VfGH A9/2017

VfGHA9/201727.9.2017

Zurückweisung der Klage eines vormals der Österreichischen Post AG zugewiesenen Beamten gegen den Bund auf ungekürzte Auszahlung einer Überbrückungsleistung aus einer Betriebsvereinbarung nach dem Post-Betriebsverfassungsgesetz; Anspruch privatrechtlicher Natur im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen

Normen

B-VG Art137 / ord Rechtsweg
PoststrukturG §17, §17a
BDG 1979 §75, §230b
ArbVG §97, §109
Post-BetriebsverfassungsG §1, §72
ASGG §50, §51
JN §1
VfGG §41

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2017:A9.2017

 

Spruch:

I. Die Klage wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger ist schuldig, dem Bund zuhanden der Finanzprokuratur die mit € 692,80 bestimmen Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Begründung

I. Klagevorbringen, Sachverhalt und Vorverfahren

1. Der Sache nach gestützt auf Art137 B‑VG begehrt der Kläger, die "Republik Österreich" (gemeint: den Bund) schuldig zu erkennen, den Betrag von € 9.389,29 s.A. sowie den Ersatz der Prozesskosten zuhanden seiner Rechtsvertreter binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger – einem der Österreichischen Post AG gemäß §17 Abs1 und 1a Poststrukturgesetz (im Folgenden: PTSG) vormals zugewiesenen Beamten – ein Anspruch auf ungekürzte Auszahlung einer ihm monatlich zustehenden "Überbrückungsleistung" zugekommen sei und er diese monatliche Überbrückungsleistung unrechtmäßig nicht stets in voller Höhe erhalten habe. Das Begehren auf Bezahlung der ungerechtfertigt in Abzug gebrachten Überbrückungsleistung stelle einen Anspruch aus der Betriebsvereinbarung dar und es handle sich hiebei um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit iSd §72 Post-Betriebsverfassungsgesetz (im Folgenden: PBVG) iVm §97 Abs1 Z4 Arbeitsverfassungsgesetz (im Folgenden: ArbVG). Aus dem bloßen Umstand des Vorliegens einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit nach dem PBVG allein ergebe sich infolge der besonderen Konstruktion dieses Gesetzes nicht schon die Zulässigkeit des Rechtsweges. Der Oberste Gerichtshof habe jedoch in seiner Entscheidung vom 24. Juni 2016, 9 ObA 52/16m, diesbezüglich ausgeführt, die Unzulässigkeit des Rechtsweges ergebe sich daraus, dass die Gewährung der Überbrückungsleistung ausdrücklich als Übergangsmodell für Beamte vorgesehen und damit untrennbar mit der dienstlichen Stellung von Mitarbeitern als Beamte verbunden sei. Es sei auch kein Raum für eine privatautonome Gestaltung der Überbrückungsleistung zwischen den Vereinbarenden vorgesehen. Die Überbrückungsleistung könne daher nicht abgekoppelt von der Beamtenstellung des Klägers beurteilt werden. Aus advokatorischer Vorsicht sei parallel zu dieser Klage auch beim Personalamt Innsbruck ein Antrag auf bescheidmäßige Zuerkennung der Überbrückungsleistung eingebracht worden, wobei auf Grund des Umstandes, dass die Überbrückungsleistung nicht gesetzlich determiniert sei, davon auszugehen sei, dass diese Behörde über Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen nicht absprechen dürfe und daher die Angelegenheit auch nicht durch einen Bescheid erledigt werden könne.

2. Der Klage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2.1. Der am 23. Juni 1954 geborene Kläger stand als Beamter in einem öffent-lich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und befindet sich seit 1. Juli 2016 in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Er war seit 1. Mai 1996 der Österreichischen Post AG gemäß §17 Abs1 und 1a PTSG zur Dienstleistung zugewiesen. Über Antrag des Klägers wurde ihm ua. mit Bescheid des Personalamtes Innsbruck vom 19. Dezember 2012 gemäß §75 iVm §230b BDG 1979 ab 22. Dezember 2012 bis zum Ablauf des Monats, zu dem er frühestens seine Versetzung in den Ruhestand durch Erklärung bewirken könne, ein Karenzurlaub unter Entfall der Bezüge gewährt. Im Bescheid wurde unter "Sonstiges" festgehalten, dass dem Kläger für die Dauer des Karenzurlaubes bis zum frühestmöglichen Pensionsantritt entsprechend Punkt X. und XI. des Sozialplanes BV 11–12 (Betriebsvereinbarung gemäß §72 PBVG i.V.m. §97 Abs1 Z4 ArbVG betreffend Maßnahmen zur Milderung der Konsequenzen von Restrukturierungsmaßnahmen [Sozialplan BV 2011/2012]; im Folgenden: Sozialplan BV 2011/2012) eine monatliche Überbrückungshilfe laut Beilage "Infoblatt Übergangsmodell" angewiesen werde.

