OGH 8ObA192/02x

OGH8ObA192/02x19.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Friedrich Heim und Wolfgang Neumeier als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Leopold K*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Richard Köhler und Dr. Anton Draskovits, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei "U*****"-Küchen-Service Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Josef Bock, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung in eventu Euro 40.751,--, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. April 2002, GZ 8 Ra 23/02i-111, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11. Oktober 2001, GZ 8 Cga 106/96g-97, teils bestätigt, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens oder eine relevante Aktenwidrigkeit liegen nicht vor. Diese Beurteilung bedarf gemäß § 510 Abs 3 3. Satz ZPO keiner Begründung.

Im Übrigen ist der Kläger darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Judikatur angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl RIS-Justiz RS0042963 mzwN bereits beginnend mit SZ 27/4; zuletzt OGH 6 Ob 63/02m). Nur dann wenn das Berufungsgericht die Befassung mit der Mängelrüge der Berufung unterlassen hätte, könnte ein gemäß § 503 Z 2 ZPO mit der Revision bekämpfbarer Mangel des Berufungsverfahrens gegeben sein (vgl RIS-Justiz RS0043086 mzwN zuletzt 10 ObS 420/01i und RIS-Justiz RS0043144).

Hier hat sich das Berufungsgericht aber besonders ausführlich und detailliert mit den vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen auseinandergesetzt, sodass es dem Kläger verwehrt ist, diese behaupteten Mängel des Verfahrens erster Instanz erneut geltend zu machen. Der Kläger verkennt im übrigen, dass der Begründung des Berufungsgerichtes nicht eine vorgreifende Beweiswürdigung zugrundeliegt, sondern der Umstand, dass es den in der Berufung relevierten Umstand allfälliger Verhandlungen mit anderen Händlern für die hier maßgebliche Feststellung der Verhandlungen des Klägers mit dem von ihm bevorzugten Hauptlieferanten als nicht relevant erachtete. Die konkreten marktgerechten Preise wurden ohnehin aufgrund des Sachverständigengutachtens festgestellt. Auch mit der Frage der Berücksichtigung der vom Kläger zum Nachweis seiner Kochqualitäten vorgelegten Urkunden bzw allfälliger weitere Belege für den Büffetteverkauf hat sich das Berufungsgericht ausführlich auseinandergesetzt. Der Kläger ist nur darauf hinzuweisen, dass es nicht entscheidend ist, dass sämtliche Belege in all diesen Jahren lückenlos erfasst sind, sondern dass sich aus der vorliegenden Unzahl von Belegen klar die drastisch überhöhten Einkaufspreise ergeben. Insoweit bedurfte es auch keiner umfassenden betriebswirtschaftlichen Überprüfung des gesamten Betriebes durch den Sachverständigen. Die Frage, ob das eingeholte Sachverständigengutachten die getroffenen Feststellungen rechtfertigt und ob neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen ist, kann dann, wenn sich das Berufungsgericht - wie hier insgesamt - damit nachvollziehbar auseinandergesetzt hat - als Frage der Beweiswürdigung nicht mehr in der Revision releviert werden (vgl RIS-Justiz RS000043163 mwN zuletzt 10 ObS 68/02a; RS0043320 mwN).

Die Beweisrüge hat das Berufungsgericht umfassend behandelt. Eine Bekämpfung der Beweiswürdigung in der Revision kommt nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0043371 mzwN). Im Übrigen ist dem Kläger entgegenzuhalten, dass sich schon das Erstgericht ausführlich mit der mangelnden Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage des vom Kläger bevorzugten Hauptlieferanten auseinandergesetzt hat. Wenn sich der Kläger im Rahmen der - wie dargestellt - unzulässigerweise vorgenommenen Bekämpfung der Beweiswürdigung etwa auf den als Zeugen geführten Ministerialbeamten beruft, der für die Qualitätskontrolle ua für Obst und Gemüse zuständig ist, und vermeint, dass aus dessen Aussage die Preisabweichungen gerechtfertigt werden könnte, so ist dies im Übrigen schon deshalb unverständlich, da der Zeuge etwa hinsichtlich des Einkaufes bestimmter Äpfel starke Preisschwankungen (50 bis 100 %) verneinte (AS 553).

Die Frage, inwieweit des Erstgericht aus den vorliegende Beweisergebnissen die Feststellung der mangelnden Preisverhandlungen ableiten konnte, ist eine Frage der Beweiswürdigung (vgl RIS-Justiz RS0040125 mwN), deren Bekämpfung vom Berufungsgericht umfangreich behandelt wurde. Eine Aktenwidrigkeit könnte nur dann vorliegen, wenn diese Schlussfolgerungen auf einer aktenwidrigen Grundlage, etwa aufgrund der Darstellung von gar nicht vorliegenden Beweisergebnissen, gezogen worden wären (vgl RIS-Justiz RS0043203 mwN zuletzt 10 ObS 80/02s; RIS-Justiz RS0043289 mwN), nicht aber, wenn nur die Schlussfolgerungen bekämpft werden (vgl RIS-Justiz RS0043324 mwN zuletzt 9 Ob 192/01b).

