European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00132.22K.0124.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.974,75 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Mit seiner Klage begehrt der bei der Beklagten mit einem Sondervertrag nach § 36 VBG als Militärpilot beschäftigte Kläger die Beklagte zu verpflichten, ihn im Rahmen seiner aufrechten Anstellung als Militärpilot so einzusetzen, dass er seine Grundbefähigung gemäß § 11 Militärluftfahrt‑Personalverordnung 2012 (MLPV 2012) nicht verliert, indem ihm insbesondere die Möglichkeit zur Erbringung der jährlich notwendigen 60 Flugstunden inklusive 2 Simulator-Trainings (in den Vereinigten Staaten) gegeben wird. In eventu möge festgestellt werden, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, das Dienstverhältnis zum Kläger wegen Fluguntauglichkeit zu beenden. Dazu brachte der Kläger im Wesentlichen vor, dass die Beklagte zu Unrecht seine Fluguntauglichkeit festgestellt habe und er daher nicht die Voraussetzungen zum Erhalt der Gültigkeit seiner Grundbefähigung nach § 11 MLPV 2012, 60 Flugstunden und 2 Simulatoren-Trainings pro Jahr, erbringen könne. Dadurch drohe ihm der Entzug der Grundbefähigung und folglich aufgrund einer dienstvertraglichen Klausel auch die Beendigung seines Dienstverhältnisses.
[2] Die Beklagteerhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und beantragte die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Klage. Der Kläger mache mit seinen Begehren hoheitliche Ansprüche geltend, weil die Ausstellung und Erweiterung von Militärluftfahrt-Personalausweisen, die Verlängerung und Erneuerung deren Gültigkeitsdauer sowie der Erhalt deren Gültigkeit einen Hoheitsakt darstelle.
[3] Das Erstgericht schränkte in der Tagsatzung vom 23. 6. 2022 die Verhandlung auf die Entscheidung über die Einrede der Beklagten ein.
[4] Mit „Urteil“ wies das Erstgericht die Klagebegehren zurück. Die Begehren des Klägers seien nicht Gegenstand der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Mangels Vorliegens der Prozessvoraussetzung der Zulässigkeit des Rechtswegs sei die Klage daher zurückzuweisen.
[5] Dagegen erhob der Kläger innerhalb der vierwöchigen Berufungsfrist, aber nicht innerhalb der vierzehntägigen Rekursfrist, ein als Berufung bezeichnetes Rechtsmittel.
[6] Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht den als Berufung bezeichneten Rekurs des Klägers (und die als Berufungsbeantwortung bezeichnete Rekursbeantwortung der Beklagten) als verspätet zurück. Dazu führt es aus, dass ein Vergreifen des Gerichts in der Entscheidungsform weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des gegen die Entscheidung erhobenen Rechtsmittels beeinflusse. Die Verwendung der falschen Entscheidungsform verlängere nicht die Rechtsmittelfrist, weil auch Gerichtsfehler nicht zur Verlängerung von Notfristen führen könnten. Ob eine Entscheidung anfechtbar sei und mit welchem Rechtsmittel das zu geschehen habe, hänge nicht davon ab, welche Entscheidungsform das Gericht tatsächlich gewählt habe oder wählen habe wollen, sondern richte sich nach der vom Gesetz vorgesehenen Entscheidungsform. Habe das Erstgericht beispielsweise – wie hier – eine Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs unrichtiger Weise mit Urteil zurückgewiesen, stehe dagegen nur der Rekurs offen.
