OGH 1Ob154/99z

OGH1Ob154/99z22.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Brigitte S*****, vertreten durch Dr. Peter Schlösser und Dr. Christian Schoberl, Rechtsanwälte in Graz, gegen den Antragsgegner Mag. Norbert S*****, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach §§ 81 ff EheG infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. März 1999, GZ 43 R 68/99i-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 30. Oktober 1998, GZ 8 F 143/97m-33, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde am 10. Juni 1996 mit mündlich verkündetem Scheidungsurteil eines Bezirksgerichts aus dem gleichteiligen Verschulden beider Teile nach Rechtsmittelverzicht beider Streitteile formell rechtskräftig geschieden.

Mit Antrag vom 9. Juni 1997, somit fristgerecht, begehrte die Antragstellerin die gerichtliche Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse in der Form, daß ihr ein Betrag von 1 Mio S sA als Anteil an den ehelichen Ersparnissen (von insgesamt zumindest 2 Mio S) sowie jene Gegenstände des gemeinsamen Hausrats, die in der einen integrierenden Bestandteil des Aufteilungsantrags bildenden Tabelle mit einem Kreuz bezeichnet sind, zugesprochen werden. Dieser Antrag wurde dem damaligen Rechtsvertreter des Antragsgegners am 4. September 1997 zugestellt.

Mit seiner am 10. Dezember 1997, somit nach Ablauf der Frist des § 95 EheG, beim Erstgericht eingelangten Stellungnahme ON 19 bestritt der Antragsgegner die Ansprüche der Antragstellerin dem Grunde und der Höhe nach, beantragte seinerseits den Zuspruch einer Ausgleichszahlung von 3,412 Mio S sowie die Zuteilung näher bezeichneter Gegenstände des ehelichen Gebrauchsvermögens.

Das Erstgericht wies mit mündlich verkündetem Beschluß in der Tagsatzung vom 21. Oktober 1998 den Schriftsatz des Antragsgegners ON 19 insoweit, als er einen Aufteilungsantrag des Antragsgegners enthalte, und in dessen schriftlicher Ausfertigung den "Aufteilungsantrag des Antragsgegners vom 9. 12. 1997" ab, weil der Aufteilungsantrag des Mannes im Hinblick auf die - auch für Gegenanträge maßgebliche und auch von Amts wegen wahrzunehmende - Frist des § 95 EheG verfristet sei.

Das Rekursgericht behob diesen Beschluß ersatzlos und trug dem Erstgericht die Verfahrensfortsetzung auf, womit es inhaltlich den erstinstanzlichen Beschluß zum Teil abänderte und zum Teil aufhob. Einerseits fehle dem erstgerichtlichen Beschluß die Rechtsgrundlage, weil im Verfahren außer Streitsachen Entscheidungen über Anspruchsgründe dem verfahrensabschließenden Sachbeschluß vorbehalten seien und die generelle Abweisung des vom Antragsgegner in seiner Stellungnahme gestellten Antrags in Form eines Zwischenbeschlusses vor Ende des Verfahrens unzulässig sei. Andererseits käme dem Schriftsatz des Antragsgegners eine Doppelfunktion zu. Zum einem seien die im Schriftsatz gestellten - und gerichtlich aufgetragenen - Anträge im Rahmen des Aufteilungsverfahrens als solche zur Findung der gerichtlichen Entscheidung nach den Grundsätzen der §§ 83 ff EheG jedenfalls zu berücksichtigen. Inhaltlich zählten dazu zumindest die Behauptungen des Manns, der eheliche Hausrat sei bereits aufgeteilt, die zu "Punkt 2.1. - Hausrat" vorgebrachten Stellungnahmen und Anträge sowie die Angaben über das Einkommen der Antragstellerin, deren Beitrag zum Haushaltsbudget und ihre Verfügungen über gemeinsame Konten. Im übrigen sei das Vorbringen des Antragsgegners, soweit es über eine bloße Bezugnahme auf den Aufteilungsantrag der Frau hinausgehe, als eigenständiger Neuantrag zu werten. Dies betreffe insbesondere die Antragspunkte zur Ehewohnung, zum Vermögen der Frau und zur Gegenständen im Alleineigentum des Antragsgegners. Soweit der Mann infolge gerichtlichen Auftrags innerhalb darin gesetzter Frist Einwendungen erhoben habe, seien diese jedenfalls als fristgerecht anzusehen; soweit sein Vorbringen als eigenständiger Antrag zu qualifizieren sei, unterlägen sie hingegen der gesetzlichen Frist des § 95 EheG. Der im Schriftsatz ON 19 enthaltene eigenständige Antrag und die darin geltend gemachten Ansprüche seien somit verfristet.

