OGH 9Ob61/18p

OGH9Ob61/18p30.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeindeverband Bezirkskrankenhaus *****, vertreten durch Dr. Johannes Hibler, Rechtsanwalt in Lienz, gegen die beklagte Partei C*****verein eV, *****, vertreten durch Janezic & Schmidt Rechtsanwälte OG in Graz, wegen Feststellung (Interesse: 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. Juli 2018, GZ 1 R 92/17i‑22, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00061.18P.1030.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Dem Kläger obliegt nach § 1 Abs 1(Tiroler)

Bezirkskrankenhäuser-Gemeindeverbände-Gesetz (LGBl 1984/32 idF LGBl 2010/69) der Betrieb des Allgemeinen öffentlichen (A.ö.) Bezirkskrankenhauses (BKH) *****. Er ist nach Abs 4 leg cit eine Körperschaft öffentlichen Rechts.

Der beklagte Verein betreibt ein Luftfahrtunternehmen, das

Rettungs- und Ambulanzflüge iSd § 2

Zivilluftfahrzeug-Ambulanz- und Rettungsflugverordnung (ZARV 1985 – BGBl 1985/126 idF BGBl II 2002/372) durchführt.

Muss ein Patient des BKH ***** am Luftweg in ein anderes Krankenhaus transportiert werden („Interhospitaltransport“), so wird seitens des BKH die Landesleitstelle Tirol Gesellschaft mbH als zentrale Landesleitstelle nach § 5 Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009 (LGBl 2009/69) kontaktiert, welche nach Abs 1 lit c leg cit für die „Disponierung und Alarmierung der für den Einsatz notwendigen Rettungsfahrzeuge und Hubschrauber“ zuständig ist. Die Mitarbeiter der Leitstelle fragen die für die Disponierung notwendigen Informationen ab und alarmieren sodann den jeweils verfügbaren Rettungshubschrauber. Ist dies ein solcher des Beklagten, holt dieser sodann den Patienten ab und transportiert ihn in das vorgesehene andere Krankenhaus, wobei auch die ärztliche Versorgung des Patienten während des Fluges durch die vom Beklagten gestellte Hubschrauberbesatzung erfolgt. Bei all diesen Schritten zur Organisation eines konkreten Lufttransports wird nicht über die Kostentragung gesprochen.

Der Beklagte stellte dem Kläger die Kosten der Lufttransporte in Rechnung und hat diese zu 2 C 85/15p und 5 C 93/17i des Bezirksgerichts ***** in Klage gezogen. Im ersten Verfahren, welches die Kosten von 136 Interhospitaltransporten im Gesamtbetrag von 296.546,69 EUR betraf, die der Beklagte im Zeitraum zwischen Beginn 2013 und März 2015 vom BKH ***** aus durchgeführt hatte, wurde der Klage in zweiter Instanz stattgegeben; die Revision wurde vom Obersten Gerichtshof zu 3 Ob 8/17y zurückgewiesen, weil keiner der eingeklagten Rechnungsbeträge 5.000 EUR überstieg und nach dem Vorbringen der dort klagenden – hier beklagten – Partei zahlreiche einzelne Transportaufträge vorlagen, die iSv § 55 Abs 1 JN weder in einem tatsächlichen noch in einem rechtlichen Zusammenhang stehen. Das zweite Verfahren war zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz des streitgegenständlichen Verfahrens (19. 4. 2017) noch in erster Instanz anhängig.

Zwischen der Leitstelle Tirol GmbH und dem Beklagten besteht ein (Rahmen-)Vertrag. Eine „Vereinbarung über die Festsetzung von Tarifen für und die Abrechnung von Interhospitaltransporten mit Hubschraubern“ zwischen dem Beklagten einerseits und dem Land Tirol sowie allen Trägern der öffentlichen Krankenanstalten Tirols andererseits wurde von allen Vertragsparteien mit Ausnahme des Klägers unterfertigt.

Der Kläger erhob folgende Feststellungsbegehren:

1. Es wird mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die von der beklagten Partei vom A. ö. BKH ***** aus durchgeführten Interhospitaltransporte, die im Wege der Leitstelle Tirol organisiert werden, nicht von der klagenden Partei zu bezahlen sind.

in eventu

2. Es wird mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die von der beklagten Partei vom A. ö. BKH ***** aus aufgrund des Tiroler Rettungsdienstgesetzes 2009 durchgeführten Interhospitaltransporte, die im Wege der Leitstelle Tirol organisiert werden, kein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien begründen, das eine Entgeltverpflichtung der klagenden Partei für diese Transporte zur Folge hätte.

