Spruch:
Die außerordentliche Revision und der Rekurs der klagenden Partei werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.094,48 EUR (darin 349,08 EURUSt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, gegenüber dem Kläger die Verursachung von Lärm, soweit dadurch das zulässige Ausmaß der Emission durch die behördlich genehmigte Anlage „E***** A*****“ im Ausmaß von 30 Dezibel (A) in der Zeit zwischen 22:00Uhr und 6:00Uhr überschritten wird, von den der Beklagten gehörenden, näher bezeichneten Grundstücken auf das dem Kläger gehörende, näher bezeichnete Grundstück zu unterlassen (Punkt I.1.). Hingegen wurde das Mehrbegehren des Klägers, die Beklagte sei schuldig, auch die Verursachung von Lärm, soweit dadurch das zulässige Ausmaß der Emission durch die behördlich genehmigte Anlage „E***** A*****“ im Ausmaß von 40Dezibel (A) in der Zeit zwischen 6:00 Uhr und 22:00 Uhr überschritten werde, von den der Beklagten gehörenden, näher bezeichneten Grundstücken auf das dem Kläger gehörende, näher bezeichnete Grundstück zu unterlassen, abgewiesen (Punkt I.2.). Die Beklagte wurde weiters schuldig erkannt, dem Kläger den Betrag von 56.000 EUR zu bezahlen (Punkt II.).
Gegen das Ersturteil erhoben beide Parteien Berufung, und zwar der Kläger gegen den klageabweisenden Teil, die Beklagte gegen den klagestattgebenden Teil. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und bestätigte insoweit das Ersturteil in seinem klageabweisenden Teil (Unterlassungsbegehren hinsichtlich der Zeit zwischen 6:00 Uhr und 22:00 Uhr) als Teilurteil. Der Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht hingegen Folge und hob das Ersturteil im klagestattgebenden Teil (Unterlassungsbegehren hinsichtlich der Zeit zwischen 22:00Uhr und 6:00 Uhr; Leistungsbegehren 56.000 EUR sA) sowie im Kostenpunkt auf, verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung zurück und behielt die Entscheidung über die Kosten vor. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen das Teilurteil nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei; den Rekurs an den Obersten Gerichtshof gegen den Aufhebungsbeschluss ließ es hingegen zu.
Gegen den die teilweise Klageabweisung bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Gegen den die teilweise Klagestattgebung aufhebenden Teil der Berufungsentscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers wegen Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise wird die Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht beantragt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs des Klägers als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise diesem nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Zur außerordentlichen Revision:
Das Berufungsgericht begründete die Nichtzulassung der ordentlichen Revision damit, dass der Kläger in seiner Berufung gegen das Ersturteil keine Rechtsrüge erhoben habe, sodass vom Berufungsgericht bezüglich des (die teilweise Klageabweisung bestätigenden) Teilurteils überhaupt keine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei.
Der Revisionswerber bestreitet nicht, dass er in seiner Berufung gegen den klageabweisenden Teil des Ersturteils keine Rechtsrüge erhoben hat, versucht dies jedoch damit zu rechtfertigen, dass der dem Klagebegehren zugrundeliegende Anspruch „als Gesamtheit“ anzusehen sei; im Übrigen wäre eine Rechtsrüge im vorliegenden Fall „sinnwidrig“, jedenfalls aber „gar nicht notwendig“ gewesen. Die prozesstaktischen Überlegungen einer Partei, weshalb sie ein Ersturteil nur aus bestimmten Berufungsgründen bekämpft, sind für das Revisionsverfahren grundsätzlich ohne besondere Bedeutung. Die der behaupteten „Gesamtheit“ des Anspruchs allenfalls zugrundeliegende Annahme der Revisionswerberin, dass die Unterlassungsbegehren des Klägers hinsichtlich der behaupteten Immissionen der Beklagten in der Zeit zwischen 6:00 Uhr und 22:00 Uhr einerseits und zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr andererseits, für die in der behördlichen Genehmigung der Anlage der Beklagten jeweils unterschiedliche Auflagen gelten, in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, sodass darüber nur gemeinsam geurteilt werden kann, ist verfehlt. Es gilt daher die ständige Rechtsprechung, dass eine im Berufungsverfahren unterbliebene Rechtsrüge im Revisionsverfahren nicht mehr nachgeholt werden kann (RIS-Justiz RS0043573 ua). Die rechtlichen Überlegungen des Klägers zum Rekurs gegen die teilweise Aufhebung des Ersturteils können daher in der außerordentlichen Revision gegen den das Ersturteil als Teilurteil bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung nicht geltend gemacht werden. Sie sind daher - abgesehen davon, dass sie dort auch keine erhebliche Rechtsfrage begründen - auch nicht geeignet, eine erhebliche Rechtsfrage des materiellen Rechts im Sinn des §502 Abs 1 ZPO zu begründen. Die Entscheidung über die außerordentliche Revision des Klägers hängt auch nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage des Verfahrensrechts ab. Die Behauptung, das Berufungsgericht habe erhebliche Teile der in der Berufung des Klägers enthaltenen Tatsachen- und Beweisrüge „unbehandelt“ gelassen, trifft nicht zu. Diese Beurteilung bedarf gemäß §510 Abs 3 Satz 3 ZPO keiner weiteren Begründung. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zum Rekurs:
Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen den aufhebenden Teil der Berufungsentscheidung mit der Begründung zu, dass eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, nach welchen Kriterien die während des Prozesses vom Störer gegen die Lärmimmissionen getroffenen Maßnahmen die Wiederholungsgefahr beseitigen. Der Rekurswerber schloss sich dieser Begründung der Zulassung des Rekurses an. Darüber hinaus stützt er sich zur Zulässigkeit des Rekurses auch darauf, dass das Berufungsgericht bei der rechtlichen Beurteilung der Wiederholungsgefahr von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei. Die Rekursgegnerin bestreitet demgegenüber das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragt die Zurückweisung des Rekurses des Klägers.
