Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
„Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger 726,04 EUR brutto samt 11,19 % Zinsen seit 1. 11. 2007 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 503,50 EUR bestimmten Verfahrenskosten (darin enthalten 83,91 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 547,16 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 91,35 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Beklagten bis 31. 10. 2007 als Angestellter beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstgeberkündigung. Der Tätigkeitsbereich des Klägers bestand darin, Inserate für zwei Zeitungen zu verkaufen.
Punkt 2. des zwischen den Streitteilen am 3. 7. 2007 vereinbarten Dienstvertrages lautet unter der Überschrift „Entgelt" wie folgt:
„2.1. Für seine Tätigkeit erhält der Dienstnehmer ein Brutto-Monats-Fixum von EUR 1.090,00, zahlbar 14 x per anno. Zwölf Brutto-Monatsgehälter sind jeweils am Letzten eines jeden Monats im Nachhinein fällig. Zwei Brutto-Monatsgehälter (Sonderzahlungen) gelangen gleichmäßig aufgeteilt jeweils am 31. März, am 30. Juni, am 30. September und am 30. November zur Auszahlung.
2.2. Zusätzlich zu seinem Brutto-Monatsgehalt erhält der Dienstnehmer Provisionen nach Maßgabe folgender Bestimmungen:
(a) ...
(b) Bemessungsgrundlage für die Provision sind die Fakturen-Beträge der vom Dienstnehmer im jeweiligen Monat akquirierten Inseraten-Aufträge abzüglich Mehrwertsteuer und Werbeabgabe (= Netto-Beträge) sowie allfälliger Stornierungen und Gutschriften.
(c) Ausgenommen davon sind: Serien nach Absprache, angekündigte Aktionen, Agenturen, Neueröffnung, last minute Preise ab Freigabe.
(d) Volle Provision wird nach folgender Staffel gewährt:
5,0 % bis EUR 10.000,00 Nettoumsatz p.M.
8,0 % von EUR 10.001,00 bis 15.000,00 Nettoumsatz p.M.
10,0 % ab EUR 15.001,00 Nettoumsatz p.M.
(e) Die volle Provision wird bis zu minus 35 % vom Anzeigenlistenpreis gewährt.
(f) Über minus 35 % kommt folgender reduzierter Provisionsansatz zur Abrechnung:
3,0 % bis EUR 10.000,00 Nettoumsatz p.M.
5,0 % von EUR 10.001,00 bis 15.000,00 Nettoumsatz p.M.
6,0 % ab EUR 15.001,00 Nettoumsatz p.M.
(g) Bei Missbrauch dieser Regelung wird bei Verwendung einer Telefonistin die Provision um 1 % gekürzt.
(h) Die vereinbarten Provisionen werden im Folgemonat nach Erscheinen und bei vollständiger Bezahlung durch den Auftraggeber ausgezahlt.
(1) Generell werden Provisionen nach Erscheinen akontiert, sollte die Zahlung danach nicht innerhalb der gesetzten Frist eingehen, werden diese Provisionen bei der nächsten Abrechnung zurückverrechnet.
2.3. Mit dem Entgelt gemäß Pkt. 2.1. und 2.2. sind auch Leistungen des Dienstnehmers abgegolten, welche über die für Angestellte des Dienstgebers geltende Normalarbeitszeit (d.h. Überstunden sowie Diäten) hinaus erbracht werden.
2.4. Bei Übernahme bestehender Aufträge bzw beim Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis gilt als vereinbart, dass der jeweils halbe Provisionssatz dem Mitarbeiter zusteht, welcher den Auftrag abgeschlossen hat und die 2. Hälfte dem Mitarbeiter, welcher die Produktion und Kontrolle durchführt.
2.5. ..."
Herausgeber der Zeitungen, für die der Kläger eine Verkaufstätigkeit entfaltete, war eine Gesellschaft, deren Muttergesellschaft unmittelbar vor der Kündigung des Klägers, die mit Schreiben vom 14. 9. 2007 erfolgte, die Entscheidung traf, die Zeitungen nicht mehr herauszugeben.
