VfGH G62/2016

VfGHG62/201626.9.2016

Zurückweisung eines nach Ende der Rechtsmittelfrist eingebrachten Parteiantrags mangels Legitimation

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62a Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
VfGG §62a Abs1

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge "§167 Abs2 […] AußStrG […], kundgemacht im BGBl I Nr 111/2003, in eventu (nur) die Wortfolge 'unbewegliche' und 'mit ihrem dreifachen Einheitswert, beantragt dies aber eine Partei oder ist dies im Interesse eine[s] Pflegebefohlenen erforderlich, nach dem Liegenschaftsbewertungsgesetz'" als verfassungswidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. §62a VfGG, BGBl 85/1953 idF BGBl I 59/2016, hatte folgenden Wortlaut:

"§62a. (1) Eine Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache rechtzeitig ein zulässiges Rechtsmittel erhebt und wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, kann gleichzeitig einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben (Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG). Die Stellung eines solchen Antrages ist unzulässig:

1. – 9. […]

(2) […]

(3) Der Antrag hat über die Erfordernisse des §62 hinaus zu enthalten:

1. die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Partei ein Rechtsmittel erhebt, und des ordentlichen Gerichtes, das sie erlassen hat;

2. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht ist.

(4) – (6) […]"

2. Mit Erkenntnis vom 2. Juli 2016, G95/2016, hob der Verfassungsgerichtshof (u.a.) die Wortfolge "rechtzeitig ein zulässiges Rechtsmittel erhebt und" sowie das Wort "gleichzeitig" in §62a Abs1 erster Satz VfGG sowie die Wortfolge ", gegen die die Partei ein Rechtsmittel erhebt," in §62a Abs3 Z1 VfGG als verfassungswidrig auf und sprach gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz B‑VG aus, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Der Verfassungsgerichtshof sah im Hinblick auf den Aufhebungsumfang davon ab, für das Außerkrafttreten der Bestimmungen eine Frist zu setzen. Der Verfassungsgerichtshof führt in diesem Zusammenhang wörtlich aus wie folgt:

"In §62a Abs3 Z1 VfGG reicht die Aufhebung der Wortfolge ', gegen die die Partei ein Rechtsmittel erhebt,' aus. Die verbleibende Vorschrift erlaubt dem Verfassungsgerichtshof die Deutung, dass es sich um die Entscheidung handelt, aus deren Anlass ein Parteiantrag erhoben wird. Die Z2 des §62a Abs3 VfGG erfährt insofern eine Bedeutungsänderung, als die darin enthaltene Bezugnahme auf die für den Rechtsmittelwerber geltende strikte Frist ('gleichzeitig') in §62a Abs1 VfGG wegen dessen Veränderung entfällt. Die Angaben, die nach dem verbleibenden Teil des §62a Abs3 VfGG in Zukunft erforderlich sind, ermöglichen dem Verfassungsgerichtshof in Hinkunft vor dem Hintergrund des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG zu beurteilen, aus Anlass welchen Rechtsmittels der Antrag von einer Partei des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht gestellt wird und wie das zeitliche Verhältnis zwischen der Erhebung des Rechtsmittels und dem Antrag vor dem Verfassungsgerichtshof ist. Solange durch den Gesetzgeber keine Neuregelung erfolgt, hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtzeitigkeit – ausgehend vom Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers – unmittelbar vor dem Hintergrund des Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG zu beurteilen.

Daraus folgt, dass ein solcher Antrag durch den Rechtsmittelwerber grundsätzlich dann rechtzeitig ist, wenn er innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt wird, und für den Rechtsmittelgegner – jedenfalls bei zweiseitigen Rechtsmitteln – der Parteiantrag während der Frist zur Beantwortung des Rechtsmittels erfolgt."

3. §62a VfGG hat nunmehr – unter Berücksichtigung der Kundmachung des Bundeskanzlers über die Aufhebung von Wortfolgen und eines Wortes in §62a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 durch den Verfassungsgerichtshof, BGBl I 78/2016, (siehe soeben unter Pkt. II.2.) – folgenden Wortlaut:

"§62a. (1) Eine Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, kann einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben (Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG). Die Stellung eines solchen Antrages ist unzulässig:

1. – 9. […]

(2) […]

(3) Der Antrag hat über die Erfordernisse des §62 hinaus zu enthalten:

1. die Bezeichnung der Entscheidung und des ordentlichen Gerichtes, das sie erlassen hat;

2. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht ist.

