OGH 1Ob199/15v

OGH1Ob199/15v24.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Reg.‑Rat G***** K*****, vertreten durch Mag. Helmut Hawranek, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 29.134,70 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. Juli 2015, GZ 5 R 49/15p‑26, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 23. Jänner 2015, GZ 16 Cg 12/14s‑22, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00199.15V.1124.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Bereits anlässlich der Erstanhörung im Sachwalterschaftsverfahren gab ein Betroffener gegenüber dem Pflegschaftsrichter an, dass er keinesfalls einen Sachwalter wolle und seine Landwirtschaft „mittels Maschinenring“ bewirtschaften wolle. Im Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss, mit dem für die behinderte Person ein Verfahrenssachwalter und einstweiliger Sachwalter bestellt wurde, wies er darauf hin, dass er einen land‑ und forstwirtschaftlichen Betrieb zu führen habe, wofür er auch die nötige Ausbildung aufweise. Im April 2009 stand dem Betroffenen ein Barvermögen von rund 83.000 EUR zuzüglich 20.100 EUR an Rückkaufswert einer Lebensversicherung zur Verfügung. Er war außerdem Eigentümer von drei geldlastenfreien Liegenschaften. Im Vorfeld des Verkaufs von zwei dieser Liegenschaften richtete der einstweilige Sachwalter am 21. 7. 2009 an den Betroffenen ein Schreiben, mit dem er ihn über „beabsichtigte wichtige Maßnahmen“ verständigte. Dieses Schreiben, über dessen Zugang im Sachwalterschaftsakt kein Nachweis erliegt, lautet auszugsweise:

Sie haben das Recht vom einstweiligen SW über die beabsichtigten wichtigen Maßnahmen die Sie bzw Ihr Vermögen betrifft verständigt zu werden was hiermit geschieht.

Es werden folgende Erledigungen notwendig werden:

Die Liegenschaft in M ***** (samt baufälliger Haushälfte) ist ein Verkauf beabsichtigt sobald Gutachten vorliegt (auf laufende Kosten, Borkenkäferholz, Abbruch Haushälfte) weiters ist es sehr wahrscheinlich, den Viehbestand (Kühe und Kälber) zu verkaufen da eine Bewirtschaftung nur von Ihrer Frau Mutter nicht gewährleistet werden kann da zum heutigen Zeitpunkt nicht feststeht wann Sie wieder auf den Hof zurückkehren können um zu arbeiten.

[...]

Sie können sich zu diesem Schreiben schriftlich äußern an mich oder an das Bezirksgericht F***** was Sie dazu meinen.

Mit einem im August 2009 errichteten Kaufvertrag sollten zwei Liegenschaften der behinderten Person um 35.000 EUR an den Kläger verkauft werden. Mit Beschluss des Pflegschaftsgerichts vom 4. 9. 2009 wurde dieser Kaufvertrag (über gemeinsamen Antrag des Sachwalters und des Klägers) sachwalterschaftsgerichtlich genehmigt und bestätigt, dass der Sachwalter berechtigt gewesen sei, diesen Kaufvertrag für den Betroffenen zu unterfertigen. In der Begründung wurde ausgeführt, der Verkauf sei unter Berücksichtigung des Veräußerungserlöses einerseits und der Abbruchkosten sowie der erforderlichen Waldsäuberungsarbeiten andererseits zum Vorteil der betroffenen Person. Dieser Beschluss wurde zunächst nur dem Sachwalter sowie auch dem Vertragserrichter und dem Kläger zugestellt. Am 24. 9. 2009 wurde die Rechtskraft (und „Vollstreckbarkeit“) des Beschlusses bestätigt.

Mit am 19. 10. 2009 beim Sachwalterschaftsgericht eingelangter Eingabe teilte der Betroffene mit, er habe drei Tage zuvor ein Schreiben erhalten, aus dem er entnehme, dass „vermutlich“ ein Kaufvertrag erstellt worden sei. Von diesem sei er nicht in Kenntnis gesetzt worden. Er habe diesem Kaufvertrag nicht zugestimmt und werde ihm auch nicht zustimmen.

