen Ziele untergeordnet bzw von diesem abgeleitet sind. […]

 

Umgesetzt werden die voranstehenden Zielsetzungen durch die bankaufsichtsrechtlichen Ordnungsnormen (zB betreffend Eigenmittel- oder Liquiditätskennzahlen, Offenlegungsvorschriften usw) und die den zuständigen Behörden an die Hand gegebenen Aufsichtsinstrumente. Diese beziehen sich – entsprechend dem Konzept der Bankenunion – sowohl auf Banken im laufenden Betrieb ('going concern'; CRD, CRR) als auch auf die Vor- und Nachbereitung von Krisensituationen bzw den Folgen eines (teilweisen) Marktaustritts eines Instituts ('gone concern'; BRRD, DGSD). […] Inhaltlich verfolgen sie den – insbesondere nach den Erfahrungen der Finanzkrise im Jahr 2008 – Gedanken des Systemschutzes.

 

Der systemische Schutzcharakter der Bankenaufsicht findet sich auch im Präventivgedanken des Abwicklungsregimes. So definiert sich die Abwicklungsfähigkeit eines Instituts dadurch, dass es 'aus Sicht der Abwicklungsbehörde durchführbar und glaubwürdig ist, das Institut im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens zu liquidieren oder es durch Anwendung verschiedener Abwicklungsinstrumente und -befugnisse abzuwickeln, und zwar bei möglichst weit gehender Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen – auch im Kontext allgemeiner finanzieller Instabilität oder systemweiter Ereignisse – auf die Finanzsysteme des Mitgliedstaats, in dem das Institut niedergelassen ist, oder der anderen Mitgliedstaaten oder der Union und in dem Bestreben, die Fortführung bestimmter von dem Institut ausgeübter kritischer Funktionen sicherzustellen' (Art15 Abs1 UAbs2 BRRD). Abwicklungsbehörden haben die Abwicklungsfähigkeit der Institute dementsprechend zum Schutz des Finanzsystems sicherzustellen. Die Situation der Gläubiger ist für die Beurteilung der Abwicklungsfähigkeit hingegen nur im Rahmen der 'Bewertung der Glaubwürdigkeit' der Durchführung einer Abwicklung iSd BRRD relevant (vgl Anhang Abschnitt C Nr 24 BRRD). […]

 

Sollte es schließlich tatsächlich zum Ausfall eines Instituts kommen, soll das Abwicklungsregime sicherstellen, dass die aus dem Ausfall entstehenden Verluste primär von den Eigentümern des Instituts getragen werden (zB durch eine übergeordnete Finanzholdinggesellschaft), nicht aber durch den Staat bzw Steuerzahler (zB durch staatlichen 'bail-out' […]). Abwicklungsinstrumente dürfen nur dann eingesetzt werden, wenn die Abwicklung im Sinne der BRRD im öffentlichen Interesse liegt (Art32 Abs1 litc BRRD) und die normierten Abwicklungsziele der BRRD (zB Finanzmarktstabilität, Erhalt kritischer Funktionen sowie Schutz der Einleger; vgl Art31 BRRD) dadurch auch tatsächlich erreicht werden können. Das Abwicklungsregime zielt also primär darauf ab, dass das Marktausscheiden eines Instituts die Finanzmarktstabilität nicht beeinträchtigt. Die Abwicklungsbehörde darf sogar in die Rechte von (nicht ausgenommenen) Gläubigern, wenn auch unter strikten Determinanten, eingreifen, zB Verbindlichkeiten herabschreiben oder in Anteile oder andere Eigentumstitel des Instituts umwandeln ('bail-in'). […] Ist die Abwicklung des Instituts nicht im 'öffentlichen Interesse', wird das Institut nach nationalem Recht liquidiert (vgl Art32b BRRD). Die unbedingte Vermeidung der Insolvenz mit allen Mitteln, etwa durch Staatshilfe, ist weder ein Ziel der Bankenaufsicht noch der Abwicklungsbehörde und würde insbesondere dem Abwicklungsziel des Schutzes öffentlicher Mittel durch geringere Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln widersprechen (Art31 Abs2 litc BRRD) […]. Damit steht der Schutz des Finanzsystems eindeutig im Vordergrund; der einzelne Gläubiger hat grundsätzlich das von ihm eingegangene Ausfallrisiko zu tragen, daraus resultierende Verluste – etwa bei einem 'bail-in' – hinzunehmen und damit seinen Beitrag zur Erhaltung der Finanzmarktstabilität und zur Vermeidung der Verlagerung auf die gesamte Volkswirtschaft und auf alle Steuerzahler zu leisten.

 

Der Schutz einzelner Einleger ist dem harmonisierten Instrument der Einlagensicherung vorbehalten. Der dort geforderte 'Single Customer View' soll sicherstellen, dass einzelne Einleger bis zu einer gewissen, europarechtlich vollharmonisierten, Obergrenze (EUR 100.000; in bestimmten Fällen EUR 500.000) durch ein System der 'Solidarität', das durch die Mitgliedsbanken ex-ante und ex-post gespeist wird, geschützt werden. Einlagebeträge, welche die Obergrenze übersteigen, sind aus der Insolvenzmasse zu befriedigen, wenn auch weiterhin vorrangig in der Rangfolge. Eine Haftung durch den Staat und somit den Steuerzahler ist in der DGSD gerade nicht intendiert. Trotz der privilegierten Lage für einzelne Einleger ist zu betonen, dass auch das Instrument der Einlagensicherung aus Finanzmarktstabilitätsgründen eingeführt wurde. […] Das Sicherungsnetz soll gerade 'bank-runs' und adverse Kettenreaktionen am Finanzplatz aufgrund des Vertrauensverlusts verhindern. […] Die DGSD hat damit ebenso primär systemischen Charakter. […]

 

Die Zusammenschau der unionsrechtlichen materiellen bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen zeigt, dass die Ziele, die damit verfolgt werden, vielseitig sind. An erster und oberster Stelle steht aber der Funktionsschutz der Finanzmärkte. Eine unbedingte Insolvenzvermeidungsgarantie ist aus den Vorschriften genauso wenig abzuleiten wie eine undifferenzierte Verlagerung der Kosten eines Bankausfalles auf die Allgemeinheit, da gerade der Steuerzahler geschützt werden soll. Insoweit ist der Gläubigerschutz im Sinne eines systemischen Gläubigerschutzes und Gläubigerbegriffes ein Aufsichtsziel.

 

Dagegen ist der Schutz des einzelnen Sparers oder Einlegers weder explizit normiert noch kann dieser den einschlägigen Bestimmungen nach Ansicht der Bundesregierung durch Auslegung entnommen werden. Aus dem zu verfolgenden Funktionsschutz, der nicht absolut intendierten Insolvenzvermeidung, dem zu beachtenden Schutz der Steuerzahler und dem Umstand, dass die Instrumente der Bankenaufsicht nicht derart kalibriert sind, die Gläubiger als Individuen zu schützen, ergibt sich zwingend, dass die unionsrechtlichen materiellen bankaufsichtsrechtlichen Regelungen gerade keinen individuellen, sondern einen kollektiven Gläubigerschutz vor Augen haben.

 

Wie bereits vorstehend angesprochen, gibt es sogar vom Unionsgesetzgeber vorgesehene Fälle bzw Fallkonstellationen, in denen Gläubiger im Krisenfall entsprechend ihrer Rangordnung sogar einen direkten Beitrag zur geordneten Abwicklung der Bank zu leisten haben. Inhaber gedeckter Einlagen werden durch das Einlagensicherungssystem zwar (begrenzt) geschützt; dieser begrenzte Schutz generiert aber den intendierten Anreiz zur Streuung der Gelder am Finanzmarkt bzw zur reflektierten, risikobewussten bzw risikoaversen und nicht profit-(zins-)maximierenden Einlageentscheidung und unterstützt damit ebenso insbesondere das Ziel der Finanzmarktstabilität, indem Einlagen zum einen im Sinne einer Risikosteuerung am Finanzmarkt gestreut und zum anderen dort veranlagt werden, wo nach vernünftiger Einschätzung das geringe Risiko und nicht, wo der aktuell am höchsten zu erzielende Zinsprofit und regelmäßig auch das höchste Risiko vorhanden ist.

 

Ein individueller Gläubigerschutz wird daher von den materiellen europäischen bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften weder intendiert noch als geboten erachtet. […] In diesem Sinne hat der einzelne Gläubiger auch im Falle einer Abwicklung nach dem Bankabwicklungsrecht nur Anspruch auf Gleichbehandlung im Verhältnis zu Gläubigern desselben Rangs (Gläubigergleichbehandlung, Art34 Abs1 litf BRRD bzw die nationale Umsetzung in §53 Abs1 Z6 Sanierungs- und Abwicklungsgesetz – BaSAG, BGBl I Nr 98/2014) sowie darauf, nicht größere Verluste zu tragen, als er im Fall einer Verwertung des ausgefallenen Instituts im Wege eines Konkursverfahrens zu tragen gehabt hätte ('No-Creditor-Worse-Off-Prinzip', Art34 Abs1 litg BRRD bzw die nationale Umsetzung in §53 Abs1 Z7 BaSAG). Es gibt keinen individuellen Anspruch des Gläubigers auf Abwicklung eines ausgefallenen Instituts.

 

Zur Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union bzw EFTA-Gerichtshofes

 

Dieses Ergebnis wird auch von der einschlägigen Rechtsprechung getragen:

 

Rechtssache Peter Paul ua

 

In dem – auch seitens der antragstellenden Parteien angeführten – Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 12.10.2004, C-222/02 Peter Paul ua, hat sich dieser mit der Reichweite der für die Aufsicht über Kreditinstitute wesentlichen Richtlinien 94/19/EG , 77/780/EWG , 89/646/EWG sowie 89/299/EWG auseinandergesetzt. Die genannten Richtlinien gewähren dem Einzelnen nach diesem Urteil nicht Rechte für den Fall, dass seine Einlagen auf Grund einer unzureichenden Aufsicht der zuständigen nationalen Behörden 'nicht verfügbar sind'. Sie stehen auch einer Regelung, wonach das Bundesaufsichtsamt die ihm zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt, nicht entgegen. Das gilt selbst dann, wenn es eine solche Regelung ausschließt, dass der Einzelne bei Verletzung von Aufsichtsbestimmungen durch die Aufsichtsbehörde Schadenersatz verlangen kann. Die genannten unionsrechtlichen Richtlinien verhalten die Mitgliedstaaten also nicht dazu, dem einzelnen Einleger für diesen Fall Rechte, insbesondere Schadenersatzansprüche, zu verschaffen. […]

 

In den Schlussanträgen wird festgehalten, dass sich '[…] bereits aus dem Wortlaut der [betreffenden] Bestimmungen [ergibt], dass durch sie ausschließlich Rechtsbeziehungen zwischen den zuständigen Behörden bzw Sicherungssystemen und den Kreditinstituten geregelt werden. Die gegenteilige Auffassung würde, […] dazu führen, die Aufsichtstätigkeit der zuständigen Behörden zu lähmen, da diese möglicherweise bedeutenden Schadenersatzforderungen ausgesetzt wären.'.

 

Rechtssache Schmitt

 

Auch in einer rezenteren Entscheidung des EuGH vom 16.02.2017, C-219/15 Schmitt, nimmt der EuGH Bezug auf seine Entscheidung in der Rechtssache Peter Paul ua und hält im Zusammenhang mit der Auslegung einer Richtlinie über Medizinprodukte fest, dass '[…] sich weder aus dem Umstand, dass eine Richtlinie bestimmten Stellen Überwachungspflichten auferlegt, noch daraus, dass diese Richtlinie auch den Schutz der Geschädigten bezweckt, zwingend ergibt, dass sie Rechte zugunsten der Geschädigten für den Fall schaffen soll, dass die betreffenden Stellen ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, was insbesondere dann gilt, wenn die Richtlinie keine ausdrückliche Bestimmung enthält, die derartige Rechte gewährt […]'.

 

Solvabilität II-Richtlinie (EFTA-Gerichtshof)

 

Ebendiese Ansicht, wonach der Schutzzweck der Aufsichtstätigkeit nicht den Schutz der individuellen Gläubiger umfasst, wurde zuletzt auch durch die Entscheidung des EFTA-Gerichtshofes vom 25.02.2021, die zur Solvabilität II-Richtlinie und den entsprechenden Vorgängerrichtlinien erging, gestützt. Hier sind insbesondere auch die 'Written Observations' der Europäischen Kommission hervorzuheben, wonach die gegenständlichen Art27 und 28 der Solvabilität II‑Richtlinie 'do not grant any right to any individual person but rather serve to enhance the efficiency and effectiveness of the supervision of insurance and reinsurance undertakings.'.

 

Schlussfolgerung aus dem Unionsrecht

 

Zusammengefasst hält, wie oben näher ausgeführt, das unionsrechtliche materielle Bankaufsichtsrecht den nationalen Gesetzgeber keineswegs dazu an, einen individuellen Gläubigerschutz im nationalen Bankaufsichtsrecht vorzusehen.

 

Zur Frage, ob – insbesondere vor dem Hintergrund der Harmonisierung des europäischen Bankaufsichtsrechtes – der nationale Gesetzgeber einen individuellen Gläubigerschutz vorsehen dürfte, ist nicht allein das unionsrechtliche Bankaufsichtsrecht, sondern auch das unionsrechtliche Beihilfenverbot und Wettbewerbsrecht zu berücksichtigen.

 

Insbesondere bedenklich wäre die Ausweitung des bankaufsichtsrechtlichen Schutzzweckes auch auf einzelne Gläubiger im Hinblick auf das unionsrechtliche Beihilfenverbot und seine wettbewerbsverzerrende Wirkung. So würden Banken, die in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind, in welchem die bankaufsichtsrechtlichen Regelungen einen derart weiten Schutzzweck vorsehen, im europäischen Binnenmarkt wohl Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Banken, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, in denen der Schutzzweck auf einzelne Gläubiger nicht ausgeweitet wurde, genießen. Eine 'prämienfreie Haftpflichtversicherung für Private'[…] könnte aber auch zu einer im Unionsrecht gerade nicht beabsichtigten Aufsichtsarbitrage führen, wonach Kreditinstitute Teile ihrer Geschäftstätigkeit in Märkte verlagern, wo eine Schadloshaltung am Staat möglich ist.

 

3.3.2. Zum nationalen Rechtsrahmen

 

Zum Bankwesengesetz – BWG

 

Volkswirtschaftliches Interesse an einem funktionsfähigen Bankenwesen und an der Finanzmarktstabilität:

 

Die Ziele der Bankenaufsicht bestimmt grundsätzlich §69 BWG ('Zuständigkeit der FMA und aufsichtliches Überprüfungsverfahren'). Gemäß §69 Abs1 letzter Halbsatz BWG hat die FMA Kreditinstitute mit Sitz im Inland 'im Rahmen eines risikobasierten Aufsichtsansatzes zu überwachen und dabei auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Bankenwesen und an der Finanzmarktstabilität Bedacht zu nehmen'. Risikobasiert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Prüfmaßnahmen verstärkt dort wahrzunehmen sind, wo Risiken für das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionierenden Bankenwesen im Sinne von systemischen Risiken bzw für die Finanzmarktstabilität besonders gravierend sein können. Dies hängt in erster Linie von der Systemrelevanz des jeweiligen Kreditinstitutes ab (§69 Abs2 und 3 BWG). […]

 

Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung folgt, dass die Aufsichtstätigkeit der FMA im Rahmen ihrer bankaufsichtsrechtlichen Zuständigkeit also vor dem Hintergrund des 'volkswirtschaftlichen Interesse[s]' zu erfolgen hat. Das gemeine Interesse einerseits an einem funktionsfähigen Bankwesen und andererseits an der Finanzmarktstabilität soll der FMA als Leitlinie für ihre bankaufsichtsrechtliche Vollziehungstätigkeit dienen. […]

 

Dass ein solch gemeines Interesse besteht, ist nicht anzuzweifeln […] und bestätigt auch der Verfassungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung, in welcher er davon ausgeht, '[…] dass Finanzinstitute ihre Tätigkeit in einem volkswirtschaftlichen Schlüsselbereich ausüben, von dessen Funktionieren weite Teile der Volkwirtschaft abhängig sind, und dass eine besondere Schutzbedürftigkeit der Sparer, Anleger und sonstigen Gläubiger besteht' (vgl VfSlg 12.098/1989, 12.378/1990, 13.327/1993, 13.471/1993, 13.477/1993, 18.747/2010, 19.342/2011).

 

Gläubigerschutz

 

Der vom Verfassungsgerichtshof erkannten Schutzbedürftigkeit der Gläubiger der Finanzinstitute trägt – neben dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (ESAEG) – auch das BWG Rechnung. Einzelne Aufsichtsbestimmungen des BWG sehen, wie auch in den gegenständlichen Anträgen vorgebracht wird, explizit eine Bedachtnahme auf die Gläubigerinteressen vor: Beispielsweise bestimmt §6 Abs2 Z2 BWG, dass die Konzession eines Kreditinstitutes zurückzunehmen ist, wenn es 'seine Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern nicht erfüllt'; §70 Abs2 BWG legt Aufsichtsbefugnisse ua '[b]ei Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Kreditinstitutes gegenüber seinen Gläubigern' fest. §76 Abs8 BWG hält fest: 'Der Staatskommissär und dessen Stellvertreter haben ihnen bekannt gewordene Tatsachen, auf Grund derer die Erfüllung der Verpflichtungen des Kreditinstituts gegenüber dessen Gläubigern und insbesondere die Sicherheit der ihm anvertrauten Vermögenswerte nicht mehr gewährleistet ist, unverzüglich der FMA mitzuteilen.'

 

Weiters ist den Erläuterungen zur Stammfassung des BWG (ErlRV 1130 BlgNR 18. GP 148) zu entnehmen, dass die Bankenaufsicht dem Ziel des Gläubigerschutzes dienen soll. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber einen systemischen Gläubigerbegriff vor Augen hatte. Dies folgt auch aus den Materialien zur Stammfassung des BWG, wonach 'bei der Überwachung der Kreditinstitute die Funktionsfähigkeit der Gesamtheit des Bankwesens mehr im Fokus der Finanzmarktaufsicht zu stehen hat als das Funktionieren einzelner Institute'. […]

 

Zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes

 

Demgegenüber ging der Oberste Gerichtshof (OGH) in seiner Rechtsprechung, die sich bis in die 1990er-Jahre allerdings auf das Kreditwesengesetz 1939 […] – KWG 1939, RGBl. I S. 1955, gründete, seit 1979 davon aus, dass die bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen auch den Schutz der Vermögensinteressen der einzelnen Sparer bzw Anleger mitumfasse (vgl ua OGH 14.12.1979, 1 Ob 36/79; 17.10.2006, 1 Ob 142/06y; 28.01.2009, 1 Ob 187/08v).

 

Seit 1. Oktober 1938 galt das deutsche KWG in Österreich. […] In dessen §44 war vorgesehen, dass wegen eines Schadens, der durch im Rahmen dieses Gesetzes von den Aufsichtsorganen getroffene Maßnahmen entsteht, eine Entschädigung nicht gewährt wird. Als Begründung für diese Vorschrift wurde angeführt, dass 'der Ausschluss von Ersatzansprüchen […] notwendig [sei], damit die Tätigkeit der Aufsichtsstellen nicht beeinträchtigt wird'. […] In den folgenden Jahrzehnten gingen Literatur und Judikatur einhellig davon aus, dass jedenfalls gegenüber Bankkunden eine Haftung für Amtspflichtverletzungen der Bankenaufsichtsorgane ausgeschlossen sei. […]

 

Dessen ungeachtet entschied der OGH im Jahr 1979 in seiner Entscheidung 1 Ob 36/79 (sog 'Krauland'-Entscheidung), dass die Aufsicht des Bundes über Kreditinstitute auch dem Schutz ihrer Gläubiger diene und diese daher in Amtshaftungsverfahren anspruchsberechtigt seien, wobei er mit dieser Entscheidung von der nach hL vertretenen Auslegung des KWG 1939 abgegangen ist. […] Nach Ansicht der Bundesregierung ist die 'Krauland'-Entscheidung vor dem Hintergrund des Umstandes zu sehen, dass dem KWG 1939 eine eigene staatliche bzw durch Fachverbände geschaffene Einlagensicherung fremd war (gemäß §24 KWG 1939 waren Spareinlagen 'besonders anzulegen') und diese erst mit dem Kreditwesengesetz (KWG 1979), BGBl Nr 63/1979, eingeführt wurde. […]

 

Nichtsdestotrotz hat der OGH diese Rechtsprechung auch auf das KWG 1979 bzw das BWG 1993 übertragen, […] wobei diese 'immer weiter ausgreifende' Auslegung 'der Amtshaftung im Bereich der Bankaufsicht' […] zunehmend kritischer gesehen wurde. Rebhahn sprach von einer 'prämienfreien Haftpflichtversicherung' für Private. […]

 

Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen zum Unionsrecht, die das innerstaatliche Bankaufsichtsrecht zunehmend prägen und inhaltlich determinieren, ist jedoch zu hinterfragen, ob auf Grund des Gläubigerschutzes als identifiziertes weiteres Ziel der bankaufsichtsrechtlichen Regelungen der Schluss zulässig ist, dass – wie der OGH bisher in seiner ständigen Rechtsprechung vertrat und von den antragstellenden Parteien vorgebracht worden ist – der Schutzzweck des BWG daher auch die einzelnen Sparer umfasst oder ob diese Betrachtungsweise nicht – auch ohne Klarstellung durch den Gesetzgeber mit §3 Abs1 zweiter Satz FMABG, BGBl I Nr 136/2008 – bereits überholt ist. Die letzte einschlägige Entscheidung des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 2006 betrifft einen Sachverhalt, der sich 1998 in einer Bankeninsolvenz manifestierte und zu dessen rechtlicher Beurteilung das BWG in der Fassung von 1998 zugrunde gelegt wurde (vgl OGH 17.10.2006, 1 Ob 142/06y).

 

Wie bereits oben dargestellt, sehen die unionsrechtlichen einschlägigen Bestimmungen keine Ausweitung des Schutzzweckes auf die einzelnen Gläubigerinteressen vor; vielmehr ist fraglich, ob es aus unionsrechtlicher Sicht überhaupt zulässig wäre, den Schutzzweck derart zu erweitern. Die Erläuterungen zur Stammfassung des BWG führen im Zusammenhang mit den dem Bundesminister für Finanzen zukommenden Befugnissen (§70 BWG idF BGBl Nr 532/1993) ua Folgendes aus (ErlRV 1130 BlgNR 18. GP 149):

 

'[…] Diese weitgehenden Eingriffsmöglichkeiten [gemeint: Aufsichtsinstrumentarium] finden ihre Rechtfertigung in der Verantwortlichkeit des Bundesministers für Finanzen der Allgemeinheit gegenüber, die Gläubiger durch den gesicherten Bestand der Kreditinstitute zu schützen. Darüber hinaus kann dieser mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln der Bankenaufsicht die ordnungsgemäße Geschäftsführung eines Kreditinstitutes nicht dem einzelnen Gläubiger gewährleisten.'

 

Die Dokumentation des Willens des historischen Gesetzgebers lässt sohin nach Ansicht der Bundesregierung klar den Ausschluss individueller Gläubigerinteressen aus dem Schutzbereich des BWG erkennen.

 

Zum Gläubigerbegriff des BWG hat ua B. Raschauer festgehalten, dass es sich um einen 'Gattungsbegriff' handelt. […] Aus diesem 'Gattungsbegriff' könne nicht abgeleitet werden, dass die Vermögensinteressen der einzelnen Sparer, die im BWG ihren Niederschlag lediglich 'als Kollektiv angesprochene Gruppe' fanden, im Rahmen des Schutzzweckes gedeckt sein könnten.

 

Dies würde − laut Schöller − auch 'der Systematik des BWG als öffentlich-rechtliches Ordnungsgesetz widersprechen'. Nur weil das BWG Hinweise auf Gläubiger enthalte, könne nicht darauf geschlossen werden, dass sich durch die Erwähnung dieser als 'Kollektiv' erwähnten Gruppe auch Ansprüche Einzelner ableiten ließen. […] Wie bereits oben ausgeführt, muss ein Individualinteresse nämlich gerade nicht deckungsgleich mit dem Gemeininteresse sein (siehe die Ausführungen zum Einrichtungsgesetz der FMA).