(4) – (6) […]"

III. Sachverhalt und Vorverfahren

1. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 11. Jänner 2016, Z 4P 218/15x, wurde die Entschädigung des Antragstellers als Sachwalter gemäß §276 ABGB mit € 4.097,‑ ‑ bestimmt; das Mehrbegehren iHv € 6.252,85 wurde abgewiesen. Das Vermögen der besachwalteten Person umfasst, neben einem näher bezifferten Guthaben auf einem Mündelgeldkonto mit Wohnungseigentum verbundenes Miteigentum, an zwei Liegenschaften. Die Begründung des Beschlusses stützt sich u.a. darauf, "dass nach ständiger Rechtsprechung der dreifache Einheitswert einer Liegenschaft zur Berechnung des vermögensabhängigen Entschädigungsanspruches herangezogen wird". Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 14. Jänner 2016 zugestellt.

2. Gegen diesen Beschluss erhob der Antragsteller am 27. Jänner 2016 Rekurs, soweit damit sein Mehrbegehren iHv € 6.252,85 abgewiesen worden war.

3. Am 9. März 2016 wurde der Parteiantrag auf Normenkontrolle beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Der Antragsteller brachte zur "Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit" seines Antrages vor, dass er innerhalb offener Frist Rekurs an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien erhoben habe und dass er nunmehr "[n]ach angemessen kurzer Frist für rechtliche Erwägungen und die Konzeptionierung des Schriftsatzes […] 'aus Anlass' des Rekursverfahrens" den vorliegenden Parteiantrag auf Normenkontrolle stelle.

4. Die Bundesregierung erstattete über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes eine Äußerung, in der sie beantragte, der Verfassungsgerichtshof möge den Antrag als unzulässig zurückweisen, in eventu aussprechen, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben werde.

IV. Zulässigkeit

Der Antrag ist unzulässig.

1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

2. Der in §62a Abs1 erster Satz VfGG idF vor der Kundmachung des Bundeskanzlers über die Aufhebung von Wortfolgen und eines Wortes in §62a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 durch den Verfassungsgerichtshof, BGBl I 78/2016, im Hinblick auf die Einbringung eines (zulässigen) Rechtsmittels verwendete Begriff "gleichzeitig" entsprach der in Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gewählten Formulierung "aus Anlass" insofern, als er so zu verstehen war, dass die Stellung eines Parteiantrages gegen die erstinstanzliche Entscheidung eines ordentlichen Gerichtes während des (gesamten) Zeitraumes der konkreten Rechtsmittelfrist – unabhängig davon, ob das Rechtsmittel bereits vorher eingebracht worden war – zulässig war (vgl. VfGH 2.7.2015, G257/2015; unter Hinweis auf RV 263 BlgNR 25. GP , 2; Grabenwarter/Musger, Praxisfragen der Gesetzesbeschwerde im Zivilverfahren, ÖJZ 2015, 551 [551]).

3. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 2. Juli 2016, G95/2016, u.a. das Wort "gleichzeitig" in §62a Abs1 erster Satz VfGG als verfassungswidrig aufgehoben. Er hielt fest, dass "ein […] Antrag durch den Rechtsmittelwerber grundsätzlich dann rechtzeitig ist, wenn er innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt wird […]".

4. Die Frist zur Erhebung eines Rekurses gegen den dem Antragsteller am 14. Jänner 2016 zugestellten Beschluss endete am 28. Jänner 2016 (§46 Abs1 AußStrG). Der Parteiantrag wurde nicht innerhalb dieser Rechtsmittelfrist, sondern erst am 9. März 2016 eingebracht.

5. Nach Aufhebung von Teilen des §62a VfGG durch Erkenntnis vom 2. Juli 2016, G95/2016, hat der Verfassungsgerichtshof auf Grund von Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG zu prüfen, ob der Antrag "aus Anlass" eines gegen eine Entscheidung erhobenen Rechtsmittels gestellt wurde. Solange durch den Gesetzgeber keine Neuregelung erfolgt, bedeutet dies für einen Rechtsmittelwerber, dass er einen Parteiantrag auf Normenkontrolle innerhalb der Rechtsmittelfrist zu stellen hat. Die Einbringung des Parteiantrages am 9. März 2016, d.h. rund sechs Wochen nach Ende der Rechtsmittelfrist, ist daher nicht mehr "aus Anlass" eines erhobenen Rechtsmittels iSd Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erfolgt. Dem Antragsteller mangelt es daher an der Legitimation zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG. Der Antrag ist schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag auch aus anderen Gründen unzulässig ist.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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