Rechtliche Beurteilung

Der von der zweiten Instanz zugelassene Revisionsrekurs der Antragstellerin, die (nur) in Ansehung des Gegenantrags des Antragsgegners auf Zuspruch einer Ausgleichszahlung von 3,412 Mio S inhaltlich die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses anstrebt, ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

a) Zurecht erfolgte die Zustellung der rekursgerichtlichen Entscheidung an den Antragsgegner selbst, hat er doch am 11. Dezember 1998 (ON 34) zu gerichtlichem Protokoll gegeben, die Vollmacht seines bisherigen Rechtsvertreters widerrufen zu haben und sich nun "selbst" zu vertreten. Die Beendigung des Vollmachtsverhältnissen im Außenverhältnis wirkt zwar erst mit der Zustellung des entsprechenden Schriftsatzes an den Prozeßgegner (vgl Fucik in Rechberger, § 36 ZPO Rz 1), doch erfolgte diese im vorliegenden Fall mit der Zustellung von ON 34 an den Rechtsvertreter der Antragstellerin am 29. Dezember 1998, sodaß ab diesem Zeitpunkt Zustellungen an den Antragsgegner selbst erfolgen konnten (Fucik aaO).

b) Gemäß § 95 EheG erlischt der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wird. Nach herrschender Auffassung ist die Frist des § 95 EheG eine von Amts wegen wahrzunehmende materiellrechtliche Fall-, Ausschluß- oder Präklusivfrist, deren Nichteinhaltung zum Anspruchsverlust führt (SZ 54/166, SZ 55/192 = JBl 1983, 648 [krit Huber], EFSlg 84.708 uva, zuletzt 1 Ob 237/98d; Pichler in Rummel2 § 95 EheG Rz 1), ohne daß auch nur eine Naturalobligation bestehen bleibt. Der Präklusivfrist des § 95 EheG unterliegen allerdings nur Aufteilungsansprüche, also Ansprüche auf Rechtsgestaltung iSd §§ 81 f EheG, nicht aber damit möglicherweise aus dem Zivilrecht ableitbare konkurrierende alternative Ansprüche (6 Ob 216/97a = Jus-Extra OGH-Z 2559; RIS-Justiz RS0110013). Diese Frist wurde vom Gesetzgeber mit Rücksicht auf das Interesse an der ehesten Klärung der Vermögensverhältnisse der vormaligen Ehegatten festgesetzt, das nicht nur diese selbst, sondern auch dritte Personen an einer alsbaldigen Klarstellung der vermögensrechtlichen Verhältnisse haben (SZ 60/116 mwN ua, zuletzt 1 Ob 237/98d). Die zeitliche Beschränkung der Geltendmachung von Ansprüchen soll an sich auch hier jene Beweisschwierigkeiten vermeiden, die sich sonst ergeben könnten, und zwingt so den Antragsteller, seinen Antrag noch zu einer Zeit geltend zu machen, in der beiden Ehegatten die zur einwandfreien Klarstellung des Sachverhalts notwendigen Beweismittel etc in aller Regel noch zur Verfügung stehen. Möglichst rasch sollen demnach klare Verhältnisse über die Vermögenlage der vormaligen Ehegatten geschaffen werden (1 Ob 542/90, 1 Ob 237/98d; Bernat in Schwimann2, § 95 EheG Rz 2 mwN).