2.2. Auf Nachfrage wurde dem Kläger mit E-Mail vom 30. Jänner 2013 von einem Mitarbeiter des Personalamtes Innsbruck mitgeteilt, dass "[w]ie besprochen […] einer Nebenbeschäftigung bei einem Postpartner nichts im Wege [stehe]." Der Kläger verrichtete in der Folge Arbeitseinsätze bei Postpartnern und meldete diese auch.

2.3. Mit Weisung vom 30. Juli 2014 wurde dem Kläger die Ausübung der gemeldeten Nebenbeschäftigung bei Postpartnern mit sofortiger Wirkung untersagt. Nach der Remonstration des Klägers wurde die ursprüngliche Weisung nicht mehr schriftlich wiederholt. Dem Kläger wurde mit Schreiben vom 3. September 2014 mitgeteilt, dass rückwirkend ab 1. August 2014 für die Dauer der Ausübung der besagten Nebenbeschäftigung eine Kürzung des monatlichen Nettobetrages der Überbrückungszahlung in Höhe von 10 % vorgenommen werde. Die Auszahlung der monatlichen Überbrückungsleistung erfolgte von August 2014 bis Juni 2016 (Ruhestandsversetzung des Klägers) in gekürztem Umfang.

3. Die beklagte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Zurückweisung (in eventu: die Abweisung) der Klage beantragt und dem geltend gemachten Anspruch entgegengetreten wird. Zur Zulässigkeit der Klage wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Festgehalten wird, dass es sich bei der Überbrückungszahlung um eine auf Basis der Sozialplan BV erbrachte privatrechtliche Leistung der Österreichischen Post AG handelt. Die Überbrückungszahlung wurde daher auch nicht bescheidmäßig zuerkannt. Dementsprechend wurde im Karenzierungsbescheid von 19.12.2012 nicht im Spruch, sondern unter 'Sonstiges' auf die privatrechtliche Leistung der Überbrückungszahlung hingewiesen. Eine bescheidmäßige Absprache betreffend die Gebührlichkeit der Überbrückungszahlung ist rechtlich nicht möglich.

[…]

[…] Abschließend vertritt die hier beklagte Partei die Ansicht, dass es sich bei den streitgegenständlichen Forderungen inhaltlich tatsächlich um zivilrechtliche Ansprüche gegen die strikt von der beklagten Partei zu unterscheidende juristische Person Österreichische Post AG handelt. Die vom OGH geäußerte Rechtsansicht ist nicht zwingend, weil die Leistungen nicht vom Arbeitgeber (Republik Österreich/Bund), sondern von 'dritter' Seite, nämlich der Österreichischen Post AG, in Aussicht gestellt wurden (ähnlich OGH 28.06.2011, 9 ObA 38/11w)."

4. Die klagende Partei erstattete eine Replik, in der sie ua. den von der beklagten Partei in der Gegenschrift vorgebrachten Argumenten hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage mit dem Einwand entgegentritt, dass der Anspruch auf Auszahlung der strittigen Bezüge öffentlich-rechtlicher Natur sei, über den nicht im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden sei. Der Kläger habe sich in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis befunden und sei der Österreichischen Post AG lediglich zur Dienstleistung zugewiesen gewesen. Die Österreichische Post AG sei als ausgegliederter Rechtsträger jedenfalls der beklagten Partei zuzuordnen. Die beklagte Partei sei an der Ausarbeitung des Sozialplanes BV 2011/2012 beteiligt gewesen und könne sich nicht damit rechtfertigen, dass Leistungen von dritter Seite, nämlich der Österreichischen Post AG, in Aussicht gestellt worden seien. Die klagsweise Geltendmachung der Ansprüche gegen die beklagte Partei gemäß Art137 B‑VG sei daher jedenfalls zulässig und gerechtfertigt.

II. Rechtslage

1. Die §§17 und 17a des Bundesgesetzes über die Einrichtung und Aufgaben der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft (Poststrukturgesetz – PTSG), BGBl 201/1996, idF BGBl I 147/2015, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"Übernahme der Beamten und der Ruhe- und Versorgungsgenußempfänger

§17. (1) Die bisher bei der Post- und Telegraphenverwaltung beschäftigten aktiven Beamten werden auf die Dauer ihres Dienststandes der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft oder ihrer Rechtsnachfolgerin oder einem der Unternehmen, die durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft hervorgegangen sind und an denen sie oder die Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft direkt oder indirekt einen Anteil von mehr als 25% hält, zur Dienstleistung zugewiesen. Der Anwendungsbereich von Rechtsvorschriften des Bundes in ihrer jeweils geltenden Fassung, die auf Rechtsverhältnisse dieser Beamten abstellen, bleibt mit der Maßgabe unberührt, daß im §24 Abs5 Z2 sowie im ersten Satz des §229 Abs3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 und jeweils im letzten Satz des §105 Abs3 und 6 des Gehaltsgesetzes 1956 die Worte 'im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler', und die Zustimmung des Bundeskanzlers oder des Bundesministers für Finanzen im §15 des Gehaltsgesetzes 1956, im §75 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 und im §68 der Reisegebührenvorschrift 1955 entfallen, soweit damit nicht Belastungen des Bundeshaushaltes verbunden sind.

