Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0106298). Ob aber im Einzelfall die Voraussetzungen für die vorzeitige Auflösung vorliegen, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (8 ObA 74/07a; 8 ObA 35/08t; 9 ObA 25/08d uva). Richtig verweist die außerordentliche Revision darauf, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine Nachfristsetzung vor dem vorzeitigen Austritt gemäß § 26 Z 2 AngG dann entbehrlich ist, wenn diese angesichts des rechtswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers offenbar sinnlos ist (8 ObA 287/97g = SZ 71/14), etwa bei strikter Ablehnung des Arbeitgebers, geschuldete Differenzbeträge nachzuzahlen (8 ObA 56/99i = DRdA 1999, 491).
Allerdings ist hier zu beachten, dass der Kläger im Februar 2006 erstmals geltend machte, dass die Beklagte ihm Provisionen aus Versicherungsverträgen mit einem Großkunden vorenthalte. In der Folge bezifferte der Kläger durch seinen Rechtsvertreter diese Provisionen mit 97.690,77 EUR, wobei sich der Großteil dieses geltend gemachten Betrags auf behauptete Schadenersatzansprüche des Klägers für zukünftige, die Jahre 2007 bis 2009 betreffende Provisionsentgänge bezog. Auch die nach seinem Vorbringen 2006 fällig gewordene Provision stützte der Kläger ausdrücklich auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes. Nachdem die Beklagte lediglich eine „Abstandszahlung" von 10.000 EUR angeboten hatte, erklärte der Kläger schließlich ohne vorherige Ankündigung und ohne Nachfristsetzung am 2. 10. 2006 seinen vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis. Ausgehend von diesen Gesamtumständen des Einzelfalls (Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Titel des Schadenersatzes; wobei sich der überwiegende Teil dieser „Schadenersatzansprüche" nicht auf eine laufende Entgeltperiode bezieht; weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mehr als ein halbes Jahr trotz Kenntnis der Entgeltschmälerung) ist das Berufungsgericht zumindest vertretbar davon ausgegangen, dass der Kläger verhalten gewesen wäre, der Beklagten die Geltendmachung seines Austrittsrechts unter Setzung einer wenn auch nur kurzen Nachfrist anzudrohen, um dieser gegenüber die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vor Augen zu führen. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichts durchaus im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung: Danach kann der Arbeitnehmer, wenn durch längeres Vorenthalten der Entgeltzahlung ein rechtswidriger Dauerzustand geschaffen wurde, diesen Umstand nicht zum Anlass eines plötzlichen Austritts nehmen, also ohne vorherige Ankündigung und damit für den Arbeitgeber nicht erkennbar eine weitere Zusammenarbeit ablehnen (RIS-Justiz RS0028967 [T2, T3]). Dazu kommt, dass der Kläger nach dem zwar nicht festgestellten, aber unstrittigen Inhalt des Schreibens seines Anwalts vom 19. 9. 2006 lediglich darauf verwies, dass er die nach seiner Auffassung gebührenden Provisionen für die Jahre 2006 bis 2009 gerichtlich geltend machen werde. Hat aber der Arbeitnehmer durch die Einleitung (oder wie hier: die Ankündigung) eines gerichtlichen Verfahrens wegen des behaupteten rückständigen Entgelts (hier überdies: rückständiges Entgelt plus Schadenersatzforderungen) zu erkennen gegeben, dass er sich - bis auf weiteres - mit der milderen Sanktion des Verfahrensrechts begnügen will, kann ein Austritt erst nach einer Mahnung mit Androhung des Austritts erfolgen (8 ObA 90/97m = JBl 1997, 801).
Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts ist bei dieser Sachlage nicht erkennbar.
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