3.

a) Es wird mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die klagende Partei nicht Auftraggeber der vom A. ö. BKH ***** aus durchgeführten, im Wege der Leitstelle Tirol organisierten, Interhospitaltransporte ist.

b) Es wird mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die beklagte Partei bei Durchführung der im Wege der Leitstelle Tirol organisierten Interhospitaltransporte vom A. ö. BKH ***** nicht einen Aufwand trägt, den die Klägerin nach dem Gesetz tragen muss.

c) Es wird mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die klagende Partei nicht derjenige iSd § 10 Abs 1 Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009 ist, zu dessen Gunsten der Rettungseinsatz erfolgt ist, wenn die beklagte Partei vom A. ö. BKH ***** aus einen im Wege der Leitstelle Tirol organisierten Interhospitaltransport durchführt.

Der Kläger habe ein rechtliches Interesse daran, auf Dauer festgestellt zu haben, dass er derartige Interhospitaltransporte des Beklagten nicht zu bezahlen habe. Er behaupte ausdrücklich nicht das Bestehen eines Dauerrechtsverhältnisses in Bezug auf die Interhospitaltransporte zwischen ihm und dem Beklagten. Es bestehe aber insofern eine dauerhafte Beziehung zwischen ihnen, als über Auftrag der Leitstelle Tirol GmbH Interhospitaltransporte vom BKH ***** durch den Beklagten in höherwertige Krankenhäuser durchgeführt würden. Mit Sicherheit sei damit zu rechnen, dass der Kläger auch künftig in ähnlicher Häufigkeit aufgrund ärztlicher Verpflichtung und Sorgfalt Verlegungen von Patienten in höherwertige Krankenhäuser vorzunehmen haben werde, er aufgrund der Vorschriften des Tiroler Rettungsdienstgesetzes 2009 diese Interhospitaltransporte ausschließlich über die Leitstelle Tirol GmbH anzufordern habe und die Leitstelle Tirol GmbH den in ***** stationierten Hubschrauber des Beklagten zur Durchführung dieses Transports anfordern bzw (nach der Rechtsansicht des Klägers) damit beauftragen werde. Dem Kläger gehe es darum, festgestellt zu haben, dass aufgrund der Abwicklung der Interhospitaltransporte unter dem Regime des Tiroler Rettungsdienstgesetzes 2009 kein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien zustande komme, das eine Entgeltverpflichtung des Klägers für diese Transporte begründen würde.

Der Beklagte bestritt – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – das Vorliegen der Voraussetzungen des § 228 ZPO.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Bei einer Feststellungsklage nach § 228 ZPO müsse es sich um ein gegenwärtiges, bereits zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung bestehendes Rechtsverhältnis handeln. Sämtliche Feststellungsbegehren scheiterten bereits daran, dass kein feststellungsfähiges Recht oder Rechtsverhältnis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliege.

Der Verfassungsgerichtshof wies mit Beschluss vom 20. 6. 2018, G 117/2017‑13, einen vom Kläger anlässlich seiner Berufung erhobenen Parteiantrag auf Normenkontrolle nach Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG, mit dem er die Aufhebung mehrerer Gesetzesstellen des Tiroler Rettungsdienstgesetzes 2009 anstrebte, mangels Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen zurück (ON 20). Der Verfassungsgerichtshof führte begründend aus, dass das Erstgericht „festgestellt [hat], dass es an einem feststellungsfähigen konkreten Rechtsverhältnis fehle und mit einer Klage nach § 228 ZPO ein rein prozessualer Anspruch geltend gemacht werden könne“. Wie der Kläger selbst zutreffend ausführe, sei daher das Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009 in diesem Verfahren nicht angewendet worden.

Das Berufungsgericht bestätigte hierauf das Ersturteil. Es komme jeweils ein einzelnes Rechtsverhältnis zustande, das den Beklagten zur Durchführung des Fluges und den jeweiligen Auftraggeber zur Zahlung der Transportkosten verpflichte. Nach Durchführung des Fluges sei dieses Rechtsverhältnis wieder beendet. Auf ein solches konkretes Vertragsverhältnis, das noch nicht Gegenstand der Leistungsklagen gewesen sei, habe sich der Kläger weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Berufung konkret gestützt. Abgesehen davon habe der Kläger nicht einmal behauptet, dass sich der Beklagte eines Rechtsanspruchs berühmt habe. Tatsächlich möchte der Kläger mit seinen Feststellungsbegehren ein „Rechtsgutachten“ zur Frage erlangen, ob das Verhalten eines Arztes des BKH *****, der eine medizinisch notwendige Verlegung in ein anderes Krankenhaus per Hubschrauber anfordere, in rechtlicher Hinsicht nicht als Auftragserteilung des Klägers und damit nicht als ein zwischen den Streitteilen zustande gekommenes Rechtsverhältnis zu werten sei. Solch eine Frage könne aber– wie in den Verfahren zu 2 C 85/15p oder 5 C 93/17i des Bezirksgerichts ***** – mit einer jeweils konkreten Leistungsklage oder durch eine negative Feststellungsklage zu einem im Einzelnen konkretisierten Transportauftrag geklärt werden. Solch eine Feststellungsklage in Bezug auf ein konkretes Rechtsverhältnis oder in Bezug auf die Berühmung, dass dem Beklagten gegenüber dem Kläger eine konkrete Forderung in Höhe eines bestimmten Betrags zustehe, sei hier aber nicht erhoben worden.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist nicht zulässig; sie

zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Nach § 228 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass jenes Rechtsverhältnis oder Recht durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Der Kläger hat das rechtliche Interesse darzutun (RIS‑Justiz RS0037977 [T1]). Das Bestehen eines rechtlichen Interesses richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls, denen – vom hier nicht vorliegenden Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen – keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0039177 [T1]).

