Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 437,14 (darin EUR 72,86 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 266,68 (darin EUR 44,44 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 14. 5. 1998 bis 25. 3. 2002 bei der Beklagten als Reinigungskraft beschäftigt, zunächst geringfügig, ab 1. 1. 2000 jeweils von Montag bis Freitag mit 22 Wochenstunden. Es gab keine Vereinbarung, die es der Beklagten erlaubt hätte, die Arbeitszeit der Klägerin einseitig zu ändern. Der Dienstzettel der Klägerin wies als Dienstort "Graz" aus. Die Klägerin war auch während aufrechten Arbeitsverhältnisses ausschließlich in Graz tätig, und zwar in den Objekten zweier Vertragspartner der Beklagen.
Die Klägerin befand sich vom 12. 2. bis 8. 3. 2002 im Krankenstand. Währenddessen wurden die Vertragsverhältnisse zwischen der Beklagten und den beiden Kunden, bei denen die Klägerin tätig war, per 28. 2. 2002 beendet. Die Beklagte beabsichtigte deshalb, die Klägerin ab 1. 3. 2002 bis auf weiteres nur mehr geringfügig zu beschäftigen und dementsprechend auch die Entlohnung der Klägerin zu reduzieren. Bei einem Telefonat während des Krankenstandes eröffnete die zuständige Objektleiterin der Beklagten der Klägerin, dass sie - bis man wieder mehr Arbeit für sie finde - nur mehr drei bzw später vier Stunden samstags in einem Architekturbüro in Graz arbeiten müsse, wobei aber auch die Entlohnung nur mehr für vier Stunden erfolgen würde. Dies lehnte die Klägerin nach Einholung von Rechtsberatung ab, erklärte jedoch ihre Arbeitsbereitschaft zu den vereinbarten 22 Wochenstunden wie bisher. Die Beklagte erwiderte, dass die Klägerin ab 1. 3. 2002 nur mehr geringfügig beschäftigt sei, da die Beklagte derzeit nicht mehr Beschäftigung für sie habe; falls die Klägerin mehr Wochenstunden arbeiten wolle, müsse sie in einem neuen Projekt in Preding arbeiten. Im Übrigen hätte die Klägerin bereits an den vorherigen Samstagen am 9. und 16. 3. 2002 im Architekturbüro arbeiten müssen; sie werde deshalb unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen aufgefordert, am kommenden Samstag, dem 23. 3. 2002, ihrer Reinigungstätigkeit im Architekturbüro nachzugehen. Da die Klägerin dieser Aufforderung zur Arbeitsaufnahme am 23. 3. 2002 nicht nachkam, sprach die Beklagte mit Schreiben vom 25. 3. 2002 die Entlassung der Klägerin aus.
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage den Betrag von EUR 1.748,32 brutto sA für beendigungsabhängige Ansprüche und bestreitet die Berechtigung der Entlassung. Sie wäre zu den bisherigen Bedingungen arbeitsbereit gewesen.
Die Beklagte stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit und wendete ein, dass die Klägerin zurecht entlassen worden sei, weil sie der Arbeit trotz Ermahnung an den drei Samstagen vom 9., 16. und 23. 3. 2002 ungerechtfertigt ferngeblieben sei und damit beharrlich ihre Pflichten verletzt habe. Sollte die Berechtigung der Entlassung vom Gericht verneint werden, müsse sich die Klägerin jedenfalls ein Mitverschulden anrechnen lassen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung des wiedergegebenen Sachverhaltes vollinhaltlich statt. Bei der von der Beklagten ohne Zustimmung der Klägerin vorgenommenen Reduktion der Wochenarbeitsstunden - bei gleichzeitig beabsichtigter Kürzung auch der Entlohnung - habe es sich um ein einseitiges, unzulässiges Abgehen vom Arbeitsvertrag gehandelt, weshalb die Weigerung der Klägerin, nur mehr zu den von der Beklagten vorgesehenen vier Stunden wöchentlich zu arbeiten, weder als beharrliche Pflichtenverletzung noch als unbefugtes Fernbleiben von der Arbeit qualifiziert werden könne. Die Entlassung sei daher nicht berechtigt. Es liege auch kein Mitverschulden der Klägerin vor.
Das Berufungsgericht gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte es dahin ab, dass es die Beklagte verpflichtete, der Klägerin den halben Klagebetrag von EUR 874,16 brutto sA zu zahlen, wohingegen es das Mehrbegehren von weiteren EUR 874,16 brutto sA abwies. Dabei vertrat es die Rechtsauffassung, dass das Verhalten der Klägerin, weder am 16. noch am 23. 3. 2002 zu arbeiten, den Entlassungsgrund der beharrlichen Pflichtenvernachlässigung nach § 82 lit f zweiter Tatbestand GewO 1859 verwirklicht habe. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass das Fernbleiben der Klägerin eine Reaktion auf die von der Beklagten einseitig verfügte Reduktion der vereinbarten Arbeitszeit gewesen sei. Wenn beide Teile wie im vorliegenden Fall ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des Arbeitsverhältnisses treffe, ordne § 1162c ABGB an, dass das Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden habe, ob und in welcher Höhe Ersatz gebühre. Das Mitverschulden beider Teile an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei im vorliegenden Fall als gleichteilig zu beurteilen, weshalb der Klägerin die Hälfte der begehrten Ansprüche zuzusprechen sei. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil Gründe für eine Revisionszulassung nicht zu erkennen seien.
