OGH 8ObS13/11m

OGH8ObS13/11m30.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Richard Warnung und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. W***** E*****, gegen die beklagte Partei IEF-Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenz-Entgelt (547 EUR netto), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Mai 2011, GZ 7 Rs 20/11g-12, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. Oktober 2010, GZ 24 Cgs 152/10y-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit dem Schuljahr 2008/2009 als Lehrer an einem Gymnasium mit sportlichem Schwerpunkt im Rahmen einer vollen Lehrverpflichtung beschäftigt. Das Arbeitsausmaß betrug 20 Werteinheiten, die derart aufgeteilt waren, dass der Kläger 12 Werteinheiten am Vormittag als Turnlehrer am Gymnasium erbrachte. Im Ausmaß von acht Werteinheiten war er im Rahmen einer Fußballakademie als Jugendtrainer zugunsten eines Fußballclubs abgestellt. Die Entlohnung der gesamten Lehrverpflichtung erfolgte durch den Bund. Hinsichtlich der Tätigkeit für den Fußballclub wurde mit dem Kläger ein Jahresvertrag abgeschlossen, demzufolge er einen pauschalierten Aufwandsersatz in Höhe von 100 EUR monatlich erhielt. Damit sollte auch der Aufwand für die Matchbetreuung an den Wochenenden abgegolten werden.

Mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 10. 12. 2009, 40 S 94/09k, wurde über das Vermögen des Fußballclubs das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 16. 12. 2009 wurde die Schließung der Fußballakademie angeordnet. Der Kläger meldete seine Honoraransprüche vom 1. 7. 2009 bis 10. 12. 2009 als Insolvenzforderungen in Höhe von 547 EUR an; zudem machte er eine Masseforderung geltend. Diese Ansprüche wurden vom Masseverwalter anerkannt. In der Folge beantragte der Kläger die Gewährung von Insolvenz-Entgelt in Höhe der Insolvenzforderungen. Mit Bescheid vom 17. 6. 2010 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab.

Der Kläger begehrte im vorliegenden Verfahren die Zahlung von 547 EUR netto. Für den Fußballclub sei er im Rahmen seines Zweitberufs tätig gewesen. Zwischen ihm und dem Fußballclub habe ein Dienstvertrag, in eventu ein freier Arbeitsvertrag bestanden. Nach § 1 Abs 2 Z 3 IESG seien auch Aufwandsersätze als sonstige Ansprüche gegen den Arbeitgeber gesichert.

Die Beklagte entgegnete, dass ein Arbeitnehmer üblicherweise zur Bestreitung seines Lebensunterhalts auf das Entgelt angewiesen sei. Eine solche Entgeltvereinbarung habe zum Fußballclub nicht bestanden. Gemäß § 49 Abs 3 Z 28 ASVG seien pauschale Reiseaufwandsentschädigungen, die Sportvereine an Sportler, Schiedsrichter oder Sportbetreuer leisteten, bis zu einer Höhe von monatlich 540 EUR nicht als Entgelt anzusehen, sofern die Tätigkeit nicht hauptberuflich ausgeübt werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Für den Arbeitnehmerbegriff im Sinn des ASVG und des IESG sei die Absicht, ein über den bloßen Aufwandsersatz hinausgehendes Entgelt zu erzielen, maßgebend. Gemäß § 4 Abs 2 ASVG iVm § 49 ASVG sei das Entgelt wesentliches Merkmal einer sozialversicherungpflichtigen Beschäftigung. Die Existenzsicherung für den Kläger sei ausschließlich durch Zahlung des Entgelts für seine hauptberufliche Lehrtätigkeit durch den Bund erfolgt. Vom Fußballclub habe er kein Entgelt bezogen.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung ab und gab dem Klagebegehren statt. In der Tätigkeit des Klägers als Fußballtrainer sei eine Arbeitskräfteüberlassung sui generis zu erblicken. Im Ausnahmefall könne auch zwischen dem Beschäftiger und dem Arbeitnehmer eine gesonderte Vereinbarung zustande kommen, mit der der Beschäftiger ein zusätzliches Entgelt oder eine Zulage gewähre. Nach diesen Grundsätzen sei das Zustandekommen eines privatrechtlichen Dienstverhältnisses zwischen dem Kläger und dem Fußballclub zu bejahen. Das IESG stelle auf den Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsvertragsrechts ab, wobei es auf die persönliche Abhängigkeit als Wesensmerkmal ankomme. Da diese gegeben sei und der Kläger seine Tätigkeit für den Fußballclub nicht im Rahmen einer Freizeitgestaltung erbracht habe, seien die Honoraransprüche des Klägers im Verhältnis zum Fußballclub gesichert. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Frage der Sicherung pauschalierter Aufwandsersätze im Sportbereich nach § 1 IESG mehrere Arbeitnehmer betreffe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.

Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Die Revision ist zulässig, weil sich die Entscheidung des Berufungsgerichts als korrekturbedürftig erweist. Sie ist dementsprechend auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Der Kläger war mit einer vollen Lehrverpflichtung am Gymnasium beschäftigt, wobei er hinsichtlich eines Teils seiner Arbeitsleistungen zugunsten des Fußballclubs als Trainer abgestellt war. Die Entlohnung der vollen Lehrverpflichtung erfolgte über die Schule durch den Bund. Aufgrund dieser Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kläger seine Tätigkeit für den Fußballclub im Rahmen seiner Lehrverpflichtung und damit im Rahmen des Dienstverhältnisses zur Schule erbrachte. Es handelte sich somit um eine Art Dienstzuteilung. Für diese Tätigkeiten wurde aber kein gesonderter Arbeitsvertrag mit dem Fußballclub abgeschlossen.