(1a) Die gemäß Abs1 zugewiesenen Beamten werden, wenn sie überwiegend im Unternehmensbereich

1. der Gebühren Info Service GmbH oder der Österreichischen Post Aktiengesellschaft beschäftigt sind, letzterer,

2. der Telekom Austria Aktiengesellschaft beschäftigt sind, dieser, oder

3. der Österreichischen Postbus Aktiengesellschaft beschäftigt sind, dieser

auf die Dauer ihres Dienststandes zur Dienstleistung zugewiesen. Eine Verwendung der zugewiesenen Beamten bei einer Rechtsnachfolgerin eines dieser Unternehmen oder bei einem Unternehmen, das durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus einer der Gesellschaften hervorgegangenen ist, sowie bei der Gebühren Info Service GmbH ist zulässig.

[…]

Dienstrecht für Beamte

§17a. (1) Für die gemäß §17 Abs1a zugewiesenen Beamten bleibt der Anwendungsbereich von Rechtsvorschriften des Bundes, die auf Rechtsverhältnisse der Beamten abstellen, in ihrer jeweils geltenden Fassung mit den in den folgenden Absätzen enthaltenen Abweichungen unberührt.

[…]"

2. Die §§75 und 230b des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1979 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 – BDG 1979), BGBl 333/1979 idF BGBl I 96/2007 lauten – auszugsweise – wie folgt:

"Karenzurlaub

§75. (1) Dem Beamten kann auf Antrag ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.

[…]

Karenzurlaub

§230b. (1) Die Zeit eines mindestens einjährigen Karenzurlaubes nach §75 ist auf Antrag für zeitabhängige Rechte zu berücksichtigen, wenn dieser

1. zur Begründung eines privatrechtlichen Dienstverhältnisses zu einem Unternehmen gemäß §17 Abs1a PTSG oder zu einem Unternehmen, an dem ein Unternehmen gemäß §17 Abs1a PTSG direkt oder indirekt beteiligt ist, oder

2. überwiegend aus betrieblichen Gründen im Sinne des §17a Abs9 PTSG

gewährt wird. Ein Antrag auf Berücksichtigung des Karenzurlaubes für zeitabhängige Rechte nach Z1 oder 2 kann rechtswirksam nur gleichzeitig mit dem Antrag auf Gewährung des Karenzurlaubes gestellt werden.

 

[…]"

 

3. §§1 und 72 des Bundesgesetzes über die Post-Betriebsverfassung (Post-Betriebsverfassungsgesetz – PBVG), BGBl 326/1996 idF BGBl I 161/1999, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"I. TEIL

KOLLEKTIVE RECHTSGESTALTUNG

Geltungsbereich

§1. (1) Die Bestimmungen des I. Teiles des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1974_22_0/1974_22_0.pdf , gelten auch für Arbeitsverhältnisse aller Art, sofern die Arbeitnehmer

1. bei der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft,

2. bei der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft oder

3. bei Unternehmen, die durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft hervorgegangen sind und an denen die in Z1 und 2 genannten Gesellschaften direkt oder indirekt eine Beteiligung von mehr als 25% halten,

beschäftigt sind.

(2) Die Bestimmungen des 5. Hauptstückes des I. Teiles des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1974_22_0/1974_22_0.pdf , gelten für alle Betriebe und Unternehmen, die den Bestimmungen des II. Teiles dieses Bundesgesetzes unterliegen.

[…]

4. HAUPTSTÜCK

BEFUGNISSE DER ARBEITNEHMERSCHAFT UND ORGANZUSTÄNDIGKEIT

Befugnisse der Arbeitnehmerschaft

§72. (1) Das 3. Hauptstück des II. Teiles mit Ausnahme der §§113 und 114, die Abschnitte 2 und 3 des 1. Hauptstückes des III. Teiles sowie §159 ArbVG finden Anwendung.