 

Diese Ansicht spiegelt sich insbesondere auch in der Setzung von Maßnahmen gemäß §70 Abs2 BWG zum Schutz des Gläubigerkollektivs wider: Einzelne Gläubiger könnten beispielsweise durchaus ein individuelles Interesse haben, dass eine von der Insolvenz gefährdete Bank ihren Geschäftsbetrieb nicht einstellt, sondern gerade deren Geschäftsfälle noch abwickelt. Einzelne Geschäfte, welche die Gefahr für das Gläubigerkollektiv (bzw sukzessive den Ausfall der Einlagensicherung) nicht erhöhen, können auch noch von einem Regierungskommissär nicht untersagt bzw genehmigt werden.

 

Überdies kommt in den Regelungen des BWG lediglich das Kreditinstitut als Antragsteller, Auskunftspflichtiger und Meldepflichtiger sowie als Adressat von aufsichtsbehördlichen Anordnungen vor, […] während die Gläubiger jener Beaufsichtigten lediglich in einem obligatorischen Rechtsverhältnis zum beaufsichtigten Rechtsträger stehen. […] Es ist nicht davon auszugehen, dass in dieser Konstellation zwischen dem geschädigten Gläubiger und der FMA die vom Obersten Gerichtshof für einen Amtshaftungsanspruch geforderte 'rechtliche Sonderverbindung' […] besteht. Vielmehr verdeutlichen das Aufsichtsverhalten und das aufsichtsrechtliche Gesamtgefüge, dass die Gläubiger der beaufsichtigten Institute vom Aufsichtshandeln der FMA nur mittelbar – in Form einer Reflexwirkung – tangiert werden.

 

Dies verdeutlicht auch der Umstand, dass Gläubigern grundsätzlich keine Parteistellung in bankaufsichtsrechtlichen Verfahren eingeräumt ist. Auch den antragstellenden Parteien kamen keine Parteirechte in den die Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG betreffenden Aufsichtsverfahren zu. Auch wenn die Parteistellung nicht Voraussetzung für einen Amtshaftungsanspruch sein muss, kann sie doch als wichtiges Indiz für die Auslegung der Reichweite des Schutzzweckes herangezogen werden. […]

 

Gegen einen besonderen Gläubigerschutz spricht sich schließlich auch Rebhahn aus, weil es nicht einsichtig wäre, weshalb Bürger, deren Einlagen auf Grund der speziellen Bankaufsichtstätigkeit ohnehin einem besseren Schutz unterlägen als Forderungen sonstiger Gläubiger gegenüber nicht speziell beaufsichtigten Schuldnern, wegen dieses Schutzes auch noch stärker auf eine Risikoverlagerung auf den Staat vertrauen dürften. […] Private könnten nämlich nicht nur durch die Insolvenz einer Bank, sondern auch durch die Insolvenz anderer Schuldner (wie etwa wegen bereits geleisteter Anzahlungen an einen Bauunternehmer) erheblich geschädigt werden, wobei aber nur erstere vom Staat überwacht würden. Dieser Umstand spreche dafür, dass die Banken 'vorwiegend nur wegen der mit einer Insolvenz für die Volkswirtschaft verbundenen Probleme besonders überwacht werden, und nicht eines besonderen Gläubigerschutzes halber.' […]

 

Zusammenfassend geht die Bundesregierung daher davon aus, dass weder das unionsrechtliche noch das nationale materielle Bankaufsichtsrecht individuelle vermögensrechtliche Einlegerinteressen schützen.

 

Dieses Ergebnis deckt sich mit der Intention des Gesetzgebers, der mit der Einfügung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG, 'Schäden, die sich lediglich als Reflexwirkung des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter auswirken' […], ausschließen und somit den Schutzzweck der Bankaufsichtsnormen klarstellen wollte.

 

Soweit manche antragstellende Parteien auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw des Verfassungsgerichtshofes zum Bankprüfer bzw zum BWG verweisen, ist anzumerken, dass diesen Entscheidungen eine mittlerweile überholte Rechtslage zugrunde lag; so hatte der Verwaltungsgerichtshof […] zu einem Sachverhalt aus dem Jahr 1994 zu entscheiden, die zitierten Verfassungsgerichtshofentscheidungen […] datieren aus den Jahren 1989, 1990 und 1993, also basieren noch auf dem KWG 1979; abgesehen davon gehen die zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jedoch erkennbar von einem systemischen Gläubigerbegriff aus.

 

(Zwischen-)Ergebnis

 

Nachdem den einschlägigen bankaufsichtsrechtlichen Regelungen grundsätzlich kein Schutz individueller Gläubigerinteressen zu entnehmen ist, ist §3 Abs1 zweiter Satz FMABG lediglich als deklarative Klarstellung, also als Präzisierung der Kriterien zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzung 'Rechtswidrigkeit' bei Behauptung eines Schadens aus der Verletzung einer bankaufsichtsrechtlichen Bestimmung […] zu begreifen. […] Eine Verfassungswidrigkeit kommt damit aber schon von vornherein nicht in Betracht. Sollte der voranstehenden Meinung einer bloß deklarativen Klarstellung jedoch nicht gefolgt werden, so steht der Auffassung, dass einzelne innerstaatliche bankaufsichtsrechtliche Normen den individuellen Schutz der Vermögensinteressen eines Gläubigers mitbezwecken […] bzw auch einen solchen vorsehen, seit dem Jahr 2008 die Bestimmung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG entgegen.

 

§3 Abs1 zweiter Satz FMABG folgend soll grundsätzlich nur einem Geschädigten ein Amtshaftungsanspruch zukommen, der der Aufsicht der FMA unterliegt. Nachdem das Mandat der FMA im FMABG ihren Ausgang nimmt, sind – wie auch die vorstehenden Darlegungen des Schutzzweckes verdeutlicht haben – die komplementären materiellen bankaufsichtsrechtlichen Regelungen immer im Lichte des FMABG und sohin auch der angefochtenen Bestimmung auszulegen. Dementsprechend stellt §3 Abs1 zweiter Satz FMABG den Schutzzweck der bankaufsichtsrechtlichen Normen im Sinne einer authentischen Interpretation durch den Gesetzgeber insoweit klar, dass Vermögensinteressen der einzelnen Gläubiger der beaufsichtigten Institute nicht im Rahmen der Amtshaftung ersatzfähig sein sollen, weshalb diese Bestimmungen auch nicht als Schutzgesetze im Sinne des §1311 ABGB für den einzelnen Gläubiger zu qualifizieren sind.

 

Diese Sichtweise wird vom OGH in seinen Entscheidungen vom 22.06.2012, 1 Ob 186/11a, und vom 23.12.2014, 1 Ob 117/14h, mitgetragen, in denen er festgehalten hat, dass mit der Bestimmung des §3 Abs1 FMABG in der Fassung der Novelle BGBl I Nr 136/2008 'der Kreis der amtshaftungsrechtlich geschützten Personen beschränkt bzw erstmals explizit festgelegt wurde'. Es ist sohin davon auszugehen, dass der OGH auf Grundlage der Novelle BGBl I Nr 136/2008 den Schutzzweck (bank-)aufsichtsrechtlicher Bestimmungen nunmehr eingeschränkter auslegen würde.

 

[…]

 

4. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art23 B‑VG

 

Gemäß Art23 Abs1 B‑VG haften der Bund, die Länder, die Gemeinden und die sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Gemäß §1 Abs1 AHG haften der Bund, die Länder, die Gemeinden, die sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Träger der Sozialversicherung nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben.

 

Die Wortfolge 'wem immer' in Art23 Abs1 B‑VG bzw in §1 Abs1 AHG kann nach herrschender Auffassung nicht dahingehend interpretiert werden, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber eine uferlose Ersatzpflicht auf dem Gebiet der Amtshaftung fordert. […] Nach hL ist die Wendung 'wem immer' gleich zu verstehen wie der Begriff 'jedermann' in §1295 Abs1 ABGB (vgl OGH 15.12.1982 1 Ob 34, 35/82). §1295 Abs1 ABGB wiederum wird einschränkend ausgelegt: […] Schadenersatz für bloße Vermögensschäden steht – außerhalb von vertraglichen Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem – grundsätzlich nur dann zu, wenn der erlittene Nachteil vom Schutzzweck bzw Rechtswidrigkeitszusammenhang der verletzten Vorschrift erfasst ist. […] Ohne die einschränkende Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang und vom Schutzzweck der Norm würde – auch im Amtshaftungsrecht – die Uferlosigkeit der Haftpflicht drohen. […]

 

Die Kernaussage der Schutzgesetzlehre besteht darin, dass 'nur für solche Schäden gehaftet [wird], die sich als Verwirklichung jener Gefahr manifestieren, derentwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat. […] Die Frage der Schutzgesetzqualität stellt sich im Hinblick auf bestimmte Personen (personaler Schutzbereich) sowie auf bestimmte Schutzzwecke (sachlicher Schutzbereich). […] Relevant ist insbesondere die Frage, ob Pflichten der Rechtsträger nur im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse einzelner Betroffener festgelegt sind. […] Auch in dem Zusammenhang kommt es allerdings darauf an, ob eine Sonderrechtsbeziehung besteht. Dies ist einerseits für das Verhältnis 'Bankenaufsicht – beaufsichtigtes Institut' und andererseits für das Verhältnis 'beaufsichtigtes Institut – Gläubiger (Einleger)' zu bejahen. Innerhalb der jeweiligen Sonderrechtsbeziehung ist auch ein Schutzzweck der einschlägigen Normen zu bejahen, nicht aber darüber hinaus. Ein bloß faktisch günstiger Effekt für Dritte oder der Ersatz bloßer Vermögensschäden Dritter außerhalb der Sonderrechtsbeziehung sind vom Schutzzweck einer Norm regelmäßig nicht umfasst.

 

Gesetzliche Aussagen zum Schutzzweck bei jenen Interessen, auf welche die verletzte Norm nicht ausgerichtet ist, die also bloß faktisch mitgeschützt werden, sind im Hinblick auf Art23 B‑VG unproblematisch. […] Und wie Rebhahn weiter herausgearbeitet hat, kann auch der Ausschluss eines Interesses, dessen Schutz die fragliche Staatstätigkeit in erster Linie bewirkt, aus dem Schutz durch Schadenersatz zulässig sein, wenn bei der betreffenden Staatstätigkeit der Schutz der Allgemeinheit deutlich im Vordergrund steht, und das schädigende fahrlässige Verhalten des Staates weder ein Eingriff in absolut geschützte Güter der Geschädigten ist noch einen solchen Eingriff eines anderen zulässt. 'Bei der Bankenaufsicht ist es daher verfassungsrechtlich zulässig, die Staatshaftung für fehlsame Aufsicht über das Verneinen des Schutzzwecks auszuschließen, obwohl die Sorge um die Liquidität der Banken der primäre Zweck der Bankenaufsicht ist.' […]

 

Die Bundesregierung teilt diese Ansicht. Übertragen auf §3 Abs1 zweiter Satz FMABG hat die (einfache) Gesetzgebung den Schutzzweck der hier gegenständlichen Bankaufsicht (die Zweckrichtung der Amtspflichten […]) nicht entgegen den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art23 B‑VG bestimmt, auch wenn damit im Ergebnis bloße Vermögensschäden Dritter regelmäßig von Amtshaftungsansprüchen ausgeschlossen werden. Ein Verstoß gegen Art23 B‑VG liegt daher nach Ansicht der Bundesregierung nicht vor.

 

4.2. Dass dem einfachen Gesetzgeber im Hinblick auf die Grundsätze des Art23 B‑VG ein gewisser Gestaltungsspielraum zukommt, verdeutlicht etwa auch die sog 'Rettungspflicht' bzw Rettungsobliegenheit gemäß §2 Abs2 AHG. […] Demnach ist ein Ersatzanspruch zur Gänze ausgeschlossen, wenn der Geschädigte den Schaden durch Rechtsmittel hätte abwenden können, selbst wenn die übrigen – in Art23 B‑VG genannten – Anspruchsvoraussetzungen (zB auch die Rechtswidrigkeit) vorliegen.

 

5. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz

 

5.1. Die antragstellenden Parteien monieren zusammengefasst eine sachlich nicht gerechtfertigte haftungsrechtliche Ungleichbehandlung zwischen den beaufsichtigten Rechtsträgern und sonstigen potentiell durch die Aufsicht Geschädigten.

 

Die Bundesregierung teilt dieses Bedenken nicht. Die Klarstellung des Schutzzwecks aufsichtsrechtlicher Normen in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG ist sachlich gerechtfertigt.

 

5.2. Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Gleichheitssatz der (einfachen) Gesetzgebung insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. […] Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitssatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen. […]

 

Der normative Ausschluss individueller Einlegerinteressen aus dem Schutzzweck der bankaufsichtsrechtlichen Normen verhindert die Einbeziehung des schier unermesslichen Personenkreises, der von der Insolvenz eines Kreditinstitutes betroffen sein könnte, in die Amtshaftung und wendet damit eine uferlose Ausdehnung der Haftung ab. […] Insbesondere vor dem Hintergrund der verstärkten grenzüberschreitenden Tätigkeit von Beaufsichtigten und der immer bedeutenderen Rolle der FMA als National Competent Authority ('home supervisor') wird damit also auch unterbunden, dass aus dem Ausland Haftungsansprüche geltend gemacht werden, die auch zu einem hohen Abfluss von Bundesmitteln ins Ausland führen können. Auf die obigen Ausführungen zum 'Level Playing Field' darf an dieser Stelle ebenfalls verwiesen werden.

 

Zudem dient §3 Abs1 zweiter Satz FMABG der Abwendung des 'Moral Hazard': Eine Haftung des Staates für Verluste von Ein- und Anlegern kann Ein- und Anleger nämlich unvorsichtig werden lassen, wenn zu erwarten ist, dass der Staat bei riskanterem Einlege- oder Anlageverhalten ohnedies 'einspringt'. Hierdurch würde aber das jeden Menschen treffende wirtschaftliche Risiko auf den Staat übertragen. […] Dies ginge im Ergebnis vor allem zulasten jener Steuerzahler, die nicht riskant veranlagten und förderte geradezu riskante, nicht nachhaltige Geschäftsmodelle.

 

Die Erlassung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG erfolgte zudem gleichzeitig mit einer Änderung der Einlagensicherung, gerade um einen angemessenen Schutz des Eigentums natürlicher Personen als Bankgläubiger sicherzustellen. […] Einlagen, wie etwa Guthaben auf Girokonten, Gehaltskonten, Studentenkonten und Pensionskonten oder Einlagen auf Sparbüchern und Sparkonten sind bis zu einer Höhe von EUR 100.000,- oder im Gegenwert in fremder Währung pro Einleger erstattungsfähig (§7 Abs1 Z5 ESAEG). Unter den besonderen Voraussetzungen des §12 Z1 ESAEG kann ein Betrag bis zu EUR 500.000,- erstattet werden, beispielsweise, wenn die Einlage aus einer Immobilientransaktion im Zusammenhang mit einer privat genutzten Wohnimmobilie stammt oder gesetzlich vorgesehene soziale Zwecke erfüllt und an bestimmte Lebensereignisse des Einlegers – wie etwa Heirat, Scheidung, Pensionsantritt, Kündigung, Entlassung, Invalidität oder Tod – geknüpft ist. Hiebei soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass es Einlegern grundsätzlich möglich ist, ihr Einlagerisiko durch Diversifikation (gegebenenfalls Einlagen bei verschiedenen Banken) zu verringern. […]

 

In diesem Zusammenhang ist auch folgender Gedanke von Rebhahn aufzugreifen: Die Mehrheit der Bankkunden wird typischerweise über Einlagen bei Banken verfügen, welche unter die Grenze der Einlagensicherung fallen und somit von dieser zur Gänze getragen werden. Nur ein geringer Anteil an Personen verfüge über Einlagen, welche über das von der Einlagensicherung besicherte Guthaben hinausgehen. Eine Haftung für darüber hinausgehende Schäden würde aber alle Steuerzahler gleichermaßen betreffen und nicht nur jene, die über solch hohe Guthaben verfügen, was – wirtschaftlich betrachtet – zu einer Umverteilung zugunsten von An- oder Einlegern größerer Beträge führen würde. […]

 

Die Bundesregierung verweist im gegebenen Zusammenhang auch auf die vergleichbare Rechtslage in Deutschland: §4 Abs4 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes – dFinDAG normiert, die 'Bundesanstalt nimmt ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr', und führt sohin zum selben Ergebnis wie der angefochtene §3 Abs1 zweiter Satz FMABG. Zu §4 Abs4 dFinDAG erkannte der deutsche Bundesgerichtshof mit Urteil vom 20.01.2005, GZ III ZR 48/01, dass die Beschränkung, die Aufsicht über Kreditinstitute nur im öffentlichen Interesse wahrzunehmen, sowohl mit dem deutschen Grundgesetz als auch mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. In Bezug auf Art14 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Eigentumsschutz) führt der Bundesgerichtshof (BGH) etwa aus, dass ein 'amtshaftungsrechtlicher Drittschutz […] auch nicht durch das Grundrecht des Art14 Abs1 Satz 1 GG gefordert' wird (BGH 20.01.2005, III ZR 48/01, S. 19). Zudem hält der BGH fest, dass §4 Abs4 dFinDAG mit Art3 des Grundgesetzes (Gleichheitssatz) vereinbar ist (BGH 20.01.2005, III ZR 48/01, S. 23). An der unionsrechtlichen Zulässigkeit des §4 Abs4 dFinDAG besteht ebenfalls kein Zweifel. Diese wurde, wie bereits erwähnt, durch den EuGH in der Rs C-222/02 Peter Paul ua, bestätigt.

 

Dem Einwand der antragstellenden Parteien, dass sich der nationale Gesetzgeber im Jahr 2005 bei der Normierung des §3 Abs1 FMABG bewusst entschlossen habe, nicht dem deutschen Vorbild zu folgen, ist zu entgegnen, dass die angefochtene Bestimmung im Jahr 2008 bewusst unter Bezugnahme auf die ständige dynamische Fortentwicklung des unionsrechtlichen Bankaufsichtsrechts eingefügt wurde. Die Materialien zur entsprechenden Novelle weisen explizit aus, dass durch die angefochtene Bestimmung Schäden, die sich lediglich als Reflexwirkung des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter auswirken, ausgeschlossen werden sollen, weshalb davon auszugehen ist, dass jene Überlegungen aus dem Jahr 2005 spätestens zum Zeitpunkt der Novelle 2008 nicht mehr aktuell gewesen sind und die Novelle daher auch vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Bankaufsichtsrechts als angemessen angesehen wurde.

 

Auch die weiteren seitens der antragstellenden Parteien vorgebrachten vermeintlichen Ungleichbehandlungen, welche die Einschränkung des Schutzzweckes mit sich bringen würde, liegen nicht vor.

 

Die angefochtene Bestimmung sieht – entgegen dem Vorbringen der antragstellenden Parteien – keineswegs vor, dass der Bund auch für allfällige aus einer Aufsichtstätigkeit resultierende bloße Reflexschäden von Rechtsträgern haftet, die von der FMA beaufsichtigt werden. Wie bereits der Wortlaut des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG deutlich macht, soll nur für unmittelbar zugefügte Schäden beaufsichtigter Geschädigter ein Haftungsanspruch zukommen. So wie einzelne Einleger sind auch jene von der FMA beaufsichtigten Rechtsträger nicht berechtigt, einen Amtshaftungsanspruch geltend zu machen, wenn sie bloß einen Reflexschaden erlitten haben.

 

Überdies ist aus §3 Abs1 zweiter Satz FMABG keine unsachliche Differenzierung zwischen den Folgen des Handelns der FMA und den Konsequenzen, die hoheitliche Handlungen anderer Organe (zB Organe der Staatsanwaltschaft) nach sich ziehen, abzuleiten. Da wie dort wird nach den Regeln des Amtshaftungsgesetzes gehaftet, da wie dort wird auf den Schutzzweck der Norm abgestellt. […] Anders als im Bankaufsichtsrecht war der Gesetzgeber niemals zu einer gesetzgeberischen Klarstellung des Schutzzweckes in diesem Bereich veranlasst.

 

Wenn und soweit in diesem Zusammenhang auch eine unsachliche Unterscheidung zwischen den Folgen des Handelns der FMA und jenen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) behauptet wird, ist zu entgegnen, dass die OeNB im Rahmen der Bankenaufsicht als ein der FMA funktionell zuzurechnendes Organ anzusehen ist, und somit auch in diesem Fall die für die FMA einschlägigen amtshaftungsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden sind. Für den hier maßgeblichen funktionellen Organbegriff ist wesentlich, in wessen Auftrag die OeNB handelt bzw welchem Organ des Bundes ihre Expertise zugutekommen soll und nicht − wie einige antragstellenden Parteien vermeinen − ob die OeNB gesellschaftsrechtlich als Organ der FMA im FMABG definiert ist. Wird die OeNB in ihrem 'eigenen Wirkungsbereich' tätig – die OeNB wurde durch Gesetz mit eigenen hoheitlichen Kompetenzen ausgestattet – kommt die angefochtene Bestimmung nicht zum Tragen. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass der Bund in diesen Fällen auch gegenüber den Gläubigern jener Rechtsträger haftbar gemacht werden könnte, die dem hoheitlichen Handeln der OeNB unterstehen. Vielmehr ist auch in diesen Fällen zunächst der Schutzzweck der von der OeNB zu vollziehenden Vorschriften zu bestimmen.

 

Schließlich behaupten die antragstellenden Parteien noch eine unsachliche Ungleichbehandlung im Zusammenhang mit Abschlussprüfern. Zunächst, weil sie – im Gegensatz zur OeNB – nicht als Organ der FMA, sondern des Bundes anzusehen seien, wenn sie im Rahmen eines Prüfauftrages der FMA tätig werden würden, weshalb der Bund für ihre Handlungen ausschließlich gemäß §1 AHG haften würde. Diese Interpretation des §3 Abs5 FMABG ist verfehlt. Wie auch die Genese […] des §3 Abs5 FMABG verdeutlicht, soll mit dieser Regelung vielmehr die Klarstellung bezweckt werden, dass Abschlussprüfern grundsätzlich keine Organeigenschaft im Sinne des AHG zukommt. […] Führen diese aber im gesonderten Auftrag der FMA für diese Prüfungen durch, sind sie – wie auch die OeNB, wenn sie von der FMA beauftragt bzw beigezogen wird – für die FMA tätig und damit dieser funktionell zuzurechnen. […] Der Bund haftet damit auch in diesen Fällen unter Berücksichtigung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG.

 

Zusammenfassend verstößt daher §3 Abs1 zweiter Satz FMABG nach Ansicht der Bundesregierung nicht gegen den Gleichheitssatz.

 

6. Zu den Bedenken im Hinblick auf die Eigentumsgarantie

 

6.1. Einige antragstellenden Parteien behaupten einen Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsgarantie, da der angefochtene Satz sie von der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen (Schadenersatzansprüchen) ausschließe.

 

6.2. Den Schutz des Art5 StGG genießt jedes vermögenswerte Privatrecht (vgl zB. VfSlg 8201/1977, 9887/1983, 10.322/1985 und 16.636/2002). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gilt der erste Satz des Art5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen (vgl zB. VfSlg 6780/1972, 12.227/1989, 15.367/1998, 15.771/2000). Der Gesetzgeber kann aber angesichts des in Art1 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl ua VfSlg 9189/1981, 10.981/1986 und 15.577/1999), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl anstelle vieler VfSlg 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig ist (vgl etwa VfSlg 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000.).

 

Vor diesem Hintergrund ist den Bedenken der antragstellenden Parteien zunächst entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art1 1. ZPEMRK Ansprüche auf vermögenswerte Leistungen nur dann und nur insoweit geschützt sind, als ein berechtigtes Vertrauen darauf besteht, dass sie sich materialisieren ('a legitimate expectation'). […]

 

Nach der Rechtsprechung des EGMR kommt es für die Frage, ob eine betroffene Person auf das Vorliegen eines Anspruches auf vermögenswerte Leistungen vertrauen darf, darauf an, ob eine Forderung vollstreckbar ist ('sufficiently established to be enforceable'), ob nachgewiesen ist, dass ein nach innerstaatlichem Recht durchsetzbarer Anspruch besteht ('an assertable right under domestic law'), sowie darauf, ob die betroffenen Personen die rechtlichen Voraussetzungen des innerstaatlichen Rechts für die Gewährung bestimmter Leistungen' erfüllten ('legal conditions laid down in domestic law for the grant of any particular form of benefits'; zusammenfassend EGMR 13.12.2016, 53080/13, Béláné Nagy/Hungary, Rz 76).