Nachfolgend wurde mit Beschluss des zuständigen Grundbuchsgerichts vom 7. 12. 2009 das Eigentumsrecht des Klägers an den beiden Liegenschaften auf dessen Antrag hin einverleibt. Einem dagegen vom Betroffenen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz keine Folge.

Nachdem dem Betroffenen über seinen Antrag der Beschluss des Sachwalterschaftsgerichts vom 4. 9. 2009 zugestellt worden war, erhob er Rekurs, dem das Gericht zweiter Instanz mit Beschluss vom 31. 3. 2011 Folge gab. Es änderte den erstinstanzlichen Beschluss dahin ab, dass der Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Kaufvertrags und auf Bestätigung, dass der Sachwalter berechtigt gewesen sei, den Kaufvertrag und das Ranganmerkungsgesuch zu unterfertigen, abgewiesen werde.

Mit seinem in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 16. 5. 2013 sprach das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht im Prozess des Betroffenen (dort als Kläger) gegen den Kläger (dort als Beklagter) aus, dass die aufgrund des Kaufvertrags erfolgten Einverleibungen des Eigentumsrechts für den Kläger unwirksam und zu löschen seien. Weiters bewilligte es die Wiederherstellung des vorigen bücherlichen Standes dahin, dass die behinderte Person unter Beibehaltung der übrigen bücherlichen Eintragungen ‑ jedoch unter Außerachtlassung eines 34 m² großen (zwischenzeitig veräußerten und abgetrennten) Trennstücks ‑ wiederum als Eigentümer der beiden Liegenschaften Zug um Zug gegen Rückausfolgung des Kaufpreises von 35.000 EUR einzutragen sei (unstrittig).

Der Kläger begehrt von der Beklagten aus dem Titel der Amtshaftung die Zahlung von 29.134,70 EUR sA (frustrierte Vertragserrichtungskosten; Eintragungsgebühr; Kosten für die grundverkehrsbehördliche Genehmigung; Abbruchkosten laut Bescheid; sonstige frustrierte Leistungen; Prozesskosten des Verfahrens zwischen ihm und der betroffenen Person). Dieser Schaden sei ihm dadurch entstanden, dass der mit der behinderten Person im August 2009 abgeschlossene Kaufvertrag über den Erwerb der beiden Liegenschaften rückabgewickelt habe werden müssen. Der Verkäufer sei damals unter Sachwalterschaft gestanden. Das Sachwalterschaftsgericht habe infolge einer unvertretbaren Rechtsansicht diesen Kaufvertrag einerseits zu Unrecht genehmigt, zum anderen entgegen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung die Zustellung an den Betroffenen unterlassen und die Rechtskraft dieses Beschlusses bestätigt. Ohne diese Gerichtsfehler wäre die Übertragung der Eigentumsrechte an ihn unterblieben.

Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, die vom zuständigen Bezirksgericht gewählte Vorgangsweise und Rechtsansicht sei vertretbar gewesen. Insbesondere sei die Frage, ob die bisherige Rechtsprechung zum ehemaligen § 273a Abs 3 ABGB auch nach Inkrafttreten des AußStrG 2005 weiterhin anwendbar sei, erst durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Jahr 2009 klargestellt worden. Ob der Betroffene auch im Sachwalterschaftsbetreuungsverfahren verfahrensfähig sei, sei in der Literatur nicht einhellig beantwortet gewesen. Es sei außerdem kein Hinweis auf eine Uneinigkeit zwischen dem Betroffenen und dem Sachwalter vorgelegen, sodass die Vorgangsweise des Sachwalterschaftsgerichts, von der Zustimmung des Betroffenen zum Verkauf der Liegenschaften auszugehen und ihm daher den Genehmigungsbeschluss nicht zuzustellen, zumindest vertretbar gewesen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich führte es aus, die Rechtswidrigkeit des Genehmigungsbeschlusses vom 4. 9. 2009 ergebe sich aus der Entscheidung des Rekursgerichts vom 31. 3. 2011, mit dem dieser Beschluss abgeändert worden sei. Aufgrund der eindeutigen und langjährigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erweise sich die (ursprüngliche) Unterlassung der Zustellung des Genehmigungsbeschlusses durch das Sachwalterschaftsgericht an den Betroffenen als unvertretbar. Das zuständige Bezirksgericht habe infolge des bloßen Schweigens der behinderten Person nicht von deren Zustimmung zum beabsichtigten Verkauf der Liegenschaften ausgehen dürfen. Darüber hinaus habe es aufgrund der vorangegangenen Reaktionen des Betroffenen (Mitteilung, er wolle seinen land‑ und forstwirtschaftlichen Betrieb führen; Ablehnung der Bestellung eines Sachwalters) davon ausgehen müssen, dass er sich gegen die Veräußerung seiner Liegenschaften wehren werde. Spätestens mit dem Zugang des Schreibens der behinderten Person am 19. 10. 2009 sei klar gewesen, dass diese die Veräußerung ihrer Liegenschaften ablehne. Die Rechtsansicht des Sachwalterschaftsgerichts, dass der Verkauf der Liegenschaften zum Wohl des Betroffenen zu genehmigen gewesen sei, sei auch unvertretbar. Da dem Behinderten zum Zeitpunkt der Einleitung des Sachwalterschaftsverfahrens rund 100.000 EUR zur Verfügung gestanden seien und er über drei (geldlastenfreie) Liegenschaften verfügt habe, habe keine Notwendigkeit zur Veräußerung von Liegenschaftsvermögen bestanden. Die Kosten eines allfälligen Abbruchs des Hauses bzw der Durchführung der erforderlichen Arbeiten im Wald wären bereits aus seinem Barvermögen bestreitbar gewesen. Die Annahme, die Veräußerung dieses Liegenschaftsvermögens wäre zu seinem klaren Vorteil gewesen, erweise sich als unvertretbar.

Dessen ungeachtet stehe dem Kläger kein Schadenersatzanspruch zu, weil er nicht vom Schutzzweck der Vorschriften über die Bestellung und Überwachung eines Sachwalters ‑ hier den Vorschriften über die Genehmigung des Kaufvertrags zwischen dem Betroffenen und ihm und den Regelungen über das Rekursrecht des Betroffenen bei Uneinigkeit zwischen diesem und dem Sachwalter ‑ erfasst sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und schloss sich dessen Rechtsansicht an. Ergänzend führte es aus, die zu Unrecht erteilte Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung des Sachwalterschafts-gerichts ändere nichts daran, dass im Genehmigungsverfahren eines Kaufvertrags der Schutz des Klägers als Vertragspartner des Betroffenen nach der Absicht des Gesetzgebers nicht mitumfasst sei. Die Haftung der Beklagten sei daher mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs zu verneinen, auch wenn eine unvertretbare Verletzung von Rechtsvorschriften durch das Pflegschaftsgericht vorliege.

Das Berufungsgericht sprach nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung insbesondere zum Schutznormcharakter des § 150 Geo fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Der behauptete Feststellungsmangel liegt nicht vor, weil die begehrte Feststellung zur rechtswidrig erteilten Rechtskraftbestätigung eine Rechtsfrage und keine (feststellungsfähige) Tatsache ist.