[…]"

4. Die im 3. Hauptstück des II. Teiles befindlichen §§97 und 109 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1973 betreffend die Arbeitsverfassung (Arbeitsverfassungsgesetz – ArbVG), BGBl 22/1973, idF BGBl I 101/2010, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"Betriebsvereinbarungen

§97. (1) Betriebsvereinbarungen im Sinne des §29 können in folgenden Angelegenheiten abgeschlossen werden:

[1. - 3. …]

4. Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der Folgen einer Betriebsänderung im Sinne des §109 Abs1 Z1 bis 6, sofern diese wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich bringt;

[…]

Mitwirkung bei Betriebsänderungen

§109. (1) Der Betriebsinhaber ist verpflichtet, den Betriebsrat von geplanten Betriebsänderungen zu einem Zeitpunkt, in einer Weise und in einer inhaltlichen Ausgestaltung zu informieren, die es dem Betriebsrat ermöglichen, die möglichen Auswirkungen der geplanten Maßnahme eingehend zu bewerten und eine Stellungnahme zu der geplanten Maßnahme abzugeben; auf Verlangen des Betriebsrates hat der Betriebsinhaber mit ihm eine Beratung über deren Gestaltung durchzuführen. Als Betriebsänderungen gelten insbesondere

1. die Einschränkung oder Stillegung des ganzen Betriebes oder von Betriebsteilen;

1a. die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, die eine Meldepflicht nach §45a Abs1 Z1 bis 3 Arbeitsmarktförderungsgesetz, http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1969_31_0/1969_31_0.pdf , in der jeweils geltenden Fassung, auslöst,

2. die Verlegung des ganzen Betriebes oder von Betriebsteilen;

3. der Zusammenschluß mit anderen Betrieben;

4. Änderungen des Betriebszwecks, der Betriebsanlagen, der Arbeits- und Betriebsorganisation sowie der Filialorganisation;

5. die Einführung neuer Arbeitsmethoden;

6. die Einführung von Rationalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen von erheblicher Bedeutung;

[…]

(2) Der Betriebsrat kann Vorschläge aus Verhinderung, Beseitigung oder Milderung von für die Arbeitnehmer nachteiligen Folgen von Maßnahmen gemäß Abs1 erstatten; hiebei hat der Betriebsrat auch auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Betriebes Bedacht zu nehmen.

(3) Bringt eine Betriebsänderung im Sinne des Abs1 Z1 bis 6 wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich, so können in Betrieben, in denen dauernd mindestens 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind, Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung dieser Folgen durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. […]"

5. Am 20. Jänner 2011 wurde zwischen dem Zentralausschuss der Bediensteten der Österreichischen Post AG und der Österreichischen Post AG die "Betriebsvereinbarung gemäß §72 PBVG iVm §97 Abs1 Z4 ArbVG betreffend Maßnahmen zur Milderung der Konsequenzen von Restrukturierungsmaßnahmen (Sozialplan BV 2011/2012)" abgeschlossen.

Die Präambel lautet:

"Diese Betriebsvereinbarung gilt

räumlich:

 für ganz Österreich.

persönlich:

 für Angestellte und für Beamt/innen, die von Restrukturierungsmaßnahmen betroffen sind.

zeitlich:

 Diese Betriebsvereinbarung tritt mit 01.01.2011 in Kraft und ersetzt ab diesem Tag die Sozialplan-BV 09-10, verlautbart in den Post-Mitteilungen Nr 06/2009; sie gilt befristet bis 31.12.2012

[…]

Die Österreichische Post AG ist nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen und im Wettbewerb optimal zu positionieren. Zur Erlangung der Wettbewerbsfähigkeit sind Restrukturierungsmaßnahmen, die auch Personalreduktionen umfassen, unumgänglich.

Um dem gesetzlichen Auftrag der kaufmännischen Unternehmensführung möglichst sozial verträglich nachzukommen, wird das Unternehmen den von Restrukturierungsmaßnahmen betroffenen Mitarbeiter/innen finanzielle Unterstützung auf Basis eines Sozialplanes wie folgt gewähren:"

Punkt X. und XI. des Sozialplanes BV 2011/2012 lauten auszugsweise:

"X. Beamt/innen-Übergangsmodell, Überbrückungsleistung für Jahrgang 1953 und älter

Beamt/innen bis Jahrgang 1953 [...], die aufgrund einer beitragsgedeckten Gesamtdienstzeit von 40 Jahren die Voraussetzungen für eine abschlagsfreie Pensionierung gem. §15 i.V.m. §236b BDG i.V.m §5 Abs2b PG erfüllen ('Beamt/innen-Hacklerregelung'), können bei Arbeitsplatzverlustigkeit oder aus anderen berücksichtigungswürdigen Gründen, wenn (gilt für beide Fälle) das Unternehmen dieser Vorgangsweise zugestimmt hat, diese Überbrückungsleistung erhalten.

Diese Beamt/innen erhalten, wenn sie

 einen unwiderruflichen Antrag auf Karenzierung gem. §230b und §75 BDG stellen,

 einer Zuordnung in den Post-Arbeitsmarkt zustimmen,

 gleichzeitig den Antrag gem. §15 BDG auf abschlagsfreie Pensionierung gem. §236b BDG i.V.m. §5 Abs2b PG stellen

 

befristet bis zum Stichtag des Pensionsantrittes eine monatliche Überbrückungsleistung (die wie die Aktivbezüge zur Anweisung gelangt) zzgl. einer Sonderzahlung i.H. von 50% der monatlichen Überbrückungszahlung zu den Sonderzahlungsterminen.