 

Ist die Auslegung bzw Anwendung des innerstaatlichen Rechts jedoch strittig oder besteht bloß eine Hoffnung auf Sicherung eines Vermögenswerts oder auf dessen Anerkennung in einem Gerichtsverfahren, so liegen nach der Rechtsprechung des EGMR gerade keine berechtigten Erwartungen vor. […] Forderungen wären sohin nur dann als Vermögenswert im Sinne von Art1 1. ZPEMRK anzusehen, wenn sie eine ausreichende Grundlage im innerstaatlichen Recht haben, etwa, wenn sie sich auf eine ständige Rechtsprechung der nationalen Gerichte stützen können. Ein Vertrauen auf das Gleichbleiben der Rechtslage ist allerdings nicht schützenswert. Dem steht auch die Entscheidung Pressos Compania Naviera S.A./Belgien des EGMR nicht entgegen, weil es darin um eine rückwirkende Aufhebung des Rechts auf Schadenersatz ging […] und die Entscheidung davon abgesehen in der weiteren Rechtsprechung des EGMR isoliert geblieben ist. […]

 

Nach Auffassung der Bundesregierung liegt sohin im gegenständlichen Fall keine geschützte Rechtsposition vor, die entzogen werden könnte.

 

6.3. Sollte hingegen die Ansicht vertreten werden, durch die angefochtene Bestimmung sei ein Eingriff in das Eigentum der antragstellenden Parteien erfolgt, ist dieser jedenfalls im öffentlichen Interesse gelegen und verhältnismäßig:

 

Das öffentliche Interesse an §3 Abs1 zweiter Satz FMABG liegt zunächst in der Abwendung des – bereits angesprochenen – 'Moral Hazard'; die 'prämienfreie Haftpflichtversicherung für Private' […] würde ein riskantes Einlege- oder Anlageverhalten fördern, welches wiederum geeignet ist, die Finanzmarktstabilität zu gefährden.

 

Neben Deutschland, das den Schutzzweck der Bankenaufsicht auf das öffentliche Interesse beschränkt hat, […] verlangen andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union für eine Haftung des Staates etwa 'bad faith', was im Ergebnis einem Haftungsausschluss gleichkommt. […] Durch unterschiedliche Haftungsrahmen der öffentlichen Hand in den Mitgliedstaaten kann es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen (nach dem Motto: Welcher Mitgliedstaat haftet für 'mehr' Einlegerschäden), was jedenfalls innerhalb der Europäischen Union nicht erwünscht sein kann. Der Ausschluss solcher Wettbewerbsverzerrung für Österreich mittels des angefochtenen §3 Abs1 zweiter Satz FMABG liegt sohin im öffentlichen Interesse.

 

In diesem Zusammenhang ist auch auf das Österreich betreffende 'Financial System Stability Assessment – Update' des Internationalen Währungsfonds vom Juni 2008 hinzuweisen, das folgende kritische Feststellungen zum Thema Amtshaftung enthält und bereits damals ein eingeschränktes Haftungsregime eingefordert hat (Hervorhebungen nicht im Original):

 

'Government institutional liability for financial sector supervision

 

22. The effectiveness of financial sector regulations and their enforcement is being impaired by a very wide interpretation of government Institutional liability for financial sector supervision ('Amtshaftung'). Currently, the authorities may be sued for even slight negligence in supervision and enforcement. There seems to be a public perception that the regulatory authorities should be able to prevent any bad outcome, such as instances of fraud or mismanagement. [...]

 

23. The result is moral hazard: investors will be less careful if they expect that they can get compensation by suing the government should the investment go bad. Legal provisions in this area appear to shift much commercial risk from economic agents to the authorities. The direct cost is borne by the Austrian taxpayer, and there is an indirect cost in terms of overall efficiency of the financial system. Furthermore, the administrative cost of dealing with these cases, especially in terms of supervisors' time, has been significant. These costs may rise and vulnerability to legal action may increase as supervision becomes more risk-based, because the role of expert judgment will increase. Although the authorities have a history of taking enforcement measures despite the threat of legal action, the possibility of a 'chilling effect' on their willingness to take action cannot be excluded.

 

24. Government institutional liability for financial sector supervision should, therefore, be defined more narrowly. Same steps in this direction have been taken (notably the 2005 Act that required that any suit be brought against the Federal government and not individual agencies), but more is needed. One possibility may be to amend laws to clarify that regulation and supervision are undertaken primarily in the general public interest. There should be explicit recognition that investors – most importantly shareholders, but also other Creditors – bear the risks of their investment, including operational risks and counterparty risks. There needs to be general recognition that a bad outcome is not in itself evidence of negligence by the supervisor.' […]

 

Ein wie oben dargestellter 'Moral Hazard', gemeinsam mit einer etwaigen Entschädigung des Staates für fehlgeschlagene Investitionen, sowie Wettbewerbsvorteile österreichischer Banken im europäischen Vergleich wären zudem geeignet, die Situation einer Aufsichtsarbitrage herbeizuführen; Kreditinstitute würden Teile ihrer Geschäftstätigkeit in Märkte verlagern, wo eine Schadloshaltung am Staat möglich wäre. Im Rahmen des supranationalen Aufsichtsgefüges und der Bankenunion (in welcher die drei Säulen SSM, SRM und Einheitliche Einlagensicherung verwirklicht sind) wäre dies eine unerwünschte Entwicklung, welche ein SSM-weites 'Level Playing Field' und das von den zahlreichen bankaufsichts- und bankabwicklungsrechtlichen EU-Richtlinien und -Verordnungen verfolgte Harmonisierungsziel konterkarieren würde.

 

Vor diesem Hintergrund besteht sohin nach Ansicht der Bundesregierung ein öffentliches Interesse an der Klarstellung des Schutzzweckes der bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen, die mit der angefochtenen Bestimmung vorgenommen wurde.

 

Ein etwaiger mit der angefochtenen Bestimmung bewirkter Eingriff ist aber auch als verhältnismäßig anzusehen, zumal die gesetzliche Klarstellung des Schutzzwecks durch §3 Abs1 FMABG im Jahr 2008 vor dem Hintergrund der Einlagensicherung zu betrachten ist, welche ab dem Jahr 2008 sukzessive erhöht und in ihrem Anwendungsbereich auf bis zu EUR 100.000,- pro Kunde und Bank ausgeweitet wurde (in bestimmten Fällen sogar EUR 500.000,- pro Kunde und Bank). Unter weiterer Berücksichtigung der vom Verfassungsgerichtshof zuletzt etwa in seiner Entscheidung vom 14.7.2020, G202/2020, ausgesprochenen Grundhaltung, wonach Eigentumsbeschränkungen infolge Einbettung in andere Maßnahmen verhältnismäßig sein können, erachtet die Bundesregierung die in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG mit BGBl I Nr 136/2008 erfolgte Klarstellung des Schutzzweckes als verhältnismäßig.

 

Die Rechtslage schafft einen angemessenen Ausgleich zwischen Interessen der Einleger und der öffentlichen Hand (Bund) und berücksichtigt dabei auch Interessen der Institute, wie etwa im Hinblick auf das in der Literatur bezeichnete 'Supervisor’s dilemma' ersichtlich wird. Aufsichtsbehörden müssen in der Ausübung ihrer Tätigkeit ein Gleichgewicht zwischen den sehr oft widersprüchlichen Interessen finden, die mit der Ausübung der Aufsicht oft untrennbar verbunden sind; auf der einen Seite die Aufsicht über die Finanzinstitute und das Finanzsystem als Ganzes und auf der anderen Seite stehen sie potentiellen Haftungsansprüchen von Einlegern und Gläubigern gegenüber. Eine proaktive Haltung der Aufsichtsbehörden gegenüber den Beaufsichtigten mag zwar für die Einleger von Vorteil sein, könnte aber dem Institut selbst schaden, da es dadurch an Reputation und Glaubwürdigkeit verliert und dies könnte sogar destabilisierende Auswirkungen auf den Markt als Ganzes haben. Während eine eher vorsichtigere Haltung, die zwar das Finanzinstitut und den Finanzmarkt als Ganzes schützt, die Aufsichtsbehörde im Nachhinein Haftungsansprüchen von Einlegern aussetzt. […]

 

7. Zusammenfassend erachtet die Bundesregierung die angefochtene Bestimmung im Hinblick auf die vorgebrachten Bedenken als nicht verfassungswidrig.

 

Dies zum einen, da die Auslegung der einschlägigen bankaufsichtsrechtlichen Normen im Hinblick auf ihren Schutzzweck – auch ohne die angefochtene Bestimmung – ergibt, dass individuelle Einlegerinteressen davon nicht erfasst sind.

 

Selbst wenn man jedoch die Auffassung vertreten sollte, dass diese Regelungen die Interessen der einzelnen Anleger und Sparer zumindest mitschützen, wurde durch die Einfügung des zweiten Satzes des §3 Abs1 FMABG jedenfalls gesetzlich klargestellt, dass der Schutzzweck des Bankaufsichtsrechts die individuellen Einlegerinteressen nicht umfasst. Je nachdem, welches Gewicht man dem Schutz der individuellen Einlegerinteressen in den bankaufsichtsrechtlichen Regelungen beimisst, ist der rechtspolitische Gestaltungsrahmen weiter oder enger zu bemessen; in beiden Fällen hat der einfache Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Schranken aber nicht überschritten. Der Ausschluss der individuellen Einlegerinteressen aus dem Schutzzweck der bankaufsichtsrechtlichen Regelungen liegt nämlich im öffentlichen Interesse (insbesondere Verhinderung von 'Moral Hazard' bei Einlegern von beaufsichtigten Rechtsträgern und Ermöglichung einer effizienten Aufsichtstätigkeit der Aufsichtsbehörde), ist sachlich gerechtfertigt (insb. angemessener Schutz durch Einlagensicherung) und nicht unverhältnismäßig.

 

Die wider die angefochtene Bestimmung erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken erweisen sich sohin als unbegründet."

 

5. Die vom Verfassungsgerichtshof zur Erstattung einer Äußerung eingeladene Finanzmarktaufsichtsbehörde erstattete in den vor dem Verfassungsgerichtshof zu G224/2021, G235/2021, G246/2021, G248/2021, G257/2021, G263/2021, G266/2021, G267/2021 und G268/2021 protokollierten Verfahren eine Äußerung, in der sie den Bedenken der antragstellenden Parteien zusammengefasst wie folgt entgegentritt:

Die verfassungsrechtlichen Bedenken der antragstellenden Parteien träfen nicht zu, weil es sich bei §3 Abs1 zweiter Satz FMABG um eine lediglich deklarative Klarstellung des Schutzzweckes bzw des Rechtswidrigkeitszusammenhanges handle. Ein schadenersatzrechtlicher Schutz der einzelnen Einleger sei vom Rechtswidrigkeitszusammenhang der bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen, welche die antragstellenden Parteien im Übrigen nicht angefochten hätten, nicht bezweckt. Dem Gesetzgeber komme in Haftungsfragen ein nicht unbeachtlicher rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu, den er mit der angefochtenen Bestimmung nicht überschritten habe.

Der behauptete Verstoß der angefochtenen Bestimmung gegen Art23 B‑VG liege nicht vor, weil die Wortfolge "wem immer" nicht im Sinne einer uferlosen Ersatzpflicht ausgelegt werden dürfe, sondern eine Einschränkung der Haftung im Wege des Schutzzweckes bzw des Rechtswidrigkeitszusammenhanges zu erfolgen habe. Im allgemeinen Schadenersatz- wie auch im Amtshaftungsrecht stehe Dritten ein Ersatz für bloße Vermögensschäden regelmäßig nicht zu. Der Gesetzgeber habe mit der angefochtenen Bestimmung lediglich eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Klarstellung des Rechtswidrigkeitszusammenhanges bzw des Schutzzweckes der bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen vorgenommen und seinen Gestaltungsspielraum gemäß Art23 Abs4 B‑VG nicht überschritten.

Die angefochtene Bestimmung verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art2 StGG sowie des Art7 B‑VG, weil sie eine Ausuferung der Amtshaftung anhand sachlicher Kriterien verhindere. §3 Abs1 zweiter Satz FMABG diene der Verhinderung eines "Moral Hazard", weil der Staat nicht für Verluste aufkommen dürfe, die unvorsichtigen Einlegern auf Grund von riskantem Anlageverhalten entstanden seien. Darüber hinaus sorgten die Bestimmungen über die Einlagensicherung dafür, dass die Mehrheit der Einleger im Falle einer Bankeninsolvenz abgesichert sei. §3 Abs1 zweiter Satz FMABG entspreche auch der Rechtslage in Deutschland, wo die einzelnen An- und Einleger ebenfalls nicht vom Schutzzweck der bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen erfasst seien.

Auch ein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG sowie Art1 1. ZPEMRK liege nicht vor. Im vorliegenden Zusammenhang liege schon keine geschützte Rechtsposition im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vor, die den antragstellenden Parteien entzogen worden wäre. Die angefochtene Bestimmung diene aber jedenfalls legitimen öffentlichen Interessen, nämlich der Verhinderung eines "Moral Hazard", und sei verhältnismäßig, weil die geltende Rechtslage einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der An- und Einleger einerseits und der öffentlichen Hand andererseits schaffe.

6. Der Bund als im Amtshaftungsverfahren beklagte Partei und damit beteiligte Partei im verfassungsgerichtlichen Verfahren hat folgende Äußerung erstattet:

"I. Kurzzusammenfassung

 

Die antragstellenden Parteien stellen in ihren Anträgen auf Normprüfung die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der gesetzlichen Determinierung des persönlichen Schutzbereichs der Amtshaftung zur Bankenaufsicht durch die Einfügung des zweiten Satzes in §3 Abs1 FMABG durch den Gesetzgeber in Frage. Diese durch §3 Abs1 zweiter Satz FMABG erfolgte Determinierung des Schutzzwecks der Bankenaufsichtsnormen ist verfassungskonform:

 

Art23 B‑VG […] enthält neben einer Kompetenzregelung bestimmte inhaltliche Vorgaben für die Ausgestaltung der Amtshaftung durch den einfachen Gesetzgeber. Die Vorgaben betreffend das Vorliegen eines Schadens, der Kausalität des Organhandelns für den Schaden sowie das Erfordernis eines rechtswidrigen und schuldhaften Handelns entsprechen den allgemeinen zivilrechtlichen Voraussetzungen für einen Schadenersatz gemäß den §§1295 ff ABGB […]

 Die in Art23 Abs1 B‑VG enthaltene und in §1 Abs1 AHG […] übernommene Wendung, wonach ein 'Schaden zu ersetzen sei, 'wem immer' dieser zugefügt' wurde, ist gleich zu verstehen wie der Begriff 'jedermann' in §1295 Abs1 ABGB.

 Der Begriff 'jedermann' in §1295 Abs1 ABGB wird einschränkend ausgelegt. Nach der Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang steht ein Ersatz bloßer Vermögensschäden außerhalb von vertraglichen Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem zu, wenn der erlittene Nachteil vom Schutzzweck der jeweiligen Norm erfasst ist. Der Schutzzweck einer Norm hat jeweils einen persönlichen und einen sachlichen Schutzbereich.

 Die Auslegung einer Norm zur Ermittlung ihres schadenersatzrechtlichen Schutzzwecks hat grundsätzlich durch die Gerichte im Einzelfall zu erfolgen. Naturgemäß ist es dem einfachen Gesetzgeber damit gestattet, den Schutzzweck im Wege einer authentischen Interpretation klarzustellen.

 Mit der Einfügung des zweiten Satzes in §3 Abs1 FMABG hat der Gesetzgeber den ihm vom Verfassungsgesetzgeber eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum genutzt, um die persönliche Reichweite des Schutzzweckes der Normen, die die zivilrechtliche Haftung des Staates für Vermögensschäden aus der Tätigkeit der Organe der Finanzmarktaufsicht bestimmen, klarzustellen. Von der Haftung des Staates sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nur Schäden jener Rechtsträger umfasst sein, die von den Organen der Bankenaufsicht auch beaufsichtigt werden. Der Staat soll dagegen auf Grundlage der Amtshaftung nicht für Schäden haften, die im Vermögen Dritter als bloße Reflexwirkung der Aufsichtstätigkeit der Organe der Bankenaufsicht eintreten. Solche Schäden sind vom Schutzzweck der Bankenaufsichtsnormen nicht erfasst.

 Aus einer historischen Betrachtung und Interpretation ergibt sich, dass weder nach dem Wortlaut noch nach der einschlägigen Literatur zum KWG 1934 bzw KWG 1939, das seit 1938 bzw 1939 in Österreich in Geltung stand, der Schutz der Vermögensinteressen einzelner Gläubiger vom Schutzzweck der Bankenaufsicht erfasst war. Erst 1979 entschied der Oberster Gerichtshof ('OGH') in der Sache 'Krauland' auf der Grundlage des KWG 1939 […] überraschend, dass die Aufsicht des Bundes über Kreditinstitute auch dem Schutz ihrer Gläubiger diene und diese daher in Amtshaftungsverfahren anspruchsberechtigt seien. Diese Rechtsprechung wurde in der Folge vom OGH fortgesetzt, wobei sich dieser zu deren Begründung unzutreffender Weise auf den Begriff 'Gläubiger' in einigen Bestimmungen des KWG 1939 bzw KWG 1979 und des BWG […] berief. Tatsächlich hatte und hat der Gesetzgeber dabei aber einen systemisch-kollektiven Gläubigerbegriff vor Augen. Zweck der Bankenaufsicht ist die Erhaltung der Finanzmarktstabilität und der Schutz vor systemischen Risiken für das Bankwesen.

 Der Schutz der Vermögensinteressen individueller Gläubiger erfolgt durch die Maßnahmen der Einlagensicherung, die vom Gesetzgeber angeordnet und ausgestaltet ist.

 Die Klarstellung des Gesetzgebers durch die Einfügung des zweiten Satzes in §3 Abs1 FMABG ist sachgerecht und sachlich. Ein gegenteiliges Verständnis des Schutzzweckes, nach dem Banken mit dem Ziel von den Organen der Bankenaufsicht zu beaufsichtigen wären, dass deren Insolvenz ausgeschlossen ist, und damit der Staat de facto für die Schäden von Einlegern aus der Insolvenz ihrer Bank haften würde, würde ein staatlich gelenktes Wirtschaftssystem voraussetzen, in dem große Anteile des Staatsbudgets entweder in die Finanzierung der Bankenaufsicht oder in die Haftung für Einlegerschäden fließen würde und der einzelne Einleger keinen Anreiz hätte, die potentiellen Gewinne (Zinsen) einer Einlegerentscheidung gegen die potentiellen Risiken eines mit hohen Zinsen verbundenen risikoreichen Geschäftsmodells abzuwägen. Damit wäre die Selbstregulierung des Marktes außer Kraft gesetzt und würde dies auch zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber anderen risikoorientierteren Markteilnehmern führen und risikoaverse Steuerzahler im Ergebnis die Risikokosten risikoreicher Einlagen risikofreudiger Einleger über Steuergelder finanzieren.

 Die Oesterreichische Nationalbank ('OeNB') handelt im Rahmen der Bankenaufsicht für die Finanzmarktaufsichtsbehörde ('FMA'). Eine eigenständige Haftung des Bundes für Vermögensschäden der Bankgläubiger aus Handlungen oder Unterlassungen der OeNB ist ebenso wie aus Handlungen oder Unterlassungen des Bankprüfers damit ausgeschlossen. Aus dem Schutzzweck der einschlägigen Bankenaufsichtsbestimmungen ergibt sich nichts Anderes.

 Die von den antragstellenden Parteien behaupteten Amtshaftungsansprüche stellen nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ('EGMR') auch keine vermögenswerten Privatrechte im Sinne des Art5 StGG […] oder des Art1 1. ZP EMRK […] dar, da nach dieser ein Vertrauen in das Gleichbleiben der Rechtslage nicht geschützt wird. Daher liegt gar keine geschützte Rechtsposition vor, die eingeschränkt oder entzogen werden könnte.

 Selbst wenn man von einer geschützten vermögenswerten Rechtsposition im Zusammenhang mit den behaupteten Schadenersatzforderungen aus Amtshaftung ausginge, wäre ein Eingriff in diese im öffentlichen Interesse schon deswegen gerechtfertigt, da durch die Klarstellung des Schutzzweckes Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden und der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für die Entscheidungen für eine risikobewusste Anlage- und Einlage geschaffen hat. Die gesetzgeberische Maßnahme wäre auch verhältnismäßig, zumal zumindest € 100.000,00 (in gewissen Fällen bis zu € 500.000,00) gemäß §13 ESAEG […] pro Bank und Einleger durch die Einlagensicherung abgesichert sind.

 Die durch die gesetzgeberische Klarstellung geschaffene Rechtslage entspricht überdies im Ergebnis auch der Rechtslage in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ('EU'), insbesondere auch in Deutschland. Die Beschränkung der Finanzmarktaufsicht in Deutschland auf das öffentliche Interesse und für Haftungen des Staates für Vermögensschäden aus dieser war bereits Gegenstand einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ('EuGH'), der in der Rechtssache Peter Paul ua […] die Unionsrechtskonformität dieser Regelung bestätigt hat.

 Letztlich wurde vom österreichischen Gesetzgeber mit der Klarstellung des Schutzzweckes in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG der Forderung des Internationalen Währungsfonds entsprochen, durch die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen am Finanzmarkt 'Moral Hazard' wirksam entgegen zu wirken.

 

II. Zum Sachverhalt, Anlassverfahren und Antragsvorbringen

Sämtliche vorliegenden Parteianträge auf Normprüfung wurden aus Anlass der Berufungen gegen die Abweisung von zivilgerichtlichen Klagen in den Verfahren zu den Geschäftszahlen ('GZ') […] des LG ZRS Wien ('Anlassverfahren') gestellt. Die antragstellenden Parteien haben im jeweiligen Anlassverfahren mit der Behauptung, der von ihnen jeweils durch die Insolvenz der Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG ('CBM') erlittene Vermögens[s]chaden sei durch das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der Organe der Bankenaufsicht und der Strafverfolgungsbehörden erfolgt, Klage gegen die Republik Österreich (Bund) auf Leistung bzw Feststellung von Schadenersatzansprüchen erhoben.

 

Das LG ZRS Wien hat die Klagen in den Anlassverfahren […] jeweils zutreffend auf Grundlage des Parteivorbringens im Wesentlichen mit der rechtlichen Begründung abgewiesen, dass weder die bankenaufsichtsrechtlichen Bestimmungen noch §1 Abs3 StPO und der damit korrelierende §35c StAG den Schutz des Vermögens Einzelner, mithin der klagenden Parteien bezwecke. Bei der Verneinung des Schutzzweckes der bankenaufsichtsrechtlichen Bestimmungen stützte sich das erkennende Gericht in der Begründung auf den Schutzzweck der bankenaufsichtsrechtlichen Normen, der nicht das Vermögen der einzelnen Gläubiger umfasst und durch §3 Abs1 zweiter Satz FMABG gesetzgeberisch klargestellt wurde. Eine Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung dieser Gesetzesbestimmung gemäß Art89 Abs2 B‑VG erfolgte nicht, da das Gericht in den Anlassverfahren gegen die Verfassungsmäßigkeit des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG keine Bedenken hegte.

