OGH 9Ob79/15f

OGH9Ob79/15f18.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr in der Rechtssache der klagenden Partei R***** J*****, vertreten durch Christandl Rechtsanwalt GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Ing. A***** M*****, vertreten durch Dr. Edwin A. Payr, Rechtsanwalt in Graz, wegen 22.708,34 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz vom 3. September 2015, GZ 2 R 82/15v‑59, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 26. Februar 2015, GZ 39 Cg 33/12w‑55, teilweise Folge gegeben und das Ersturteil teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00079.15F.0318.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.049,04 EUR (darin 174,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

I. Die Revision des Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

II. Der Kläger, früherer Unterpächter des Beklagten, begehrt vom Beklagten die Zahlung von 22.708,34 EUR sA, weil dieser das gepachtete Gastronomielokal im Dezember 2008 um 75.000 EUR netto (90.000 EUR brutto) an seine Söhne „verkauft“ habe und die Streitteile am 31. 8. 2007 für den von ihnen angestrebten Verkaufsfall unter Berücksichtigung des offenen Kreditsaldos des Beklagten eine gleichteilige Aufteilung des Veräußerungserlöses vereinbart gehabt hätten.

Der Beklagte wandte als Gegenforderungen ein:

‑ 27.600 EUR für einen an den Kläger geleisteten, von diesem jedoch nicht nachweislich verwendeten Investitionsvorschuss,

‑ 44.716,14 EUR an seit Dezember 2008 lukrierbarem (Unter-)Bestandentgelt für 46 Monate, das durch die verspätete Räumung des Lokals durch den Kläger nicht erzielt worden sei; diese Forderung sei dem Beklagten von seinen Söhnen abgetreten worden;

‑ 49.950,29 EUR für den Kostenaufwand im Verfahren des Bezirksgerichts Graz-Ost GZ 218 C 11/09s, der bei rechtzeitiger Räumung des Lokals durch den Kläger nicht vonnöten gewesen wäre; auch diese Forderung sei dem Beklagten von seinen Söhnen abgetreten worden;

‑ 22.500 EUR an vom Kläger seit 2009 erwirtschaftetem Gewinn, der dem Beklagten zur Hälfte zustehe.

Anders als das Erstgericht, das das Klagebegehren abwies, stellte das Berufungsgericht mit dem bekämpften Teilurteil die Klagsforderung im Umfang von 17.268,47 EUR als zu Recht bestehend, die auf Rückzahlung des Investitionsvorschusses von 27.600 EUR gestützte Gegenforderung und die auf den Kostenaufwand des Verfahrens 218 C 11/09s des Bezirksgerichts Graz‑Ost bezogene Gegenforderung von 49.950,29 EUR als nicht zu Recht bestehend fest und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 17.268,47 EUR sA. Das Mehrbegehren von 5.439,87 EUR sA wurde abgewiesen.

Das Berufungsgericht stellte nach Beweiswiederholung fest, dass die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung vom 31. 8. 2007 die Absicht hatten, die bei einem Verkauf des Lokals noch offene Kreditverbindlichkeit vom Verkaufserlös in Abzug zu bringen. Daraus folgerte es, dass weitere Investitionen, die nicht kreditfinanziert waren, den Verkaufserlös nur dann mindern sollten, wenn sie nach dem Abschluss der Vereinbarung entstanden seien, frühere nicht kreditfinanzierte Investitionen mangels Einbeziehung in die Vereinbarung jedoch nicht. Da die Streitteile am 31. 8. 2007 ihre vertraglichen Beziehungen neu geregelt hätten, bestehe die auf die Rückzahlung des Investitionsvorschusses von 27.600 EUR gerichtete Gegenforderung nicht zu Recht. Eine aus einem Anspruch auf Kostenersatz im Verfahren zu 218 C 11/09s des Bezirksgerichts Graz-Ost resultierende Gegenforderung von 49.950,29 EUR bestehe aufgrund des Prozessverlustes der Söhne in jenem Verfahren nicht. Im fortzusetzenden Verfahren werde jedoch noch die aus der nicht rechtzeitigen Räumung des Lokals resultierende Gegenforderung von 44.716,14 EUR sA zu prüfen sein, mit der gegebenenfalls die mit diesem Teilurteil zugesprochene Klagsforderung zu tilgen sein werde.

Über Antrag des Beklagten (§ 508 Abs 1 ZPO) ließ das Berufungsgericht die Revision „aus Gründen der Rechtssicherheit im Hinblick auf die Zulässigkeit der Fällung eines Teilurteils bei innigem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer eingewendeten Gegenforderung“ nachträglich zu.

