European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128966
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die drittbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen deren Vertreterin die mit 5.580,54 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin enthalten 930,09 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Mit der dem Anlassverfahren zugrunde liegenden Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten zu ungeteilter Hand die Zahlung von 3 Mio EUR, und von den Erst‑ bis Drittbeklagten sowie der Fünftbeklagten die Zahlung weiterer 41.628,85 EUR, jeweils samt Anhang. Sie habe als Haftpflichtversicherin des – einen Liegenschaftskaufvertrag abwickelnden – Treuhänders den Käuferinnen den geltend gemachten Betrag ersetzt. Sämtliche gegenüber den Beklagten bestehenden Ansprüche und Forderungen ihres Versicherungsnehmers – aus jedem erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere nach §§ 1431 ff ABGB und § 1041 ABGB – seien auf sie gemäß § 67 VersVG übergegangen.
Die Beklagten beantragten jeweils die Klagsabweisung.
Gegen das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts vom 6. 2. 2019 erhob die Klägerin Berufung. Die Beklagten erstatteten Berufungsbeantwortungen.
Mit Schriftsatz vom 4. 6. 2019 lehnte der Drittbeklagte die Mitglieder des nach der Geschäftsverteilung für die Erledigung der Berufung zuständigen Rechtsmittelsenats 3 des Oberlandesgerichts Graz Senatspräsident Dr. S* und die Richterinnen Mag. W* und Mag. D* als befangen ab.
In ihrer Äußerung zum Ablehnungsantrag gaben die abgelehnten Richter/Innen jeweils an, sich bei der Bearbeitung und Entscheidung der Berufung unbefangen zu fühlen und allen Beteiligten des Zivilprozesses äquidistant gegenüber zu stehen.
Der nach der Geschäftsverteilung zuständige Senat 7 des Oberlandesgerichts Graz (Ablehnungssenat) wies den Ablehnungsantrag ab.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rekurs des Drittbeklagten mit einem Abänderungsantrag.
Die Klägerin beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Drittbeklagten ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt.
1. Der vom Drittbeklagten aus Anlass des Rekurses erhobene, auf Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG gestützte Parteienantrag auf Normenkontrolle, mit dem er die Aufhebung konkret genannter Wortfolgen in den § 19 Abs 2 JN, § 22 Abs 2 und 3 JN wegen Verfassungswidrigkeit begehrte, wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. 9. 2019, (G 173/2019‑5) zurückgewiesen. Der im Rekurs enthaltene Antrag auf „Innehaltung“ des Rekursverfahrens im Hinblick auf den Parteienantrag auf Normenkontrolle ist daher überholt.
1. Eine Nichtigkeit der bekämpften Entscheidung liegt nicht vor:
1.1 Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 8. 8. 2019, GZ 2 Nc 11/19t‑1, wurde der vom Drittbeklagten erhobene Ablehnungsantrag gegen die Richter des Ablehnungssenats, die über seinen Ablehnungsantrag entschieden haben, abgewiesen. Diese Entscheidung wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 27. 11. 2019, AZ 7 Ob 152/19g, bestätigt. Der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO (§ 514 Abs 2 ZPO) setzt aber voraus, dass die Entscheidung durch Richter erfolgt ist, deren Ablehnung als berechtigt erkannt wurde.
1.2 Der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO (§ 514 Abs 2 ZPO) ist dann verwirklicht, wenn die Fassung der Entscheidung so mangelhaft ist, dass sich deren Überprüfung nicht mit Sicherheit vornehmen lässt oder die Entscheidung mit sich selbst im Widerspruch steht oder dafür keine Gründe angegeben sind. Keiner dieser Tatbestände wird hier dadurch erfüllt, dass in der angefochtenen Entscheidung nicht auf alle vom Rekurswerber ins Treffen geführte Argumente in der von ihm gewünschten Weise eingegangen wurde.
2. Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive (vgl RS0045975). Sie liegt erst vor, wenn die Fähigkeit zur sachlichen Beurteilung fehlt oder behindert ist oder eine solche Behinderung doch mit Grund befürchtet werden muss (RS0045961).
3. Der Drittbeklagte wirft dem Rechtsmittelsenat im Hauptverfahren vor, als Rekurssenat im Konkursverfahren über das Vermögen der – im vorliegenden Verfahren nicht beteiligten – R* OG zu Unrecht die Überschuldung angenommen zu haben. Ein Zusammenhang des Konkursverfahrens mit dem vorliegenden Verfahren bzw dem hier Drittbeklagten sei insofern gegeben, als dessen Bruder gemeinsame Kinder mit Gesellschafterinnen der Schuldnerin habe. Die Richter würden nicht nur in ihrer unrichtigen vorgefassten Meinung über das Vorliegen der Überschuldung der R* OG verharren, sondern hätten eine gerichtsnotorische Aversion („Abscheu“) gegen seinen Bruder entwickelt, gegen dessen Lebensstil und gegen alle Personen, die zu dessen Umfeld zählten. Der Konkurs sei völlig verfehlt und aufzuheben.Weiters leitet der Rekurswerber aus einer in einer Rekursentscheidung enthaltenen Formulierung auch die Voreingenommenheit gegenüber der Fünftbeklagten ab.
4. Wie bereits der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Graz zutreffend erkannt hat, werden mit diesem Vorbringen keine ausreichenden Gründe dargelegt, die bei objektiver Betrachtung die Befürchtung erwecken könnten, die Richter des Senats 3 des Oberlandesgerichts Graz könnten sich bei ihrer Entscheidung über die Berufung von unsachlichen Motiven leiten lassen:
4.1 Eine allfällige Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung oder deren Begründung bilden grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund (vgl RS0111290), weil es nicht Aufgabe des Ablehnungssenats ist, eine Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (RS0046047).
4.2 Zwar kann die Ablehnung auch darauf gestützt werden, das bei allen Richtern im Wesentlichen die selben Ablehnungsgründe vorliegen (RS0054984). Die bloße Befürchtung einer ungünstigen allgemeinen Stimmung reicht dafür aber nicht aus (4 Ob 143/10y mwN).
4.3 Das Oberlandesgericht Graz sprach als Rekursgericht mit Beschluss vom 16. 4. 2019, AZ 3 R 51/19y, 3 R 52/19w, 3 R 53/19t und 3 R 54/19i in der Konkurssache der Schuldnerin R* Beteiligungs OG über Rekurse der Schuldnerin ab. An dieser Rekursentscheidung wirkten – die hier abgelehnten – Richter und Richterinnen Senatspräsident Dr. S*, Mag. W* und Mag. D* mit. In der Entscheidungsbegründung findet sich die Formulierung laut Firmenbuch sei die gesellschaftsrechtliche Situation der Schuldnerin mit einer weiteren Gesellschaft „sehr verwoben“. Diese Formulierung ordnet der Rekurswerber allein dem Senatsmitglied Mag. W* zu und leitet daraus die angebliche Befangenheit dieser Richterin gegenüber der Fünftbeklagten (der Komplementärin der Erst‑ und Zweitbeklagten) ab. Aus der beanstandeten Formulierung lässt sich aber nicht erschließen, dass die Richterin Mag. W* nicht bereit sei, sich bei ihren Entscheidungen auf sachliche Erwägungen zu stützen (RS0045961). Auch mit diesem Vorbringen werden daher keine Umstände aufgezeigt, die objektiv die Beurteilung rechtfertigen, die Unbefangenheit von Mag. W* in Zweifel zu ziehen (RS0046024 [T2]).
Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 52, 41 Abs 1 ZPO. Das Ablehnungsverfahren bildet einen Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (4 Ob 143/10y).
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