1.2 Richtig ist, dass es bei einer Arbeitskräfteüberlassung sui generis dem dritten Beschäftiger freisteht, vor allem zur Abgeltung zusätzlicher Leistungspflichten dem Arbeitnehmer ein zusätzliches Entgelt bzw eine Zulage zu gewähren (9 ObA 64/10t mwN). Diese Judikatur bezieht sich auf die Begründung einer zusätzlichen privatrechtlichen Verpflichtung zum dritten Beschäftiger neben einem ausgegliederten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Frage nach einem gesonderten privatrechtlichen Rechtsverhältnis neben einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis im vorliegenden Fall nicht stellt. Davon abgesehen begründet eine bloße Entgeltvereinbarung mit einem Dritten noch kein Arbeitsverhältnis zu diesem. Durch den zwischen dem Fußballclub und dem Kläger abgeschlossenen Jahresvertrag wurde auch keine Vereinbarung über ein Arbeitsentgelt (s dazu Liebeg, IESG3 § 1 Rz 343) getroffen, sondern dem Kläger eine Abgeltung von Aufwendungen, wie zB Reisekosten, zuerkannt. Schon angesichts der Höhe des Aufwandsersatzes bestehen für eine Falschbezeichnung keine Anhaltspunkte. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts erhielt der Kläger den Aufwandsersatz auch nicht nur oder hauptsächlich für seine Trainertätigkeiten an den Wochenenden. Vielmehr bezog sich diese Leistung auf die gesamte Tätigkeit des Klägers für den Fußballclub.

1.3 Die Begründung des Berufungsgerichts zu dem von ihm angenommenen Zustandekommen eines gesonderten Dienstverhältnisses zum Fußballclub hält der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof somit nicht stand. Auch eine gesonderte Vereinbarung über die Leistung von Arbeitsentgelt ist mit dem Fußballclub nicht zustande gekommen.

2.1 Zur Sicherungsfähigkeit von Entgelt- bzw sonstigen Zahlungsansprüchen gilt Folgendes:

Dem Kläger ist zuzustimmen, dass die Leistung des den Gegenstand des Verfahrens bildenden Aufwandsersatzes auf einem gesonderten (Jahres-)Vertrag zum Fußballclub beruhte. Weiters ist zutreffend, dass auch vertraglich zugesicherte Aufwandsentschädigungen - als sonstige Ansprüche gegen den Arbeitgeber - nach § 1 Abs 2 Z 3 IESG gesichert sind (Liebeg aaO § 1 Rz 422). Dies gilt allerdings nur dann, wenn diese Ersatzleistungen im Rahmen eines vom Schutzbereich des IESG erfassten Vertragsverhältnisses erbracht werden.

2.2 Der Zweck des IESG besteht nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in einer sozialversicherungsrechtlichen Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von Arbeitnehmern im Fall der Insolvenz ihres Arbeitgebers. Versichertes Risiko ist demnach im Kernbereich die von den Arbeitnehmern typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind (RIS-Justiz RS0076409; 8 ObS 6/11g; Liebeg aaO § 3a Rz 19).

Ausgehend von diesen Wertungen hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass völlig atypisch gestaltete Arbeitsverhältnisse, die nicht auf die Erzielung von Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhalts gerichtet sind, nicht nach den Bestimmungen des IESG gesichert sind (RIS-Justiz RS0111281; 8 ObS 2/11v). Ebenso entspricht es der Rechtsprechung, dass für das IESG der sozialversicherungsrechtliche Entgeltbegriff (§ 4 Abs 2 hier iVm § 49 Abs 3 Z 28 ASVG) maßgebend ist (RIS-Justiz RS0110252; Liebeg aaO § 1 Rz 25; zum Arbeitnehmerbegriff vgl 8 ObS 273/01g und RIS-Justiz RS0112221).

2.3 Für den Schutzbereich des IESG ist demnach die Absicht des Arbeitnehmers maßgebend, ein über den bloßen Aufwandsersatz hinausgehendes Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhalts zu erzielen. So wie ein atypisch gestaltetes Arbeitsverhältnis nicht in den Schutzbereich des IESG fällt, gilt dies auch für eine bloße Aufwandsersatzregelung im Verhältnis zu einem sogar weisungsbefugten (insolventen) Dritten, mit der nicht Zwecke der Existenzsicherung verfolgt werden.

Der Hinweis der Beklagten auf § 49 Abs 3 Z 28 ASVG iVm der Verordnung des BMAGS BGBl II 1998/41 ist durchaus berechtigt.

2.4 Die hauptberufliche Tätigkeit des Klägers bestand in der Lehrtätigkeit am Gymnasium; das Entgelt zur Existenzsicherung wurde ausschließlich vom Bund bezahlt. Die Ansicht des Erstgerichts, dass der aus dem Jahresvertrag zum insolventen Fußballclub resultierende Aufwandsersatz in § 1 IESG keine Deckung finde, erweist sich damit als zutreffend. Aus diesem Grund war die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden weder behauptet noch haben sich dafür Anhaltspunkte ergeben.

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