OGH 8ObA45/20f

OGH8ObA45/20f29.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** W*****, vertreten durch Dr. Bernhard Fink und andere, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei, A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2020, GZ 6 Ra 6/20d‑26, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00045.20F.0629.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach den Feststellungen war Beweggrund der beklagten Arbeitgeberin für die Kündigung des bei ihr als sozialpädagogischer Kinder- und Jugendbetreuer beschäftigten Klägers, „dass die Mitarbeiter durch das Verhalten des Klägers zu belastet waren. Der Kläger hörte nicht auf, über die Teamleitung schlecht zu reden und redete hinter dem Rücken schlecht über die anderen.“ Es steht fest, dass „die Angelegenheit mit dem umgefallenen Ölbehälter“ für die Kündigung nicht ausschlaggebend war. Keine Feststellungen traf das Erstgericht demgegenüber zum Vorbringen des Beklagten, er habe zu seinem Schutz sowie jenem anderer Mitarbeiter und anderer betreuter Burschen darauf bestanden, dass die Betreuung zweier drogenabhängiger Burschen in der Wohngemeinschaft beendet werde, und dass er auch aus diesem Grunde gekündigt worden sei.

Nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG kann die Kündigung „wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer“ beim Gericht angefochten werden. Zweck des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG ist, Vergeltungskündigungen wegen offenbar nicht unberechtigter Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer zu vermeiden (8 ObA 20/18a; 9 ObA 101/19x; Wolligger in Neumayr/Reissner , ZellKomm 3 § 105 ArbVG Rz 126). Voraussetzung für das Vorliegen einer verwerflichen und mit Erfolg anfechtbaren Motivkündigung ist, dass das iSd § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG verpönte Motiv für die Kündigung zumindest ein wesentlicher Beweggrund – wenn auch nicht der ausschließliche – war (8 ObA 3/19b mwH; RS0051661). Die Frage, welches Motiv für die Kündigung als bescheinigt angenommen werden kann, ist eine Frage der vom Obersten Gerichtshof unüberprüfbaren Beweiswürdigung (RS0052037 [T10]).

Ob eine Berufung des Klägers auf eine Haftungsbefreiung nach DHG in Zusammenhang mit dem von ihm beim Transport eines Ölbehälters verursachten Schaden im Innenraum eines Kraftfahrzeugs der Beklagten – sei es in unmittelbarer oder allenfalls analoger Anwendung – unter § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG subsumiert werden könnte, kann unerörtert bleiben, weil feststeht, dass diese Angelegenheit für die Kündigung gerade nicht ausschlaggebend war.

Von der „Geltendmachung eines Anspruchs“ kann – wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt – nur dann die Rede sein, wenn sich der Arbeitnehmer erkennbar – also wenn nicht ausdrücklich so doch zumindest konkludent (vgl RS0051683) – auf eine Rechtsposition beruft (8 ObA 59/14f [Pkt II.6, 7]; RS0051666 [T11]). Das Berufungsgericht verneinte, dass der Kläger in diesem Sinne im Zusammenhang mit der Frage des „Rauswurfs“ der zwei drogenabhängigen Burschen aus der Betreuungseinrichtung einen Anspruch gegenüber der Arbeitgeberin erkennbar geltend gemacht habe. Darauf geht der Kläger zum einen in der außerordentlichen Revision nicht ein. Zum anderen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe sich mit seinem diesbezüglichen Vorbringen in erster Instanz nicht erkennbar auf die Fürsorgepflicht der beklagten Betreuungseinrichtung als seiner Arbeitgeberin und damit nicht auf eine Rechtsposition berufen, im Einzelfall nicht korrekturbedürftig. Das Berufungsgericht verneinte folglich vertretbar einen diesbezüglichen sekundären Feststellungsmangel mangels Relevanz des Vorbringens.

Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

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