Das Berufungsgericht darf die Zulässigkeit des Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nur dann aussprechen, wenn es die Voraussetzungen für gegeben erachtet, unter denen nach § 502 ZPO die Revision zulässig ist (§ 519 Abs 2 ZPO). Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden (§ 519 Abs 2 iVm § 526 Abs 2 ZPO). Tatsächlich muss auch im vorliegenden Fall eine erhebliche Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung zukäme, nicht gelöst werden. Die Zurückweisung des Rekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm §510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Das vorliegende (verbliebene) Unterlassungsbegehren des Klägers richtet sich gegen Lärmimmissionen in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00Uhr, die von der behördlich genehmigten Anlage der Beklagten ausgehen (§364a ABGB). Hält sich der Inhaber der genehmigten Anlage nicht an die im Genehmigungsbescheid erteilten Auflagen, besteht ein Untersagungsrecht nach § 364 Abs 2 ABGB (2 Ob 512/82; 1 Ob 658/82; 8 Ob 512/92; RIS-Justiz RS0010645 ua), auf das sich der Kläger, dessen Liegenschaft rund 200 m von der Anlage der Beklagten entfernt ist, beruft. Nach den Feststellungen des Erstgerichts konnten zunächst bei Schallmessungen des gerichtlichen Sachverständigen vom 12. 1. 2005 keine relevanten Geräusche gemessen werden. Erst eine weitere Messung vom 7. 11. 2005 ergab schließlich ein von der Anlage der Beklagten ausgehendes andauerndes tonhaltiges Rauschen mit einem Beurteilungspegel von 36 Dezibel (dB), der den in der Nacht (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) laut Genehmigungsbescheid der Anlage zulässigen Wert von 30 dB überschritt. Nach der Gutachtenserörterung mit dem schalltechnischen Sachverständigen vom 22. 5. 2006 brachte die Beklagte mit Schriftsatz vom 24. 10. 2006 vor, dass sie an der Anlage die vom Sachverständigen angeregten Verbesserungen durchgeführt habe; insbesondere seien die Lagerung der Lüftung neu ausgeführt und eine elastische und neue Aufhängung veranlasst worden. Durch zusätzliche Dämmungsmaßnahmen sei sichergestellt worden, dass ab sofort die Messwerte derartig verbessert worden seien, dass nunmehr die behördlich festgelegten Grenzwerte nicht mehr überschritten werden. Zum Beweis berief sich die Beklagte auf das Privatgutachten eines Ziviltechnikers und die Vernehmung zweier Zeugen. Die Beklagte wiederholte dieses Vorbringen in der folgenden Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 7. 12. 2006 und machte geltend, dass dem Unterlassungsbegehren des Klägers aufgrund der Sanierung der Anlage und Einhaltung der Grenzwerte keine Berechtigung zukomme.
Das Erstgericht traf zu den von der Beklagten behaupteten Verbesserungen der Anlage keine Feststellungen und bejahte - ausgehend von den früheren Messungen des gerichtlichen Sachverständigen vom 7. 11. 2005, womit die Bestreitung des Überschreitens des Grenzwertes widerlegt worden sei - das aufrechte Bestehen der Wiederholungsgefahr. Das Berufungsgericht erblickte demgegenüber in der Unterlassung von Feststellungen einen sekundären Feststellungsmangel, hob das Ersturteil in seinem klagestattgebenden Teil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung zurück. Das Berufungsgericht führte aus, dass bei einer vernünftigen und lebensnahen Betrachtung nicht davon ausgegangen werden könne, dass die von der Beklagten behaupteten Verbesserungsmaßnahmen aus irgendeinem Grund wieder rückgängig gemacht werden. Es sei daher auch im Hinblick auf das gestellte Schadenersatzbegehren wesentlich, wie sich die Schallimmissionen auf die Liegenschaft des Klägers zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz tatsächlich darstellen.