 

Die antragstellenden Parteien bringen in ihren mit den Berufungen gegen die klagsabweisenden Urteile jeweils verbundenen Normprüfungsanträgen im Wesentlichen vor, §3 Abs1 zweiter Satz FMABG sei verfassungswidrig, weil die Bestimmung gegen das Rechtsstaatsprinzip, gegen Art23 Abs1 und 4 B‑VG, gegen den Gleichheitsgrundsatz sowie gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verstoßen würde. Der individuelle Gläubigerschutz sei Teil des Schutzzweckes der bankenaufsichtsrechtlichen Bestimmungen, weshalb der in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG zu Gunsten der Republik Österreich (Bund) normierte Haftungsausschluss gegenüber nicht von der FMA beaufsichtigten Rechtsträgern, insbesondere also gegenüber Einlegern, eine kompetenz- und verfassungswidrige Einschränkung bilde. Die Einschränkung sei weder verhältnismäßig noch sachlich rechtfertigbar, weil der Gesetzgeber mit dem Haftungsausschluss rein finanzielle Interessen verfolge, die aber kein berücksichtigungswürdiges öffentliches Interesse darstellen würden; die antragstellenden Parteien erblicken in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG unzutreffend einen gesetzlichen Haftungsausschluss, der die öffentlichen Interessen konterkarieren könnte, weil der Anreiz für eine sorgfältige Bankenaufsicht vermindert würde. Zudem gebe es wesentlich weniger einschneidende Maßnahmen (gelindere Mittel), um eine uferlose Haftung des Bundes zu verhindern. Die teilweise Absicherung vor solchen Schäden durch die Einlagensicherung ändere nichts an der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung, weil sie für Einleger keinen absoluten Schutz biete. Die angefochtene Bestimmung bewirke zudem eine sachliche Ungleichbehandlung zwischen von der FMA beaufsichtigten Rechtsträgern und Dritten. Schließlich bringen einige antragstellende Parteien noch vor, dass die angefochtene Bestimmung den zivilrechtlich ersatzfähigen Schaden in verfassungswidriger Weise – ihrer Ansicht nach unabhängig vom Schutzzweck der bankenaufsichtsrechtlichen Normen – verändere.

 

III. Fehlende Ergebnisrelevanz

 

Gemäß §62 Abs2 VfGG kann ein Parteiantrag auf Normenkontrolle nur dann gestellt werden, wenn die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes präjudiziell für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist. Richtig ist zwar, dass sich das LG ZRS Wien mit §3 Abs1 zweiter Satz FMABG in der Begründung der klagsabweisenden Entscheidungen auseinandergesetzt hat. Gleichzeitig hat das Gericht aber auch ausgesprochen, dass §3 Abs1 zweiter Satz FMABG lediglich als Klarstellung bzw authentische Interpretation durch den Gesetzgeber im Hinblick auf die bereits in Geltung stehenden Finanzmarktaufsichtsgesetze und deren Schutzzweck zu verstehen ist. In den Urteilen zu den Anlassverfahren […] hat das LG ZRS Wien ausgesprochen, dass der Schutzzweck der einschlägigen Bankenaufsichtsnormen nicht die Vermögensinteressen der Einleger umfasst und sohin die Klagen schon mangels Rechtswidrigkeitszusammenhang[es] zwischen den behaupteten verletzten Bankenaufsichtsnormen und den behaupteten Vermögensschäden abzuweisen gewesen wären. §3 Abs1 zweiter Satz FMABG kommt bezüglich des Schutzzweckes der Bankenaufsicht bloß deklarative Wirkung zu. Auch das LG ZRS Wien kommt daher zu der Rechtsauffassung, dass die zivilrechtlichen Klagen der antragstellenden Parteien unabhängig von §3 Abs1 zweiter Satz FMABG abzuweisen wären und es daher an der von §62 Abs2 VfGG geforderten Präjudizialität mangelt.

 

Wie im Folgenden aufgezeigt wird, hat der Gesetzgeber durch §3 Abs1 zweiter Satz FMABG weder willkürlich eine Haftung ausgeschlossen, noch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums oder den Gleichheitssatz verletzt.

 

IV. Zur Verfassungskonformität des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG im Einzelnen

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt und beurteilt ausschließlich, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist. […] Die Ausführungen beschränken sich daher im Folgenden auf die Erörterung der in den Anträgen dargelegten Bedenken.

 

A. Art23 B‑VG – Auslegung von §3 Abs1 zweiter Satz FMABG

 

1. Geschützter Personenkreis

 

Die antragstellenden Parteien vermeinen in der Regelung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG eine unzulässige Einschränkung der Anordnung des Art23 Abs1 B‑VG zu erkennen, indem sie dieser Regelung unterstellen, dass die Haftung des Bundes 'gegenüber wem immer' ausgeschlossen werde.

 

Mit der Regelung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG wird der Schutzzweck der Normen, die die Ausübung der Bankenaufsicht konkretisieren jedoch lediglich, im Sinne einer authentischen Interpretation klargestellt und erfolgt somit keine Einschränkung einer Haftung. Jegliche zivilrechtliche Haftung und somit auch die Amtshaftung, die den Prinzipien des allgemeinen Schadenersatzrechts folgt, setzt für den Ersatz eines bloßen Vermögensschadens voraus, dass die übertretene Norm gerade dem Schutz des Gläubigers vor einem solchen Schaden dient ('Schutzzweck der Norm') und eben diesen Schaden verhindern wollte ('Rechtswidrigkeitszusammenhang'). Es kommt somit nicht zu einem Ausschluss einer Haftung, sondern einer Klarstellung, wessen Schutz die bankenaufsichtsrechtlichen Normen dienen. Diese Klarstellung ist, wie im Folgenden dargelegt wird, verfassungskonform.

 

a) Auslegung des Art23 B‑VG

 

Verfassungsrechtliche Grundlage für die Amtshaftung ist Art23 B‑VG, bei dem es sich grundsätzlich um eine Kompetenzbestimmung handelt. […] In Amtshaftungsangelegenheiten ist der Bund zur Gesetzgebung und Vollziehung zuständig. Neben der Ermächtigungsfunktion werden dem einfachen Gesetzgeber auch inhaltlich Vorgaben für die Ausgestaltung gemacht. […] Insofern enthält Art23 B‑VG an den Gesetzgeber gerichtete 'Richtlinien' […] oder 'Schranken'. […] Der Einzelne kann unmittelbar aus Art23 B‑VG keine Ansprüche ableiten.

 

Artikel 23 Abs1 B‑VG lautet:

 

'Der Bund, die Länder, die Gemeinden und die sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts haften für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben.'

 

Gemäß Art23 B‑VG setzt ein Amtshaftungsanspruch somit voraus, dass

 ein Schaden entstanden ist,

 dieser Schaden durch einen kausalen Zusammenhang,

 auf ein Verhalten, das in Vollziehung der Gesetze gesetzt wurde, zurückzuführen ist,

 das handelnde Organ einem Rechtsträger im Sinne des Art23 Abs1 B‑VG zugerechnet werden kann und

 dieses Organ bei der Schadenszufügung rechtswidrig sowie

 schuldhaft gehandelt hat. […]

 

Nach den Gesetzesmaterialien zu Art23 B‑VG sollte durch die Formulierung, dass 'ein Schaden zu ersetzen ist, 'wem immer' dieser zugefügt wurde', klargestellt werden, dass Amtshaftung nicht nur dann stattfindet, wenn subjektiv-öffentliche Rechte des Betroffenen verletzt wurden. […]

 

b) Schutzzweck und Rechtswidrigkeitszusammenhang

 

Nach hL ist die Wendung 'wem immer' in Art23 Abs1 B‑VG und §1 Abs1 AHG gleich zu verstehen wie der Begriff 'jedermann' in §1295 Abs1 ABGB. […] §1295 Abs1 ABGB wird einschränkend ausgelegt: […] Schadenersatz für bloße Vermögensschäden steht – außerhalb von vertraglichen Rechtsbeziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem – nur zu, wenn der erlittene Nachteil vom Schutzzweck bzw Rechtswidrigkeitszusammenhang der verletzten Vorschrift erfasst ist. […] Dahinter steht der Gedanke, dass gemäß §1311 zweiter Satz ABGB […] nur gehaftet wird, wenn ein Gesetz, das den zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht (Schutzgesetz), übertreten wurde. […] Ohne die Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang und vom Schutzzweck der Norm würde – auch im Amtshaftungsrecht – die Uferlosigkeit der Haftpflicht drohen. […] Ob im Rahmen der Amtshaftung eine Norm gerade auch den Schutz des Geschädigten intendiert, hängt maßgeblich davon ab, ob Pflichten der Rechtsträger nur im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse einzelner Betroffener normiert sind. Es wird nur für solche Schäden gehaftet, die sich als Verwirklichung derjenigen Gefahr darstellen, derentwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat. […] Ob im Rahmen der Amtshaftung eine Norm gerade auch den Schutz des Geschädigten intendiert, hängt wiederrum davon ab, ob bereits eine rechtliche Sonderbeziehung zwischen Geschädigten und Rechtsträger besteht und, ob die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben eine so große und unbestimmte Zahl von Personen betrifft, dass diese der Allgemeinheit gleichzusetzen sind. […]

 

Eine rechtliche Sonderbeziehung ist im Zusammenhang mit der Bankenaufsicht für das Verhältnis 'Bankenaufsicht – Gläubiger (Einleger)' jedenfalls zu verneinen. Auch wirkt sich das Aufsichtshandeln bloß mittelbar auf die Interessen der Gläubiger der beaufsichtigten Bankinstitute aus, deren faktischer Schutz bloß eine Reflexwirkung des Aufsichtshandelns darstellt. […] Pflichten jener Rechtsträger, die die Bankenaufsicht besorgen, werden somit auch nicht im Interesse einzelner Betroffener normiert. Eine Amtshaftung zugunsten der Gläubiger von Bankinstituten aufgrund fehlerhafter Bankenaufsicht scheidet daher mangels Schutzzweck[es] der Normen über die Bankenaufsicht aus und zwar unabhängig davon, ob §3 Abs1 zweiter Satz FMABG Bestand der Rechtsordnung ist oder nicht.

 

c) Kompetenz zur Normierung des Schutzzwecks

 

Die Definition des Schutzzwecks einer Norm ist Aufgabe des (einfachen) Gesetzgebers, ebenso dessen authentische Interpretation. Wieweit der Schutzzweck einer Norm reicht, hat jedenfalls auch weitgehende wirtschaftliche Lenkungseffekte. Im Fall der Bankenaufsicht wird so der einzelne Anleger und Einleger zu einem risikobewussten Veranlagen angehalten. Dabei geht es auch um sachgerechte generalpräventive Lenkungseffekte. Andernfalls würden jene Personen belohnt werden, die bei risikogeneigteren Instituten veranlagen, weil diese die höchsten Zinsen versprechen. Damit würde einem risikogeneigten, nicht nachhaltigen Wirtschaften Vorschub geleistet und würden jene Marktteilnehmer sowohl auf Instituts- als auch auf Gläubigerseite 'abgestraft', die risikoaverser wirtschaften und veranlagen. Dies würde wiederum zu wirtschaftlich unerwünschten Wettbewerbsverzerrungen führen. All das wäre auch unionsrechtlich problematisch. […] Die von den antragstellenden Parteien demgegenüber geforderte ressourcenintensive Beaufsichtigung kann weder Insolvenzen gänzlich ausschließen, noch entspricht sie einem marktwirtschaftlichen liberalen Wirtschaften, sondern geht von einem staatlich gelenkten Wirtschaftssystem aus, in dem Unsummen an Steuergeldern in Aufsichtsmaßnahmen investiert werden müssten. Ungeachtet dessen würden damit gerade keine Anreize zu einem effizienten Wirtschaften und Veranlagen geschaffen werden. Ein solches Konzept widerspricht unzweifelhaft der österreichischen Rechts- und Wirtschaftsverfassung als Marktwirtschaft.

 

Dem einfachen Gesetzgeber kommt bei der Ausgestaltung des Schutzzwecks einer Norm der rechtspolitische Gestaltungsspielraum […] zu, auch nur objektiv-rechtliche Pflichten der Behörde im Allgemeininteresse anzuordnen, die nur als Reflexwirkung pflichtgemäßen Handelns einen Vorteil für Dritte bewirken. Ersatzansprüche Dritter für Vermögensschäden kommen in diesen Fällen nicht in Betracht. […] Die Auslegung des Schutzzwecks einer Norm im Einzelfall kommt zunächst den Rechtsanwendern, insbesondere den Zivilgerichten zu. Jedoch kann diese Auslegung in manchen Bereichen, insbesondere im Bereich der Amtshaftung vielfach komplex […] sein; gerade in solchen Fällen ist eine Klarstellung durch den Gesetzgeber im Sinne der Rechtssicherheit wünschenswert. Verneinte man die Kompetenz des Gesetzgebers[,] den Schutzzweck einer Norm zu definieren, würde dies dazu führen, dass der einfache Gesetzgeber an eine bestimmte Auslegung des Schutzzwecks durch die Amtshaftungsgerichte insoweit gebunden wäre. Ein Verneinen des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums bei der authentischen Auslegung von Gesetzen, insbesondere auch des Schutzzweckes von Gesetzesbestimmungen im Verhältnis zu den Zivilgerichten würde daher das Legalitätsprinzip in gewisser Weise 'umkehren', […] welches besagt, dass die Gerichte an die Gesetze gebunden sind, und nicht umgekehrt der Gesetzgeber durch die Auslegung der Gerichte beschränkt wird. […]

 

Selbst, wenn wider Erwarten der Verfassungsgerichtshof zu der Auffassung gelangt, dass §3 Abs1 zweiter Satz FMABG den Schutzzweck der Bankenaufsicht nicht bloß klarstellt, sondern einschränkt, liegt die Regelung der Anspruchsberechtigten innerhalb des Ausgestaltungsspielraums der dem (einfachen) Gesetzgeber zukommt. Für bloß mittelbare Schäden, resultierend aus faktischen Reflexwirkungen und der Verletzung im Allgemeininteresse gelegener Rechtspflichten besteht nach dem Verfassungsrecht keine Schadenersatzpflicht. Damit obliegt es dem einfachen Gesetzgeber, den persönlichen und sachlichen Schutzzweck einer Norm auch entsprechend zu definieren. Welcher Rechtstechnik er sich dabei bedient, ob er explizit vom Schutzzweck spricht oder den persönlichen Schutzbereich im Rahmen einer 'Schadensdefinition' festlegt, bleibt ihm überlassen und ändert nichts am Ergebnis. […]

 

d) Schutzzweck der Bankenaufsicht – Normhistorie des BWG

 

Die Normhistorie des BWG, die auf das deutsche KWG 1939 zurückgeht, veranschaulicht, welche Gründe hinter der Einfügung des zweiten Satzes in §3 Abs1 FMABG stehen. […] Seit 01.10.1938 galt das deutsche KWG 1934 […] in Österreich. […] In dessen §44 […] war vorgesehen, dass wegen eines Schadens, der durch im Rahmen dieses Gesetzes von den Aufsichtsorganen getroffene[n] Maßnahmen entstand, eine Entschädigung nicht gewährt wurde. Als Begründung für diese Vorschrift wurde angeführt, dass 'der Ausschluss von Ersatzansprüchen […] notwendig [sei], damit die Tätigkeit der Aufsichtsstellen nicht beeinträchtigt wird'. […] In den folgenden Jahrzehnten gingen Literatur und Judikatur einhellig davon aus, dass jedenfalls gegenüber Bankkunden eine Haftung für Amtspflichtverletzungen der Bankenaufsichtsorgane ausgeschlossen sei. […]

 

Dessen ungeachtet entschied der OGH überraschend erstmals 1979, […] dass die Aufsicht des Bundes über Kreditinstitute auch dem Schutz ihrer Gläubiger diene und diese daher in Amtshaftungsverfahren anspruchsberechtigt seien, […] wobei der OGH in einem zeitlichen Naheverhältnis zu einer gleichartigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs ('BGH') in Deutschland von der zu diesem Zeitpunkt von der hL vertretenen Auslegung des KWG 1939 abging.

 

Der deutsche Gesetzgeber stellte als Reaktion auf diese BGH-Judikatur mit §6 Abs3 dtKWG klar, […] dass die Aufsichtsorgane die ihnen nach dem KWG und anderen Aufsichtsgesetzen zugewiesenen Aufgaben ausschließlich im öffentlichen Interesse und nicht etwa zum Schutz der Individualinteressen von Einzelpersonen wahrnehmen. Amtshaftungsansprüche gegen den Staat wegen mangelhafter Bankenaufsicht wurden damit in Deutschland durch authentische Interpretation wiederum ausgeschlossen; dies ist nach wie vor die geltende Rechtslage. Der deutsche BGH hat ausdrücklich die Verfassungskonformität von §4 Abs4 dtFinDAG […] bestätigt. […]

 

In Österreich wurde demgegenüber die Entscheidung des OGH von 1979 mehrfach von diesem auch für Entscheidungen auf der Grundlage des KWG 1979 bzw des BWG 1993 bestätigt, […] wobei die in Folge der Judikatur des OGH 'immer weiter ausgreifende' Auslegung 'der Amtshaftung im Bereich der Bankenaufsicht' […] zunehmend kritischer gesehen wurde.

 

Damit sah sich auch der österreichische Gesetzgeber veranlasst, die aus der Rechtsprechung des OGH resultierende Haftungsausweitung zu korrigieren. Nach einer Klarstellung in §3 Abs5 FMABG, dass die von den der Aufsicht unterliegenden Unternehmen bestellten Abschlussprüfer nicht Organe im Sinne des §1 Abs1 AHG sind, folgte im Jahr 2008 die Einfügung des zweiten Satzes in §3 Abs1 FMABG und damit die Klarstellung, dass eine Amtshaftung für andere als die beaufsichtigten Unternehmen ausgeschlossen ist. Nach den Gesetzesmaterialien sollten dadurch 'Schäden, die sich lediglich als Reflexwirkung des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter auswirken, ausgeschlossen' werden. […] Die Parallelen zur Entwicklung in Deutschland sind evident. […] Denn auch die Reaktion des deutschen Gesetzgebers auf die zitierte Rechtsprechung des BGH war vom erklärten Ziel getragen, dass gegenüber 'nur mittelbar geschützten Personen oder Personenkreisen' keine Amtshaftungspflicht bestehen sollte. […]

 

Soweit die antragstellenden Parteien auf die ständige Rechtsprechung des OGH zur Amtshaftung in der Bankenaufsicht rekurrieren, ist festzuhalten, dass der OGH in seinen Entscheidungen vom 22.06.2012, 1 Ob 186/11a, und vom 23.12.2014, 1 Ob 117/14h, ausgesprochen hat, dass mit der Bestimmung des §3 Abs1 FMABG idFd Novelle BGBl I Nr 136/2008 'der Kreis der amtshaftungsrechtlich geschützten Personen beschränkt bzw erstmals explizit festgelegt wurde'. Daher kann auch nicht – wie die antragstellenden Parteien vermeinen – von einem Abgehen von der ständigen Rechtsprechung in den Anlassverfahren durch das LG ZRS Wien gesprochen werden.

 

Entgegen den Ausführungen der antragstellenden Parteien hat der OGH in seiner Judikatur niemals vertreten, dass den Gläubigern einer Bank subjektiv-öffentliche Rechte im Rahmen der Bankenaufsicht zukommen, zumal diesen in einem bankenaufsichtsrechtlichen Verfahren auch keine Parteistellung eingeräumt ist.

 

e) Auslegung von §3 Abs1 zweiter Satz FMABG – Motive des Gesetzgebers

 

Die Bedeutung von §3 Abs1 zweiter Satz FMABG ergibt sich aus seinem klaren Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Telos der Vorschrift.

 

§3 des Bundesgesetzes über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz – FMABG), BGBI. I Nr 97/2001 idF BGBl I Nr 37/2018, lautet […]: […]

 

Die angefochtene Bestimmung wurde mit der Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz-Novelle 2008, BGBl I Nr 136/2008, eingeführt. In den Erläuterungen (ErlRV 682 BlgNR 23. GP  6) wird zu §3 Abs1 zweiter Satz FMABG ausgeführt:

 

'Durch diese Bestimmung werden Schäden, die sich lediglich als Reflexwirkung des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter auswirken, ausgeschlossen.'

 

Mit BGBl I Nr 136/2008 hat der Gesetzgeber den (zivilrechtlichen) Schutzzweck der Vorschriften über die Bankenaufsicht durch die Beschreibung des geschützten Personenkreis[es] klargestellt, […] indem er durch die Einfügung des zweiten Satzes in §3 Abs1 FMABG rechtstechnisch den Kreis der Anspruchsberechtigten in Amtshaftungsverfahren auf die beaufsichtigten Bankinstitute beschränkt hat. […] Dadurch wurde im Sinne der Lehre auch klargestellt, dass den sonstigen durch Maßnahmen der Bankenaufsicht Betroffenen, insbesondere den Bankgläubigern, aus diesen Maßnahmen der Bankenaufsicht kein Amtshaftungsanspruch zukommt. […] Damit wurde jedoch nicht, wie unzutreffend behauptet wird, […] der Kreis der Anspruchsberechtigten enger gefasst. Die Rechtslage blieb immer dieselbe. Denn der Gesetzgeber korrigierte bloß die ausgreifende Auslegung des Gesetzes durch den OGH, auch um einen Gleichklang mit anderen gleichgelagerten Bereichen der Amtshaftung, in denen der OGH ein weniger weitreichendes Schutzzweckverständnis hat, wie etwa im Fall der StPO oder des StAG, wiederherzustellen und um 'moral hazard' […] und 'jurisdiction shopping' […] bei Einlegerentscheidungen hintanzuhalten und damit ein 'level playing field' […] im europäischen Gesamtkontext sicherzustellen.

 

2. Der zivilrechtliche (Schutz-)Zweck der Normen der Bankenaufsicht

 

Die Argumentation der antragstellenden Parteien fußt auf der Hypothese, dass auch bloße Vermögensschäden, die Einleger durch die Insolvenz eines Bankinstituts und auf Grund einer Handlung von Organen der Bankenaufsicht erleiden, vom Schutzzweck der Bankenaufsichtsnormen erfasst wären, wenn §3 Abs1 zweiter Satz FMABG nicht Bestandteil der Rechtsordnung wäre. Eine solche Auffassung lässt sich weder aus den innerstaatlichen Gesetzen, noch aus dem Unionsrecht ableiten.

 

Als Zielbestimmung der Bankenaufsicht ordnet §69 Abs1 BWG an, dass die FMA Kreditinstitute mit Sitz im Inland 'im Rahmen eines risikobasierten Aufsichtsansatzes zu überwachen und dabei auf das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Bankwesen und an der Finanzmarktstabilität Bedacht zu nehmen' hat.

 

a) Risikobasierter Ansatz

 

Risikobasiert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass bankenaufsichtsrechtliche Prüfmaßnahmen verstärkt dort wahrzunehmen sind, wo systemische Risiken für das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionierenden Bankenwesen und für die Finanzmark[t]stabilität besonders gravierend sein können. Dies hängt in erster Linie von der Systemrelevanz des jeweiligen Kreditinstitutes und in zweiter Linie von den gemeldeten Kennzahlen, Daten und Ergebnissen allfälliger Vor-Ort-Prüfungen ab (vgl §69 Abs2 und 3 BWG).

 

b) Funktionsfähigkeit des Bankwesens

 

Wegen der Schlüsselstellung von Banken für Volkswirtschaften ist die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Bankwesens die ursprüngliche […] und wichtigste Funktion der Bankenaufsicht (Funktionsschutz). […]

 

Die Beschränkung des Regelungszwecks auf volkswirtschaftliche Interessen eines funktionierenden Bankwesens findet sich von Beginn an im BWG und bedeutet, dass 'bei der Überwachung der Kreditinstitute die Funktionsfähigkeit der Gesamtheit des Bankwesens mehr im Fokus der Finanzmarktaufsicht zu stehen hat als das Funktionieren einzelner Institute'. […]

 

Da der Schutz einzelner Personen davon nicht umfasst ist, kommen Amtshaftungsansprüche auf dieser Grundlage von vornherein nicht in Betracht.

 

c) Finanzmarktstabilität

 

Unter Finanzmarktstabilität versteht man die Fähigkeit eines Finanzsystems […] auch in Krisensituationen eine effiziente Kapital- und Risikoallokation zu ermöglichen. […] Dazu ist es nicht erforderlich, dass durch staatliche Maßnahmen die Insolvenz einzelner Kreditinstitute sowie Schwankungen von Vermögenswerten ausgeschlossen werden. […] Mit den Maßnahmen zur Gewährleistung der Finanzmarktstabilität wird das Ziel verfolgt, eine volkswirtschaftliche Systemstabilität sicherzustellen. Dieses umfasst eben nicht den Schutz der Vermögensrechte einzelner Gläubiger.