Diese Überbrückungszahlung bemisst sich im Zeitpunkt der Gewährung an der Netto-Höhe einer 'fiktiven Berechnung einer §14 - Pension' (das bedeutet, dass auch allf. Nebengebührenwerte enthalten sind). Die Netto-Höhe der Überbrückungsleistung ist also gleich hoch wie der Netto-Betrag der 'fiktiven Pension nach §14' zum Stichtag. Lohnsteuerliche 'Sondereffekte' (wie z.B. Alleinverdienerabsetzbetrag, Kinderabsetzbetrag, Freibetragsbescheid oder ähnliches) bleiben im Rahmen der Bemessung unberücksichtigt.

[…]

Für die Zeit der Karenzierung ist §56 BDG (Nebenbeschäftigung) anzuwenden. Bei Verstoß gegen §56 Abs[.] 2 BDG u. §17a Abs10 PTSG entfällt die Überbrückungsleistung. Gleiches gilt für den Verstoß gegen die Meldepflicht trotz Ermahnung und Nachfristsetzung.

[…]

XI. Beamt/innen-Übergangsmodell, Überbrückungsleistung für Jahrgang 1954/1955

Für BeamtInnen der Geburtsjahrgänge 1954 und 1955 gilt Punkt X. sinngemäß mit der Maßgabe, dass die Dauer der Karenzierung (= frühest durch Erklärung möglicher Pensionszeitpunkt, allenfalls unter Inkaufnahme der gesetzlich vorgesehenen Abschläge), maximal 2 Jahre und 6 Monate betragen kann.

[…]"

6. Am 30. November 2012 wurde von den Vertragspartnern der zeitliche Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung Sozialplan BV 2011/2012 bis 31. Dezember 2014 verlängert. Am 26. Februar 2014 einigten sich die Vertragspartner ua. auf die unbefristete Geltung der Betriebsvereinbarung Sozialplan BV 2011/2012.

7. Die §§50 und 51 des Bundesgesetzes vom 7. März 1985 über die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit (Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz – ASGG), BGBl 104/1985, idF BGBl I 44/2016, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"Gegenstand der Arbeitsrechtssachen

§50. (1) […]

(2) Ferner sind Arbeitsrechtssachen Streitigkeiten über Rechte oder Rechtsverhältnisse, die sich aus dem II., V., VI., VII. oder VIII. Teil des ArbVG (betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten), oder aus gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften ergeben.

Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbegriff

§51. (1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes sind alle Personen, die zueinander in einem privat- oder öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis, in einem Lehr- oder sonstigen Ausbildungsverhältnis stehen oder gestanden sind.

[…]"

III. Erwägungen zur Zulässigkeit des Antrags

1. Gemäß Art137 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Es handelt sich um eine subsidiäre Zuständigkeit, die nur dann gegeben ist, wenn über den umstrittenen vermögensrechtlichen Anspruch weder ein Gericht noch eine Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat.

2. Ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband ist jedenfalls dann in einer die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art137 B‑VG ausschließenden Weise im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, wenn sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch aus §1 JN herleiten lässt (VfSlg 3076/1956). Für die Zuordnung eines Rechtsanspruchs zu den "bürgerlichen Rechtssachen" und die daraus folgende Zuständigkeit der Zivilgerichte gemäß §1 JN ist maßgeblich, ob die Rechtsordnung die betreffenden Rechtsverhältnisse einem privatrechtlichen oder einem öffentlich-rechtlichen Regime unterworfen hat und welcher rechtlichen Handlungsformen sich eine Gebietskörperschaft, die eine vermögensrechtliche Leistung abgelehnt hat und deswegen nun in Anspruch genommen wird, bedient (vgl. VfSlg Anhang 4 und 7/1956, 3262/1957, 12.049/1989, 16.107/2001, 19.354/2011, 19.974/2015).

3. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Beträge, die ungerechtfertigt von seiner Überbrückungsleistung aus der Betriebsvereinbarung abgezogen worden seien, da er in der Vergangenheit erfolglos versucht habe, diese auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.

4. Es ist kein bescheidmäßiger Abspruch über die dem Kläger zugekommenen Überbrückungsleistungen erfolgt, sondern wurde der Kläger lediglich im Bescheid des Personalamtes Innsbruck vom 19. Dezember 2012 unter der Überschrift "Sonstiges" darüber informiert, dass ihm (von der Österreichischen Post AG) eine monatliche Überbrückungshilfe für die Dauer des Karenzurlaubes angewiesen werde.