2.1. Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften die dort genannten Rechtsträger für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen „wem immer“ schuldhaft zugefügt haben. Der Ausdruck „wem immer“ ist nicht anders zu verstehen als der Ausdruck „jedermann“ in § 1295 ABGB. Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre ist er einschränkend auszulegen (vgl RIS‑Justiz RS0022416). Die Beschränkung der Zahl der zur Erhebung von Schadenersatzansprüchen Berechtigten erfolgt aufgrund des Schutzzwecks der Normen (Rechtswidrigkeitszusammenhang). Dieser stellt ein selbständiges Abgrenzungskriterium der Schadenersatzhaftung neben der Rechtswidrigkeit und der Kausalität dar. Ohne die eingrenzende Wirkung des Schutzzwecks droht auch im Amtshaftungsrecht die abzulehnende Uferlosigkeit der Haftpflicht. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist nur für jene verursachten Schäden zu haften, die vom Schutzzweck der Verbotsnorm erfasst werden, weil sie gerade diese Schäden verhindern wollte. Die Fragestellung der Normzweckprüfung ist teleologisch ausgerichtet und stellt primär darauf ab, welcher Zweck mit der in ihrem primären Normgehalt festgehaltenen Anordnung verfolgt wird; soll nicht die Schutzzweckprüfung jeglichen Aussagegehalt verlieren, darf sie keinesfalls bei einer bloßen Paraphrasierung des Gesetzestextes stehen bleiben: nicht jeder Schutz, den die Verhaltensnorm tatsächlich bewirkt, ist auch von deren Schutzzweck erfasst (RIS‑Justiz RS0050038 [T16, T17, T29]; vgl RS0022813 [T7, T10, T16]; RS0027553 [T4]; RS0031143 [T7, T19, T22]).

2.2. Schutzzweck der Bestimmungen über die Fürsorgepflicht des Sachwalterschafts‑ und Pflegschafts-gerichts ist die Sicherung des Pflegebefohlenen vor Nachteilen für seine Person und sein Vermögen. Daher ist nur dieser ‑ und nicht auch ein Dritter ‑ geschützt (1 Ob 95/12w = iFamZ 2012/177, 241 [zust Fucik] mwN; RIS‑Justiz RS0050064 [T1]). Nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers zum AußStrG 2005 dient das Pflegschaftsverfahren nur dazu, die Interessen des Pflegebefohlenen, nicht aber, diejenigen seiner Vertragspartner und sonstiger Dritter zu schützen (6 Ob 286/05k unter Verweis auf die ErläutRV 224 BlgNR XXII. GP  23). Die Parteistellung im Verfahren über eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung ist auf den Pflegebefohlenen beschränkt (RIS‑Justiz RS0006212 [T8]; RS0006225 [T13, T15]).

In der Entscheidung 1 Ob 97/07g hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass der Schutzzweck der vom Gericht zu beachtenden Vorschriften über die Bestellung und Überwachung eines Sachwalters nicht die Verhinderung des Schadens eines Kreditinstituts aus der Auszahlung der Kreditvaluta auf das Konto des Betroffenen zu Handen eines untreuen Sachwalters erfasst. Rummel (in ÖBA 2008/1492, 584 [Glosse zu 1 Ob 97/07g]) hält dazu fest, dass die Überwachungspflicht des Gerichts den Pflegebefohlenen schütze. Für die Erstreckung des Schutzzwecks auf Dritte müsste es eine überzeugende Ableitung geben, wovon im Zweifel ‑ so auch in diesem Fall ‑ nicht auszugehen sei.

2.3. Gemäß § 275 Abs 2 ABGB hat der Sachwalter in wichtigen, die Person des Pflegebefohlenen betreffenden Angelegenheiten die Genehmigung des Gerichts einzuholen. Ohne Genehmigung getroffene Maßnahmen oder Vertretungshandlungen sind unzulässig und unwirksam, sofern nicht Gefahr im Verzug vorliegt. § 275 Abs 3 ABGB übernimmt insbesondere durch Verweis auf § 229 Abs 2 iVm § 154 Abs 3 ABGB aF (nunmehr § 214 Abs 2 iVm § 167 Abs 3 ABGB idF KindNamRÄG 2013) die Genehmigungspflicht von Maßnahmen im außerordentlichen Wirtschaftsbetrieb, worunter in der Regel die Veräußerung einer Liegenschaft (eines Liegenschaftsanteils) fällt. Die Umschreibung der materiellen Voraussetzungen einer solchen Veräußerung nach § 232 ABGB aF (entspricht nunmehr § 223 ABGB) gilt gemäß § 275 Abs 3 ABGB auch für die Vermögensverwaltung von Sachwaltern. Danach darf ein unbewegliches Gut nur im Notfall oder zum offenbaren Vorteil der behinderten Person mit gerichtlicher Genehmigung veräußert werden. Im Sachwalterbetreuungsverfahren steht der betroffenen Person, die des Gebrauchs der Vernunft nicht gänzlich beraubt und deswegen geschäftsunfähig ist, bei Uneinigkeit zwischen ihr und dem Sachwalter über eine Maßnahme, die der Genehmigung des Pflegschaftsgerichts bedarf, ein eigenes Rekursrecht gegen eine dem Willen des Sachwalters folgende gerichtliche Entscheidung auch dann zu, wenn die bekämpfte Entscheidung in den Wirkungskreis des Sachwalters fällt (4 Ob 100/09y = SZ 2009/78 ua; RIS‑Justiz RS0124785).

