OGH 8ObA255/01k

OGH8ObA255/01k25.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Eberhard Piso und Walter Darmstädter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karin P*****, Pflegehelferin, *****, vertreten durch Mag. Peterpaul Suntinger, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Landeskrankenhaus K*****, vertreten durch Dr. Ulrich Polley, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 223.537,31 brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Mai 2001, GZ 7 Ra 99/01k-17, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Langesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13. Dezember 2000, GZ 31 Cga 54/00w-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.907,80 (darin enthalten S 2.151,30 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Berechtigung der Entlassung des Klägerin gemäß § 81 Abs 2 lit b des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes 1994 wegen Vertrauensunwürdigkeit zutreffend bejaht. Es reicht daher auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Auf das Vorliegen allfälliger weiterer Entlassungsgründe ist nicht einzugehen.

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegen zu halten:

Entgegen der Ansicht der Klägerin hat sich das Berufungsgericht bei der Darstellung der für die Entlassung wesentlichen Vorfälle nicht von den Feststellungen des Erstgerichtes entfernt. Dabei auch noch auf Überlegungen des Erstgerichtes im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung (S 19) einzugehen, war nicht erforderlich. Weitgehend übersieht die Revision auch, dass das Berufungsgericht die Darstellung der vermissten Feststellungen ohnehin vorgenommen hat (vgl S 12 f des Berufungsurteiles). Auch dass die Klägerin diensthabende Pflegerin für die Patientin war, deren Mann sich am 20. 9. 1999 beschwerte, hat das Erstgericht festgestellt. Für andere "diensthabende" Pflegerinnen lässt sich nicht einmal aus der Aussage der Klägerin selbst ein Anhaltspunkt gewinnen.

Insgesamt vermag die Revision jedenfalls keine relevante Aktenwidrigkeit des Berufungsurteiles aufzuzeigen.

Nach § 27 des Kärntner Landeskrankenanstalten- Betriebsgesetzes handelt es sich bei den bei Landeskrankenanstalten Dienst versehenden Bediensteten um Landesbedienstete.

Gemäß § 81 Abs 2 lit b des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes 1994 LGBl 1994/73 liegt unter anderem dann ein wichtiger Grund für eine Entlassung vor, wenn sich der Vertragsbedienstete einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten oder einer Handlung oder Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen läßt, insbesondere wenn er sich Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrbeleidigungen gegen Vorgesetzte oder Mitbedienstete zuschulden kommen lässt oder wenn er sich in seiner dienstlichen Tätigkeit oder im Zusammenhang damit von dritten Personen Vorteile zuwenden lässt.

Dabei ist - so wie bei der Beurteilung des vergleichbaren Entlassungstatbestandes des § 34 Abs 2 lit b VBG - nicht die subjektive Einschätzung des Dienstgebers entscheidend, sondern ob objektiv zu befürchten ist, dass vom Vertragsbediensteten die Belange

des Dienstgebers gefährdet werden (vgl RIS-Justiz RS0108229 = 9 ObA

108/97s = ASoK 1998, 77 = RdW 1998, 475 = wbl 1998/23; OGH 23. 12. 1998, 9 ObA 245/98i = Arb 11.807 = DRdA 2000/3 [Kalb] = ASoK 1999, 269, 178 [Kuhn] = RdW 1999, 424; vgl auch RIS-Justiz RS0029547 mzwN; zuletzt OGH 16. 8. 2001, 8 ObA 170/01k).

Die erst seit 5. 7. 1999 beschäftigte klagende Pflegehelferin fügte sich in das Team auf der Klasse-Station der medizinisch geriatrischen Abteilung des Krankenhauses nicht ein. Sie war vor allem wegen ihrer schnippischen Art unbeliebt und verweigerte von anderen Pflegerinnen aufgetragene Arbeiten, zeigte sich teilweise bei Besprechungen uninteressiert, war fallweise unauffindbar, und erschien zweimal zu spät zum Dienst. Das übrige Pflegepersonal beschwerte sich und führte auch an, dass die Klägerin wiederholte vergesse, ihre Hände zu desinfizieren, hergeräumte Gegenstände wegzuräumen, beim Waschen der Patienten deren Intimbereich abzudecken und dass sie bei einem Patienten einen zur Weichlagerung bestimmten Gelpolster nicht richtig befestigte. Bei einer Aussprache zeigte die Klägerin keine Einsicht. Schließlich kam es am 20. 9. 1999 dazu, dass der besorgte Ehegatte einer beinamputierten, schwer zuckerkranken Patientin mehrmals klingelte, weil er für seine Ehegattin nicht nur ein Glas Milch wollte, sondern auch, dass dieser das verschmutzte Hemd gewechselt werde. Die Klägerin als diensthabende Pflegerin weigerte sich jedoch, das Hemd zu wechseln, und meinte, dass dies andere erledigen würden. Als der Ehegatte später erneut klingelte, um für seine Frau eine Leibschüssel kommen zu lassen, kam die Klägerin erst nach einer dreiviertel Stunde.