 

d) Kollektiver Gläubigerschutz – Gläubigerbegriff im BWG

 

Aus ausdrücklichen Anordnungen im BWG […] und aus den Erläuterungen zur BWG-Stammfassung […] ergibt sich als weiterer, 'sekundärer Schutzzweck' […] der Bankenaufsicht der Gläubigerschutz, was auch übereinstimmend von Rechtsprechung […] und Lehre […] anerkannt wird.

 

§70 Abs2 BWG, der sich auch auf die 'Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Kreditinstitutes gegenüber seinen Gläubigern' bezieht, bezeichnet damit aber einen rein kollektiven Gläubigerschutz, der dem einzelnen Gläubiger eines beaufsichtigten Instituts keinen zivilrechtlichen Anspruch aus den Handlungen der Organe der Bankenaufsicht einräumt. Auch aus der systematischen Interpretation des BWG folgt, dass das BWG nicht den Schutz der Vermögensinteressen einzelner Gläubiger bezweckt.

 

Soweit die Antragsteller daraus schließen, dass die Vorschriften über die Bankenaufsicht (auch) darauf abzielen, den einzelnen Sparer zu schützen, […] verkennen sie, dass der Gläubigerschutz im Zusammenhang mit Bankenaufsicht öffentlichen Interessen dient, sodass der Schutz sich auf die Gesamtheit der Bankkunden bezieht und nicht bestimmte einzelne Bankgläubiger daraus Rechte ableiten können ('kollektiver Gläubigerschutz'). Dieser rein systemisch orientierte kollektive Gläubigerschutz entspricht dem Willen des Gesetzgebers und dem Wesen der Wirtschafts- und Bankenaufsicht. […] Mit keiner der bankenaufsichtsbehördlichen Normen, durch die Aufgaben und Befugnisse festgelegt werden, wird vom Gesetzgeber der Zweck verfolgt, den einzelnen Einleger vor Vermögensschäden zu schützen. Diese Aufgabe kommt dem gesetzlich geregelten Institut der Einlagensicherung zu, die auch dem angemessenen Schutz der Vermögensinteressen der einzelnen Gläubiger dient.

 

Bereits vor Inkrafttreten des deutschen KWG 1934, war vom deutschen Reichsgericht entschieden worden, dass eine Verletzung der Aufsichtspflicht durch das staatliche Aufsichtsorgan schon deshalb zu keiner Haftung gegenüber einem Bankkunden führen könne, weil die Aufsichtspflicht 'nur der Allgemeinheit, nicht aber dem geschädigten Dritten gegenüber' obliege. […] Für die auch für Österreich prägende deutsche Rechtslage hielten etwa Szagunn, Neumann und Wohlschieß fest, dass die Aufgaben der Bankenaufsicht 'nicht Einzelinteressen, sondern dem Allgemeininteresse [dienen]. Hierunter fällt zwar auch das Interesse der Gesamtheit der Bankkunden, nicht jedoch das Interesse des einzelnen Bankkunden […]. Die Pflicht zur Überwachung der Kreditinstitute besteht daher lediglich der Allgemeinheit gegenüber, nicht aber den durch ein Kreditinstitut geschädigten Dritten. Das BAK […] oder seine Bediensteten haften daher einem solchen Geschädigten weder aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung noch aus anderen Gesichtspunkten'. […]

 

Die entsprechende Absicht des Gesetzgebers des österreichischen BWG 1993, nur das Allgemeininteresse an einem funktionierenden Bankwesen schützen zu wollen und nicht Interessen individueller Bankkunden, ergibt sich auch unzweifelhaft aus den Erläuterungen zur Stammfassung. Zu den neu eingeführten Aufsichtsinstrumenten wird darin ausgeführt: 'Diese weitgehenden Eingriffsmöglichkeiten finden ihre Rechtfertigung in der Verantwortlichkeit des Bundesministers für Finanzen der Allgemeinheit gegenüber, die Gläubiger durch den gesicherten Bestand der Kreditinstitute zu schützen. Darüber hinaus kann dieser mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln der Bankenaufsicht die ordnungsgemäße Geschäftsführung

eines Kreditinstitutes nicht dem einzelnen Gläubiger gewährleisten.' […]

 

Aus dem Zweck des kollektiven Gläubigerschutzes als weiteres Ziel des Bankenaufsichtsrechts lässt sich daher keineswegs ableiten, dass die Klarstellung des persönlichen Schutzbereichs des (zivilrechtlichen) Schutzzwecks der Bankenaufsichtsnormen durch die Einfügung des zweiten Satzes in §3 Abs1 [FMABG] gegen Art23 B‑VG verstößt. […]

 

In diesem Sinne hat auch Robert Rebhahn bereits 1997, also noch vor der Novelle BGBl I Nr 136/2008, mit der der zweite Satz in §3 Abs1 FMABG eingefügt wurde, vertreten, dass das österreichische Recht keine Haftung des Staates gegenüber Bankgläubigern wegen mangelhafter Bankenaufsicht vorsehe. […] Bei der Bankenaufsicht stehe der Schutz der Allgemeinheit deutlich im Vordergrund und das schädigende fahrlässige Verhalten des Staates sei weder ein Eingriff in (absolut geschützte) Güter des Geschädigten, noch lasse es einen solchen Eingriff eines anderen zu.

 

Gläubigerschutz in einem Wirtschaftsaufsichtsgesetz bedeutet etwas anderes als der Schutz des einzelnen Sparers. […] Dahinter steht der Gedanke, dass sich Wirtschaftsaufsicht primär an bestimmte Wirtschaftsunternehmen und wenn überhaupt, dann nur sekundär an deren Kunden bzw sonstige Dritte wendet. […] Daher kann der Gläubigerschutz nur struktureller Art sein, zielt also auf jene Strukturen und Prozesse ab, die geeignet sind, die Vermögenspositionen der Gläubiger als Kollektiv als nicht erkennbar gefährdet erscheinen zu lassen und so die Finanzmarktstabilität sicherzustellen. Keine der bankenaufsichtsbehördlichen Aufgaben- und Befugnisnormen hat den Sinn, den einzelnen Sparer vor Vermögensschäden zu schützen. […]

 

e) Individueller Gläubigerschutz – Einlagensicherung

 

Dem Bedürfnis nach einem Schutz der Vermögensinteressen der Einleger und Anleger wurde vom Gesetzgeber durch §31 KWG 1979 […] Rechnung getragen, mit dem das Institut der Einlagensicherung etabliert worden ist.

 

Dagegen ist der 'individuelle' Gläubigerschutz nicht Zweck der Bankenaufsicht. Wenn die antragstellenden Parteien in dem Zusammenhang auf die CRR […] und die darin normierten Offenlegungspflichten rekurrieren, die dem Einleger Informationen über die Solvenz der Kreditinstitute bieten sollten (Erwägungsgrund 76 CRR), so übersehen diese, dass der Unionsgesetzgeber ein risikobewusstes Veranlagen der Einleger und Anleger vor Augen hat und mit den Regeln des Unionsrechtes die Absicht verfolgt, das eigenverantwortliche Handeln der Gläubiger zu unterstützen. Es ist nicht Zweck dieser Regelung, den Einlegern jegliche Verantwortung für eine risikobewusste Einlege- oder Anlageentscheidung abzunehmen und die Haftung für das risikogeneigte Handeln von Kreditinstituten und Einlegern der Bankenaufsicht zu übertragen.

 

Keinesfalls ist dem Unionsrecht […] ein Schutz der individuellen Gläubigerinteressen dahingehend zu entnehmen, dass die Bankenaufsicht diesen dienen müsste und jegliches Versehen oder jeglicher Verstoß durch ein beaufsichtigtes Institut und Unterlassen der Bankenaufsicht zu einer Haftung des Staates für die durch die Verstöße des Institutes geschädigten Gläubiger führen müsste. Das würde auch im Widerspruch zum Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit des Handelns der Gläubiger (Einleger) und deren Einlage- bzw Anlageentscheidung stehen.

 

Auch aus dem Zweck des Schutzes der Finanzmarktstabilität lässt sich kein individueller Gläubigerschutz ableiten. Vielmehr ergibt sich daraus eindeutig, dass es um einen kollektiven Gläubigerbegriff geht. Der einzelne Gläubiger kann und wird niemals die Finanzmarktstabilität gefährden, ein Kollektiv von Gläubigern, die beispielsweise gleichzeitig ihre Einlagen beheben oder deren verlorene Einlagen zu nachhaltigen Verwerfungen im volkswirtschaftlichen Gesamtgefüge führen, schon.

 

Zur Unterstützung ihrer Argumente rekurrieren die antragstellenden Parteien auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ('VwGH'), wobei eine der in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen […] gar nicht das Bankenaufsichtsrecht, sondern das Glücks[s]pielrecht zum Gegenstand hat und daher im gegenständlichen Zusammenhang nicht relevant sein kann. In der zweiten zitierten Entscheidung […] war die Einlagensicherung gegenständlich und es ist unbestritten, dass die Regelungen über die Einlagensicherung dem Schutz der Gläubiger dienen; auch aus dieser Entscheidung lässt sich jedoch nicht ableiten, dass der VwGH von einem Schutz individueller Vermögensinteressen einzelner Sparer ausging; auch in dem Zusammenhang ging es um das Kollektiv der Gläubiger und um einen systemischen Begriff.

 

3. Zusammenfassung

 

§3 Abs1 zweiter Satz FMABG verstößt somit nicht gegen Art23 B‑VG. Ein genereller und daher unzulässig überschießender Ausschluss der Amtshaftung für den Vollzugsbereich der Bankenaufsicht liegt schon deshalb nicht vor, weil das beaufsichtigte Bankinstitut, das Gegenstand der Aufsichtshandlung ist, anspruchsberechtigt ist. Damit ist die Vorschrift vom einfachen Gesetzgeber im Rahmen des ihm nach Art23 B‑VG eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums ausgeformt.

 

B. Gleichheitssatz

 

1. Sachlichkeitsgebot

 

Entgegen dem Vorbringen der antragstellenden Parteien liegt ein pauschaler oder genereller und damit dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes widersprechender Ausschluss der Amtshaftung in einem Regelungsbereich nicht vor, weil die beaufsichtigten Rechtsträger, die Gegenstand der Aufsichtshandlung sind, anspruchsberechtigt sind. Es ist sachlich gerechtfertigt, nur solchen Rechtsträgern nach den Bestimmungen des AHG gegenüber zu haften, denen Schäden unmittelbar zugefügt wurden. Unmittelbar bezieht sich das Aufsichtshandeln der FMA nur auf beaufsichtigte Rechtsträger, sodass auch nur diesen gegenüber für ein allfälliges Fehlverhalten im Rahmen der Aufsichtstätigkeit nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes einzustehen ist.

 

2. Verhältnis beaufsichtigte Institute – Gläubiger dieser Institute

 

Die antragstellenden Parteien vermeinen in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG eine Ungleichbehandlung von beaufsichtigten Rechtsträgern und sonstigen Geschädigten zu erkennen. Diese Argumentation stützt sich auf die Hypothese, dass ohne §3 Abs1 zweiter Satz FMABG auch bloße Reflexschäden im Vermögen Dritter vom Schutzzweck der Bankenaufsichtsnormen erfasst wären. Wie bereits vorstehend unter Punkt IV.A. dargelegt, ist dies gerade nicht der Fall. Selbst wenn §3 Abs1 zweiter Satz FMABG nicht Bestand der Rechtsordnung wäre, käme eine Amtshaftung gegenüber Bankgläubigern aufgrund von Fehlern bei der Bankenaufsicht nicht in Betracht. Die schadenersatzrechtliche Unterscheidung zwischen Geschädigten, die vom Schutzzweck einer Norm erfasst sind (konkret die beaufsichtigten Rechtsträger) und solchen, die es nicht sind (konkret die Bankgläubiger), ist zum Zwecke der Vermeidung einer Uferlosigkeit der Haftung sachlich gerechtfertigt.

 

Die antragstellenden Parteien verkennen dabei auch das in den verfassungsrechtlichen Grundrechten zum Ausdruck kommende liberale Prinzip, das eine Freiheit des Einzelnen von Eingriffen des Staates garantieren soll.

 

3. Amtshaftung und Schutzzweck im Bereich der Strafverfolgungsbehörden

 

Auch ist es unzutreffend, wenn die antragstellenden Parteien behaupten, der Bund hafte in gleich gelagerten Fällen sehr wohl für das Handeln der Organe der Staatsanwaltschaft. Im Gegenteil geht aus den von den antragstellenden Parteien vorgelegten erstinstanzlichen Urteilen des LG ZRS Wien hervor, dass der Schutz der Vermögensinteressen der einzelnen Gläubiger (Opfer) nicht vom Schutzzweck der Bestimmungen über die Strafverfolgung erfasst ist. Daher ist aus §3 Abs1 zweiter Satz FMABG keine unsachliche Differenzierung zwischen den Folgen des Handelns der FMA und den Konsequenzen, die hoheitliche Handlungen anderer Organe (zB Organe der Staatsanwaltschaft) nach sich ziehen, abzuleiten. Da wie dort wird nach den Regeln des Amtshaftungsgesetzes gehaftet und somit auf den Schutzzweck der jeweiligen dem staatlichen Handeln zugrundeliegenden Normen abgestellt. […]

 

4. Verhältnis FMA – OeNB

 

Einige antragstellende Parteien behaupten, dass es für das Handeln der OeNB keine vergleichbare Haftungseinschränkung geben würde. Die antragstellenden Parteien übersehen bei ihrem Vorbringen, dass auch bei schadenersatzrechtlicher Inanspruchnahme aufgrund allfälliger Fehler der Prüftätigkeit der OeNB, der Schutzzweck und Rechtswidrigkeitszusammenhang der dem Handeln der OeNB zugrundeliegenden Aufsichtsnormen geprüft werden müsste. Der Schutzzweck der Normen über das Aufsichtshandeln der OeNB gegenüber Bankinstituten erfasst ebenso nicht den einzelnen Bankeinleger.

 

5. Verhältnis FMA – Abschlussprüfer/OeNB

 

Die antragstellenden Parteien vermeinen irriger Weise, dass der Bund für Schäden, die jemandem von einem von der FMA beauftragten Abschlussprüfer zugefügt werden, gemäß §3 Abs5 FMABG haftet.

 

Auch der von der FMA beauftragte Abschlussprüfer ist als Hilfsorgan der FMA zu qualifizieren, weswegen der Bund nur im Rahmen des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG für dessen der FMA zurechenbares Fehlverhalten haftet, wenn der von der FMA beauftragte Abschlussprüfer anlässlich seiner beauftragten Tätigkeit dem beaufsichtigten Rechtsträger, der Gegenstand seiner Handlungen ist, einen Schaden zufügt.

 

Entgegen den Ausführungen der antragstellenden Parteien lässt sich daraus keine unsachliche Differenzierung des Gesetzgebers ableiten.

 

6. Zusammenfassung

 

§3 Abs1 zweiter Satz FMABG verstößt nicht gegen Art7 B‑VG. […] Zu einem pauschalen Ausschluss der Amtshaftung für Schäden aus staatlichem Handeln im Vollzugs- und Regelungsbereich der Bankenaufsicht kommt es nicht. Die von den antragstellenden Parteien behaupteten Ungleichbehandlungen liegen gerade nicht vor. Vielmehr hat der Gesetzgeber sorgsam und mit tragfähigen Gründen differenziert. […]

 

C. Eigentumsfreiheit

 

1. Keine geschützte Rechtsposition

 

Die antragstellenden Parteien gehen davon aus, dass es sich bei dem von ihnen geltend gemachten Schadenersatzanspruch aus Amtshaftung um ein vermögenswertes Privatrecht im Sinne des Art1 1. ZP EMRK bzw Art5 StGG handelt, wodurch ihnen im Sinne der Judikatur des EGMR eine geschützte Rechtsposition eingeräumt wird, die ihnen durch §3 Abs1 zweiter Satz FMABG entzogen, zumindest aber eingeschränkt wird.

 

Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des EGMR zu Art1 1. ZP EMRK Ansprüche auf vermögenswerte Leistungen nur dann und nur insoweit geschützt sind, als ein berechtigtes Vertrauen (bzw berechtigte Erwartungen) darauf besteht, dass sie sich materialisieren ('a legitimate expectation'). […]

 

Nach der Rechtsprechung des EGMR kommt es für die Frage, ob eine betroffene Person auf das Vorliegen eines Anspruches auf vermögenswerte Leistungen vertrauen darf, darauf an, ob eine Forderung vollstreckbar ist ('sufficiently established to be enforceable'), ob nachgewiesen ist, dass ein nach innerstaatlichem Recht durchsetzbarer Anspruch besteht ('an assertable right under domestic law'), sowie darauf, ob die betroffenen Personen die rechtlichen Voraussetzungen des innerstaatlichen Rechts für die Gewährung bestimmter Leistunge[n] erfüllten ('legal conditions laid down in domestic law for the grant of any particular form of benefits'). […]

 

Ist die Auslegung bzw Anwendung des innerstaatlichen Rechts jedoch strittig oder besteht bloß eine Hoffnung auf Sicherung eines Vermögenswerts oder auf dessen Anerkennung in einem Gerichtsverfahren, so liegen nach der Rechtsprechung des EGMR gerade keine berechtigten Erwartungen ('legitimate expectations') vor. […] Forderungen wären nur dann als Vermögenswert im Sinne von Art1 1.ZP EMRK anzusehen, wenn sie eine ausreichende Grundlage im innerstaatlichen Recht haben, etwa, wenn sie sich auf eine ständige Rechtsprechung der nationalen Gerichte stützen können. Ein Vertrauen auf das Gleichbleiben der Rechtslage ist allerdings nicht schützenswert. […] Daran ändert auch die Entscheidung des EGMR zu Pressos Compania Naviera S.A./Belgien nichts, weil es darin um eine rückwirkende Aufhebung des Rechts auf Schadenersatz ging […] und die Entscheidung davon abgesehen in der weiteren Rechtsprechung des EGMR isoliert geblieben ist. […]

 

Somit liegt im gegenständlichen Fall nicht einmal eine geschützte Rechtsposition der antragstellenden Parteien vor, die entzogen oder eingeschränkt werden könnte.

 

2. Zulässigkeit eines allfälligen Eingriffes

 

Selbst wenn man aber von einer geschützten Rechtsposition ausgehen wollte, wäre ein Eingriff in diese zulässig, soweit ein solcher im öffentlichen Interesse erfolgt und verhältnismäßig ist.

 

a) Öffentliches Interesse

 

Ein öffentliches Interesse ist im Zusammenhang mit §3 Abs1 zweiter Satz FMABG und der Klarstellung des Schutzzweckes der Bankenaufsicht und der damit einhergehenden Klarstellung des persönlichen Schutzbereiches der Bankenaufsichtsnormen sehr wohl gegeben, und zwar in mehrfacher Hinsicht:

 

Das öffentliche Interesse an §3 Abs1 zweiter Satz FMABG idF BGBl I Nr 136/2008 ist darin zu sehen, dass eine Haftung des Staates für Verluste von Anlegern und Einlegern zu einem 'Moral Hazard' führen kann und Anleger unvorsichtig werden, wenn zu erwarten ist, dass der Staat bei riskanterem Anlege- oder Einlegeverhalten ohnedies 'einspringt'. Durch eine ausufernde Haftung des Staates für Verluste von Anlegern und Einlegern würde nämlich das den Einzelnen treffende wirtschaftliche Risiko auf den Staat übertragen werden. […] Eine solche Risikoverlagerung ginge jedoch zulasten jener Steuerzahler, die nicht riskant veranlagen und förderte geradezu riskante, nicht nachhaltige Geschäftsmodelle. Um derartigen, auch wettbewerbsrechtlich und beihilfenrechtlich bedenklichen Entwicklungen und Verwerfungen entgegenzutreten, ist die Klarstellung in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG auch im öffentlichen Interesse. Das Bundesbudget dient allen auf dem Staatsgebiet der Republik Österreich ansässigen Personen und wäre eine Bevorzugung unvorsichtiger Einleger (oder Anleger) unsachlich und daher gleichheitswidrig. Die Allgemeinheit hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass Spekulationsrisiken einzelner nicht vom Staat, dessen Leistungen von der Allgemeinheit finanziert werden, getragen werden, zumal die aus riskanten Veranlagungen resultierenden erhöhten Gewinne weder dem Staat noch der Allgemeinheit zukommen.

 

Keineswegs ging es dem Gesetzgeber bei der Klarstellung des Schutzzweckes der Normen betreffend die Bankenaufsicht um rein fiskalische, budgetäre Überlegungen, sondern beabsichtigte der Gesetzgeber vor allem einen marktwirtschaftlichen Lenkungseffekt. Eine Rechtslage, die Einleger dazu einlädt, ihren Nachteil auf den öffentlichen Haushalt und damit auf die Gesamtheit der Steuerzahler zu verlagern und daher für ihre 'Einlageentscheidung' nur mögliche Gewinne, nicht aber mögliche Risiken zu berücksichtigen, war sachlich nicht gerechtfertigt.

 

Entgegen der Argumentation der antragstellenden Parteien ging es dem Gesetzgeber vorrangig um einen ordnungspolitischen Lenkungseffekt zur Absicherung des 'level playing fields' und zur Förderung eigenverantwortlicher, risikobewusster Veranlagungsentscheidungen im Sinne eines Marktes, der sich nach Möglichkeit selbst reguliert, was wiederum die Stabilität des Finanzsystems nachhaltig stärkt.

 

Die Befürchtung der antragstellenden Parteien, dass Einleger kein Geld mehr bei Banken veranlagen, wenn die Haftung des Staates im Wege der Amtshaftung für Vermögensschäden von Einlegern aus der Insolvenz einer Bank ausgeschlossen ist, ist nicht nachvollziehbar, da weltweit und in Europa viele Staaten nicht für Vermögensschäden von Personen, die diese als Einleger durch die Insolvenz ihrer Bank erleiden, haften. Ungeachtet dessen funktioniert auch in diesen Staaten nicht nur das Bankensystem, sondern ist in diesen auch die Stabilität des Finanzmarktes gesichert.

 

b) Verhältnismäßigkeit

 

Ein Eingriff in eine allfällig geschützte Rechtsposition wäre auch verhältnismäßig. Vielmehr wäre eine Rechtslage, die den Einzelnen dazu einlädt, ausschließlich die möglichen Gewinne einer Veranlagung zu beurteilen, da etwaige Verluste bzw Nachteile auf den öffentlichen Haushalt und damit die Gesamtheit der Steuerzahler verlagert werden, nicht sachgerecht. Damit würde nämlich nicht zuletzt auch der für das Amtshaftungsrecht maßgebliche Grundsatz des bürgerlichen Rechts, wonach der Geschädigte seinen Schaden primär selbst zu tragen hat und dessen Ersatz durch andere nur bei Vorliegen entsprechender Zurechnungsgründe in Frage kommt, aufgegeben. Überdies würden dabei jene unverhältnismäßig – insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Zinssituation – bevorzugt, die über genügend Vermögen verfügen, um überhaupt Veranlagungen tätigen zu können.

 

Zudem sind die gesetzgeberischen Maßnahmen in einem Gesamtkontext zu sehen. Einer allfälligen Einschränkung der Amtshaftung auf beaufsichtigte Personen gemäß §3 Abs1 zweiter Satz FMABG steht die im Zuge der Novellen zur Einlagensicherung ab dem Jahr 2008 deutlich erhöhte und in ihrem Anwendungsbereich ab dem Jahr 2015 auch ausgeweitete Einlagensicherung bis zu einem Betrag von € 100.000,00 (in bestimmten Fällen auch bis zu € 500.000,00) pro Kunde und Bank gemäß ESAEG gegenüber. Mit der Einlagensicherung wurde auf gesetzlicher Ebene ein Instrument des (individuellen) Gläubigerschutzes geschaffen, das den für die Gläubiger geltenden Ausschluss der Amtshaftung relativiert.