Ganz generell gilt im Sachwalterschaftsverfahren, dass dritten Personen kein Antragsrecht zukommt; sie haben keinen Anspruch auf eine Entscheidung des Gerichts, selbst wenn ihre Interessen tangiert werden (RIS‑Justiz RS0006610 [T2, T13]). Die rechtlich geschützte Stellung Dritter wird durch die gerichtliche Tätigkeit in einem Sachwalterschaftsverfahren nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar beeinflusst (2 Ob 166/12v = iFamZ 2013/138, 183 [Parapatits] = RIS‑Justiz RS0006610 [T14]). In einem Verfahren betreffend eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung besitzt (nur) der betroffene Pflegebefohlene Parteistellung; er (allein) ist rechtsmittellegitimiert (RIS‑Justiz RS0123647; RS0006210 [T7, T8]). Verfahrenszweck ist der Schutz der Interessen des Pflegebefohlenen (4 Ob 100/09y = SZ 2009/78 mwN).

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Schutzzweck der Bestimmungen über die sachwalterschaftsgerichtliche Genehmigung des Kaufvertrags nicht auch den Kläger als Vertragspartner des Betroffenen erfasst und somit nicht die Verhinderung eines daraus resultierenden Schadens bezweckt, ist nicht zu beanstanden und deckt sich mit der zitierten Judikatur.

2.4. § 49 Abs 1 Geo bezweckt neben anderen Bestimmungen eine rasche und fristgerechte Erledigung der übertragenen Geschäfte (vgl dazu RIS‑Justiz RS0106350; RS0129052). Gegen das Gebot „mit tunlichster Raschheit“ zu entscheiden, hat das Pflegschaftsgericht bei der Erteilung der Rechtskraftbestätigung nicht verstoßen. Entgegen der Ansicht des Klägers bildet die Verpflichtung, die „übertragenen Geschäfte dem Gesetz und den sonstigen Vorschriften gemäß nach bestem Wissen und Können“ auszuführen, keine eigenständige Anspruchsgrundlage, aus deren Verletzung er einen Amtshaftungsanspruch ableiten könnte.

2.5. Der Beschluss des erstinstanzlichen Sachwalterschaftsgerichts, das den Kaufvertrag genehmigte, ist nicht vollstreckbar, sodass es entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf die (unrichtig) erteilte Vollstreckbarkeitsbestätigung ankommen kann.

Die Einverleibung des Eigentumsrechts nach gerichtlicher Billigung eines genehmigungspflichtigen Kaufvertrags setzt ‑ wenn wie hier kein Fall des § 44 Abs 1 AußStrG vorliegt ‑ die Rechtskraftbestätigung auf dem Genehmigungsbeschluss voraus (RIS‑Justiz RS0126077); bei pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung eines Vertrags ist deren Rechtskraft als Eintragungsvoraussetzung urkundlich nachzuweisen (5 Ob 37/10t = EF‑Z 2011/43, 72 [Beck]; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 132 Rz 88).