c) Grundsätzlich wird nach stRspr die Aufteilungsmasse durch die bei Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG vorliegenden Parteienanträge bindend festgelegt (JBl 1991, 459 = EFSlg 66.561; EFSlg 81.750 f, 84.712, zuletzt 1 Ob 237/98d ua; RIS-Justiz RS0057583). In der Entscheidung 6 Ob 189/97f wurde ausgeführt, die Aufteilungsmasse sei durch den - dort auf die Ehewohnung - eingeschränkten Parteiantrag festgelegt; dies bedeute aber nicht, daß bei der Entscheidung hierüber nicht das gesamte, nach den verfahrensrechtlichen Parteienbehauptungen bei Auflösung der ehelichen Gemeinschaft vorhanden gewesene eheliche Vermögen bei der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen wäre. Diese Auffassung wurde vom erkennenden Senat bereits in der Entscheidung 1 Ob 237/98d gebilligt. Der Antrag bestimmt den Verfahrensgegenstand quantitativ (in Ansehung der der gerichtlichen Entscheidung unterworfenen Vermögensteile), ist aber qualitativ (in Ansehung der zu treffenden Anordnungen) nur relativ bindend. Nach stRspr (RIS-Justiz RS0008525) ist zwar der Gegenstand des nach den Vorschriften der §§ 229 ff AußStrG durchzuführenden Regelungsverfahrens durch den Antrag der vormaligen Ehegatten bindend begrenzt, sodaß der Richter Anordnungen nur in Ansehung jener Sachen treffen darf, die ausdrücklich oder zumindest erkennbar Gegenstand des Antrags sind, doch gebietet die Billigkeit, daß bei der Entscheidung auch nur über einzelne der nach dem Gesetz der Aufteilung unterliegenden Vermögensteile die übrigen Vermögensverhältnisse der Ehegatten berücksichtigt werden; die Entscheidung hat sich somit immer materiell in die der Billigkeit entsprechende Gesamtaufteilung einzufügen. Dies bedeutet aber nicht, daß außerhalb der Frist des § 95 EheG in das Verfahren einbezogene Gegenstände, Forderungen und Verbindlichkeiten mitaufgeteilt werden könnten, sondern nur, daß bei der gerichtlichen Billigkeitsentscheidung diese Vermögenswerte (und Verbindlichkeiten) mitberücksichtigt werden können; etwa in der Frage, wem der beiden vormaligen Ehegatten die Ehewohnung oder gewisse Gegenstände zuzuteilen sind.

Die Antragstellerin stellte im vorliegenden Fall einen in Ansehung der aufzuteilenden Hausratsgegenstände und der ihr gebührenden Ausgleichszahlung präzisen Antrag. Die Rspr über die Möglichkeit der Verbesserung eines zunächst unpräzise gestellten Aufteilungsantrags außerhalb der Frist, sofern darin keine erst nach Ablauf der Jahresfrist vorgenommene und deshalb unzulässige Ausdehnung des Antrags (1 Ob 237/98d ua) zu erblicken sei, erweist sich demnach hier als unanwendbar. Der Mann nahm als Antragsgegner in seinem Schriftsatz ON 19 zu dem von der Frau iSd § 95 EheG fristgerecht gestellten Aufteilungsantrag Stellung und erstattete dazu - wie die zweite Instanz zutreffend erkannte - einerseits ein Vorbringen, das in den Rahmen des von der Frau gestellten Aufteilungsantrags fällt, demnach mangels Verfristung in der Aufteilungsentscheidung unmittelbar berücksichtigt werden muß (bereits erfolgte Aufteilung des Hausrats, wesentlich geringeres Einkommen des Antragsgegners, fehlende Berufstätigkeit der Frau während der Ehe, sodaß diese auch nicht die Hälfte des Haushaltsbudgets bestritten habe; schlechtes Wirtschaften der Frau). Soweit aber im Schriftsatz ON 19 eigene Anträge des Antragsgegners über im Antrag seiner vormaligen Ehegattin nicht genannte Gegenstände, eine Ausgleichszahlung der Frau oder nach den Behauptungen nicht der Aufteilung unterliegende Gegenstände im Alleineigentum des Mannes gestellt werden, kann darauf bei der Aufteilungsentscheidung nur im Rahmen der Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen, aber nicht durch konkrete Aufteilung Bedacht genommen werden.

