European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00052.17P.0524.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Der Abänderungsantrag des Beklagten ist verfehlt. Gemäß § 502 Abs 5 Z 4 ZPO gilt § 502 Abs 3 ZPO für Streitigkeiten in Arbeits- und Sozialrechtssachen nicht. Wenn das Berufungsgericht im Berufungsurteil nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ausgesprochen hat, dass die ordentliche Revision nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist, kann daher eine außerordentliche Revision erhoben werden, ohne dass es einer Abänderung des Ausspruchs über die Zulässigkeit der Revision durch das Berufungsgericht bedarf. Die vom Kläger mit seinem Abänderungsantrag ausgeführte ordentliche Revision ist daher in eine außerordentliche Revision gemäß § 505 Abs 4 ZPO umzudeuten (9 ObA 98/13x ua; RIS-Justiz RS0110049).
2. Die außerordentliche Revision ist jedoch mangels der Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Der Beklagte sieht eine wesentliche Rechtsfrage darin, ob die Arbeiterkammer zur außergerichtlichen Vertretung berechtigt ist und ob eine Bevollmächtigung zur Auflösung des Lehrvertrags der Klägerin ihm gegenüber schriftlich hätte nachgewiesen werden müssen.
3. Die Vertretungsbefugnis der Arbeiterkammer umfasst grundsätzlich auch die außergerichtliche Geltendmachung von Arbeitnehmerrechten gegenüber dem Arbeitgeber. Abgesehen davon, dass der gesetzliche Auftrag „alle zur Interessenvertretung der Arbeitnehmer erforderlichen und zweckmäßigen Maßnahmen“ (§ 4 Abs 1 AKG) nennt, lässt auch die Formulierung „insbesondere“ in § 7 Abs 1 AKG klar erkennen, dass die „gerichtliche“ Geltendmachung nur die beispielsweise Anführung einer Vertretungshandlung ist (9 ObA 312/99v).
Entgegen den Ausführungen in der Revision steht auch ausdrücklich fest, dass die Kammer für Arbeiter und Angestellte für ***** zu den im Schreiben von 18. 5. 2015 namens der Klägerin abgegebenen Erklärungen bevollmächtigt war, wobei es sich, wie sich aus dem Hinweis auf Beilage ./M ergibt, um eine schriftliche Bevollmächtigung namentlich genannter Referenten und Referentinnen handelte, die auch die außergerichtliche Vertretung in arbeits-, sozial-, berufsausbildungs- und steuerrechtlichen Angelegenheiten umfasste.
4. Die Auflösung des Lehrvertrags bedarf gemäß § 15 Abs 2 BAG zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform (bei minderjährigen Lehrlingen in den Fällen der Abs 1 und 4 sowie des § 15a BAG überdies der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters). Die Auflösungserklärung muss von der Lehrvertragspartei, welche die vorzeitige Auflösung des Lehrvertrags bewirken will, in der Regel unterzeichnet werden (RIS-Justiz RS0052724). Dies schließt aber nicht aus, dass die schriftliche Auflösungserklärung durch einen bevollmächtigten Vertreter abgegeben wird.
5. Der Zweck der für das Ausführungsgeschäft bestehenden Formvorschrift entscheidet darüber, ob auch die Vollmacht der gleichen Form bedarf. Wenn die Formvorschrift bloß die Feststellung des Inhalts eines Rechtsgeschäfts bezweckt, wird sie sich auf die Vollmacht nicht erstrecken. Bezweckt sie aber die Feststellung der Ernstlichkeit des Parteiwillens oder wurde die deshalb erlassen, um durch die Notwendigkeit der besonderen Form die Partei zu gründlichen Überlegung des beabsichtigten Geschäfts zu veranlassen oder das Vorhandensein des Parteiwillens zu sichern, dann muss die Form auch bei der Erteilung der Vollmacht beachtet werden (RIS-Justiz RS0104095).
Dagegen ist es für die Wirksamkeit des Ausführungsgeschäfts nicht erforderlich, dass die Bevollmächtigung dem Geschäftspartner gegenüber in dieser Form nachgewiesen wird.
Wie ausgeführt, liegt eine schriftliche Bevollmächtigung vor. Dass darüber hinaus der schriftlichen Auflösungserklärung der Vertreterin der Klägerin kein schriftlicher Nachweis dieser Bevollmächtigung angeschlossen war, ist für die Rechtswirksamkeit des erklärten vorzeitigen Austritts nicht von Relevanz.
6. Die außerordentliche Revision des Beklagten ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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