Rechtliche Beurteilung

In seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision zeigt der Beklagte keine Rechtsgründe von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Der Beklagte vertritt im Rahmen seiner Rechtsrüge die Auffassung, dass sich aus der Vereinbarung vom 31. 8. 2007 kein Anspruch des Klägers ergebe. Es habe kein gemeinsamer Verkauf stattgefunden, ein Gewinn sei nie erzielt worden.

Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936 ua). Warum dies hier der Fall sein sollte, geht aus den Revisionsausführungen jedoch nicht klar hervor. Hier ist es auch nicht unvertretbar, bei einer Teilung des Verkaufserlöses jene Investitionskosten des Beklagten nicht zu berücksichtigen, die ihm zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 31. 8. 2007 schon bekannt waren, wenn er sie gerade nicht zum Gegenstand der Vereinbarung gemacht hatte. Einer Berücksichtigung des nicht kreditfinanzierten Aufwands des Beklagten im Zeitraum September 2005 bis Dezember 2008 im vollen Umfang von 44.000 EUR steht entgegen, dass es sich dabei überwiegend um laufende Ausgaben des Beklagten gehandelt hat. Im Hinblick auf die kreditfinanzierten Investitionen hatten die Streitteile im Übrigen kurz davor den Unterbestandzins des Klägers in Anpassung an die Kreditbelastungen des Beklagten erhöht. Die Frage des Beklagten, warum der Kläger das Bestandobjekt nicht am 31. 12. 2008 geräumt übergeben, sondern bis Oktober 2012 den Bestandzins bezahlt habe, betrifft ein Ereignis nach dem Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung und ist schon deshalb für ihre Auslegung nicht maßgeblich.

2. Der Beklagte meint, dass das Berufungsgericht von seiner im ersten Rechtsgang ausgesprochenen Rechtsansicht (Teilung des Nettoerlöses unter Abzug der ‑ noch festzustellenden ‑ Investitionen des Beklagten) abgewichen sei.

Welche Verfahrensergebnisse im Aufhebungsbeschluss als abschließend erledigt angesehen wurden, ist zwangsläufig einzelfallabhängig (RIS‑Justiz RS0042031 [T20]). Hier stellte sich die Frage, welche Investitionen nach dem Parteiwillen abzugsfähig sein sollten (vor/nach 2005 oder 2008), in dieser Schärfe erst anlässlich der dem Aufhebungsbeschluss folgenden Erörterung (insbesondere ON 49) und war deshalb auch Gegenstand neuer Feststellungen. Insoweit mussten die Vorinstanzen aber auch nicht von einem schon im ersten Rechtsgang abschließend erledigten Streitpunkt ausgehen (vgl RIS‑Justiz RS0042031 [T3; T19]).

3. Der Beklagte vermisst die Berücksichtigung einer weiteren Gegenforderung. Er habe darauf hingewiesen, dass auch der vom Kläger im Sinne einer fiktiven Gesellschaft bürgerlichen Rechts erwirtschaftete Gewinn bei einer Gesamtbetrachtung nicht vernachlässigt werden könne, der zumindest 45.000 EUR betrage. Dem Beklagten stünde davon jedenfalls die Hälfte zu.

Das Berufungsgericht hat sich in seinem Teilurteil mit dem Vorbringen einer „fiktiven Gesamt‑GesbR“ (ON 53 S 4 = AS 400) nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Dass es den Einwand im Ergebnis aus rechtlichen Gründen als unerheblich ansah, ergibt sich aber aus seiner Auslegung der Vereinbarung, dass bei Aufteilung des Verkaufserlöses lediglich nach dem 31. 8. 2007 liegende, nicht kreditfinanzierte Investitionen Berücksichtigung finden sollten. Jährliche Gewinne der Streitteile sind davon nicht ansatzweise erfasst.

4. Der Beklagte richtet sich weiter gegen die Fällung eines Teilurteils, weil die Gegenforderungen zur Hauptforderung in Konnexität stünden.

Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Klags- und Gegenforderung liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn beide Ansprüche aus demselben Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis entspringen, einander bedingen oder wenn die Aufrechnung beider Forderungen vereinbart war (RIS‑Justiz RS0040760; s auch RS0040702); ferner dann, wenn zwischen beiden Ansprüchen ein inniger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, der die Durchsetzung des Klagsanspruchs ohne Rücksicht auf den Gegenanspruch als Treu und Glauben widersprechend erschienen ließe (RIS‑Justiz RS0040692). Bei der Beurteilung, ob ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Klagsforderung und Gegenforderung besteht, ist vom jeweiligen Parteienvorbringen auszugehen (RIS‑Justiz RS0040852).