Bereits in der älteren Rechtsprechung wurde ausgesprochen, dass es nicht angeht, das Begehren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts nach § 228 ZPO aufgrund noch gar nicht vorliegender Tatsachen zu begehren (OGH 30. 12. 1898 GlUNF 438). Auch nach jüngerer Rechtsprechung kann Gegenstand der Klage nicht ein erst künftig entstehendes Rechtsverhältnis oder ein etwa künftig entstehender Anspruch sein (RIS‑Justiz RS0039178). Es muss sich also um ein gegenwärtiges, das heißt zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung bereits bestehendes Rechtsverhältnis (oder Recht) handeln (5 Ob 24/02v). Solange sich der rechtserzeugende Sachverhalt noch nicht vollständig konkretisiert hat, ist eine Feststellungsklage nicht möglich (4 Ob 154/09i; RIS‑Justiz RS0039071 [T4]). Die Klage ist daher abzuweisen, wenn die zur Begründung des Rechtsverhältnisses erforderliche Tatsache noch nicht eingetreten ist (7 Ob 252/08x). Weder sind nämlich abstrakte Rechtsfragen feststellungsfähig noch ist deren Beantwortung Aufgabe der Gerichte (7 Ob 75/01g; 8 ObA 39/16t).

Mit diesen Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen im Einklang.

2.1. Soweit in Bezug auf vom Beklagten durchgeführte Flüge bereits durch den Prozess 2 C 85/15p des Bezirksgerichts ***** rechtskräftig die Zahlungspflicht des Klägers feststeht, ist es aufgrund des Prozesshindernisses der Rechtskraft ausgeschlossen, hinsichtlich jener in Rechnung gestellten Flüge hier ein rechtliches Interesse des Klägers an den begehrten Feststellungen anzunehmen. Entsprechendes gilt hinsichtlich jener Flüge, für welche das Verfahren über das Zahlungsbegehren des Beklagten zu 5 C 93/17i des Bezirksgerichts ***** im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch vor dem Bezirksgericht ***** in erster Instanz behing; hier verhindert das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit, hinsichtlich jener Flüge im gegenständlichen Verfahren ein rechtliches Interesse an den begehrten Feststellungen anzunehmen.

Dass der Beklagte andere Flüge durchgeführt hat, hat der Kläger nicht konkret behauptet, auch nicht, dass der Beklagte ihm für diese Rechnung gelegt und sich damit eines Zahlungsanspruchs ihm gegenüber berühmt hätte (vgl RIS‑Justiz RS0039096 [T7] = RS0039260 [T2]; RS0038974 [T3]). Zumal die negative Feststellungsklage den Zweck hat, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben (RIS‑Justiz RS0039109), wäre aber bei einem bereits durchgeführten Flug, hinsichtlich welchem sich der Beklagte durch Legung einer Rechnung gegenüber dem Kläger eines Zahlungsanspruchs berühmt, unabdingbar, konkret den Flug und die dazu eingegangene Rechnung in der negativen Feststellungsklage vorzubringen. Auf die bloße Möglichkeit zukünftiger Flüge und damit dem Kläger drohende Kostenbelastungen kann eine Feststellungsklage, wie dargelegt, nicht gestützt werden.

2.2. Dass der Kläger keinen konkreten Interhospitalflug, der in den bisher anhängig gemachten Leistungsklagen noch nicht gegenständlich war oder ist, behauptet hat, hielt das Berufungsgericht dem Kläger daher zu Recht entgegen (Berufungsurteil Seite 14).

3. Die Überlegung des Klägers, die „gesetzliche Determination des § 5 Abs 1 lit c Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009“, der ihn zwinge, „so zu gestionieren wie dort vorgesehen, das heißt auch mit der beklagten Partei im Zusammenhang mit den Interhospitaltransporten ‘in Kontakt zu kommen‘“, schaffe bereits ein Rechtsverhältnis unabhängig vom jeweiligen konkreten Interhospitaltransport, begründet nicht die Zulässigkeit seiner Feststellungsbegehren.

4. Aus abstrakten Überlegungen des Klägers zu einem durch ein Gesetz (gleich ob Landesgesetz oder Bundesgesetz) dauerhaft geschaffenen „Kontrahierungs‑ zwang“ ist für die Zulässigkeit der vorliegenden Feststellungsbegehren ebenfalls nichts zu gewinnen.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.

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