 

Auch unter Berücksichtigung der vom Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 1[4].07.2020, G202/2020, ausgesprochenen Grundwertungen, wonach Eigentumsbeschränkungen infolge Flankierung mit bzw Einbettung in andere(n) Maßnahmen verhältnismäßig sind, ist die mit BGBl I Nr 136/2008 in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG erfolgte Klarstellung des Umfangs des Schutzzwecks verhältnismäßig.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in früheren Entscheidungen einzelne gesetzliche Beschränkungen von Ersatzansprüchen – wenn auch vor dem Hintergrund gleichheitsrechtlicher Überlegungen – als sachlich gerechtfertigt angesehen. […] Zur Geeignetheit der getroffenen Regelung ist auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu verweisen. Konkrete Vorgaben, auf welche Art und Weise der Gesetzgeber die von ihm verfolgten Ziele zu erreichen hat, ergeben sich aus der Verfassung ebenso wenig wie Maßstäbe, anhand derer der VfGH die Zweckmäßigkeit und Billigkeit einer gesetzlichen Regelung überprüfen könnte. […]

 

3. Zusammenfassung

 

Mit §3 Abs1 zweiter Satz FMABG erfolgte kein Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum, weil ein berechtigtes Vertrauen der Bankgläubiger dadurch nicht beeinträchtigt wird. Selbst wenn man vom Vorliegen eines Eingriffs ausginge, ist §3 Abs1 zweiter Satz FMABG sachlich gerechtfertigt, weil damit ein anerkanntes öffentliches Interesse verfolgt wird und sich die Klarstellung der dem Schutzzweck der Bankenaufsichtsnormen innewohnenden Beschränkung der Anspruchsberechtigten auf die beaufsichtigten Institute, die Gegenstand der Aufsichtshandlung sind, insgesamt als verhältnismäßig erweist. […]

 

D. Unionsrecht und Rechtsvergleich

 

1. EuGH

 

Auch ist §3 Abs1 zweiter Satz FMABG entgegen dem Vorbringen der antragstellenden Parteien unionsrechtskonform. Der EUGH hat sich in der Rechtssache Peter Paul ua/Bundesrepublik Deutschland, sowohl mit der Frage auseinandergesetzt, (i) ob es gegen Unionsrecht verstößt, wenn nach nationalem Recht die Bankenaufsicht ausschließlich im öffentlichen Interesse erfolgt, als auch mit der Frage, (ii) ob sich aus dem Unionsrecht ein subjektives Recht von Bankgläubigern ableiten lässt, bei unzureichender Bankenaufsicht vom Staat Schadenersatz verlangen zu können. Beide Fragen hat der EuGH verneint.

 

In einer jüngeren Entscheidung judiziert der EuGH, dass ein unionsrechtlicher Akt, der dem Staat Überwachungspflichten auferlegt, nicht auch automatisch eine Haftung des Staates herbeiführt, falls der Staat diesen Überwachungspflichten nicht nachkommt (was gegenständlich aber noch nicht einmal der Fall war). […]

 

a) Zulässigkeit der Beschränkung der Bankenaufsicht auf das öffentliche Interesse

 

Die Frage nach der Beschränkung der Bankenaufsicht auf die Berücksichtigung öffentlicher Interessen bezieht sich auf die Einlagensicherungsrichtlinie. […] Diese bezweckt den Schutz der Einleger, wenn die Einlagen bei einem Kreditinstitut, das einem Einlagensicherungssystem angehört, nicht (mehr) verfügbar sind. Um das ordnungsgemäße Funktionieren des Einlagensicherungssystems zu garantieren, kommen den nationalen Behörden Aufsichtsbefugnisse bis hin zum Widerruf der einem Kreditinstitut erteilten Zulassung zu.

 

Die Kläger im nationalen Ausgangsverfahren hatten behauptet, dass ein Schadenersatz wegen mangelhafter, den unionsrechtlichen Vorgaben widersprechender Bankenaufsicht bestehe. Der EuGH schloss aus dem Regelungszweck der Einlagensicherungsrichtlinie, dass einzelne Einleger keinen Anspruch darauf haben, dass die zuständigen Behörden in ihrem Interesse Aufsichtsmaßnahmen treffen, wenn ihre Entschädigung im Fall der Nichtverfügbarkeit ihrer Einlagen gewährleistet ist. Er berief sich dabei auch auf die Erwägungsgründe der Einlagensicherungsrichtlinie, wo ausdrücklich ausgeschlossen wird, dass die Mitgliedstaaten oder ihre Behörden den Einlegern gegenüber haftbar gemacht werden, wenn ein Ersatz nach dieser Richtlinie gewährleistet wird. […] Die Einlagensicherungsrichtlinie stehe somit nicht einer nationalen Regelung entgegen, die festlegt, dass die Bankenaufsichtsbehörde ihre Tätigkeit allein im öffentlichen Interesse ausübt. […]

 

b) Kein subjektives Recht der Bankgläubiger auf Amtshaftung

 

Zur Frage, ob sich aus dem Unionsrecht ein subjektives Recht von Bankgläubigern ergebe, bei unzureichender Bankenaufsicht Schadenersatz zu verlangen, führte der Gerichtshof aus, dass das einschlägige Sekundärrecht den Schutz der Einleger bezwecke. Daraus ergebe sich aber nicht zwingend, dass ihnen entsprechende Rechte eingeräumt seien. Insbesondere finde sich keine ausdrückliche Bestimmung, die derartige Rechte gewähre. Außerdem habe die Richtlinie 94/19/EG einen Mindestschutz der Einleger eingeführt, der auch in Fällen garantiert sei, in denen Einlagen wegen mangelhafter Aufsicht nicht verfügbar sind. Somit komme dem Einzelnen auch kein Staatshaftungsanspruch auf Grundlage des Unionsrechts wegen unzureichender Bankenaufsicht zu. […]

 

Diese Entscheidung wurde erst jüngst bestätigt […] und auch vom OGH übernommen. […]

 

Wiewohl rechtstechnisch die Klarstellung des Schutzzweckes der Bankenaufsicht etwas anders erfolgte als in Deutschland, ist das Ergebnis dennoch das gleiche. Auch §3 Abs1 zweiter Satz FMABG stellt den (zivilrechtlichen) Schutzzweck der Normen der Bankenaufsicht hinsichtlich des geschützten Personenkreises klar. Sowohl nach österreichischem als auch nach deutschem Recht besteht keine Haftung gegenüber Bankgläubigern, da der individuelle Gläubigerschutz nicht vom Schutzzweck der bankenaufsichtsrechtlichen Vorschriften umfasst ist. Diesbezüglich ist die Rechtslage in Österreich und Deutschland nicht nur vergleichbar, sondern ident.

 

Auch hat sich die materielle Rechtslage seit der Entscheidung Peter Paul ua/Bundesrepublik Deutschland nicht mehr geändert. An die Stelle der einschlägigen Richtlinien traten Folgerechtsakte, […] in denen die der EuGH-Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsnormen übernommen wurden, sodass sich die Rechtslage in den betroffenen Bereichen materiell nicht geändert hat. […] Auch im geltenden Recht ist die Haftung für unzureichende Bankenaufsicht nicht ausdrücklich geregelt. […]

 

2. Wettbewerbsrecht – Vermeidung von 'Moral Hazard'

 

Einige Mitgliedstaaten der EU haben den Schutzzweck der Bankenaufsicht auf das öffentliche Interesse beschränkt (vgl §4 Abs4 dFinDAG). […] Andere Staaten verlangen für eine Haftung des Staates etwa 'bad faith', was im Ergebnis einem Haftungsausschluss gleichkommt […] oder haben die Haftung auf unmittelbare Schäden beschränkt und die Haftung für Vermögensschäden von Gläubigern eines beaufsichtigten Institutes somit ausgeschlossen.

 

Durch unterschiedliche Haftungsrahmen der öffentlichen Hand in den Mitgliedstaaten kann es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen (nach dem Motto: Welcher Mitgliedstaat haftet für 'mehr' Einlegerschäden), was jedenfalls im Rechtsraum der EU nicht erwünscht ist. So könnten sich beaufsichtigte Institute mit nicht nachhaltigen und riskanten Geschäftsmodellen, die eine hohe Verzinsung für Einleger anbieten, vorzugsweise in jenen Staaten ansiedeln, die eine weitreichende Haftung des Staates für Einleger- bzw Anlegerschäden im Fall des Scheiterns solcher Institute vorsehen und Umsätze von nachhaltig wirtschaftenden Marktteilnehmern, die weniger Verzinsung anbieten können, abziehen.

 

Ähnlich den negativen Markteffekten von Dumping würde damit der Markt insgesamt durch falsche Anreize gestört und der Wettbewerb verzerrt. Ein derartiges wettbewerbswidriges Vorgehen entspricht nicht dem Willen des österreichischen Gesetzgebers und wäre eine Rechtslage, die ein solches Vorgehen begünstigt, auch unionsrechtswidrig. Es lag und liegt daher im öffentlichen Interesse, dass durch BGBl I Nr 136/2008, mit dem §3 Abs1 zweiter Satz FMABG seinen heutigen Norminhalt erhalten hat, für Österreich eine solche Wettbewerbsverzerrung ausgeschlossen ist.

 

Dass der Zweck der Aufsicht die Wahrung der Stabilität des Finanzmarktes ist und damit diese nicht dem Schutz der Vermögensinteressen eines einzelnen Gläubigers dient, wurde durch die erst kürzlich ergangene Entscheidung des EFTA-Gerichtshofes vom 25.02.2021, E-5/20 (zur RL Solvabilität II und den entsprechenden Vorgängerrichtlinien) auch europarechtlich bestätigt.

 

Ferner hat der Internationale Währungsfonds bereits im Jahr 2008 die Empfehlung gegenüber der Republik Österreich ausgesprochen, die Amtshaftung in Österreich für die Beaufsichtigung des Finanzsektors gesetzlich zu limitieren und die persönliche Reichweite des Schutzzwecks der Normen der Bankenaufsicht einzuschränken. […]

 

Überdies hat sich im Jahr 2008 der Internationale Währungsfonds […] kritisch zu einem ausufernden Haftungsregime im Bereich der Bankenaufsicht geäußert: 'The effectiveness of financial sector regulations and their enforcement is being impaired by a very wide interpretation of government Institutional liability for financial sector supervision ('Amtshaftung'). Currently, the authorities may be sued for even slight negligence in supervision and enforcement. There seems to be a public perception that the regulatory authorities should be able to prevent any bad outcome, such as instances of fraud or mismanagement. […] The result is moral hazard: investors will be less careful if they expect that they can get compensation by suing the government should the investment go bad. […] Government institutional liability for financial sector supervision should, therefore, be defined more narrowly.'

 

Mit §3 Abs1 zweiter Satz FMABG idF BGBl I Nr 136/2008 wurde vom österreichischen Gesetzgeber sichergestellt, dass die nationalen Rechtsvorschriften der Bankenaufsicht auch in materieller Hinsicht unionsrechtskonform sind. Da der Schutz der Vermögensinteressen einzelner Gläubiger, insbesondere auch der Einleger der Banken, nicht der Bankenaufsicht obliegt, sind aus einem Aufsichtsversagen abgeleitete Schäden, da sie nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst sind, ausgeschlossen. […]

 

3. Zusammenfassung

 

Auch die für die Bankenaufsicht relevanten europäischen Richtlinien stehen einer nationalen Vorschrift nicht entgegen, nach der die nationale Behörde zur Aufsicht über die Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt, was nach dem nationalen Recht ausschließt, dass der einzelne Einleger Ersatz des Schadens verlangen kann, der durch eine unzureichende Aufsicht dieser Behörde entstanden ist. Begründet wurde diese Einschränkung ua mit der Komplexität, auf welcher die Bankenaufsicht beruht, und in welchem Rahmen die Behörden verpflichtet sind, eine Vielzahl von Interessen zu schützen, darunter insbesondere dasjenige an der Stabilität des Finanzsystems. […]"

 

7. In den Verfahren zu G269/2021, G270/2021, G286/2021, G291/2021, G292/2021, G293/2021, G297/2021, G299/2021, G300/2021, G353/2021 und G356/2021 sah der Verfassungsgerichtshof in Anbetracht der gleichlautenden Bedenken der antragstellenden Parteien gegen die angefochtene Bestimmung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG im Hinblick auf §19 Abs3 Z4 VfGG von der Durchführung eines Vorverfahrens ab.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

1.2. Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist – entsprechend der Formulierung des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache", somit eines Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz (vgl VfSlg 20.001/2015; VfGH 25.2.2016, G659/2015). Außerdem muss der Parteiantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG "aus Anlass" der Erhebung eines Rechtsmittels gestellt werden. Für den Rechtsmittelwerber ist dabei die Frist zur Einbringung des Rechtsmittels maßgebend (vgl VfSlg 20.074/2016; VfGH 26.9.2016, G62/2016).

1.3. Sämtliche Anträge werden jeweils aus Anlass einer Berufung gegen ein Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, mit dem die Klage der einzelnen Antragsteller gegen den Bund abgewiesen wurde, gestellt.

Die Parteianträge wurden – ausweislich der Aktenlage – ebenso wie die jeweils gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien erhobenen Berufungen innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebracht. Damit sind die Parteianträge als rechtzeitig anzusehen. Die Zulässigkeit der Berufungen wurde auch vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien nicht in Abrede gestellt.

1.4. Sämtliche Anträge erweisen sich als zulässig:

1.4.1. Die antragstellenden Parteien in den Verfahren zu G235/2021, G246/2021, G248/2021, G257/2021, G286/2021, G291/2021, G292/2021, G293/2021 und G300/2021 fechten allesamt §3 Abs1 zweiter Satz FMABG in der Fassung BGBl I 136/2008 an. §3 Abs1 FMABG idF BGBl I 136/2008 lautete:

"§3. (1) Für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 genannten Bundesgesetze zugefügten Schäden haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes – AHG, BGBl Nr 20/1949. Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen. Die FMA sowie deren Bedienstete und Organe haften dem Geschädigten nicht."

 

1.4.2. Im Zuge des 2. Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetzes, BGBl I 37/2018, wurde in §3 Abs1 erster Satz FMABG die Wortfolge ", einschließlich Schäden gemäß §29 Abs1 DSG 2018," eingefügt und der §3 Abs1 FMABG (idF BGBl I 37/2018) neu erlassen. Der zweite Satz des §3 Abs1 FMABG blieb im Rahmen der Novellierung mit Bundesgesetz BGBl I 37/2018 unverändert und auch der Kontext des Gesetzes hat sich nicht geändert. Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass die Novellierung eines Gesetzes gleichzeitig auch die Neuerlassung des alten – vom Novellentext nicht erfassten – Gesetzestextes bedeutet (zB VfSlg 15.671/1999).

1.4.3. Anders als die Bundesregierung in ihrer Äußerung meint, ist nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes anhand der Antragsvorbringen klar erkennbar, dass sich die Anträge in den Verfahren zu G235/2021, G246/2021, G248/2021, G257/2021, G286/2021, G291/2021, G292/2021, G293/2021 und G300/2021 auf §3 Abs1 zweiter Satz FMABG in der geltenden Fassung BGBl I 37/2018 beziehen und dessen Aufhebung begehren. Dies ergibt sich schon daraus, dass dieser Satz seit der Novelle BGBl I 136/2008 unverändert geblieben ist, d.h. auch durch die Novelle BGBl I 37/2018 nicht verändert wurde. Der zweite Satz des §3 Abs1 FMABG enthält eine eigenständige normative Anordnung, die nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit den übrigen Sätzen des §3 Abs1 FMABG steht.

Von einem missverständlichen Anfechtungsbegehren im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl VfSlg 17.570/2005; VfGH 24.9.2018, G196/2018) kann somit keine Rede sein. Für den Verfassungsgerichtshof besteht kein Zweifel, dass die Antragsteller die Aufhebung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG idF BGBl I 37/2018 begehren.

1.4.4. Die (Haupt-)Anträge in den Verfahren zu G235/2021, G246/2021, G248/2021, G257/2021, G286/2021, G291/2021, G292/2021, G293/2021 und G300/2021 erweisen sich somit als zulässig.

Auch im Hinblick auf die (Haupt-)Anträge in den Verfahren zu G263/2021, G266/2021, G267/2021, G268/2021, G269/2021, G270/2021, G297/2021, G299/2021, G353/2021 und G356/2021, in denen die Aufhebung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG idF BGBl I 37/2018 begehrt wird, und im Verfahren zu G224/2021, in dem der angefochtene Satz wiedergegeben ist, ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Anträge zweifeln ließe.

2. In der Sache

Die Anträge sind nicht begründet.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003; VfGH 3.7.2015, G46/2015).

2.1. Zum behaupteten Verstoß gegen Art23 B‑VG

2.1.1. Die Antragstellerin zu G224/2021 behauptet einen Verstoß des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG gegen Art23 B‑VG. Die angefochtene Bestimmung schließe die Amtshaftung des Bundes für Schäden von nicht der Aufsicht durch die FMA unterliegenden Dritten – insbesondere Einlegern eines konzessionierten Kreditinstitutes – zur Gänze aus. Ein solcher (pauschaler) Haftungsausschluss stehe im Widerspruch zu Art23 Abs1 B‑VG, wonach ein Amtshaftungsanspruch "wem immer" zu gewähren sei. Art23 Abs1 B‑VG beziehe sich demnach auf jeden Geschädigten, der vom Schutzzweck der einschlägigen Regelungen umfasst sei. Art23 Abs4 B‑VG ermächtige den einfachen Gesetzgeber zwar, die näheren Bestimmungen zur Amtshaftung zu treffen. Art23 Abs4 B‑VG ermögliche jedoch nicht, den Kreis der ersatzfähigen Schäden derart zu verengen bzw zu modifizieren, dass die in Art23 Abs1 B‑VG verfassungsrechtlich vorgesehene Haftung des Bundes gegenüber "wem immer" zur Gänze ausgeschlossen werde. Es handle sich bei der angefochtenen Bestimmung nicht um eine Ausgestaltung iSd Art23 Abs4 B‑VG, sondern um einen gänzlichen Ausschluss des Amtshaftungsanspruches für Geschädigte, deren Interessen unzweifelhaft vom Schutzbereich der rechtswidrig verletzten Bestimmungen erfasst seien.

Art23 Abs1 B‑VG sei Ausfluss des rechtsstaatlichen Prinzips, wonach die gesamte Vollziehung an die Gesetze gebunden und die Einhaltung derselben sicherzustellen sei. Die zivilrechtliche Haftung des Bundes für rechtswidrige Schädigungen sei ein essentielles Element des Rechtsstaates, weil es sich dabei um eine effektive Möglichkeit handle, das staatliche Handeln zu kontrollieren.

Die für die Einführung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG mit Bundesgesetz BGBl I 136/2008 ins Treffen geführten budgetären bzw fiskalpolitischen Erwägungen rechtfertigten die pauschale Haftungsfreistellung des Bundes gegenüber Bankeinlegern nicht. Es bestehe vielmehr ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, dass der Bund durch vorausschauende Planung und Aufsicht mit hinreichenden Personalressourcen schädigendes Handeln der ihm zurechenbaren Aufsichtsorgane unterbinde. Die bereits im Amtshaftungsgesetz bestehenden Beschränkungen der Amtshaftung (etwa Verjährungsfristen, Kausalitätserfordernisse, Beweislastverteilungen) verhinderten eine "uferlose" Haftung des Bundes in hinreichender Weise.

Die antragstellenden Parteien in den Verfahren zu G235/2021, G246/2021, G248/2021, G257/2021, G263/2021, G266/2021, G267/2021, G268/2021, G269/2021, G270/2021, G286/2021, G291/2021, G292/2021, G293/2021, G297/2021, G299/2021, G300/2021, G353/2021 und G356/2021 behaupten ebenso einen Verstoß des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG gegen Art23 B‑VG mit im Wesentlichen gleicher Begründung. Die angefochtene Bestimmung stelle eine unzulässige einfachgesetzliche Beschränkung des Art23 Abs1 B‑VG dar. In den Materialien zur FMABG-Novelle 2005 sei der Gesetzgeber noch davon ausgegangen, dass ein Amtshaftungsanspruch bei fehlerhafter Bankenaufsicht für An- bzw Einleger bestehe. Die Bankenaufsicht diene auch dem Gläubigerschutz. Durch den "gänzlichen Haftungsausschluss" für eine gesamte Personengruppe in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG überschreite der Gesetzgeber seinen Ausgestaltungsspielraum iSd Art23 Abs4 B‑VG.

2.1.2. Die Bundesregierung entgegnet den unter Art23 B‑VG vorgebrachten Bedenken, die Wortfolge "wem immer" in Art23 Abs1 B‑VG (bzw §1 Abs1 AHG) könne nicht uferlos interpretiert werden, sondern sei wie der Begriff "jedermann" in §1295 Abs1 ABGB einschränkend auszulegen. Schadenersatz für bloße Vermögensschäden stehe – außerhalb von vertraglichen Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem – grundsätzlich nur dann zu, wenn der erlittene Nachteil vom Schutzzweck bzw Rechtswidrigkeitszusammenhang der verletzten Vorschrift erfasst sei. Der Gesetzgeber habe mit §3 Abs1 zweiter Satz FMABG den Schutzzweck der Bankenaufsicht im Einklang mit Art23 B‑VG und im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes bestimmt.

2.1.3. Zu Art23 B‑VG ist zunächst seitens des Verfassungsgerichtshofes allgemein Folgendes festzuhalten:

Gemäß Art23 Abs1 B‑VG haften der Bund, die Länder, die Gemeinden und die sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Die näheren Bestimmungen werden gemäß Art23 Abs4 B‑VG durch Bundesgesetz getroffen.

Art23 Abs1 B‑VG enthält den allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass der Bund und die sonst genannten Gebietskörperschaften und Einrichtungen des öffentlichen Rechts für den Schaden haften, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben (VfSlg 19.684/2012). Der Gesetzgeber hat das in Art23 Abs1 (bis Abs3) B‑VG vorgesehene Amtshaftungsrecht durch Bundesgesetz näher auszuführen (VfSlg 13.476/1993).

2.1.4. Als solches Bundesgesetz ist das – gleichzeitig mit der Verfassungsbestimmung des Art23 B‑VG idF BGBl 19/1949 beschlossene und mit Bundesgesetz BGBl 20/1949 erlassene – Amtshaftungsgesetz (AHG) zu werten. Das Amtshaftungsgesetz schließt aber nicht aus, dass entsprechende Bestimmungen auch in anderen Bundesgesetzen enthalten sind (vgl VfSlg 19.684/2012). Als ein eben solches Bundesgesetz, das als lex specialis zu den allgemeinen Regelungen des Amtshaftungsgesetzes zu qualifizieren ist, stellt sich §3 FMABG dar.

2.1.5. Zur Finanzmarktaufsichtsbehörde, deren Aufgaben sowie zur Genese und zum normativen Kontext des angefochtenen §3 Abs1 zweiter Satz FMABG ist Folgendes anzuführen:

2.1.5.1. Im Jahr 2002 wurde die Finanzmarktaufsichtsbehörde (in weiterer Folge: FMA) durch das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz (FMABG), BGBl I 97/2001, eingerichtet. Die FMA ist die unabhängige und weisungsfreie Aufsichtsbehörde für den österreichischen Finanzmarkt (Verfassungsbestimmung: §1 Abs1 FMABG). Sie ist integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Finanzaufsicht ("Bankenunion").

Die FMA vollzieht die in §2 Abs1 bis 4 FMABG aufgezählten Aufsichtsgesetze und beaufsichtigt dabei Kredit- und Zahlungsinstitute, Versicherer, Pensionskassen, Betriebliche Vorsorgekassen, Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Investmentfonds, Finanzkonglomerate sowie Börseunternehmen.

Im Bereich der Bankenaufsicht ist die FMA die zentrale (nationale) Aufsichtsbehörde über die Kredit- und Finanzinstitute. Soweit der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) im Rahmen der Bankenaufsicht Befugnisse zukommen, wird sie dabei als Hilfsorgan der FMA tätig; die OeNB hat insoweit keine behördliche Funktion.