5. Der Oberste Gerichtshof hat in der den Kläger betreffenden Entscheidung vom 24. Juni 2016, 9 ObA 52/16m, zur Zulässigkeit des Rechtsweges Folgendes ausgeführt:

"Der Oberste Gerichtshof hat in vergleichbaren Fällen bereits ausgesprochen, dass nicht nur besoldungsrechtliche Ansprüche solche sind, die auf der öffentlich-rechtlichen Stellung des Beamten zu seinem Dienstgeber beruhen und für die die Durchsetzung auf dem Rechtsweg unzulässig ist (s die Verweise in http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=9ObA151/14t&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True ). Maßgeblich ist im Ergebnis daher nicht, dass sich zwei Privatrechtssubjekte gegenüberstehen, sondern das Wesen des erhobenen Anspruchs (instruktiv http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=9ObA137/09a&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , 138/09y).

[…] Im gegenständlichen Fall leitet der Kläger den Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des Überbrückungsgeldes aus der Betriebsvereinbarung (Sozialplan) ab, die die Beklagte mit dem Zentralausschuss der Bediensteten der Beklagten abgeschlossen hat. […] Da er hinsichtlich der auf das Überbrückungsgeld bezogenen Begehren sohin einen Anspruch aus der Betriebsvereinbarung geltend macht, handelt es sich hier um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit iSd §72 PBVG iVm §97 Abs1 Z4 ArbVG.

[…] Für die Zulässigkeit des Rechtswegs einer solchen Streitigkeit ist auf die Entscheidung http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=9ObA4/12x&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True zu verweisen (s auch http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=9ObA151/14t&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True ). Darin wurde mit Bezug auf die Entscheidung http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=8ObA77/03m&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True ausgeführt, dass das PBVG gemäß seinem §1 Abs1 für Arbeitsverhältnisse (aller Art) gilt, daher auch für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse der Beamten. Durch §1 PBVG wird der Anwendungsbereich auch für die kollektive Rechtsgestaltung durch Betriebsvereinbarung nicht auf privatrechtliche Verträge eingeschränkt, sondern erfasst auch öffentlich-rechtliche Beamtendienstverhältnisse. Der Arbeitnehmerbegriff des PBVG umfasst öffentlich-rechtliche wie privatrechtliche Arbeitsverhältnisse. Aus dem bloßen Umstand des Vorliegens einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit nach dem PBVG allein ergibt sich daher infolge der besonderen Konstruktion dieses Gesetzes nicht schon die Zulässigkeit des Rechtswegs.

[…] Das ist auch hier nicht der Fall. Vielmehr ist die Gewährung der Überbrückungsleistung gemäß Punkt X. und XI. der Betriebsvereinbarung ausdrücklich als Übergangsmodell für Beamt/innen vorgesehen und damit untrennbar mit der dienstlichen Stellung von Mitarbeiter/innen als Beamt/innen verbunden. Es ist auch kein Raum für eine privatautonome Gestaltung der Überbrückungsleistung durch die Streitteile vorgesehen. Die Überbrückungsleistung kann daher von der Beamtenstellung des Klägers nicht abgekoppelt beurteilt werden. Aus der Bestimmung lässt sich folglich auch keine Aufteilung der Überprüfungsbefugnis zwischen Verwaltungsbehörden und den ordentlichen Gerichten ableiten. Der erforderliche Rechtsschutz der Beamt/innen bei Kürzung des Überbrückungsgeldes ist danach im Verwaltungsweg zu gewährleisten […]."

6. Entgegen der Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist über den geltend gemachten Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des Überbrückungsgeldes aus der Betriebsvereinbarung nicht im Verwaltungsweg abzusprechen, weil der Anspruch nicht auf der öffentlich-rechtlichen Stellung des Beamten zu seinem Dienstgeber beruht und der Kläger keine Ansprüche nach dem BDG 1979 oder GehG 1956 geltend macht. Vielmehr leitet sich der Anspruch des Klägers auf ungekürzte Auszahlung des Überbrückungsgeldes aus der Betriebsvereinbarung Sozialplan BV 2011/2012 ab.