d) Nach stRspr (RIS-Justiz RS0008508) ist die Frage der Zulässigkeit eines amtswegigen Zwischensachbeschlusses über eine Vorfrage (analog zu § 393 Abs 1 ZPO) im verneinenden Sinn zu beantworten, weil die Vorschriften der ZPO in einem Außerstreitverfahren nur insoweit herangezogen werden können, als sie in den dieses Außerstreitverfahren regelnden Vorschriften selbst genannt werden. Eine Anwendung des § 393 Abs 1 ZPO - als Zwischenentscheidung über den Grund des Anspruchs - ist jedoch im Verfahren nach §§ 230 ff AußStrG nicht vorgesehen (EvBl 1988/114 = RZ 1988/54; WoBl 1989/66; MietSlg 40.540 ua). In der Entscheidung EvBl 1988/114 wurde ausgesprochen, daß wegen der Unwendwendbarkeit des § 393 Abs 1 ZPO im nachehelichen Aufteilungsverfahren eine "Teil-Zwischenentscheidung" darüber, ob eine bestimmte Sache der Aufteilung unterliege, ausgeschlossen sei. Auf diesen Erwägungen beruht erkennbar auch der Beschluß eines Rekursgerichts EFSlg 75.640, die bindende Beurteilung der Frage der Rechtzeitigkeit des Aufteilungsantrags durch einen Zwischenbeschluß sei nicht möglich. Nach Auffassung des erkennenden Senats besteht aber schon aus Gründen der Verfahrensökonomie für den Außerstreitrichter kein Hindernis, im nachehelichen Aufteilungsverfahren einen nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG und somit verspätet gestellten Gegenantrag des Antragsgegners, der nur bereits zufolge Fristablaufs erloschene Ansprüche zum Gegenstand hat, sofort abzuweisen, mögen diese Ansprüche auch bei der späteren Billigkeitsentscheidung über die Aufteilungsansprüche des Antragstellers allenfalls eine Rolle spielen. Denn insoweit handelt es sich dabei für die zu treffende Aufteilungsentscheidung um keinen Teil-Zwischenbeschluß, der § 393 Abs 1 ZPO unterstellt werden könnte.

Im vorliegenden Fall enthält der Schriftsatz des Antragsgegners ON 19 jedenfalls auch Einwendungen zu den von der Antragstellerin erhobenen Ansprüchen, sodaß insoweit der die erstinstanzliche Entscheidung abändernde - weil abschließend über einen Beschwerdepunkt absprechende - Beschluß des Rekursgerichts zutreffend ist. In Ansehung des vom Antragsgegners begehrten Ausgleichsbetrags von 3,412 Mio S, den die Antragstellerin allein zum Inhalt ihres Revisionsrekurses macht, wäre in Abänderung der zweitinstanzlichen Entscheidung der erstinstanzliche Beschluß zu bestätigen. Dem stehen allerdings derzeit die unten zu e) dargestellten Erwägungen entgegen:

e) Nach stRspr muß der durch den Ablauf einer Präklusivfrist Begünstigte die Ausübung des Rechts auch nach verstrichener Frist noch zulassen oder das bereits erloschene Recht als bestehend hinnehmen, wenn seine Berufung auf diese Ausschlußfrist gegen Treu und Glauben verstieße (ZVR 1979/44; SZ 58/58; 1 Ob 542/90 = EFSlg 63.621; RIS-Justiz RS0016788). Eine gegen Treu und Glauben verstoßende Berufung auf den Ablauf einer Ausschlußfrist liegt freilich nicht schon dann vor, wenn die Frist unverschuldet versäumt wurde. Erforderlich ist vielmehr ein solches Verhalten des Anspruchsgegners, durch das der Anspruchsberechtigte veranlaßt wurde, seine Forderung nicht fristgerecht geltend zu machen (ZVR 1979/44; 1 Ob 542/90 zu Vergleichsverhandlungen; 7 Ob 31/94, zuletzt 7 Ob 2156/96a; RIS-Justiz RS0016824). In diesem Rahmen kann das noch ergänzungsbedürftige und von der Antragstellerin bestrittene Vorbringen des Antragsgegners, er habe mit der Antragstellerin vor Ablauf der Jahresfrist vereinbart, keinen Antrag auf gerichtliche Aufteilung einzubringen (ON 32a AS 385a), für das weitere Verfahren relevant sein.

Demnach kann dem Rechtsmittel kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung fußt auf § 234 AußStrG, weil erst nach Abschluß des Verfahrens eine billige Kostenentscheidung möglich ist.

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