Weder die Beklagte noch deren Geschäftsführer noch der Kläger hatten Einfluss darauf, dass das Erscheinen der beiden Zeitungen eingestellt wurde.
Der Kläger wurde im Hinblick darauf, dass die Zeitung „D***** G*****" letztmalig am 29. oder 30. 8. 2007 erschien und die Zeitung „D***** S*****", letztmalig am 5. 7. 2007 herausgegeben wurde, mit Schreiben vom 29. 8. 2007 dienstfrei gestellt. Die Beklagte vertrat dazu die Meinung, dass für den Kläger keine Arbeit vorhanden sei und es einen anderen Tätigkeitsbereich nicht gebe.
Der Kläger, der auch in den Monaten September und Oktober 2007 arbeitsbereit war, erhielt in diesen beiden Monaten das mit Dienstvertrag vom 3. 7. 2007 vereinbarte monatliche Grundgehalt, jedoch keine Provisionen mehr ausbezahlt.
Der Kläger begehrt der Höhe nach unstrittige 726,04 EUR brutto sA an Provisionen, die ihm in den Monaten September und Oktober 2007 - berechnet nach dem bisher verdienten Provisionsdurchschnitt - entgangen seien. Die Entscheidung, die Zeitungen nicht mehr herauszugeben, falle in die Sphäre der Beklagten. Dem Kläger stehe daher gemäß § 11 Abs 3 und 12 AngG sowie gemäß § 1155 ABGB ein Provisionsanspruch auch für die Monate September und Oktober 2007 zu.
Die Beklagte wendet ein, dass der Kläger in den Monaten September und Oktober 2007 keinerlei Inserate mehr vermittelt habe. Die Zeitungen habe es nicht mehr gegeben. Da dem Kläger nach dem Dienstvertrag ein Provisionsanspruch nur nach dem Erscheinen der Zeitung und bei vollständiger Bezahlung durch den Auftraggeber zustehe, sei die Bestimmung des § 1155 ABGB abbedungen worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es erachtete rechtlich, dass der Kläger weder § 11 Abs 3 AngG noch § 12 AngG als Anspruchsgrundlage heranziehen könne. Ein schuldhaftes vertragswidriges Verhalten der Beklagten liege nicht vor. § 1155 ABGB sei im Dienstvertrag nicht abbedungen worden. Die Entscheidung über das Nichterscheinen der Zeitungen sei der Sphäre der Beklagten zuzuordnen. Der Kläger habe darauf keinen Einfluss gehabt. Es gebühre ihm daher iSd § 1155 ABGB jenes Entgelt, das er ohne den aus der Sphäre des Arbeitgebers stammenden Hinderungsgrund verdient hätte. Dazu seien die der Höhe nach unstrittigen Provisionsentgänge zu zählen.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Die Beklagte sei zur Entgeltfortzahlung gemäß § 1155 ABGB auch dann verpflichtet, wenn sie kein Verschulden daran treffe, dass der Tätigkeitsbereich des Klägers durch Einstellung jener Zeitungen, für die er Inserate verkauft habe, weggefallen sei. Es komme lediglich darauf an, dass dieser Umstand der Sphäre der Beklagten zuzuordnen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte außerordentliche Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen ist. Die Revision ist auch berechtigt.
Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass sich der Kläger mangels eines schuldhaften Verhaltens der Beklagten nicht auf § 12 AngG berufen kann. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen und des Klägers steht dem Kläger aber auch der Anspruch, soweit er auf § 1155 ABGB gestützt wird, nicht zu: Gemäß § 1155 ABGB erhält der Arbeitnehmer auch für Dienstleistungen, die nicht zustandegekommen sind, das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seiten des Arbeitgebers liegen, daran verhindert worden ist (Abs 1 HalbS 1); wurde er infolge solcher Umstände durch Zeitverlust bei der Dienstleistung verkürzt, so gebührt ihm angemessene Entschädigung (Abs 2). Diese Bestimmung beruht auf dem Lohnausfallprinzip (Pfeil in Schwimann, ABGB3 § 1155 Rz 15; Spenling in KBB2 § 1155 Rz 7; 9 ObA 203/94). Danach gebührt dem Arbeitnehmer bei Vorliegen der geforderten Voraussetzungen jenes Entgelt, das er bekommen hätte, wenn er wie bisher weiter gearbeitet hätte.
