OGH 9ObA99/03d

OGH9ObA99/03d11.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Jörg Krainhöfner und Günther Degold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter M*****, Angestellter, *****, vertreten durch Burgstaller & Preyer Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Brauneis, Klauser & Prändl Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Mai 2003, GZ 10 Ra 39/03h-66, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. September 2002, GZ 13 Cga 27/99f-62, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zur Frage des Bezugsrahmens zur Beurteilung der Eigenschaft als leitender Angestellter iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG von ins Ausland zu einem anderen Konzernunternehmen entsendeten Mitarbeitern noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege. Eine im vorliegenden Fall zu lösende erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird damit vom Berufungsgericht allerdings nicht aufgezeigt. Die Parteien gehen in ihren Rechtsmittelschriften nicht auf die Frage der Zulässigkeit der Revision ein. Das Revisionsgericht ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Der vorliegende Fall kann durchaus mit Hilfe der bereits vorhandenen Rechtsprechung gelöst werden. Diese ist weder uneinheitlich, noch ist das Berufungsgericht davon abgewichen (§ 502 Abs 1 ZPO). Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

Nach den Feststellungen ist zusammengefasst davon auszugehen, dass der Kläger seit 1977 bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, der D***** AG, Personalchef von bis zu 1.200 Mitarbeitern war und auch dem sog. "Country Management Team" angehörte. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war Teil eines internationalen Konzerns. Mit Entsendungsvereinbarung vom 18. 7. 1997 wurde der Kläger ab 1. 8. 1997 vorübergehend für einen Zeitraum von drei Jahren in die damalige Konzernzentrale nach Genf entsendet und bekleidete die Position des Personalchefs der D***** Corporation International (Europa). Im Zuge der "Übernahme" von D***** durch C***** im Jahr 1998 wurde der Kläger von der Rechtsvorgängerin der Beklagten per 1. 1. 1999 vorzeitig wieder nach Österreich rückbeordert, mit diesem Tag aber sogleich vom Dienst suspendiert. Die ehemalige Position des Klägers als Personalchef der Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde mit einer anderen Person besetzt. Mangels Einigung über eine einvernehmliche Auflösung wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 31. 1. 1999 zum 30. 6. 1999 gekündigt.

Leitende Angestellte iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG sind von der Geltung des II. Teils des ArbVG ausgeschlossen (§ 36 Abs 1 ArbVG). Ob der Kläger daher überhaupt zur Anfechtung der gegenständlichen Kündigung nach § 105 ArbVG legitimiert ist, hängt davon ab, ob er leitender Angestellter iSd ArbVG war oder nicht. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung sind als leitende Angestellte Personen anzusehen, denen maßgebender Einfluss auf die Führung des Betriebes zusteht. Den Erläuternden Bemerkungen zur RV 840 BlgNR XIII. GP 70 ist zu entnehmen, dass der Grund für die im § 36 Abs 2 ArbVG normierten Ausnahmen vom persönlichen Geltungsbereich der Betriebsverfassung die gegenüber den übrigen Arbeitnehmern erheblich abweichende Interessenlage dieser Personengruppe ist. Als leitender Angestellter im Sinne dieser Gesetzesstelle ist daher vor allem ein Arbeitnehmer anzusehen, der durch seine Position an der Seite des Arbeitgebers und durch Ausübung von Arbeitgeberfunktionen in einen Interessengegensatz zu anderen Arbeitnehmern geraten kann (9 ObA 255/92 = DRdA 1993/49 [Grillberger]; 9 ObA 93/94 = DRdA 1994/43 [Beck-Mannagetta]; 9 ObA 109/98i; RIS-Justiz RS0051002 ua). Bei den Arbeitgeberfunktionen, die die Unterstellung unter den Begriff des leitenden Angestellten rechtfertigen können, steht der Einfluss auf die Eingehung und Auflösung von Arbeitsverhältnissen im Vordergrund. Völlige Weisungsfreiheit ist hingegen nicht erforderlich und kann mit Rücksicht auf die aus der Sicht des Arbeitsvertragsrechtes gegebene Arbeitnehmereigenschaft auch des leitenden Angestellten nicht verlangt werden (RIS-Justiz RS0050979, RS0051284 ua). Ob die vorhandenen Kriterien ausreichen, um von einem leitenden Angestellten iSd ArbVG sprechen zu können, hängt aber letztlich immer von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab und begründet daher - sofern keine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes vorliegt - keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Das Berufungsgericht legte die ständige Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Annahme eines leitenden Angestellten iSd ArbVG ausführlich dar und gelangte auf Grund der vom Erstgericht hinsichtlich des Klägers im Detail festgestellten Kriterien und Aufgaben zur rechtlichen Beurteilung, dass er seit 1977 leitender Angestellter der Rechtsvorgängerin der Beklagten iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG war. Von einer unvertretbaren Beurteilung kann in diesem Zusammenhang ebenso wenig die Rede sein, wie vom Versuch, durch "semantische Analysen [...] ein nicht leugbares Faktum möglichst zu verschleiern". Probleme ergeben sich hier nur daraus, dass der Kläger im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung nicht als Personalchef der Rechtsvorgängerin der Beklagten tätig war, sondern gerade von einer vorübergehenden Konzernentsendung zurückbeordert und sofort suspendiert worden war. Diese Umstände stehen jedoch einer Qualifikation des Klägers als leitender Angestellter nicht entgegen.

Wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre wiederholt ausgesprochen hat, können die Parteien des Arbeitsvertrages mit Aussetzungsvertrag das vorübergehende Ruhen der beiderseitigen Hauptpflichten vereinbaren. Das Arbeitsverhältnis wird dabei nicht beendet, sondern lediglich "ruhend gestellt" (9 ObA 76/89 mwN ua). Geht man von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, dann wurde das seit 1977 bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten aus Anlass seiner vorübergehenden "Konzernentsendung" per 1. 8. 1997 im vorgenannten Sinn ruhend gestellt, was einer Aussetzung (Karenzierung) des Arbeitsverhältnisses ohne Beendigungswirkung entsprach (vgl 9 ObA 231/01p; Kreil, Arbeitsverhältnisse im Konzern 113 FN 185). Es entsprach dies auch der üblichen Handhabung bei bloß vorübergehenden Entsendungen (vgl Kreil aaO 77, 110; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG20 § 5 Rz 63; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern 275 ua).

Während der Entsendung erbrachte der Kläger Arbeitsleistungen an die D***** Corporation International (Europa) und bezog auch von dieser sein Gehalt. Die nähere rechtliche Ausgestaltung dieses Rechtsverhältnisses kann hier jedoch auf sich beruhen; Gegenstand des Verfahrens ist nämlich ausschließlich die Anfechtung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Eine wesentliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt insoweit entgegen der Annahme des Revisionswerbers nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO), insbesondere auch keine erhebliche Rechtsfrage des formellen Rechts iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Hinsichtlich dieses Arbeitsverhältnisses gehen beide Parteien vom Fortbestehen über die Entsendung hinaus aus (vgl RIS-Justiz RS0028743 ua); andernfalls gäbe es auch gar keine Grundlage für die Rückbeorderung, Suspendierung und Kündigung des Klägers durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten. Fortbestand hatte aber nicht nur das Arbeitsverhältnis als rechtliches Band zwischen den Parteien; fortbestanden hat auch das "Beschäftigungsverhältnis" iSd § 36 Abs 1 ArbVG. Wie der Oberste Gerichtshof gestützt auf Strasser (in Floretta/Strasser, KommArbVG 219) bereits ausgesprochen hat, ist das Beschäftigungsverhältnis im Sinne dieser Bestimmung - und damit die Voraussetzung der Arbeitnehmereigenschaft - nicht von der tatsächlichen Tätigkeit abhängig, sondern liegt auch dann vor, wenn diese Tätigkeit vorübergehend infolge Abwesenheit wegen Karenzurlaubes, Ableistung des Präsenzdienstes etc unterbrochen ist (9 ObA 76/89); dies kann auch für andere Arten der Karenzierung gelten. Das "Beschäftigungungsverhältnis" währt solange, als das die Beschäftigung begründende Arbeitsverhältnis andauert (Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 36 Rz 6 mwN). Ein Grund, dies nur für die Arbeitnehmereigenschaft iSd § 36 Abs 1 ArbVG, nicht aber für die Eigenschaft als leitender Angestellter iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG anzunehmen, ist nicht ersichtlich. Was im Übrigen noch als "vorübergehend" anzusehen ist, hängt wiederum von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. In der rechtlichen Qualifikation der befristeten, letztlich rund 17 Monate währenden Entsendung des Klägers als "vorübergehend" kann jedenfalls keine unvertretbare Beurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden, die eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen könnte.

Wird ein Arbeitsvertrag für die Dauer der Entsendung ruhend gestellt, so lebt er bei der Beendigung der Entsendung von selbst wieder auf (vgl Kreil aaO 113; Fitting/Kaiser/Heither/Engels aaO § 5 Rz 63; Windbichler aaO 275 ua). Dies versteht sich auf Grund des Wegfalls des Zwecks ohnehin von selbst, wurde der Vertrag doch nach dem Willen der Parteien überhaupt nur wegen der Entsendung ruhend gestellt. An der Stellung als leitender Angestellter ändert sich durch die vorübergehende Entsendung ebenfalls nichts, solange nicht die Parteien des Arbeitsvertrages etwas anderes vereinbaren, was hier nicht der Fall war.

Geht man davon aus, dass der Kläger einen arbeitsvertraglichen Anspruch hatte, seine Arbeitsleistungen als Personalchef zu erbringen, bewirkte die Suspendierung - wie schon die vorhergehende Entsendung - nur eine Ruhendstellung seiner Arbeitspflicht, konnte aber ebenfalls nicht die Wirkung haben, sein Arbeitsverhältnis als leitender Angestellter iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG einseitig in ein "einfaches" nach § 36 Abs 1 ArbVG umzugestalten (Runggaldier/Schima aaO 194).

Dem in der Revision erhobenen Einwand, es komme auf die Arbeitnehmereigenschaft im Zeitpunkt der Entlassung an, zu diesem Zeitpunkt sei aber der Kläger nicht mehr Personalchef gewesen, ist entgegenzuhalten, dass sein Arbeitsvertrag keine diesbezügliche Änderung erfuhr. Der Kläger war daher weiterhin Personalchef. Eine andere Beurteilung dieses Arbeitsverhältnisses wäre unter Umständen dann gerechtfertigt, wenn der Kläger nach der Rückbeorderung als "einfacher" Angestellter weitergearbeitet hätte. Eine solche Arbeitsleistung wurde aber von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die die Kündigung des Klägers auf den alten Arbeitsvertrag stützte, nicht in Anspruch genommen. Da der Kläger sohin auch als suspendierter Personalchef nicht Arbeitnehmer im Sinne des § 36 Abs 1 ArbVG wurde, sondern leitender Angestellter iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG blieb, kommt ihm der Kündigungsschutz des § 105 ArbVG nicht zu (9 ObA 208/88, zust Runggaldier/Schima aaO 193). Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war daher die zugelassene Revision als unzulässig zurückzuweisen.

Kosten der Revisionsbeantwortung waren nicht zuzusprechen, weil die Revisionsgegnerin auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat. Ihre Revisionsbeantwortung konnte demnach nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig angesehen werden (RIS-Justiz RS0035962).

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