Gegen den klageabweisenden Teil der Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iSd vollständigen Klagestattgebung abzuändern.
Die Beklagte beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
§ 502 Abs 5 Z 4 ZPO idF ZVN 2002, BGBl I 2002/76, ist anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung zweiter Instanz nach dem 31. 12. 2002 liegt (Art IX Abs 6 ZVN 2002; Stohanzl, MTK ZPO9 497). Hat das Berufungsgericht - wie im vorliegenden Fall - ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nicht zulässig ist, so kann in Streitigkeiten in Arbeitsrechtssachen eine außerordentliche Revision erhoben werden (§ 505 Abs 4 ZPO). Diese ist dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO anhängt. Dies ist hier der Fall. Die Revision ist auch berechtigt.
Nach den bindenden Tatsachenfeststellungen ist davon auszugehen, dass die letzte - einvernehmliche - Regelung der Arbeitszeit der Parteien ab 1. 1. 2000 dahin lautete, dass die Klägerin 22 Wochenstunden zu verrichten hat. Dabei wurde die Klägerin über zwei Jahre lang jeweils nur an den Wochentagen Montag bis Freitag - und nicht an Samstagen - zum Dienst eingeteilt. Es fand daher auch diese Lage der Arbeitszeit Eingang in den Arbeitsvertrag. Haben aber Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander eine bestimmte Arbeitszeiteinteilung zumindest konkludent vereinbart (vgl RIS-Justiz RS0116729), ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, einer einseitig vom Arbeitgeber verfügten Änderung der Arbeitszeit Folge zu leisten (vgl Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht9 437 f mwN; Grillberger, AZG² § 19c Anm 3.1; 9 ObA 187/98k; RIS-Justiz RS0105960, RS0110659, RS0110825), zumal es nach den Feststellungen keine Vereinbarung der Parteien gab, die es der Beklagten erlaubt hätte, die Lage der Arbeitszeit der Klägerin einseitig zu ändern. Eine solche Vereinbarung fand entgegen der Annahme der Revisionsgegnerin auch keinen Niederschlag im Dienstzettel. Die "Verweigerung" der Arbeitsleistung bildete daher im vorliegenden Fall keinen Entlassungsgrund (vgl 9 ObA 2201/96h; 9 ObA 134/98s). Der Beklagten war bekannt, dass die Klägerin nicht grundsätzlich die Arbeit verweigert, sondern durchaus bereit ist, die vereinbarte Arbeit in der vereinbarten Arbeitszeit und zum vereinbarten Entgelt zu leisten. Die Klägerin hat daher weder die Arbeit unbefugt verlassen (§ 82 lit f erster Tatbestand GewO 1859), noch beharrlich ihre Pflichten vernachlässigt (§ 82 lit f zweiter Tatbestand GewO 1859; s näher zu diesen Entlassungsgründen Kuderna, Entlassungsrecht² 137 f).
Richtig ist, dass der Richter nach § 1162c ABGB nach freiem Ermessen zu entscheiden hat, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt, wenn beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des Arbeitsverhältnisses trifft. Diese Bestimmung findet auch auf die der GewO 1859 unterliegenden Arbeitsverhältnisse Anwendung (RIS-Justiz RS0115699). Die Mitverschuldensregel des § 1162c ABGB ist grundsätzlich nur bei berechtigter vorzeitiger Auflösung - insbesondere dann, wenn beide Teile ein Verschulden trifft, das als so schwerwiegend zu beurteilen ist, dass auf beiden Seiten jeweils ein Austritts- bzw ein Entlassungsgrund verwirklicht wird - anwendbar, und zwar unabhängig davon, ob der Erklärende Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ist. Soweit ganz vereinzelt auch bei ungerechtfertigter vorzeitiger Auflösung die Mitverschuldensregel angewendet wurde, muss ein zusätzliches für den vorzeitigen Beendigungsausspruch kausales schuldhaftes Verhalten des anderen Teiles vorliegen (RIS-Justiz RS0116864). § 1162c ABGB dient jedoch nicht dazu, im Falle einer ungerechtfertigten Entlassung die den Arbeitgeber aus diesem Grund treffenden Rechtsfolgen zu mindern (RIS-Justiz RS0028230). Das schuldhafte Verhalten des Arbeitnehmers kann nicht in einem zum Entlassungsausspruch nicht ausreichenden Verhalten, sondern muss in einem davon unabhängigen, zusätzlichen für diesen Ausspruch kausalen Verhalten liegen (RIS-Justiz RS0021719). Ein solches Verhalten der Klägerin liegt hier jedoch nicht vor, weshalb eine Anwendung des § 1162c ABGB auf den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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