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG zutreffend bejaht, sodass es insoweit ausreicht auf die Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 Z 2 ZPO). Ergänzend und klarstellend ist den Ausführungen der Revision des Klägers noch folgendes entgegenzuhalten:

Der Kläger releviert, dass er mit den im Rahmen seiner Rechtsrüge in der Berufung gemachten Ausführungen zu bestimmten vorgelegten Urkunden nicht eine Beweisrüge erheben, sondern im Rahmen der Rechtsrüge eine bestimmte Urkundeninterpretation anstreben wollte. Dem ist schon entgegenzuhalten, dass im Rahmen der Rechtsrüge die Urkundeninterpretation (vgl RIS-Justiz RS0043415 mwN zuletzt 1 Ob 316/01d) nur dort Platz greift, wo nicht eine abweichende - bei Verträgen übereinstimmende - Parteienabsicht nachgewiesen wurde (vgl RIS-Justiz RS0017783 mwN zuletzt 2 Ob 142/02z; RIS-Justiz RS0017842 mwN zuletzt 6 Ob 159/01b; RIS-Justiz RS0043369 mwN). Die Erforschung der Parteienabsicht ist aber eine Frage der Beweiswürdigung (vgl RIS-Justiz RS0017911 mwN zuletzt 1 Ob 269/01t; vgl ferner auch RIS-Justiz RS0017489 mwN).

Allgemein ist festzuhalten, dass unter den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 letzter Fall AngG nach ständiger Rechtsprechung jede Handlung und Unterlassung des Angestellten fällt, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers als unwürdig erscheinen lassen, weil der Arbeitgeber befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen wird und dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet werde (vgl RIS-Justiz RS0029547 mzwN etwa zuletzt OGH 29. 11. 2001, 8 ObA 283/01b; ferner OGH 21. 2. 2002 8 ObA 30/02y und 16. 5. 2002 8 ObA 90/02x). Bei Angestellten mit leitender Stellung ist ein strenger Maßstab hinsichtlich der Vertrauensunwürdigkeit anzulegen (vgl OGH 21. 2. 2002 8 ObA 30/02y mwN etwa OGH 15. 11. 2001, 8 ObA 108/01t, RdW 2001, 171 ua). Für die Verwirklichung des Entlassungsgrundes ist schon Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers ausreichend, eine Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl etwa OGH 21. 2. 2002 8 ObA 30/02y und 16. 5. 2002 8 ObA 90/02x mwN = OGH 29. 11. 2001, 8 ObA 283/01b, RIS-Justiz RS0029531 ua).

Hingegen ist bei dem Entlassungsgrund der Untreue nach § 27 Z 1 AngG ein vorsätzlicher und pflichtwidriger Verstoß gegen dienstliche Interessen des Arbeitgebers erforderlich (vgl RIS-Justiz RS0029506 mzwN, etwa RdW 1992, 249 ua; OGH 21. 2. 2002 8 ObA 30/02y ua). Nach den wesentlichen Feststellungen wurden von der Revision im Bereich der Betriebsküche bereits 1991 der Wareneinsatz, die Warenpreise und die unzureichende Dokumentation bemängelt und der als Geschäftsführer und Chefkoch verantwortliche Kläger darauf hingewiesen. Danach wurde der Kläger wiederholt und regelmäßig zu einer Kostensenkung angehalten und zur Einholung von Konkurrenzofferten aufgefordert. 1994 erhielt er dann auch noch die Anweisung, die Lieferanten nach reinen Preiskriterien nach den Tagesangeboten auszusuchen. Er gab Ende 1994 auch tatsachenwidrig an, Maßnahmen zur Kostenoptimierung gesetzt zu haben. 1995 kam es wieder zu einem eklatanten Anstieg des Materialeinsatzes. Der Kläger setzte keine Maßnahmen zur Kostenreduktion. Er wurde auch darauf angesprochen, dass er zu überhöhten Preisen einkaufte. Nachdem er dienstfrei gestellt wurde reduzierten sich bei etwa gleicher Anzahl von Bewirtungen die Kosten des Wareneinsatzes - der unter der Verantwortung des Klägers teilweise auch unrealistisch hoch war - drastisch, in manchen Bereichen um 80 bis 85 % (Einsatz für Obst und Gemüse 1995 ca 1,9 Mio S, 1996 ca 300.000S). Die Kosten der vom Kläger über seinen ständigen Hauptlieferanten - mit dem er nicht einmal Preisverhandlungen führte und auch keine Konkurrenzangebote einholte - bezogenen Waren lagen teilweise mehrere hundert Prozent über den Marktpreisen und sind nicht nachvollziehbar. Ausgehend von diesen wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen ist das Berufungsgericht aber zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger im Sinne der oben dargestellten Judikatur der Beklagten des dienstlichen Vertrauens als unwürdig erscheinen musste, weil sie befürchten musste, dass der Kläger seine Pflichten (Wahrung der Interessen der Beklagten etwa beim Wareneinkauf) nicht getreulich erfüllen und dadurch ihre Interessen gefährden werde. Hat der Kläger doch trotz mehrfacher Aufforderung nicht nur keine Maßnahmen zur Kosteneinsparung gesetzt, sondern durch den ohne Preisverhandlungen und Konkurrenzofferten zu drastisch überhöhten und nicht nachvollziehbaren Preisen vorgenommen Einkauf bei seinem "Hauptlieferanten" den Interessen der Beklagten massiv geschadet. Da ein Entlassungsgrund nachgewiesen wurde stellt sich die vom Kläger relevierte Frage von weiteren Abwägungen im Rahmen der Kündigungsgründe nach dem hier nur aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung teilweise zur Anwendung gelangenden KVI gar nicht, da sich schon aus der Vorentscheidung in diesem Verfahren (vgl OGH 26. 6. 1997 8 ObA 170/97a = RdW 1998, 630) ergibt, dass die primär zu prüfende Verwirklichung eines Entlassungsgrundes die Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls rechtfertigt.

Insgesamt war daher der Revision des Klägers nicht Folge zu geben. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 2 ASGG, 52 ZPO.

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