Die Entscheidung, dass die beiden Zeitungen, auf die sich die Tätigkeit des Klägers laut Dienstvertrag erstrecken sollte und auch erstreckt hat, eingestellt werden, stellt unzweifelhaft einen - wenngleich von der Beklagten nicht verschuldeten - Umstand dar, der aus ihrer Sphäre stammt. Die Beklagte zog auch nie in Zweifel, dass sie das dem Kläger ohnedies bezahlte dienstvertraglich vereinbarte Bruttomonatsfixum von 1.090 EUR auch für die Monate September und Oktober 2007 schuldete, obwohl der Kläger - mangels Arbeitsmöglichkeit - dienstfrei gestellt worden war. Strittig ist nur die Frage, ob auch die vom Kläger in der Vergangenheit verdienten Durchschnittsprovisionen für diese beiden Monate zu leisten sind.
Richtig ist nun, dass auch bei erfolgsabhängigen Entgeltbestandteilen grundsätzlich darauf abzustellen ist, was der Arbeitnehmer bei Leistung der Dienste erhalten hätte. In der Rechtsprechung wird dazu die Auffassung vertreten, dass bei der Ermittlung des gemäß § 1155 ABGB geschuldeten Entgelts von jenen Provisionen auszugehen ist, die der Arbeitnehmer ohne den vom Arbeitgeber zu verantwortenden Hinderungsgrund üblicherweise erzielt hätte (9 ObA 27/98f = SZ 71/64 = DRdA 1999/22 [Löschnigg]; 9 ObA 63/99a = ARD 5048/6/99; RIS-Justiz RS0109785). Diese Grundsätze haben auch für einen dienstfrei gestellten Arbeitnehmer zu gelten (RIS-Justiz RS0028112; 9 ObA 63/99a; 8 ObA 85/01k). Damit ist allerdings für den Kläger deshalb nichts gewonnen, weil Entgelt, das der Arbeitnehmer auch dann nicht erhalten hätte, wenn er gearbeitet hätte, ihm für die Zeit der Dienstfreistellung nicht zusteht (vgl 9 ObA 91/05f). Es können daher für die Zeit der Dienstfreistellung nur jene Provisionen zugesprochen werden, die der Arbeitnehmer ohne Dienstfreistellung in diesem Zeitraum verdient hätte (9 ObA 63/99a). Das aus § 1155 ABGB ableitbare Ausfallprinzip bedeutet nicht, dass der Arbeitnehmer zwangsläufig das zuletzt bezogene (durchschnittliche) Entgelt auch für die Zeit des Unterbleibens der Dienstleistung erhalten muss. Das nach der Rechtsprechung angewendete Durchschnittsprinzip (RIS-Justiz RS0109785) findet seine Ursache darin, dass regelmäßig eine andere Möglichkeit, die dem Arbeitnehmer durch die Dienstfreistellung entgehenden Einkünfte zu ermitteln, nicht besteht (9 ObA 91/05f). Hier ist aber zu berücksichtigen, dass nach dem klaren Wortlaut des Dienstvertrags Provisionen nur für tatsächlich aquirierte Inseratenaufträge und nur bei vollständiger Bezahlung durch den Auftraggeber geschuldet sind. Daraus ist aber ableitbar, dass der Kläger - der sein Bruttomonatsfixum ohnedies erhielt - auch dann, wenn keine Dienstfreistellung erfolgt wäre, in den Monaten September und Oktober 2007 keine Provisionen hätte verdienen können. Der Kläger wäre somit auch ohne Dienstfreistellung nicht in den Genuss von - nie verdienten - Provisionen gekommen.
Aus diesem Grund war der Revision Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wie über jene des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der für die Revision verzeichnete Ansatz war zu korrigieren.
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