Die FMA ihrerseits fungiert nur dann und insoweit nicht im Rahmen der Bankenaufsicht als Behörde, wenn bzw als die Europäische Zentralbank (EZB) nach Maßgabe der Verordnung 2013/1024/EU zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. 2013 L 287, 63 (in der Folge: SSM-VO), zur Aufsicht über Kreditinstitute im unionsrechtlichen Sinn zuständig ist (Art4 SSM-VO) oder bei weniger bedeutenden Kreditinstituten im unionsrechtlichen Sinn von ihrer Weisungs- oder Eintrittsbefugnis (Art6 Abs5 lita und b SSM-VO) Gebrauch macht. In Entsprechung der genannten unionsrechtlichen Regelungen sieht §3 Abs6 FMABG vor, dass ein Amtshaftungsanspruch gegenüber dem Bund ausscheidet, sofern die FMA Handlungen in Vollziehung einer Weisung oder Erfüllung eines Auftrags der EZB, in Vorbereitung oder Durchführung von Entscheidungen der EZB setzt oder bei Zusammenarbeit, Informationsaustausch oder sonstiger Unterstützung der EZB durch die FMA (vgl auch §3 Abs7 FMABG).

2.1.5.2. Die Haftung für Fehler im Rahmen der Bankenaufsicht war bis zur FMABG-Novelle 2005, BGBl I 33/2005, im Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz nicht eigens geregelt. Im Rahmen dieser Novelle stellte der Gesetzgeber in §3 FMABG klar, dass nicht die FMA, sondern der Bund haftungsrechtlich für das Verhalten der FMA sowie ihrer Organe und Bediensteten einzustehen hat (Erläut zur RV 819 BlgNR 22. GP , 2; siehe auch OGH 7.3.2006, 1 Ob 257/05h).

In den Materialien zur FMABG-Novelle 2005 wird auf die durch die Judikatur des Obersten Gerichtshofes im europäischen Vergleich "beträchtlichen Haftungsrisiken der öffentlichen Hand" im Zusammenhang mit Fehlern, die der FMA im Zuge der ihr gesetzlich obliegenden Aufsichtsbefugnisse und -pflichten unterlaufen, ausdrücklich Bezug genommen. Der Gesetzgeber erachtete es als angezeigt, die zivilrechtliche (Amts-)Haftung für Fehler der FMA neu zu gestalten (Erläut zur RV 819 BlgNR 22. GP , 8). So sollte ursprünglich ein Mittelweg zwischen den individuellen Interessen der Einleger und den (kollidierenden) Interessen der öffentlichen Hand gewählt werden: Die Haftung gegenüber geschädigten Dritten sollte nicht – wie noch im Begutachtungsentwurf vorgesehen – auf die Fälle des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit eingeschränkt werden; vielmehr sollte der Bund – wie nach allgemeinem Amtshaftungsrecht – im Interesse der Geschädigten für jeden Grad des Verschuldens der Organe der Bankenaufsicht einstehen. Aus den Materialien zur FMABG-Novelle 2005 geht hervor, dass aber im Interesse der einzelnen Geschädigten zunächst noch davon abgesehen wurde, (nach deutschem Vorbild) den Schutzzweck der aufsichtsrechtlichen Regelungen auf die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen einzuschränken und damit im Ergebnis faktisch jegliche Haftung auszuschließen. Es wurde letztlich in §3 FMABG idF BGBl I 33/2005 gegenüber geschädigten Dritten klargestellt, dass die FMA in ihrer Tätigkeit haftungsrechtlich gesehen einen Ermessensspielraum hatte. Dies bedeutete, dass eine im Nachhinein gesehen verfehlte Entscheidung der Aufsichtsbehörde nur dann zur Amtshaftung führte, wenn sie dabei – welche Bedeutung immer dem überhaupt zukommen mag – den ihr im Aufsichtsverfahren zustehenden Gestaltungsrahmen überschritten hatte (vgl Erläut zur RV 819 BlgNR 22. GP , 8).

Weiters stellte der Gesetzgeber in §3 Abs5 FMABG idF BGBl I 33/2005 – als Reaktion auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl OGH 25.3.2003, 1 Ob 188/02g) – klar, dass die von den (beaufsichtigten) Instituten bestellten Abschlussprüfer nicht Organe der FMA im Sinne des §1 Abs1 AHG sind, außer sie werden von der FMA mit Bescheid zu bestimmten Prüfungen beauftragt.

2.1.5.3. Mit Bundesgesetz BGBl I 136/2008 (in Kraft getreten am 27. Oktober 2008) fügte der Gesetzgeber den nunmehr angefochtenen §3 Abs1 zweiter Satz FMABG in das Gesetz ein. Dieser lautet: "Schäden im Sinne dieser Bestimmung sind solche, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen."

Die Materialien führen zu dem neu eingefügten §3 Abs1 zweiter Satz FMABG lapidar aus, dass "Schäden, die sich lediglich als Reflexwirkung des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter auswirken", durch die Neuregelung ausgeschlossen werden sollen (Erläut zur RV 682 BlgNR 23. GP , 6).

In den allgemeinen Erläuterungen zur Novelle BGBl I 136/2008 wird deutlich gemacht, dass der maßgebliche Grund für die gesetzgeberische Tätigkeit die Finanzkrise des Jahres 2008 war. Die Neuregelungen sollten eine gesetzliche Grundlage schaffen, "welche den Bund in die Lage versetzt, im Bedarfsfall effizient, umfassend und insbesondere rasch Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes im Sinne des Entwurfes zwecks Vermeidung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Österreichs, Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und zum Zweck des Schutzes der österreichischen Volkswirtschaft setzen zu können" (Erläut zur RV 682 BlgNR 23. GP , 1).

2.1.5.4. Im Zuge des 2. Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetzes, BGBl I 37/2018, wurde in §3 Abs1 erster Satz FMABG die Wortfolge ", einschließlich Schäden gemäß §29 Abs1 DSG 2018," eingefügt. Dadurch sollte klargestellt werden, dass unter den Voraussetzungen des Amtshaftungsgesetzes der Bund für Schäden haftet, die von der FMA als für eine Datenverarbeitung Verantwortliche bzw von ihren Organen oder Bediensteten unter Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen begangen wurden (Erläut zur RV 108 BlgNR 26. GP , 13). §3 Abs1 zweiter Satz FMABG blieb unverändert.

2.1.5.5. §3 FMABG in der nunmehr geltenden Fassung hat somit folgenden Inhalt:

§3 Abs1 erster Satz FMABG ordnet an, dass der Bund für die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 FMABG genannten Gesetze sowie des Datenschutzgesetzes zugefügten Schäden haftet. Diese Anordnung hat keinen eigenständigen normativen Gehalt, weil sich dies bereits aus Art23 B‑VG iVm den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes ergibt. Entsprechendes gilt hinsichtlich §3 Abs1 dritter Satz FMABG, der lediglich den allgemeinen amtshaftungsrechtlichen Grundsatz wiederholt, wonach die handelnden "Organe" (hier: die FMA sowie deren Bedienstete und Organe) dem Geschädigten nicht haften, sondern nur der dahinterstehende Rechtsträger, im konkreten Fall der Bund, dem die Tätigkeit der FMA zugerechnet wird.

Der angefochtene §3 Abs1 zweiter Satz FMABG enthält eine (Legal-)Definition des Schadens, der iSd Art23 B‑VG (und des ersten Satzes des §3 Abs1 FMABG) ersetzt werden soll. Konkret handelt es sich um Schäden, die Rechtsträgern unmittelbar zugefügt wurden, die der Aufsicht nach diesem Bundesgesetz unterliegen. Durch diese Bestimmung kommt es zu einer Haftungseinschränkung durch die Definition des ersatzfähigen Schadens der aktivlegitimierten Rechtsträger (vgl OGH 22.6.2012, 1 Ob 186/11a). Nicht aktivlegitimiert sind demgegenüber insbesondere die Vertragspartner der beaufsichtigten Rechtsträger, etwa die einzelnen An- und Einleger oder sonstige Gläubiger.

§3 Abs2 FMABG enthält eine Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabes und der Ziele, den bzw welche die FMA in Wahrnehmung ihrer Aufgaben einzuhalten bzw zu beachten hat. In diesem Sinne kann die FMA ihrer Arbeit insbesondere die Prüfberichte der OeNB zugrunde legen, außer es bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit dieser Berichte.

§3 Abs3 FMABG enthält die (wiederum deklarative) Regelung, dass sich der Bund bei den Organen oder Bediensteten der FMA nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes regressieren kann (vgl dazu §§3 ff. AHG). Abs4 leg cit verpflichtet die FMA, den Bund in Amtshaftungs- und Rückersatzverfahren in jeder zweckdienlichen Weise zu unterstützen.

§3 Abs5 FMABG enthält eine Regelung betreffend die von den der Aufsicht unterliegenden Unternehmen bestellten Abschluss- bzw Wirtschaftsprüfer. Diese sind nicht als Organe iSd Art23 B‑VG iVm dem Amtshaftungsgesetz anzusehen; etwas anderes gilt, wenn diese die Prüfungen im gesonderten, bescheidmäßig angeordneten Auftrag der FMA durchführen (zB §70 Abs1 Z2a BWG); in dieser Funktion werden die Wirtschaftsprüfer (Bankprüfer) als Hilfsorgane der FMA tätig und dieser bzw dem Bund amtshaftungsrechtlich zugeordnet. Entsprechendes gilt für die Prüfungsorgane gesetzlich zuständiger Prüfungseinrichtungen.

§3 Abs6 FMABG enthält einen Ausschluss der Haftung des Bundes in Fällen, in denen die FMA – zusammengefasst – auf Weisung oder im Auftrag der EZB tätig wird oder Handlungen in Vorbereitung oder Durchführung von Entscheidungen der EZB sowie in Zusammenarbeit mit und Unterstützung der EZB setzt. Eine vergleichbare Haftungsbeschränkung enthält Abs7 leg cit hinsichtlich bestimmter Handlungen der FMA auf Weisung des Ausschusses gemäß §2 Z18a BaSAG, Handlungen in Vorbereitung oder Durchführung von Beschlüssen des Ausschusses bzw in Zusammenarbeit mit diesem Ausschuss.

2.1.6. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist die Erlassung des angefochtenen §3 Abs1 zweiter Satz FMABG im Wesentlichen vor dem Hintergrund der bzw als Reaktion auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Banken- bzw allgemein dem Finanzmarktaufsichtsrecht zu sehen.

2.1.6.1. Die Bankenaufsicht war in Österreich bis zum Inkrafttreten des geltenden Bankwesengesetzes (BWG) am 1. Jänner 1994 insbesondere im Bundesgesetz vom 24. Jänner 1979 über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz – KWG), BGBl 63/1979, geregelt. Davor galt auch in Österreich das (deutsche) Kreditwesengesetz 1939, DRGBl. I 1955. Sowohl nach dem Kreditwesengesetz als auch nach der ursprünglichen Fassung des Bankwesengesetzes unterlagen alle inländischen Banken der Aufsicht durch den Bundesminister für Finanzen.

Im Jahr 1979 sprach der Oberste Gerichtshof erstmals aus, dass sowohl das alte als auch das neue Kreditwesengesetz den Schutz der Gläubiger der Kreditinstitute als ein wesentliches Ziel der Gesetzgebung sehe (OGH 14.12.1979, 1 Ob 36/79). Daraus folge, dass der Schutzzweck des Kreditwesengesetzes auch den einzelnen Sparer umfasse, sodass der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen einer behaupteten Verletzung der Aufsichtspflichten der Aufsichtsbehörde nach dem Kreditwesengesetz und dem eingetretenen Schaden beim Sparer gegeben sei. Diese grundsätzliche Entscheidung bestätigte der Oberste Gerichtshof in weiteren Entscheidungen (OGH 4.3.1987, 1 Ob 47/86; 17.10.2006, 1 Ob 142/06y: "Nach der österreichischen Rechtslage hingegen werden dem einzelnen geschädigten Einleger bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen auch auf das Amtshaftungsrecht gestützte Ersatzansprüche zugestanden, was zu einem im europäischen Vergleich beträchtlichen Haftungsrisiko der öffentlichen Hand führt", wenngleich das Vorliegen des Rechtswidrigkeitszusammenhanges in dieser Entscheidung ausnahmsweise verneint wurde; vgl auch OGH 28.1.2009, 1 Ob 187/08v).

2.1.6.2. Der Oberste Gerichtshof hat an seiner Rechtsprechungslinie zu Sachverhalten vor Einführung der angefochtenen Bestimmung auch nach dem Inkrafttreten des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG idF BGBl I 136/2008 festgehalten (vgl OGH 22.6.2012, 1 Ob 186/11a) und damit die Auffassung abgelehnt, dass es sich bei der Neuregelung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG gleichsam um eine authentische Interpretation des Schutzzweckes der geltenden finanzmarktaufsichtsrechtlichen Bestimmungen durch den Gesetzgeber handelte:

Die Bestimmung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG, die den Kreis der amtshaftungsrechtlich geschützten Personen beschränke bzw erstmals explizit festgelegt habe, entfalte keine Rückwirkung auf Sachverhalte vor ihrem Inkrafttreten. Insbesondere angesichts des Umstandes, dass die zur Zeit der zu prüfenden Aufsichtsfehler geltenden gesetzlichen Bestimmungen (im genannten Verfahren: §24 Abs1 WAG aF) ausdrücklich auch eine Bedachtnahme auf die Interessen der Anleger anordneten, bestehe kein Zweifel daran, dass die gesetzlich vorgesehene Aufsicht nicht nur den Schutz der beaufsichtigten Unternehmen, sondern auch den Schutz der Anleger im Auge gehabt habe. Aus diesem Grund könnten auch diese durch pflichtwidriges Aufsichtsverhalten verursachten Schäden aus dem Titel der Amtshaftung verlangt werden.

Diese Auffassung bestätigte der Oberste Gerichtshof in zwei weiteren Entscheidungen (OGH 23.12.2014, 1 Ob 117/14h; 10.2.2017, 1 Ob 73/16s). Der Oberste Gerichtshof geht somit davon aus, dass An- bzw Einleger jedenfalls bis zur Einführung der angefochtenen Bestimmung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG grundsätzlich vom Rechtswidrigkeitszusammenhang des Amtshaftungs- bzw Aufsichtsrechtes erfasst waren und dementsprechend Amtshaftungsansprüche geltend machen konnten. Die Frage der Verfassungskonformität des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG konnte vom Obersten Gerichtshof ausdrücklich offengelassen werden, weil diese Bestimmung in den genannten Verfahren noch nicht anzuwenden war.

2.1.7. Die in der angefochtenen Regelung des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes und in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes angesprochene Frage des Schutzzweckes bzw des Rechtswidrigkeitszusammenhanges der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen betrifft eine zentrale Frage des Schadenersatzrechtes. Dies liegt daran, dass es erst auf dieser Ebene zu einer maßgeblichen Einschränkung der Schadenersatzpflicht kommt. Die allgemeine schadenersatzrechtliche Bestimmung des §1295 Abs1 ABGB – auf die Art23 B‑VG und §§1 ff. AHG der Sache nach Bezug nehmen – bestimmt nämlich in denkbar weiter Weise, dass "jedermann" berechtigt ist, vom Schädiger den Ersatz des Schadens, den dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern. Verstünde man diese Anordnung wörtlich, wäre die Schadenersatzplicht uferlos, weil bereits jede schuldhafte Verursachung eines Schadens zu einem Ersatzanspruch führte.

Die erforderliche Einschränkung der Haftung findet im Wesentlichen auf der Ebene des Schutzzweckes der Norm bzw des Rechtswidrigkeitszusammenhanges statt. In diesem Sinne ist derjenige, der rechtswidrig und schuldhaft eine fremde Sache zerstört, bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen zwar dem Eigentümer der Sache zum Ersatz verpflichtet. Demgegenüber reicht der Schutzzweck bzw Rechtswidrigkeitszusammenhang der übertretenen Bestimmungen (§125 StGB; §§353 ff. ABGB) nicht so weit, dass der Schädiger auch bloße Vermögensschäden ersetzen müsste, die als Folge der Sachbeschädigung bei Dritten entstehen. Im deliktischen Bereich sind bloße Vermögensschäden Dritter nämlich grundsätzlich nicht zu ersetzen (vgl Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14, 2015, Rz 1397 f.), weil ansonsten eine Haftungsausuferung und damit eine übermäßige Beschränkung der allgemeinen Bewegungsfreiheit drohte.

An der angefochtenen Bestimmung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG ist bemerkenswert, dass der Gesetzgeber – wie bereits erwähnt – eine Haftungseinschränkung durch eine nähere Definition des Schadensbegriffes vorgenommen hat. Grundsätzlich geht der Gesetzgeber in §1293 ABGB von einem weiten Schadensbegriff aus (vgl nur Kodek, §1293 ABGB, in: Kletečka/Schauer [Hrsg.], ABGB-ON1.03, rdb.at, Stand 1.1.2018, Rz 1). Nach dieser weiten Schadensdefinition ist (nahezu) jeder Nachteil, den eine Person erleidet, ein Schaden. Eine Begrenzung der ansonsten uferlosen Haftung wird im Regelfall – wie bereits dargelegt – nicht auf der Ebene des Schadensbegriffes, sondern auf jener des Rechtswidrigkeitszusammenhanges bzw des Schutzzweckes des Gesetzes vorgenommen. Dieses Verständnis liegt auch unter anderem der Äußerung der Bundesregierung zugrunde, wenn sie davon spricht, dass durch die angefochtene Bestimmung der Schutzzweck der Bankenaufsicht eingeschränkt worden sei.

Ungeachtet der gesetzestechnischen Ausgestaltung der angefochtenen Bestimmung gibt es keinen Zweifel, dass der Gesetzgeber mit §3 Abs1 zweiter Satz FMABG der Sache nach eine Regelung des Rechtswidrigkeitszusammenhanges bzw des Schutzzweckes der Bestimmungen hinsichtlich der (Banken-)Aufsicht durch die FMA vorgenommen hat. Demnach soll der Schadenersatz nur den unmittelbar geschädigten Rechtsträgern, die der Aufsicht der FMA unterliegen, zustehen. Ausgeschlossen sind demgegenüber Ersatzansprüche von Dritten (insbesondere von Einlegern und sonstigen Gläubigern), die durch einen Aufsichtsfehler bei der Vollziehung der in §2 FMABG genannten Gesetze durch die FMA geschädigt werden.

2.1.8. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist die angefochtene Regelung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG mit Art23 B‑VG vereinbar:

2.1.8.1. Für die Frage, wer zur Erhebung von Schadenersatzansprüchen iSd Art23 Abs1 B‑VG und §1 Abs1 AHG berechtigt ist, kommt es nach herrschender Auffassung im Amtshaftungsrecht – wie auch im allgemeinen Schadenersatzrecht – auf den Schutzzweck der Norm an. Anspruchsberechtigt ist nur jener Geschädigte, der vom Schutzzweck der betreffenden Bestimmung umfasst ist (vgl Wimmer, Art23 B‑VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 24. Lfg. 2020, Rz 50 f.; Kucsko-Stadlmayer, Art23 B‑VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 11. Lfg., 2013, Rz 42; Schragel, AHG3, 2003, §1 AHG, Rz 130; Ziehensack, AHG, 2011, §1 AHG, Rz 1229 ff.; statt vieler OGH 24.11.2015, 1 Ob 199/15v).

2.1.8.2. Die Beantwortung der Frage nach dem Schutzzweck des (Bank-)Aufsichtsrechtes ist seit jeher (in der Literatur) umstritten. Es geht dabei um die Frage, ob die Bankenaufsicht auch dem individuellen schadenersatzrechtlichen Schutz der An- und Einleger dient oder "lediglich" gesamtwirtschaftliche und damit nur abstrakte Gläubigerinteressen verfolgt (vgl den Überblick über den Meinungsstand bei Schöller, Amtshaftung für mangelhafte Bankenaufsicht, 2019, 73 ff.; für eine Einbeziehung der Gläubiger in den Schutzbereich der Bankenaufsicht etwa N. Raschauer, Gedanken zur Haftung für unzureichende Bankenaufsicht anhand von §3 Abs1 des österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz [FMABG], WM 2021, 613 [617 ff.]; gegen einen Schutz der einzelnen Gläubiger etwa A. Rabl, Beschränkung der Haftung der FMA verfassungsrechtlich zulässig?, ZFR 2009, 186 [187 f.]; Rebhahn, Zur Haftung des Staates für Aufsicht und Intervention bei Banken – Ein Überblick aus Anlass von HBI und HETA, ÖZW 2017, 2 [5 ff.]; Schöller, Ausgewählte Fragen der Amtshaftung für mangelhafte Bankenaufsicht, ÖBA 2019, 886 [888 ff.]; vgl auch Rebhahn, Staatshaftung wegen mangelnder Gefahrenabwehr, 1997, 279 f.).

Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist dem Gesetzgeber – auch vor dem Hintergrund der seit jeher umstrittenen Frage nach dem Rechtswidrigkeitszusammenhang bzw dem Schutzzweck des finanzmarktrechtlichen Aufsichtsrechtes – nicht entgegenzutreten, wenn er nun in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG klarstellt, dass nur die aufsichtsunterworfenen Rechtsträger (nach Maßgabe der in dieser Bestimmung und in den allgemeinen Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes normierten Voraussetzungen) einen Amtshaftungsanspruch gegen den Bund im Fall einer fehlerhaften Aufsicht durch die FMA haben sollen. Der Gesetzgeber hat somit mit der angefochtenen Bestimmung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die nationalen und unionsrechtlichen bank- und auch sonstigen finanzmarktaufsichtsrechtlichen Regelungen das Ziel eines reibungslosen Funktionierens des Banken- und sonstigen Finanzsektors als eines für die Volkswirtschaft wesentlichen Wirtschaftsbereiches verfolgen. Das Bank- und sonstige Finanzmarktaufsichtsrecht dient damit im Ergebnis auch dem Gläubigerschutz. Dabei handelt es sich aber um den Schutz der Gläubiger (An- und Einleger) in ihrer Gesamtheit; es geht sohin um den abstrakten oder institutionellen Gläubigerschutz. Dieser (Gläubiger-)Schutz ist ein Teilelement des Funktionsschutzes, den das Bank- und sonstige Finanzmarktaufsichtsrecht als wesentliches Ziel verfolgt. Die An- und Einleger sollen in ihrer Gesamtheit Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren des Finanzmarktes haben. Dem bank- und sonstigen finanzmarktaufsichtsrechtlichen Regelungsregime liegt also nicht das Konzept zugrunde, einzelne An- und Einleger im Wege der Amtshaftung schadenersatzrechtlich vor Aufsichtsfehlern zu schützen.

2.1.8.3. Die angefochtene Bestimmung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG schließt nicht die Amtshaftung des Bundes für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Organe der FMA in Vollziehung der in §2 Abs2 bis Abs4 FMABG genannten Gesetze schlechthin aus, sondern begrenzt sie – im Hinblick auf den vom bankaufsichtsrechtlichen Regelungsregime verfolgten Funktionsschutz und das Ziel eines (bloß) abstrakten Gläubigerschutzes – auf unmittelbare Schäden der beaufsichtigten Rechtsträger. Ein verfassungsrechtliches Gebot der Amtshaftung auch für mittelbare Vermögensschäden von An- und Einlegern von Kredit- und Finanzinstituten lässt sich – entgegen der Auffassung der antragstellenden Parteien – aus der Wortfolge "wem immer" in Art23 Abs1 B‑VG nicht folgern. Ausweislich der Materialien sollte durch die Formulierung "wem immer" in Art23 Abs1 B‑VG lediglich klargestellt werden, dass Amtshaftung nicht nur dann stattfindet, wenn subjektiv-öffentliche Rechte des Betroffenen verletzt wurden (AB 514 BlgNR 5. GP , 2). Die Wortfolge findet sich auch in der – zeitgleich mit Art23 B‑VG (idF BGBl 19/1949) erlassenen – Bestimmung des §1 Abs1 AHG, wonach die dort genannten Rechtsträger für den Schaden haften, den die als ihre Organe handelnden Personen "wem immer" schuldhaft zugefügt haben. Auf Grund des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG bleiben nun als einzige Anspruchsberechtigte die durch die FMA beaufsichtigten Institute. Soweit den aufsichtsunterworfenen Rechtsträgern bei der Herbeiführung des Schadens eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vorzuwerfen ist, kann der in einem allfälligen Amtshaftungsprozess beklagte Bund den Einwand des Mitverschuldens erheben, der nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch in Amtshaftungsangelegenheiten zu beachten ist (vgl etwa OGH 18.9.1991, 1 Ob 33/91; 1 Ob 38/90). Im Falle des Mitverschuldens sind die "Verschuldensgrade" von Schädiger und Geschädigtem gegeneinander aufzuwiegen (vgl §1304 ABGB), sodass es zu einer aliquoten Schadensteilung, abhängig vom jeweiligen Grad des Verschuldens, kommt. Eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Schadensherbeiführung durch den Geschädigten wird regelmäßig so schwer wiegen, dass fahrlässige Tathandlungen anderer Personen nicht ins Gewicht fallen (vgl etwa OGH 11.9.2008, 7 Ob 111/08m mwN).