6.1. In der Literatur herrschen unterschiedliche Rechtsmeinungen, ob die in einem ausgegliederten Unternehmen bestehenden Betriebsvereinbarungen auch für die dienstzugewiesenen Beamten gelten (gegen eine Anwendung sprechen sich zB Alvarado-Dupuy, Betriebliche Interessenvertretung in ausgegliederten Einrichtungen, in: Kropf [Hrsg.], Ausgliederungen aus dem öffentlichen Bereich, 2001, 129; Kühteubl, Ausgliederung, 2006, 175 ff.; Schrammel, Das Sonderarbeitsrecht der Gebietskörperschaften auf dem Prüfstand, ZAS 1988, 187 [191], aus; dafür sind zB Brodil, [Freie] Betriebsvereinbarung und Betriebsübung für [ausgegliederte] Beamte, DRdA 2008, 175; Marhold, Privatisierungsprobleme im Arbeitsrecht und Sozialrecht, in: Achatz/Isak/Marhold [Hrsg.], Privatisierung im Europarecht, Steuerrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht, 1999, 61 [80 f.]; Mazal, Personalbereitstellung und Betriebsverfassung, RdW 1987, 375; Jabornegg, Ausgliederung und Betriebsverfassungsrecht, in: Brodil [Hrsg.], Ausgliederungen, 2009, 43 [53 ff.]; vgl. auch den Überblick über den Meinungsstand bei Kietaibl/Winter/Wolf, Zur Geltung von Betriebsvereinbarungen für Beamte, ecolex 2012, 1002 [1003]). In Fällen einer sondergesetzlichen Geltungsbereichserstreckung auf öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse sind aber Betriebsvereinbarungen auf dienstzugewiesene Beamte jedenfalls anwendbar (vgl. Kietaibl/Winter/Wolf, aaO, 1004; zustimmend Zankel, Zulässiger Inhalt von Sozialplänen für Beamte in ausgegliederten Betrieben, ASoK 2014, 215 [216]). §1 Abs1 Z2 PBVG bestimmt für Arbeitnehmer bei der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft, dass der I. Teil des ArbVG für "Arbeitsverhältnisse aller Art" gilt; durch diese bewusste Anordnung des Geltungsbereiches – ohne Einschränkung auf privatrechtliche Dienstverhältnisse – können jedenfalls auch öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse im Anwendungsbereich des PBVG von Regelungen in Betriebsvereinbarungen erfasst sein.

6.2. Auch in der Judikatur haben sowohl der Oberste Gerichtshof als auch der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass durch §1 PBVG der Anwendungsbereich für die kollektive Rechtsgestaltung durch Betriebsvereinbarung nicht auf privatrechtliche Verträge eingeschränkt werde, sondern auch öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse erfasse. Entsprechend §72 Abs1 PBVG iVm §§97 und 109 ArbVG können auch Beamte, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, von Regelungen durch Betriebsvereinbarungen (bzw. Sozialpläne) erfasst sein (vgl. OGH 29.3.2004, 8 ObA 77/03m; 27.2.2012, 9 ObA 4/12x; VwSlg. 16.891 A/2006; VwGH 20.12.2006, 2006/12/0183).

Der Arbeitnehmerbegriff des PBVG umfasst daher öffentlich-rechtliche wie privatrechtliche Arbeitsverhältnisse. Auf Grund der besonderen Konstruktion des PBVG ergibt sich aus dem bloßen Umstand des Vorliegens einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit nach dem PBVG nicht schon die Zulässigkeit des Zivilrechtsweges. Vielmehr kommt es in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. OGH 11.5.2010, 9 ObA 137/09a, sowie die vorliegende Rechtssache betreffend OGH 24.6.2016, 9 ObA 52/16m) auf das Wesen des erhobenen Anspruches an.

6.3. Konkret leitet der Kläger als Beamter seinen Anspruch auf ungekürzte Auszahlung der Überbrückungsleistung aus Punkt X. iVm Punkt XI. der Betriebsvereinbarung ab. Rechtstechnisch erfolgt die Inanspruchnahme des Überbrückungsmodells bei Beamten durch eine Karenzierung gemäß §75 BDG 1979, wobei für Beamte, die nach dem PTSG dienstzugewiesen sind, in §230b BDG 1979 Sonderbestimmungen für die Berücksichtigung des Karenzurlaubes für zeitabhängige Rechte vorgesehen sind. Während der Zeit eines Karenzurlaubes (wie auch bei sonstigen Urlauben sowie bei Dienstbefreiungen) ruhen jene Dienstpflichten, die unmittelbar mit der Besorgung von "dienstlichen Aufgaben" in Zusammenhang stehen (wie zB die sich aus §43 Abs1 und Abs3 BDG 1979 und den §§48 bis 51 BDG 1979 ergebenden Dienstpflichten; vgl. VwGH 15.2.2013, 2013/09/0001 mwN). In der Zeit einer Karenzierung entfallen die Bezüge gemäß §75 BDG 1979. Im vorliegenden Fall hat sich der ausgegliederte Rechtsträger, die Österreichische Post AG, zur Bezahlung der im Sozialplan zugesagten Leistung während der Karenzierung verpflichtet (vgl. dazu Zankel, aaO, 216). Die dem Kläger gekürzte Überbrückungsleistung hat daher ihre ausschließliche Grundlage im Sozialplan der Betriebsvereinbarung.

6.4. Da die Betriebsvereinbarung Sozialplan BV 2011/2012 – wie bereits der Präambel zu entnehmen ist – sowohl auf privatrechtliche als auch öffentlich‑rechtliche Dienstverhältnisse anwendbar ist – wird in Punkt XI. iVm Punkt X. der Betriebsvereinbarung lediglich an das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis angeknüpft. Bei der Überbrückungsleistung selbst handelt es sich aber um eine auf Grund einer im Privatrecht wurzelnden Verpflichtung erbrachten Leistung aus einer zwischen der Österreichischen Post AG und dem Zentralausschuss der Bediensteten der Österreichischen Post AG abgeschlossenen Vereinbarung gemäß §72 PBVG iVm §§97 Abs1 Z4 und 109 ArbVG.