Die Beschwerde dieses Ehegatten wurde am 22. 9. 1999 an die Oberschwester weitergeleitet, die das dann der für Entlassungen zuständigen Direktion meldete. Am 22. und 23. 9. 1990 hatte die Klägerin keinen Dienst. Am 24. 9. wurde die Klägerin zuerst mit den Vorwürfen konfrontiert und dann nach Scheitern des Versuches der einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses entlassen.

Mit ihrem Verhalten am 20. 9. 1999 hat die Klägerin aber unter Berücksichtigung der kurzen Dienstzeit und der dabei bereits gehäuft aufgetretenen Verfehlungen ein Verhalten gesetzt, das sie im Sinne der oben dargestellten Judikatur des dienstlichen Vertrauens des Arbeitgebers als unwürdig erscheinen lässt. Geht es doch gerade in den Krankenpflegeberufen darum, dass sich der Dienstgeber darauf verlassen können muss, dass eine menschenwürdige Behandlung der Patienten gewährleistet ist. In ihrer kurzen Dienstzeit (vgl dazu dass bei einer längeren Dienstzeit das bisherige Wohlverhalten zu

berücksichtigen ist OGH 1. 4. 1998 zu 9 ObA 384/97d = DRdA 1999/21

[mit zust Glosse von Pfeil] = infas 1998 A 109 = ASoK 1998, 380 unter

Hinweis auf Kuderna, Entlassungsrecht2 82 mwN; ZAS 1993/19 [Windisch-Graetz]; Arb 11.407) haben sich bei der Klägerin wiederholt Anzeichen dafür gefunden, dass sie es gegenüber den Patienten es an der erforderlichen Aufmerksamkeit mangeln lässt. Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung - die bei der bereits berufserfahrenen Klägerin nicht auf "Einschulungsschwierigkeiten" zurückzuführen ist - muss aber durch den Vorfall vom 20. 9. 1999 bei dem für die Einhaltung dieser Standards verantwortlichen Dienstgeber objektiv gesehen die Befürchtung entstehen, dass es die Klägerin auch in Hinkunft an der erforderlichen Arbeitsbereitschaft wird fehlen lassen, wodurch unabsehbare medizinische Konsequenzen entstehen können. War doch nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Klägerin die Patientin, bei der geklingelt wurde, 45 Minuten warten ließ und konnte die Klägerin ja auch nicht wissen, ob nicht ein dringender Pflegebedarf bestand. Dass es der Klägerin aus arbeitstechnischen Gründen - Arbeitsüberlastung, andere Tätigkeiten etc (vgl dazu auch Kalb in seiner Glosse zu OGH 23. 12. 1998, 9 ObA 245/98i DRdA 2000/3) - nicht möglich gewesen wäre, früher zu kommen, hat sich nicht ergeben. Schon im Hinblick auf das hohe Gefahrenpotential ist ausgehend von diesen den Vertrauensverlust rechtfertigenden Vorfällen hier die Weiterbeschäftigung als nicht mehr zumutbar anzusehen.

Mit der Frage der von der Klägerin behaupteten Verspätung der Entlassung hat sich das Berufungsgericht bereits auseinandergesetzt. Es hat insbesondere bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass hier für die Entlassung unstrittig ein Kollegialorgan zuständig ist, das einberufen werden musste. Da der Vorfall am 22. 9. 1999 gemeldet wurde, die Klägerin erst am 24. 9. 1999 wieder Dienst hatte, ihr vorweg an diesem Tag die einvernehmliche Auflösung angeboten und nach ihrer Ablehnung die Entlassung ausgesprochen wurde, ist diese auch als rechtzeitig anzusehen. Konnte doch für die Klägerin, unter Berücksichtigung der Abläufe für die Erwirkung einer Kollegialentscheidung (vgl RIS-Justiz RS0029328 mwN insbesondere Arb 8047; DRdA 1987, 432; SZ 68/140) und des Umstandes, dass sie gar nicht Dienst hatte, zu den Vorfällen aber befragt werden sollte (vgl im Übrigen OGH 4. 12. 1996, 9 ObA 2279/96d = ARD 4854/15/97 zur - allerdings ohne Kontaktmöglichkeit verstrichenen - Urlaubszeit), nicht der Eindruck entstehen, dass aus ihrem Fehlverhalten keine Konsequenzen gezogen würden.

Insgesamt war der Revision der Klägerin daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.

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