2.1.8.4. Für den Standpunkt der Antragsteller lässt sich auch aus der von ihnen ins Treffen geführten Entscheidung VfSlg 13.476/1993 nichts gewinnen. Die Antragsteller begründen die Verfassungswidrigkeit des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG unter anderem unter Hinweis auf die in dieser Entscheidung vom Verfassungsgerichtshof getroffene Aussage, dass "eine gesetzliche Regelung, welche eine Amtshaftung eines Rechtsträgers für die in seinem Vollzugsbereich von welchem Organ auch immer gesetzten rechtswidrig schuldhaften Verhaltensweisen ausschließt, dem Art23 Abs1 B‑VG widersprechen würde und daher verfassungswidrig wäre".

Dieses Vorbringen der Antragsteller verkennt, dass die zitierte Feststellung des Verfassungsgerichtshofes in ihrem Kontext und im Zusammenhang mit der im Erkenntnis VfSlg 13.476/1993 zu beurteilenden Frage der Auslegung des Organbegriffes in Art23 Abs1 B‑VG (idF BGBl 444/1974) zu verstehen ist. Der Verfassungsgerichtshof hielt in VfSlg 13.476/1993 fest, dass gemäß Art23 Abs1 B‑VG letztlich jener Rechtsträger den Schaden zu tragen hat, der das betreffende Verhalten im Wege der Weisung zu beeinflussen vermag und der deshalb auch für den daraus entstehenden Schaden einzustehen hat. Daraus folgt, dass eine anderslautende – die Amtshaftung des Rechtsträgers für seinen Vollzugsbereich (gänzlich) ausschließende – Bestimmung vor dem Hintergrund des funktionellen Organbegriffes des Art23 Abs1 B‑VG im Sinne des Erkenntnisses VfSlg 13.476/1993 verfassungswidrig wäre. Hingegen ist die Begründung einer zusätzlichen, zur Haftung des funktionell zuständigen Rechtsträgers hinzutretenden solidarischen Haftung des Rechtsträgers, dem das den Amtshaftungsanspruch auslösende Organ organisationsrechtlich zugehört, wie sie in §1 Abs3 AHG vorgesehen ist, im Lichte des Art23 B‑VG unbedenklich (VfSlg 13.476/1993).

2.1.9. Zusammenfassend hält der Verfassungsgerichtshof fest, dass die angefochtene Bestimmung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG nicht gegen Art23 B‑VG verstößt.

2.2. Zum behaupteten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B‑VG:

2.2.1. Die Antragstellerin in dem zu G224/2021 protokollierten Verfahren ist darüber hinaus der Auffassung, §3 Abs1 zweiter Satz FMABG verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B‑VG.

Durch die angefochtene Bestimmung komme es zu einer unterschiedlichen Behandlung von beaufsichtigten Rechtsträgern einerseits und sonstigen potentiell Geschädigten andererseits. Hinsichtlich beaufsichtigter Rechtsträger bestünden Amtshaftungsansprüche gegen den Bund für Schäden, die von Organen und Bediensteten der FMA in Vollziehung der in §2 FMABG genannten Gesetze zugefügt worden seien. Alle anderen durch das Handeln oder Unterlassen der Organe und Bediensteten der FMA in Vollziehung der genannten Gesetze Geschädigten könnten hingegen keine Amtshaftungsansprüche gegen den Bund geltend machen, wenngleich sie durch das maßgebende Aufsichtsrecht ebenfalls geschützt seien.

Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht zu erkennen, zumal sich der Schutzzweck der Bankenaufsicht nicht nur auf die beaufsichtigten Rechtsträger, sondern auch auf die Bankeinleger als Gläubiger erstrecke. Aus den maßgeblichen bankrechtlichen Aufsichtsbestimmungen (§§4 ff., §6 Abs2 Z2, §§20 ff., §70 Abs2, §76 Abs8 BWG) folge, dass die Bankenaufsicht unterschiedslos auch den einzelnen Sparer und Einleger schütze. Der individuelle Gläubigerschutz als Ziel des Bankwesengesetzes ergebe sich auch aus den Materialien zu dessen Stammfassung. Einige der genannten Bestimmungen verwiesen unmittelbar auf den Gläubigerschutz; Entsprechendes gelte auch für §69 Abs1 BWG, worin das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionsfähigen Bankwesen und an der Finanzmarktstabilität, wozu notwendigerweise auch der Einlegerschutz zähle, als Aufsichtszweck genannt werde. Dass der individuelle Gläubigerschutz nur einer von mehreren durch das Gesetz verfolgten Schutzzwecken sei, schade für die Qualifikation als Schutzgesetz iSd §1311 ABGB nicht.

Auch in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei unbestritten, dass der individuelle Gläubigerschutz ein Bankenaufsichtsziel sei. In diesem Sinne diene die Aufsicht des Bundes über Kreditinstitute nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes auch dem Schutz der Gläubiger, weswegen die Vorschriften der Bankenaufsicht als Schutzgesetze zugunsten der Einleger und Sparer zu qualifizieren seien. Insbesondere diene die Bankenaufsicht dazu, Missstände rechtzeitig zu erkennen und auf diesem Weg einer drohenden Insolvenz von Banken vorzubeugen. Aus diesem Grund könnten geschädigte Gläubiger einer Bank grundsätzlich Amtshaftungsansprüche gegenüber dem Bund geltend machen.

Der Gläubigerschutz müsse auch Individualinteressen umfassen, wenn er nicht ausgehöhlt werden solle. Durch die Zulassung von Amtshaftungsansprüchen in der vorliegenden Konstellation werde auch keine uferlose Ausdehnung der Haftung bewirkt; es sei nicht einzusehen, warum die beaufsichtigten Rechtsträger einerseits und die einzelnen Bankgläubiger andererseits unterschiedlich behandelt würden.

Die mit der Einführung der angefochtenen Bestimmung eingerichtete Einlagensicherung vermöge an diesem Ergebnis nichts zu ändern, weil dem Einleger im Sicherungsfall in der Regel nur eine Einlage bis zu einem Betrag von € 100.000,– erstattet werde. Darüber hinaus gehende Einlagen könnten nicht geltend gemacht werden, was jedenfalls unsachlich sei. Die Einlagensicherung rechtfertige nicht die unterschiedliche Behandlung von beaufsichtigten Rechtsträgern und sonstigen Geschädigten. Es sei nicht einzusehen, warum beaufsichtigte Rechtsträger in voller Höhe entschädigt würden, während Einleger von Amtshaftungsansprüchen kategorisch ausgeschlossen seien. Die zu erwartenden Einsparungen des Bundes stünden in keinem Verhältnis zu den Konsequenzen für die einzelnen Anleger. Auch in der Vergangenheit sei für Fehler bei der Bankenaufsicht gehaftet worden; eine Überforderung des Staatsbudgets sei dadurch aber nicht eingetreten.

Darüber hinaus sei die angefochtene Regelung bereits für sich genommen unsachlich, weil der Schadenersatzanspruch nicht auf den konkret mangelhaft beaufsichtigten Rechtsträger beschränkt sei; vielmehr könnten alle der Aufsicht durch die FMA unterliegenden Rechtsträger Schadenersatz verlangen, Einleger demgegenüber grundsätzlich nicht. Im Übrigen schränke der Gesetzgeber die Haftung nur für Handlungen und Unterlassungen der FMA ein, nicht hingegen hinsichtlich anderer staatlicher Stellen. Wenn es dem Bund zumutbar sei, für andere Organe zu haften, sei es nicht nachvollziehbar, warum dies für die FMA nicht ebenfalls zu gelten habe.

Die antragstellenden Parteien in den Verfahren zu G235/2021, G246/2021, G248/2021, G257/2021, G263/2021, G266/2021, G267/2021, G268/2021, G269/2021, G270/2021, G286/2021, G291/2021, G292/2021, G293/2021, G297/2021, G299/2021, G300/2021, G353/2021 und G356/2021 behaupten ebenso einen Verstoß des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art7 B‑VG (sowie des Art2 StGG) mit im Wesentlichen gleicher Begründung. Es sei nicht einzusehen, warum die beaufsichtigten Rechtsträger Amtshaftungsansprüche geltend machen könnten, nicht hingegen die einzelnen An- und Einleger, die ebenfalls vom Schutzzweck der Bankenaufsicht erfasst seien. Der Haftungsausschluss im vorliegenden Zusammenhang stelle einen Widerspruch zu allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen dar. Die angefochtene Bestimmung beschränke die Amtshaftung lediglich aus fiskalischen Erwägungen, was jedenfalls unsachlich sei, zumal die Amtshaftung für alle in §2 FMABG genannten Gesetze pauschal ausgeschlossen werde. Dem Gesetzgeber wären jedenfalls auch gelindere Mittel zur Verfügung gestanden, um eine Haftungsausuferung zu vermeiden.

2.2.2. Die Bundesregierung hält diesen verfassungsrechtlichen Bedenken Folgendes entgegen:

Die Klarstellung des Schutzzweckes aufsichtsrechtlicher Bestimmungen im Rahmen der angefochtenen Bestimmung sei sachlich gerechtfertigt. Dadurch würden die Einbeziehung eines schier unermesslichen Personenkreises, der von der Insolvenz eines Kreditinstitutes betroffen sein könne, und eine uferlose Ausdehnung der Haftung abgewendet. Zudem diene die angefochtene Bestimmung der Verhinderung eines sogenannten "Moral Hazard": Eine Haftung des Staates für Verluste von An- und Einlegern könne diese nämlich unvorsichtig werden lassen, wenn zu erwarten sei, dass der Staat bei riskanterem Einlege- oder Anlageverhalten ohnedies "einspringen" werde. Dadurch würde das jeden Menschen treffende (Insolvenz-)Risiko dem Staat übertragen und ginge letztlich zu Lasten jener Steuerzahler, die nicht riskant veranlagten.

Darüber hinaus sei die Erlassung der angefochtenen Regelung unter gleichzeitiger Änderung des Systems der Einlagensicherung erfolgt, um einen angemessenen Schutz der Bankgläubiger sicherzustellen: Einlagen auf Giro- und Sparkonten seien bis zu einer Höhe von € 100.000,– erstattungsfähig. Unter besonderen Voraussetzungen könne auch ein Betrag von bis zu € 500.000,– erstattet werden, wenn etwa die Einlage aus einer Immobilientransaktion im Zusammenhang mit einer privat genutzten Wohnimmobilie stamme oder bestimmte gesetzlich vorgesehene soziale Zwecke erfüllt würden. Es stehe Einlegern zudem frei, ihr Einlagerisiko durch Diversifikation (Einlagen bei mehreren Banken) zu verringern. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Mehrheit der Bankkunden über Einlagen unter der Grenze der Einlagensicherung verfüge und daher zur Gänze abgesichert sei. Nur ein geringer Anteil an Personen verfüge über höhere Einlagen; eine Haftung dafür beträfe aber alle Steuerzahler gleichermaßen, was wirtschaftlich betrachtet zu einer Umverteilung zu Gunsten von An- oder Einlegern größerer Beträge führte.

Die angefochtene Bestimmung sei auch mit der Rechtslage in Deutschland vergleichbar: Dort sei ausdrücklich vorgesehen, dass die Bankenaufsichtsbehörde ihre Aufgaben und Befugnisse lediglich im öffentlichen Interesse wahrnehme. Im Ergebnis führe dies zu einer Haftungseinschränkung wie nach der angefochtenen Bestimmung. Diese Rechtslage habe der deutsche Bundesgerichtshof als verfassungskonform beurteilt (BGH 20.1.2005, III ZR 48/01). Der Gerichtshof der Europäischen Union habe zudem die Unionsrechtskonformität der deutschen Regelung bestätigt (EuGH 12.10.2004, Rs C-222/02 , Peter Paul ua).

Der Gesetzgeber der angefochtenen Bestimmung habe ausdrücklich festgehalten, dass durch die Neuregelung im Jahr 2008 lediglich Schäden, die sich als "Reflexwirkung" des Aufsichtsverhaltens im Vermögen Dritter auswirkten, ausgeschlossen sein sollten. Allfällige anderslautende Überlegungen des Gesetzgebers aus der Vergangenheit seien daher zum Zeitpunkt der Novelle im Jahr 2008 nicht mehr aktuell gewesen, zumal sich auch das unionsrechtliche Bankaufsichtsrecht weiterentwickelt habe.

Die angefochtene Bestimmung ermögliche keinesfalls einen Ersatzanspruch von beaufsichtigten Rechtsträgern, soweit es sich bei deren Schädigung nicht um einen unmittelbaren Schaden, sondern lediglich um einen bloßen Reflexschaden handle. Aus der angefochtenen Bestimmung folge nämlich vielmehr, dass nur unmittelbar zugefügte Schäden im Rahmen der Amtshaftung zu ersetzen seien. Auch beaufsichtigte Rechtsträger seien daher nicht berechtigt, einen Amtshaftungsanspruch geltend zu machen, soweit sie lediglich einen bloßen Reflexschaden erlitten hätten.

Darüber hinaus liege auch keine unsachliche Differenzierung zwischen den Auswirkungen der Handlungen und Unterlassungen der FMA und der sonstigen Organe des Bundes vor. Zunächst habe sich der Gesetzgeber lediglich zu einer ausdrücklichen Klarstellung des Schutzzweckes der amtshaftungsrechtlichen Bestimmungen veranlasst gesehen. Eine Ungleichbehandlung zwischen den Handlungen und Unterlassungen der FMA einerseits sowie der OeNB andererseits liege gleichfalls nicht vor. Die OeNB werde im Rahmen der Bankenaufsicht als funktionell der FMA zuzurechnendes Organ tätig, weswegen die einschlägigen amtshaftungsrechtlichen Bestimmungen auch auf diesen Fall anzuwenden seien. Werde die OeNB in ihrem eigenen Wirkungsbereich tätig, komme die angefochtene Bestimmung nicht zum Tragen; diesfalls sei jedoch ebenfalls zunächst der Schutzzweck der vollzogenen Vorschriften zu bestimmen, um die Frage zu beantworten, ob ein Amtshaftungsanspruch überhaupt in Frage komme.

2.2.3. Der Verfassungsgerichtshof teilt die von den Antragstellern unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes vorgetragenen Bedenken nicht:

2.2.3.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

2.2.3.2. Soweit die antragstellenden Parteien vorbringen, es widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, dass nach der angefochtenen Bestimmung zwar die beaufsichtigten Rechtsträger Amtshaftungsansprüche gegen den Bund geltend machen könnten, nicht aber die einzelnen An- und Einleger, kann der Verfassungsgerichtshof auf seine Ausführungen zu Art23 B‑VG verweisen (vgl Punkt 2.1.8.).

2.2.3.3. Weiterhin ist anzumerken, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der angefochtenen Bestimmung auch das System der Einlagensicherung in seiner heutigen Form eingerichtet hat, wonach (Klein-)Einleger jedenfalls bis zu einer Summe von € 100.000,– abgesichert sind (vgl §7 Abs1 Z5 ESAEG). Diese Wertgrenze gilt zudem nur für Einlagen bei demselben Institut. In bestimmten, gesetzlich näher definierten Fällen sind Einlagen zudem von bis zu einer Höhe von € 500.000,– pro Institut abgesichert (vgl dazu näher §12 ESAEG).

2.2.3.4. Soweit in den Anträgen zu G235/2021, G246/2021, G248/2021, G257/2021, G263/2021, G266/2021, G269/2021, G286/2021, G291/2021, G292/2021, G293/2021, G297/2021, G300/2021, G353/2021 sowie G356/2021 das Bedenken geäußert wird, es sei unsachlich, dass durch die angefochtene Bestimmung die Amtshaftung für die Vollziehung aller in §2 FMABG genannten Gesetze pauschal ausgeschlossen werde, ist dem zunächst entgegenzuhalten, dass die Amtshaftung – wie dargestellt – keineswegs zur Gänze ausgeschlossen wird. Es wird lediglich eine Beschränkung der Aktivlegitimation auf die beaufsichtigten Rechtsträger vorgesehen. Diese haben im Falle einer unmittelbaren Schädigung in Vollziehung der genannten Gesetze sehr wohl einen Amtshaftungsanspruch, nicht hingegen die einzelnen An- und Einleger.

Der Verfassungsgerichtshof hat im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilen, ob der Ausschluss der Amtshaftung hinsichtlich aller in §2 FMABG genannten Gesetze den Vorgaben des Gleichheitsgrundsatzes entspricht, weil sich insofern in den Anträgen kein konkretes und substantiiertes Vorbringen findet, aus dem in nachvollziehbarer Weise hervorgeht, worin nach Auffassung der Antragsteller ein gleichheitsrechtliches Bedenken besteht. Der Verfassungsgerichtshof hat vielmehr ausschließlich zu beurteilen, ob der Ausschluss von Amtshaftungsansprüchen von An- und Einlegern im Bereich der Bankenaufsicht dem Gleichheitsgrundsatz entspricht.

2.2.3.5. In den zu G235/2021, G246/2021, G248/2021, G257/2021, G263/2021, G266/2021, G269/2021, G286/2021, G291/2021, G292/2021, G293/2021, G297/2021, G300/2021, G353/2021 sowie G356/2021 protokollierten Anträgen bringen die antragstellenden Parteien darüber hinaus vor, es sei unsachlich bzw widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, dass die Haftung des Bundes für Fehler der FMA ausgeschlossen sei, für solche der OeNB jedoch nicht, außer diese werde gemäß §3 Abs2 FMABG für die FMA tätig, sodass ihre Handlungen dieser zugerechnet würden. Eine unsachliche Ungleichbehandlung liege auch hinsichtlich von Abschlussprüfern vor, die gemäß §3 Abs5 FMABG für die FMA tätig würden. Dieses Vorbringen verkennt die geltende Rechtslage:

Wie bereits unter Punkt 2.1.5.1. dargestellt, wird die OeNB im Bereich der Bankenaufsicht ausschließlich als Hilfsorgan der FMA tätig. Sämtliche Handlungen der OeNB im Bereich der Bankenaufsicht werden der FMA zugeschrieben, und zwar auch dann, wenn die OeNB – ohne Auftrag der FMA – makroprudentielle Prüfungen durchführt (vgl §70 Abs1c BWG).

Da der OeNB somit im Bereich der Bankenaufsicht keine behördlichen Kompetenzen zukommen, sondern sämtliche Tätigkeiten der OeNB der FMA zuzuschreiben sind, liegen insoweit die Voraussetzungen für den von den Antragstellern behaupteten Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz von vornherein nicht vor.

Entsprechendes gilt hinsichtlich Abschlussprüfern, die gemäß §3 Abs5 FMABG im gesonderten Auftrag der FMA Prüfungen für diese durchführen; auch deren Tätigkeit wird amtshaftungsrechtlich der FMA zugeordnet (vgl bereits Punkt 2.1.5.5.), sodass der behauptete Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz auch insofern nicht vorliegt.

2.2.3.6. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist dem Gesetzgeber im Übrigen aus dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes nicht entgegenzutreten, wenn er – insbesondere vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Finanzkrise des Jahres 2008 (vgl insofern die Erläut zur RV 682 BlgNR 23. GP , 1 f.) – zu dem Ergebnis gelangt, dass der Steuerzahler nicht im Wege der Amtshaftung für die wirtschaftlichen Folgen einer allfälligen Bankeninsolvenz aufkommen soll.

2.2.3.7. Der behauptete Verstoß des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art7 B‑VG liegt sohin insgesamt nicht vor.

2.3. Zum behaupteten Verstoß gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG sowie Art1 1. ZPEMRK:

2.3.1. Die antragstellenden Parteien (ausgenommen jene zu G257/2021, G292/2021, G293/2021 und G300/2021) meinen weiters, in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG einen Verstoß gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK zu erkennen. Der Schadenersatzanspruch der An- bzw Einleger einer Bank wegen mangelhafter Aufsicht der FMA stelle ein vermögenswertes Privatrecht dar, das durch §3 Abs1 zweiter Satz FMABG beschränkt werde. Die antragstellenden Parteien zu G235/2021, G246/2021 und G248/2021 meinen, in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG eine "Enteignung auf Vorrat" zu erkennen. Hiebei verfolge der Gesetzgeber ausschließlich das Interesse, den Staatshaushalt vor Schadenersatzzahlungen zu schützen. Dieses rein finanzielle bzw fiskalische Interesse sei kein öffentliches Interesse, das den bewirkten Eingriff in das Eigentumsgrundrecht rechtfertige. Das verfolgte Ziel der Haftungsreduktion ließe sich vielmehr durch eine Verhinderung schädlichen Verhaltens der FMA erreichen. Außerdem sei die "Haftungsfreizeichnung" des Bundes für ein Fehlverhalten der FMA kontraproduktiv, um diese zur gewissenhaften und sorgfältigen Aufsicht zu motivieren. Die Entschädigung der Einlagensicherung sei mit einer Summe von € 100.000,– begrenzt und daher ebenso nicht geeignet, den durch §3 Abs1 zweiter Satz FMABG bewirkten Eingriff für darüber hinausgehende Schäden zu rechtfertigen.

2.3.2. Die Bundesregierung entgegnet diesen Bedenken, dass Art1 1. ZPEMRK vermögenswerte Leistungen nur dann und insoweit schütze, wenn bzw als ein berechtigtes Vertrauen ("legitimate expectation") begründet sei. Für den Schutz nach Art1 1. ZPEMRK bedürfe es einer ausreichenden Grundlage des Anspruches nach innerstaatlichem Recht. Nach Auffassung der Bundesregierung liege im Fall der antragstellenden Parteien keine geschützte Rechtsposition vor, die durch die angefochtene Regelung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG entzogen werden könne.

Selbst unter der Annahme einer nach Art1 1. ZPEMRK geschützten Rechtsposition der antragstellenden Parteien liege der (behauptete) Eingriff im öffentlichen Interesse und sei verhältnismäßig. Nach Ansicht der Bundesregierung liege §3 Abs1 zweiter Satz FMABG im öffentlichen Interesse, weil die ansonsten bestehende "prämienfreie Haftpflichtversicherung für Private" ein riskantes Einlege- und Anlageverhalten förderte. Dies gefährde wiederum die Finanzmarktstabilität. Im Übrigen diene die Regelung der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen im Hinblick auf die unterschiedlichen Haftungsregelungen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich. Weiters sei der behauptete Eingriff in das Eigentumsgrundrecht im Lichte der Einlagensicherung gerechtfertigt.

2.3.3. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist es zweifelhaft, ob der in Rede stehende, behauptete Anspruch auf Amtshaftung überhaupt ein vermögenswertes Recht im Schutzbereich des Art5 StGG sowie Art1 1. ZPEMRK darstellt (vgl auch VfSlg 20.278/2018). Dies kann aber schon deswegen dahinstehen, weil sich bereits aus den oben stehenden Erwägungen zu Art23 B‑VG und zum Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B‑VG sinngemäß ergibt, dass die von den Antragstellern behauptete Verletzung des Eigentumsgrundrechtes nicht vorliegen kann.

2.4. Soweit die antragstellenden Parteien mitunter einen Verstoß der angefochtenen Bestimmung in §3 Abs1 zweiter Satz FMABG gegen Unionsrecht behaupten, ist darauf hinzuweisen, dass ein allfälliger Verstoß gegen Sekundärrechtsakte (oder Primärrecht) der Europäischen Union nicht als Verfassungswidrigkeit zu qualifizieren ist (zB VfSlg 16.627/2002, 16.628/2002 und 16.771/2002). Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf das diesbezügliche Vorbringen.

2.5. Die von den antragstellenden Parteien gegen die angefochtene Bestimmung des §3 Abs1 zweiter Satz FMABG vorgebrachten Bedenken treffen nicht zu.

V. Ergebnis

1. Die Anträge sind daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Kosten sind nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG Sache des zuständigen ordentlichen Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 20.102/2016, 20.112/2016).

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