OGH 9Ob125/04d

OGH9Ob125/04d2.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Walter C***** Pensionist, *****, vertreten durch Univ. Doz. Dr. Richard Soyer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Annegret C*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung nach §§ 81 ff EheG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. Juli 2004, GZ 42 R 199/04g-61, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 31. März 2004, GZ 101 C 86/01i-57, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Aufteilungsverfahrens sowie die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die zwischen den Parteien am 2. 7. 1966 geschlossene Ehe wurde mit dem am 14. 8. 2000 zugestellten Urteil des Erstgerichtes vom 26. 7. 2000 aus dem Verschulden der Antragsgegnerin geschieden. Ihrer Berufung, die nur die Abänderung des Verschuldensausspruchs anstrebte, wurde mit Urteil des Berufungsgerichtes vom 28. 12. 2000, zugestellt am 21. 3. 2001, teilweise Folge gegeben und der Verschuldensausspruch dahin abgeändert, dass das Verschulden beide Teile treffe, wobei jedoch jenes der Antragsgegnerin überwiege.

Mit dem am 13. 8. 2001 beim Erstgericht eingelangten Aufteilungsantrag nach §§ 81 ff EheG vom 11. 8. 2001 beantragte der Antragsteller, die Antragsgegnerin zu einer Zahlung von ATS 431.441 (EUR 31.354,04) sA und zur Herausgabe „der Hälfte" im Antrag näher bezeichneter Gegenstände (Spalte 2 der Tabelle ./A) zu verpflichten; von der Herausgabeverpflichtung könne sich die Antragsgegnerin durch Zahlung von ATS 200.000 (EUR 14.534,57) sA befreien.

Die Antragsgegnerin bestritt mit Schriftsatz vom 21. 9. 2001, eingelangt beim Erstgericht am 26. 9. 2001, den Aufteilungsantrag und beantragte ihrerseits, den Antragsteller zur Zahlung von ATS 1,2 Mio (EUR 87.207,40) und zur Herausgabe von drei näher bezeichneten Gegenständen zu verpflichten.

Der Antragsteller bestritt diesen Gegenantrag und änderte mit Schriftsatz vom 3. 12. 2001, eingelangt beim Erstgericht am 5. 12. 2001, seinen Aufteilungsantrag dahin, dass er anstelle von ATS 431.441 (EUR 31.354,04) sA nunmehr Zahlung von ATS 931.441 (EUR 67.690,46) sA und überdies die Herausgabe eines weiteren näher bezeichneten Bildes begehre; hinsichtlich dieses Objektes sei keine Befreiung von der Herausgabeverpflichtung durch Zahlung möglich.

In der Tagsatzung vom 15. 10. 2003 übergab die Antragsgegnerin dem Antragsteller ein Bild und zwei bemalte Steine. Der Antragsteller zog hierauf seinen Aufteilungsantrag zurück. Die Antragsgegnerin gab dazu keine Erklärung ab.

Mit Beschluss vom 15. 10. 2003 wies das Erstgericht den Antrag der Antragsgegnerin vom 26. 9. 2001, den Antragsteller zur Zahlung eines Betrags von ATS 1,2 Mio zu verpflichten, zurück. Mit der Rückziehung des Antrags sei der Gegenantrag gegenstandslos, weil er nicht selbständig fortlebe.

Über Rekurs der Antragsgegnerin hob das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluss wieder auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Aufteilungsverfahrens auf. Auch ein nur von einem vormaligen Ehegatten gestellter Antrag auf nacheheliche Aufteilung gemäß §§ 81 ff EheG könne mit verfahrensbeendender Wirkung nur im Einvernehmen beider Ehegatten wieder zurückgezogen werden. Die einseitige Rückziehung des Aufteilungsantrags durch den Antragsteller habe daher nur zur Folge, dass er nicht mehr eine bestimmte Aufteilung des ehelichen Vermögens in der von ihm beantragten Weise begehren könne; es stehe der Antragsgegnerin frei, das Aufteilungsverfahren, an dem der Antragsteller nach wie vor beteiligt sei, fortzusetzen.