Bei der Rechtskraftbestätigung handelt es sich um einen nicht der Rechtskraft fähigen (vgl § 7 Abs 3 EO), mit Rekurs nicht anfechtbaren Beschluss, der in der Regel in der Form der „Vollstreckbarkeitsklausel“ ausgefertigt wird (3 Ob 290/04z; 2 Ob 232/08v = SZ 2009/85; RIS‑Justiz RS0001583 [T1]; Danzl, Geo6 § 150 Anm 2a mwN). Nach § 150 Abs 3 iVm Abs 1 Geo kann die Bestätigung der Rechtskraft nur erteilt werden, wenn der Richter (Rechtspfleger) ihre Voraussetzungen geprüft hat. Bei der Bestätigung der Rechtskraft ist der Zustellvorgang zu überprüfen, insbesondere ob eine gesetzmäßige Zustellung der Entscheidung an die Verfahrensparteien erfolgt ist. Die Erteilung der Rechtskraftbestätigung durch das Sachwalterschaftsgericht war im Anlassverfahren erfolgt, ohne dass dem Betroffenen der Beschluss über die Genehmigung des Kaufvertrags zugestellt worden war. Schutzzweck der Zustellung an die behinderte Person ist zwar nicht der Schutz des Vermögens des Klägers als Dritten, der ja am Genehmigungsverfahren nicht beteiligt ist. Wenn ihm auch in diesem Verfahren keine Parteirechte zukommen, ist er aber als Vertragspartner der behinderten Person dennoch Schutzobjekt der (unrichtig) erteilten Rechtskraftbestätigung über die sachwalterschaftsgerichtliche Genehmigung des Kaufvertrags, da er einer mit Rechtskraftbestätigung versehenen Ausfertigung des Beschlusses für die Einverleibung seines Eigentumsrechts bedurfte. Als Käufer und damit als unmittelbarer Vertragspartner des Betroffenen durfte er auf die Richtigkeit der Rechtskraftbestätigung vertrauen. Die Erteilung der Rechtskraftbestätigung auf dem Genehmigungsbeschluss, der dem Kläger auch zugestellt wurde, schaffte für ihn einen Vertrauenstatbestand, was auch für das bestätigende Gericht erkennbar war. Hat er aber im Vertrauen auf die Rechtskraft des später abgeänderten Beschlusses vom 4. 9. 2009 ihn belastende Vermögensdispositionen getroffen, so haftet der beklagte Rechtsträger für den daraus entstandenen Schaden, wenn die Rechtskraftbestätigung infolge schuldhaft rechtswidrigen Organverhaltens erteilt wurde.

Da die Verletzung der Vorschrift des § 150 Geo unmittelbare Auswirkungen auf den darauf vertrauenden Liegenschaftskäufer hatte, ist dieser vom Schutzzweck der zu Unrecht erteilten Rechtskraftbestätigung auf dem Genehmigungsbeschluss erfasst.

3. Dass der Genehmigungsbeschluss des Bezirksgerichts vom September 2009 rechtswidrig war, ergibt sich aus der (in Rechtskraft erwachsenen) Entscheidung des Landesgerichts als Rekursgericht vom 31. 3. 2011, womit über Rekurs des Betroffenen der angefochtene Beschluss abgeändert und dem Kaufvertrag die sachwalterschaftsgerichtliche Genehmigung versagt wurde. Davon geht auch die Beklagte aus.

