European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00057.17S.0223.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Der vom Berufungsgericht (auch) bejahte Entlassungstatbestand der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG liegt dann vor, wenn die Handlungen oder Unterlassungen des Angestellten mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und auf ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers nicht würdig erscheinen lassen, weil der Arbeitgeber befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind (RIS‑Justiz RS0029547). Entscheidend ist, ob das Verhalten des Angestellten als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (RIS‑Justiz RS0029323).
Diese Grundsätze wurden vom Berufungsgericht zugrunde gelegt. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar, da diese Beurteilung regelmäßig nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls erfolgen kann (RIS‑Justiz RS0106298). Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende massive Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vermag die Revision nicht darzustellen.
2. Die Arbeitnehmer können gemäß § 37 Abs 2 ArbVG Anfragen, Wünsche, Beschwerden, Anzeigen oder Anregungen beim Betriebsrat, bei jedem seiner Mitglieder und beim Betriebsinhaber vorbringen. Nach § 37 Abs 1 ArbVG dürfen die Arbeitnehmer in der Ausübung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse nicht beschränkt und aus diesem Grunde nicht benachteiligt werden. Zu den betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen nach Abs 1 leg cit zählen die in Abs 2 leg cit genannten Rechte.
Der Kläger releviert als wesentliche Rechtsfrage, ob es mit dem Benachteiligungsverbot nach § 37 Abs 1 ArbVG vereinbar sei, dass seine Inanspruchnahme der Rechte nach § 37 Abs 2 ArbVG (seine Kontaktaufnahme mit dem Betriebsrat) als auslösendes Ereignis für die individualarbeitsrechtliche Maßnahme der Entlassung herangezogen werde.
Für den Tatbestand der Benachteiligung ist nach der Rechtsprechung objektiv erforderlich, dass dem Arbeitnehmer ein Nachteil zugefügt wird, und subjektiv auf der Seite des Betriebsinhabers das Motiv, dass dies wegen der Ausübung einer betriebsverfassungsrechtlichen Befugnis durch den Arbeitnehmer erfolgt (4 Ob 61/83 = ZAS 1984, 142 [Koziol] = RIS‑Justiz RS0051020, 9 ObA 266/90 = ZAS 1992, 24 [P. Bydlinski]). Dass es für die Anwendbarkeit des Benachteiligungsverbots nach § 37 Abs 1 ArbVG (auch) eines solchen subjektiven Tatbestandsmerkmals bedarf, ist ebenso in der Literatur anerkannt (Gahleitner in
Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 II § 37 Rz 5; Kietaibl, Arbeitsrecht10 I 104; Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 37 Rz 12; Windisch-Graetz in ZellKomm2 § 37 ArbVG Rz 4).
Jedenfalls an dem subjektiven Tatbestandsmerkmal fehlt es hier. Nach den Feststellungen war Grund für die Entlassung gerade nicht, dass sich der Kläger im Zusammenhang mit dem „Problem Softwarenutzung“ (allfällige lizenzrechtliche Probleme wegen der Benützung einer Software) an den Betriebsrat wandte. Damit stellt sich die vom Kläger als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO betrachtete Frage nicht.
3. Dem Kläger wurde von den Vorinstanzen „die Weitergabe von Informationen durch den Betriebsrat“ weder zugerechnet noch im Sinne eines Entlassungsgrundes vorgeworfen, sondern, dass es geradezu seine Absicht war, ein nicht realistisches Bedrohungsszenario im Zusammenhang mit der Problematik der Softwarenutzung zu zeichnen und dasselbe zum Thema einer Aufsichtsratssitzung zu machen, um die Geschäftsleitung und seine Vorgesetzten zu desavouieren. Somit kann auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargestellt werden. Auf eine vom ihm aus der Treuepflicht als Dienstnehmer abgeleitete Verpflichtung, den Aufsichtsrat auf eine Betriebsgefahr hinzuweisen, kann sich der Kläger schon deshalb nicht stützen, weil er nach den Feststellungen nicht auf eine Beseitigung der vermeintlichen – von ihm tatsächlich selbst aufgebauschten – Betriebsgefahr hinwirkte, sondern vielmehr, obgleich er wusste, dass der betreffende Themenbereich in den Aufgabenbereich der Geschäftsführung gehörte, seinen unmittelbaren Vorgesetzten absichtlich falsch oder gar nicht informierte, um diesen als untätig erscheinen zu lassen.
4. Beim Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit ist auch das
Gesamtverhalten des Dienstnehmers innerhalb eines
längeren Zeitraums zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0081395). Hier hat der Kläger über einen längeren Zeitraum trotz Ermahnungen seinen unmittelbaren Vorgesetzten aus Ärger darüber, nicht selbst dessen Position innezuhaben, bewusst nicht oder gar falsch informiert, um diesen zu desavouieren. Im Hinblick auf die Intensität dieses Fehlverhaltens ist es jedenfalls vertretbar, einem Wohlverhalten des Klägers in vorherigen Zeiten kein entscheidendes Gewicht zuzumessen.
Insgesamt vermag die Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.
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