In der Tagsatzung vom 11. 3. 2004 beantragten die Parteien, das Erstgericht möge ohne weiteres Beweisverfahren zwecks Vermeidung weiterer Kosten vorerst nur dem Grunde nach über ihre Anträge entscheiden. Das Erstgericht verkündete hierauf den Beschluss auf Abweisung des Antrags des Antragstellers und Zurückweisung des Antrags der Antragsgegnerin. Begründet wurde dies damit, dass der Antrag des Antragstellers zurückgezogen, der materielle Standpunkt somit preisgegeben worden sei; es bestehe daher kein konkreter Aufteilungsantrag mehr. Der Antrag der Antragsgegnerin sei verfristet.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragsgegnerin gegen die Zurückweisung ihres Antrags, worin sie primär Abänderung durch Verpflichtung des Antragsgegners zu einer Ausgleichszahlung von ATS 1,2 Mio (EUR 87.207,40), hilfsweise die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses begehrte, nicht Folge und bestätigte den angefochtenen Beschluss mit der Maßgabe, dass auch der Antrag der Antragsgegnerin (nicht zurück-, sondern) abgewiesen wird. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG vorliege. Der Gegenantrag der Antragsgegnerin sei gemäß § 95 EheG verfristet, sodass die Aufteilungsmasse nur durch den Aufteilungsantrag des Antragstellers festgelegt werde. Dieser könne seinen Aufteilungsantrag nicht einseitig zurückziehen; da aber die Antragsgegnerin die auf die Rückziehung des Aufteilungsantrags des Antragstellers gestützte Abweisung nicht bekämpfte, habe sie damit inhaltlich seiner Rückziehung zugestimmt. Da ihr Antrag verfristet und kein Begehren mehr offen sei, an dem sie teilhaben könne, sei ihr Antrag nicht mehr zu behandeln. Ihr Antrag sei jedoch nicht zurück-, sondern abzuweisen, weil es sich bei der Frist des § 95 EheG um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist handle.

Dagegen richtet sich der (außerordentliche) Revisionsrekurs der Antragsgegnerin aus dem „Revisionsgrund" der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Antragsteller zu einer Ausgleichszahlung von EUR .207,40 verpflichtet werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsteller erstattete trotz Freistellung keine Revisionsrekursbeantwortung.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist wegen Fehlbeurteilung einer Antragsrückziehung im Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG durch die Vorinstanzen zulässig; er ist auch iSd gestellten Eventualantrags berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 85 EheG hat das Gericht auf Antrag (eines Ehegatten) über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse nur (also subsidiär) zu entscheiden, soweit sich die Ehegatten über die Aufteilung nicht einigen. Der verfahrensrechtliche Anspruch auf gerichtliche Entscheidung ist nach seinem Inhalt unabhängig von der formellen Antragstellung als gemeinschaftlicher Antrag beider vormaliger Ehegatten aufzufassen (6 Ob 521/85; 10 Ob 222/00w ua), woraus folgt, dass der Antrag auf nacheheliche Vermögensaufteilung nur im Einvernehmen beider vormaligen Ehegatten wirksam zurückgezogen werden kann (Hopf/Kathrein, Eherecht § 85 EheG Anm 6; Schwimann/Bernat ABGB² I § 85 EheG Rz 1; Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 85 EheG Rz 1 und § 95 EheG Rz 2; 6 Ob 655/83 = JBl 1984, 376; 6 Ob 189/97f; 4 Ob 242/00t ua), wovon auch das Rekursgericht zutreffend ausging. Seiner weiteren Auffassung, die Antragsgegnerin hätte der Antragsrückziehung durch den Antragsteller zugestimmt, weil sie die hierauf gestützte Abweisung des Aufteilungsantrags nicht bekämpft habe, kann hingegen angesichts der klaren Haltung der Antragsgegnerin, das Aufteilungsverfahren ungeachtet der Antragsrückziehung fortführen zu wollen, nicht beigetreten werden. Mangels Einvernehmens über die Antragsrückziehung ist die vom Antragsteller einseitig erklärte Rückziehung rechtlich wirkungslos geblieben (4 Ob 242/00t). Sie hat daher nur zur Folge, dass der Antragsteller nicht mehr eine bestimmte Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens in der von ihm beantragten Weise begehren kann, es der Antragsgegnerin aber freisteht, das Aufteilungsverfahren, das vom Antragsteller seinerzeit fristgerecht eingeleitet wurde und an dem er nach wie vor beteiligt ist, fortzusetzen (6 Ob 189/97f; 9 Ob 125/03b). Die Antragsrückziehung ändert nichts daran, dass im fortzusetzenden Aufteilungsverfahren, die Interessen beider Parteien achtend, nach den Billigkeitsgrundsätzen des Aufteilungsverfahrens (§ 83 Abs 1 EheG) eine Aufteilungsentscheidung zu treffen sein wird (4 Ob 242/00t). Nach der unwirksamen Antragsrückziehung hatte keine Teilabweisung des Antrags des Antragstellers zu erfolgen, die sich auf die Rückziehung gründet. Die unrichtige Rekurserklärung der Antragsgegnerin war unbeachtlich, weil ihr Begehren deutlich war und sich eindeutig auf die Fortsetzung des Verfahrens richtete (§ 84 Abs 2 ZPO). Ebenso wenig wie „Teil-Zwischenerledigungen" im Aufteilungsverfahren zulässig sind (7 Ob 279/00f ua), vermag im Übrigen die Rekurserklärung der Antragsgegnerin, die Abweisung des Antrages des Antragstellers möge „in Rechtskraft" erwachsen (ON 58), die Rechtsmittelgerichte zu binden.