6.5. Gemäß §50 Abs2 ASGG sind Arbeitsrechtssachen auch Streitigkeiten über Rechte oder Rechtsverhältnisse, die sich aus dem II., V., VI., VII. oder VIII. Teil des ArbVG (betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten), oder aus gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften ergeben. Die Bestimmungen des PBVG werden als solche gleichartige Regelungen angesehen (vgl. Neumayr in: Neumayr/Reissner [Hrsg.], Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht2, 2011, §50 ASGG Rz 26). Auch §51 Abs1 ASGG definiert als Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinne des Bundesgesetzes "alle Personen, die zueinander in einem privat- oder öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis, in einem Lehr- oder sonstigen Ausbildungsverhältnis stehen oder gestanden sind". Die Erwähnung des öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses steht im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Geldendmachung zivilrechtlicher Ansprüche von und gegen öffentlich-rechtliche Bedienstete (vgl. Neumayr, aaO, §51 ASGG Rz 4). In der Entscheidung vom 29. März 2004, 8 ObA 77/03m, hat der Oberste Gerichtshof selbst die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit zur Klärung der Frage, ob und in welcher Höhe dem Beamten auf Grund einer im Rahmen einer solchen Betriebsvereinbarung geschlossenen Vereinbarung ein Zahlungsanspruch zusteht, in Anspruch genommen (vgl. auch VwSlg. 16.891 A/2006; VwGH 20.12.2006, 2006/12/0183; 5.9.2008, 2005/12/0068).

6.6. Wenngleich eingewendet werden könnte, dass der Kläger seinen Antrag auf Gewährung eines Karenzurlaubes unter Entfall der Bezüge nicht gestellt hätte, wenn ihm von der Österreichischen Post AG kein Ausgleich seines Gehaltes zugesichert worden wäre, ist die Bezahlung des Überbrückungsgeldes aus der Betriebsvereinbarung durch den ausgegliederten Rechtsträger von seinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund getrennt zu betrachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Wesenskern des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses darin gelegen, dass Personen in einem grundsätzlich lebenslangen Dienstverhältnis in Bindung an das Gesetz tätig werden und bezugsrechtliche Ansprüche nur nach besoldungsrechtlichen Vorschriften (Gesetz, Verordnung) geltend gemacht werden können. Einen derartigen bezugsrechtlichen Anspruch nach dem BDG 1979 oder GehG 1956 oder einer sonstigen gesetzlichen Vorschrift auf Grund seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht. Vielmehr beantragte der Kläger den Entfall seiner Bezüge für die Dauer des Karenzurlaubes unter gleichzeitiger Ruhestellung seiner Dienstpflichten, die unmittelbar mit der Besorgung von dienstlichen Aufgaben in Zusammenhang stehen. Auch Betriebsvereinbarungen nach dem PBVG sind nicht geeignet, öffentlich-rechtliche Ansprüche gegenüber dem Bund wirksam zu gestalten (vgl. VwGH 5.9.2008, 2005/12/0068 mwN); sie sind vielmehr privatrechtlicher Natur.

6.7. Es handelt sich bei dem Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des Überbrückungsgeldes aus Punkt X. und XI. der Betriebsvereinbarung um "bürgerliche Rechtssachen" iSd §1 JN; öffentlich-rechtliche Ansprüche, die vor dem Verfassungsgerichtshof zu entscheiden wären, können daraus nicht abgeleitet werden (VfSlg 3528/1959, 5608/1967). Daran ändert auch nichts, dass der Oberste Gerichtshof die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges bereits zurückgewiesen hat (vgl. die Möglichkeit der Antragstellung zur Lösung eines Kompetenzkonfliktes gemäß Art138 Abs1 Z2 B‑VG).

IV. Ergebnis

1. Die Klage ist daher zurückzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung gründet auf §41 VfGG, wonach dem unterliegenden Teil (im Verfahren nach Art137 B‑VG) auf Antrag der Ersatz der Prozesskosten auferlegt werden kann. Die der beklagten Partei für die Erstattung der Gegenschrift zustehenden Kosten waren nach Tarifpost 3C des Rechtsanwaltstarifgesetzes auszumessen (vgl. VfSlg 12.020/1989; 19.497/2011; VfGH 10.12.2015, A11/2015). In den Kosten ist antragsgemäß 60 % Einheitssatz enthalten. Nach Lage des Falles besteht kein Zweifel daran, dass es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof die Finanzprokuratur mit der Vertretung des Bundes zu betrauen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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