Die vom Berufungsgericht noch als aufklärungsbedürftig erachtete Gegenforderung betrifft eine allfällige Schadenersatzforderung der Söhne des Beklagten gegen den Kläger aufgrund der vermeintlich verspäteten Räumung des Lokals durch den Kläger, wobei die Söhne diese Forderung dem Beklagten abgetreten hatten. Dieser Anspruch entspringt nicht demselben Rechtsverhältnis wie die Klagsforderung. Auch bedingen sie nicht einander noch wurde eine Aufrechnung der Forderungen vereinbart. Berücksichtigt man, dass die Frage der Räumungsverpflichtung des Klägers von den Kautelen seines Unterbestandvertrags abhing, der Klagsanspruch dagegen die Vereinbarung vom 31. 8. 2007 über die Aufteilung eines ‑ vom Bestehen des Unterbestandvertrags grundsätzlich unabhängigen ‑ allfälligen Veräußerungserlöses betrifft, so ist es hier nicht unvertretbar, wenn das Berufungsgericht noch keinen solchen „innigen Zusammenhang“ zwischen der Klags- und dieser Gegenforderung annahm, der die Durchsetzung der Klagsforderung ohne Berücksichtigung der Gegenforderung als Treu und Glauben widersprechend erschienen ließe.

Die Gegenforderung betreffend den Investitionsvorschuss wurde vom Berufungsgericht aus rechtlichen Gründen als nicht zu Recht bestehend erkannt. Insoweit erübrigt sich die Überprüfung ihrer Konnexität. Die Gegenforderung aus dem Kostenersatz im Verfahren des Bezirksgerichts Graz‑Ost AZ 218 C 11/09s wird in der Revision nicht mehr thematisiert.

5. Auch die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor: Das Berufungsgericht hat die in seinem Spruchpunkt 2. genannten Gegenforderungen aus rechtlichen Gründen als nicht zu Recht bestehend erkannt. Da diese Beurteilung nicht korrekturbedürftig ist, bestand auch keine Notwendigkeit für die vom Beklagten vermisste Beweisaufnahme zu diesen Gegenforderungen. Soweit sich der Beklagte auf eine Verletzung der Prozessleitungspflicht durch das Berufungsgericht beruft, muss ein Rechtsmittelwerber dartun, dass der Verfahrensmangel erheblich ist, sich also auf das Ergebnis des Verfahrens auswirken kann; dies kann er nur durch Anführung jenes Vorbringens, das er, über die relevante Rechtsansicht informiert, erstattet hätte (RIS‑Justiz RS0120056 [T8]). Das Vorbringen des Beklagten, dass er sein Vorbringen dann „erheblich verbreitert“ hätte, entspricht dieser Anforderung nicht.

6. Der Beklagte richtet sich schließlich gegen den Zinsenzuspruch, weil es weder Vorbringen noch Feststellungen zum Vorliegen eines Unternehmergeschäfts gebe.

Richtig ist, dass die Verzugszinsen nur bei beiderseitigen Unternehmergeschäften nach der hier noch maßgeblichen Bestimmung des § 352 UGB idF vor dem ZahlungsverzugsG, BGBl I 2013/50, acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betragen haben und die Verpachtung eines Unternehmens nicht von vornherein eine unternehmerische Tätigkeit darstellt (6 Ob 41/06g; Suesserott/U. Torggler in Torggler, UGB2 § 1 Rz 18 mwN).

Hier hat sich der Beklagte zum Zinsenbegehren des Klägers nicht geäußert. Auch die Wertung des fehlenden substantiellen Bestreitens als schlüssiges Tatsachengeständnis (§ 267 ZPO) hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0039927 [T9]). Wenn das Berufungsgericht die unterlassene Bestreitung des Zinsenbegehrens offensichtlich dahin deutete, dass der Beklagte eine Unternehmereigenschaft nicht bestreiten wollte, so ist dies angesichts dessen, dass er die Geschäftsräumlichkeit selbst gemietet und nur mangels eigener Konzession zum Betrieb des Lokals unterverpachtet hatte, dass beide Seiten die Investitionskosten in das Lokal getragen hatten und dass der Streitgegenstand aus der Veräußerung des Lokals resultiert, vertretbar.

7. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Beklagten daher zurückzuweisen.

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