Im fortgesetzten Verfahren wird zu beachten sein, dass die Aufteilungsmasse durch den fristgerechten Aufteilungsantrag des Antragstellers bindend festgelegt wird (Hopf/Kathrein aaO § 85 EheG Anm 4; 6 Ob 189/97f; 1 Ob 237/98d; 1 Ob 154/99z; 10 Ob 222/00w; 4 Ob 21/01v; 4 Ob 285/01t ua). Der erst nach Ablauf der Jahresfrist (§ 95 EheG) gestellte Gegenantrag der Antragsgegnerin war daher zufolge (unstrittiger) Verspätung nicht geeignet, die Aufteilungsmasse in quantitativer Hinsicht zu erweitern. Ebenfalls verspätet war die Antragsausdehnung durch den Antragsteller mit Schriftsatz vom 3. 12. 2001; die Aufteilungsmasse konnte daher auch dadurch nicht mehr erweitert werden (Schwimann/Bernat aaO § 95 EheG Rz 1). Es bleibt den Parteien jedoch unbenommen, dem Gericht im Rahmen der bindend festgelegten Aufteilungsmasse auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG Aufteilungsvorschläge zu unterbreiten (6 Ob 189/97f), an die es allerdings nicht gebunden ist (Hopf/Kathrein aaO § 85 EheG Anm 4; Stabentheiner aaO § 85 EheG Rz 1; 4 Ob 21/01v ua). Das Gericht hat die Anordnungen zu treffen, die den Aufteilungsgrundsätzen am ehesten gerecht werden (8 Ob 505/85 ua). Die einvernehmliche Ausfolgung von drei Gegenständen durch die Antragsgegnerin an den Antragsteller in der Tagsatzung vom 5. 10. 2003 kann im fortgesetzten Verfahren als Teilerledigung des Aufteilungsantrags gewertet werden, soweit sie sich auf Gegenstände des ehelichen Gebrauchsvermögens bezieht, die bereits Teil des Aufteilungsantrags waren. Dies scheint der Fall zu sein, wird jedoch mit den Parteien im fortgesetzten Verfahren zur Vermeidung jedes Zweifels zu erörtern sein.

Eine (allenfalls auch amtswegige) Ausgleichszahlung - des Antragstellers oder der Antragsgegnerin - kommt nur dann in Betracht, wenn die reale Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens zu einem unbilligen Ergebnis führt. Der durch Zuweisung der Vermögenswerte nicht zu überbrückende Wertunterschied ist diesfalls durch eine Ausgleichszahlung auszugleichen (§ 94 Abs 1 EheG; 9 Ob 35/00p ua). Die Ausgleichszahlung ist vom Gericht nach billigem Ermessen festzusetzen. Es ist auch hiebei besonders auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens Bedacht zu nehmen (§ 83 Abs 1 EheG). Mit der allgemeinen Regel der Aufteilung nach Billigkeit wollte der Gesetzgeber der Vielfalt der Lebenswirklichkeit Rechnung tragen. Im Wesentlichen geht es darum, dass die Folgen der Scheidung in wirtschaftlicher Hinsicht in einer für beide Ehegatten möglichst ausgeglichenen Weise geregelt werden (Hopf/Kathrein aaO § 83 EheG Anm 1 und § 94 EheG Anm 3; 9 Ob 35/00p ua). Durch diese Zahlung soll, soweit eine andere Art der Aufteilung nicht zu erzielen ist, ein einigermaßen billiger Ausgleich derart zustande kommen, dass die Überlegung angestellt wird, welcher Geldbetrag dem Vorteil des Teils entspricht, der bei der sonstigen Aufteilung besser weggekommen ist (9 Ob 35/00p ua).

Da die Vorinstanzen auf Grund ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht bisher keine Tatsachenfeststellungen zur Aufteilung getroffen haben, ist mit der Aufhebung ihrer Entscheidungen und dem Auftrag an das Erstgericht, das Aufteilungsverfahren fortzusetzen und sodann neuerlich zu entscheiden, vorzugehen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 234 AußStrG iVm § 52 ZPO.

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