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Unterlassung der Zustellung des Genehmigungsbeschlusses an den Betroffenen auf einer unvertretbaren Rechtsansicht des Bezirksgerichts beruhte, weil durch die zum damaligen Zeitpunkt bereits veröffentlichte Entscheidung 4 Ob 100/09y (= SZ 2009/78; RIS‑Justiz RS0124785) diese Frage geklärt war, ist zutreffend. Dass einer betroffenen Person, die ‑ wie hier ‑ des Gebrauchs der Vernunft nicht gänzlich beraubt und nicht offenkundig geschäftsunfähig war, bei Uneinigkeit zwischen ihr und dem Sachwalter über eine Maßnahme, die der Genehmigung des Pflegschaftsgerichts bedarf, ein eigenes Rekursrecht gegen eine dem Willen des Sachwalters folgende gerichtliche Entscheidung zusteht, wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs schon zum AußStrG 1854 vertreten (2 Ob 2206/96t mwN; 9 Ob 243/99x; 8 Ob 72/03a; 6 Ob 143/03b; RIS‑Justiz RS0006612 [T5]; vgl RS0053067; RS0006593). Nach dem Inhalt des Sachwalterschaftsakts kann nicht davon gesprochen werden, das Pflegschaftsgericht hätte bei Erteilung der Rechtskraftbestätigung Hinweise darauf gehabt, dass der Betroffene dem Verkauf seiner landwirtschaftlichen Liegenschaften zugestimmt hätte. Schon bei der Erstanhörung gab er an, dass er seine Landwirtschaft „mittels Maschinenring“ bewirtschaften wolle und er verwies auch in seinem Rekurs gegen die Fortsetzung des Sachwalterschaftsverfahrens darauf, dass er einen land‑ und forstwirtschaftlichen Betrieb zu führen hätte. Dem im Sachwalterschaftsakt erliegenden Schreiben des einstweiligen Sachwalters an den Betroffenen war kein Zustellnachweis angeschlossen, überdies wurde dieser nicht darüber informiert, dass der Sachwalter tatsächlich in seinem Namen bereits einen Kaufvertrag über die zwei Liegenschaften abgeschlossen hat. Das Sachwalterschaftsgericht hätte daher jedenfalls von keiner Übereinstimmung zwischen der behinderten Person und dem Sachwalter über den Verkauf der Liegenschaften ausgehen dürfen und die Verpflichtung gehabt, den Genehmigungsbeschluss auch dem Betroffenen zuzustellen. Diese Unterlassung begründet ein Verschulden des die Rechtskraft bestätigenden Erstrichters des Anlassverfahrens.

Ebenso nicht zu beanstanden ist die vom Erstgericht vertretene, vom Berufungsgericht geteilte Rechtsansicht, dass die Genehmigung des Verkaufs der beiden Liegenschaften unvertretbar gewesen sei (§ 510 Abs 3 ZPO). Das erstinstanzliche Sachwalterschaftsgericht führte nur aus, dass „der aus der Veräußerung erzielte Erlös unter Berücksichtigung der Abbruchkosten sowie der erforderlichen Waldsäuberungsarbeiten jedenfalls zum Vorteile der betroffenen Person“ sei. Damit legte es den nach § 232 ABGB aF (nunmehr § 223 ABGB) erforderlichen offenbaren Vorteil des Pflegebefohlenen nicht näher dar. Wenn die Beklagte aus dem im Vorfeld eingeholten Sachverständigengutachten über den Liegenschaftswert ableiten will, der erzielte Kaufpreis sei für den Betroffenen vorteilhaft gewesen, berücksichtigt sie nicht, dass die eine Liegenschaft unter der Voraussetzung einer Wiederbebaubarkeit der Baufläche (bereits unter Abzug des Abbruch‑ und Entsorgungsaufwands) mit 34.240 EUR bewertet wurde und das Waldgrundstück zudem mit 8.079 EUR. Beide Werte zusammen übersteigen aber den vereinbarten Kaufpreis.

4. Aus den dargelegten Gründen ist die Haftung der Beklagten dem Kläger gegenüber aus der unrichtig erteilten Rechtskraftbestätigung auf dem Genehmigungsbeschluss zu bejahen. Dennoch erweist sich die Rechtssache noch nicht als spruchreif:

Einerseits stehen dem Kläger nur die kausal infolge der zu Unrecht erteilten Rechtskraftbestätigung verursachten Kosten zu. Andererseits traf das Erstgericht überhaupt keine Feststellungen zu den vom Kläger infolge seines Vertrauens auf die Rechtskraft getroffenen Vermögensdispositionen. Damit wurden noch nicht alle zur Beurteilung des Grundes der strittigen Schadenersatzansprüche erforderlichen Feststellungen getroffen. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass die Beklagte die Ersatzfähigkeit der Verfahrenskosten aus dem Vorprozess zwischen dem Kläger und dem Betroffenen ebenso wie die Abbruchkosten und den begehrten Arbeitsaufwand des Klägers dem Grunde nach bestritt. Diese Einwände wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben.

5. Der Revision ist daher Folge zu geben und die Rechtssache an das Erstgericht zwecks entsprechenden Vorgehens zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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