[7] Diese Rechtsprechung setze voraus, dass das Gericht in den Entscheidungsgründen unzweifelhaft und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, das Klagebegehren in Form eines Beschlusses zurückweisen zu wollen, im Spruch aber dann irrtümlich mit einer Abweisung des Klagebegehrens vorgegangen sei. Im Fall der Erledigung in Form eines Urteils anstatt mit Beschluss sei eine Entscheidung demnach (nur) dann als Beschluss zu behandeln, wenn sie nach dem erkennbaren Entscheidungswillen des Gerichts – klar erkennbar zu Unrecht – bloß als Urteil bezeichnet worden sei. Im vorliegenden Fall sei ein auf Zurückweisung der Klage gerichteter Entscheidungswille aus der erstgerichtlichen Entscheidung zweifelsfrei abzuleiten: Die (einzige) Verhandlung sei gleich zu Beginn auf die Zulässigkeit des Rechtswegs eingeschränkt worden. Nur darüber habe das Erstgericht in seiner angefochtenen Entscheidung abgesprochen, wie insbesondere dem Spruch und den Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung zu entnehmen sei. Auch der dem Spruch nachfolgende Teil sei – wie bei Beschlüssen – mit „Begründung“ und nicht – wie bei Urteilen – mit „Entscheidungsgründe“ übertitelt worden.
[8] Davon ausgehend sei das vom Kläger erhobene Rechtsmittel als Rekurs zu werten und zu behandeln. Die dafür vorgesehene Rechtsmittelfrist von 14 Tagen (§ 2 Abs 1 ASGG iVm § 521 Abs 1 ZPO) habe der Kläger aber versäumt. Das Rechtsmittel (und die Rechtsmittelbeantwortung) seien daher als verspätet zurückzuweisen.
[9] Gegen diese Entscheidung richtet sich der rechtzeitig erhobene Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts aufzuheben und dem Rechtsmittelgericht eine meritorische Entscheidung über die Berufung aufzutragen.
[10] Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[11] Der Rekurs ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat. In einem solchen Fall ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO der Rekurs ohne Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (und im Übrigen auch ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwerts) zulässig (RS0098745; RS0043893; Musger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 519 ZPO Rz 31). Das Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof ist zweiseitig (RS0128487).
[12] In seinem Rekurs bekämpft der Kläger die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts nur insofern, als er meint, dass das Erstgericht zu Recht mit Urteil entschieden habe, weil er mit seinen Klagebegehren einen privatrechtlichen Anspruch behaupte.
[13] Dem ist zu entgegnen, dass das Erstgericht, wie bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, klar erkennbar die allgemeine Prozessvoraussetzung der Zulässigkeit des Rechtswegs verneint und die Klage daher zurückgewiesen hat. Für diese Entscheidung sieht das Gesetz aber die Form des Beschlusses und nicht des Urteils vor (vgl § 42 Abs 1 JN; § 261 Abs 1 iVm § 239 Abs 3 Z 1 ZPO; Garber in Fasching/Konecny 3 § 42 JN Rz 22). Ob eine Entscheidung anfechtbar ist und mit welchem Rechtsmittel das zu geschehen hat, richtet sich nach der vom Gesetz vorgesehenen Entscheidungsform (RS0041880 [T1]; RS0041859 [T3]; RS0036324 [T12]). Maßgeblich ist der Inhalt der tatsächlichen Entscheidung, nicht aber, welche Entscheidung bei rechtsrichtiger Beurteilung hypothetisch zu treffen gewesen wäre (RS0041859 [T7]; RS0036324 [T18]). Aus der vom Rekurswerber ins Treffen geführten Entscheidung 1 Ob 676/53 (= EvBl 1953/489) ergibt sich nichts Gegenteiliges.
[14] Hat das Erstgericht – wie hier – die Klage entgegen der vom Gesetz vorgesehenen Entscheidungsform unrichtigerweise mit Urteil zurückgewiesen, steht dagegen nur der Rekurs offen (10 ObS 54/22x [Rz 15]; RS0040285; RS0041859 [T8]). In diesem Rechtsmittel hätte der Kläger die Rechtsauffassung des Erstgerichts, das Klagebegehren sei nicht mit Urteil abzuweisen, sondern die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen gewesen, bekämpfen können.
[15] Dem Rekurs des Klägers war daher nicht Folge zu geben.
[16] Die Kostenentscheidung beruht auf den § 2 ASGG sowie §§ 41, 50 ZPO.
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