Im Rekurs des Klägers geht es nur um die Wiederholungsgefahr als materiellrechtliche Voraussetzung der Unterlassungsklage; auf das Schadenersatzbegehren geht der Rekurswerber nicht näher ein. Die Wiederholungsgefahr muss nach der Rechtsprechung konkret und real sein (1Ob227/97g ua). Sie besteht in der ernstlichen Besorgnis weiterer Eingriffe in die vom Kläger behaupteten Rechte, wobei auf das Verhalten des Beklagten Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0009357 ua). Bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr ist nicht „engherzig“ vorzugehen (RIS-Justiz RS0010947 ua). Dies bedeutet aber nicht, dass auf behauptete Abhilfemaßnahmen zur Vermeidung künftiger Immissionen des mit Unterlassungsklage in Anspruch genommenen Störers nicht eingegangen zu werden braucht, leitet sich doch die Wiederholungsgefahr gerade vom Fortbestehen eines Zustands ab, der keine Sicherungen gegen weitere Rechtsverletzungen bietet (RIS-Justiz RS0010947 ua). Nun kündigte die Beklagte nicht erst Maßnahmen in der Zukunft an, sondern brachte ausdrücklich vor, dass sie bereits Verbesserungen vorgenommen habe, sodass der vom Kläger beanstandete Zustand nicht mehr fortbestehe. Bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr ist stets maßgebend, ob dem Verhalten des Beklagten in seiner Gesamtheit gewichtige Anhaltspunkte entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS-Justiz RS0012087 ua). Dabei ist, wie schon erwähnt, auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz abzustellen (vgl 4 Ob 360/86; 4 Ob 215/05d ua). Ausgehend von dieser Rechtsprechung zur Frage der Wiederholungsgefahr hält das Berufungsgericht die Sache noch nicht für spruchreif und trug dem Erstgericht auf, ergänzende Feststellungen zum Beklagtenvorbringen zu treffen. Die Wiederholungsgefahr kann nach ständiger Rechtsprechung nur aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden, die regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO begründen (RIS-Justiz RS0042818, RS0044208 ua). Erachtet das Berufungsgericht die Verbreiterung der Tatsachengrundlage für erforderlich, dann ist dem vom Obersten Gerichtshof nicht entgegenzutreten (2 Ob 190/99a ua).
Entgegen der Auffassung des Rekurswerbers kann aus 4 Ob 215/05d nicht abgeleitet werden, dass die Wiederholungsgefahr nur dann verneint werden kann, wenn der Störer dem Kläger einen vollstreckbaren Exekutionstitel verschafft; dies gilt - wie der Oberste Gerichtshof in der vom Rekurswerber benannten Entscheidung ebenfalls ausgeführt hat - regelmäßig dann, wenn der Störer im Verfahren daran festhält, zur beanstandeten Handlung berechtigt zu sein, oder wenn sein Prozessverhalten zwiespältig ist. Nun hat die Beklagte aber nicht behauptet, zur Überschreitung der Auflagen im Genehmigungsbescheid berechtigt zu sein; strittig war nur in tatsächlicher Hinsicht, ob die beanstandeten Lärmimmissionen die Grenzwerte laut Genehmigungsbescheid überschritten haben. Die Frage, ob das Prozessverhalten des Störers „zwiespältig“ ist oder die ernste Absicht erkennen lässt, sicherzustellen, dass es in Hinkunft keine Störungen mehr gibt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und hat in der Regel keine darüber hinausgehende Bedeutung (RIS-Justiz RS0080134 ua). Entgegen der Zulassung des Rekurses durch das Berufungsgericht ist keine allgemeingültige Aussage darüber möglich, unter welchen Voraussetzungen während des Prozesses vom Störer gegen die Lärmemission getroffene Maßnahmen die Wiederholungsgefahr beseitigen. Auch dabei kommt es jeweils auf die Umstände des Einzelfalls an. Dass es auf die Tatsachengrundlage bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ankommt, wurde ohnehin bereits erwähnt. Da die Zulässigkeit des Rekurses entgegen der Annahme des Rekurswerbers auch nicht darauf gestützt werden kann, das Berufungsgericht sei von ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, hat es bei der aufhebenden Entscheidung des Berufungsgerichts zu bleiben. Der Rekurs des Klägers ist mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§50, 41 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage Zulässigkeit eines verneinten Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss gemäß § 519 Abs1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS-Justiz RS0123222). Die Rekursgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses ausdrücklich hingewiesen.
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