OGH 8ObA14/11h

OGH8ObA14/11h26.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** H*****, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gernot Moser, Mag. Georg Grauss, Rechtsanwälte in Schwaz, wegen 16.148,60 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Dezember 2010, GZ 15 Ra 125/10k-20, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. März 2010, GZ 16 Cga 28/09m-13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird und die Kostenentscheidung zu lauten hat:

„Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 969,06 EUR (darin enthalten 161,51 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Berufungsbeantwortung zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 555,30 EUR (Pauschalgebühr) bestimmten Kosten der Revision zu ersetzen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen 104,90 EUR (darin 17,48 EUR USt) an Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger war bei der Beklagten als Druckereihelfer beschäftigt. Am 31. 7. 2008 kam es im Betriebsgebäude im Zuge des Schichtwechsels zu einer zunächst verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und einer Arbeitskollegin. Der Streit schaukelte sich immer mehr auf, schließlich wandte sich die Kollegin vom Kläger ab und wollte eine Treppe hinuntergehen. Der Kläger, der ihr nachgefolgt war, versetzte ihr mit seinen flachen Händen von hinten im Schulterbereich einen Stoß, wodurch die Kollegin zu Sturz kam und ungefähr 10 Stufen hinunterfiel. Dieser Sturz hatte eine Kahnbeinfraktur an der linken Hand, eine Knieprellung links, eine Rückenprellung sowie eine Fersenbeinprellung zur Folge. Die Verletzte war vom 31. 7. 2008 bis zum 19. 10. 2008 im Krankenstand und auch nachfolgend noch über 6 bis 8 Wochen nicht in der Lage, ihre angestammte Arbeit zu verrichten.

Unmittelbar nach dem Vorfall vom 31. 7. 2008 kam ein Mitarbeiter der Beklagten, der aufgrund des Lärms auf das Geschehen aufmerksam geworden war, herbeigeeilt. Die Verletzte erklärte ihm gegenüber, dass es eine Auseinandersetzung zwischen ihr und dem Kläger gegeben habe, dieser ihr einen Stoß versetzt habe, sie deshalb über die Stiege gefallen sei und nun Schmerzen im Fuß und an der Hand verspüre. Der Kläger gab gegenüber diesem Mitarbeiter zu, der Kollegin einen Schubs gegeben zu haben, meinte aber, sie habe sich absichtlich über die Stiege fallen lassen.

Noch am 31. 7. 2008 kontaktierte der genannte Mitarbeiter, dem selbst keine Vorgesetztenfunktion zukam, telefonisch den Betriebsleiter, der sich zu diesem Zeitpunkt bis zum 19. 8. 2008 im Urlaub befand. Er teilte ihm mit, dass es einen Streit zwischen dem Kläger und einer Kollegin gegeben habe, diese behaupte, dass ihr der Kläger einen Stoß versetzt habe und sie deshalb über die Stiege hinuntergefallen sei. Der Kläger räume ein, dass er ihr einen Schubs gegeben habe, meine aber, die Frau habe sich absichtlich über die Stiege hinunterfallen lassen. Der Betriebsleiter wurde in diesem Telefonat auch darüber informiert, dass die Gestürzte über Schmerzen im Fuß und an der Hand geklagt habe und deswegen in die Klinik fahren wolle.

Der Betriebsleiter der beklagten Partei war der direkte Vorgesetzte des Klägers und seiner Kollegin. Er verfügte über Prokura und war gemeinsam mit dem Geschäftsführer der beklagten Partei vertretungsbefugt sowie dessen „rechte Hand“. Er hatte bei der beklagten Partei auch Personalagenden wie Urlaubsgewährung, Zeitausgleichsgewährung, Überstundenanordnung etc. über. Er traf auch die Vorauswahl bei Einstellungen. Die schlussendliche Personalkompetenz bei Einstellungen und bei Beendigung von Dienstverhältnissen hatte nur der Geschäftsführer der beklagten Partei. Der Betriebsleiter durfte diesbezüglich - auch in dringenden Fällen und bei Abwesenheit des Geschäftsführers - nur nach Absprache mit diesem tätig werden.

Ungefähr eine Woche nach dem Vorfall vom 31. 7. 2008 erfuhr der Betriebsleiter durch eine Mitarbeiterin, dass sich die verletzte Kollegin des Klägers krank gemeldet habe, ihres Wissens sei sie über die Treppe gestürzt. Die Mitarbeiterin fragte, ob sie als Grund für die Krankmeldung „Unfall“ oder „Krankheit“ angeben solle. Über Anweisung des Betriebsleiters leitete die Angestellte die Krankmeldung ohne Anbringung eines Vermerks über einen Unfall in die Unternehmenszentrale weiter.

Am 19. 8. 2008, dem ersten Arbeitstag des Betriebsleiters nach seinem Urlaub, zitierte er den Kläger wegen des Geschehens vom 31. 7. 2008 zu sich. Dieser verantwortete sich in derselben Weise wie am Vorfallstag gegenüber dem Arbeitskollegen.

Ein paar Wochen nach dem 31. 7. 2008 und jedenfalls vor der Entlassung des Klägers am 29. 8. 2008 - der genaue Zeitpunkt konnte nicht festgestellt werden - rief die verletzte Mitarbeiterin den Betriebsleiter an und schilderte ihm das Geschehen in der Weise wie schon am Vorfallstag gegenüber dem Arbeitskollegen. Sie erklärte, dass sie dem Kläger nicht mehr begegnen wolle, weil sie sich vor ihm fürchte. Wenn es von Seiten der beklagten Partei nicht möglich sei, dies sicherzustellen, wolle sie ihren Dienst bei der beklagten Partei nicht mehr antreten und würde sie eine einvernehmliche Beendigung anbieten. Überdies gelangte dem Betriebsleiter im Zuge dieses Gesprächs zur Kenntnis, dass eine Anzeige gegen den Kläger erstattet worden sei und ein Strafverfahren behänge.

Auf diesen Anruf hin rief der Betriebsleiter schließlich am 29. 8. 2008 den Geschäftsführer der beklagten Partei an, teilte ihm den Vorfall und die Versionen der Beteiligten, die Existenz eines Strafverfahrens sowie den Umstand mit, dass die verletzte Kollegin des Klägers mit diesem nicht mehr weiter zusammenarbeiten wolle. Der Geschäftsführer sprach daraufhin am selben Tag die Entlassung des Klägers aus.

Weder der Betriebsleiter, noch irgend jemand von Seiten der Beklagten hatte davor etwas unternommen, um das Geschehen vom 31. 7. 2008 näher aufzuklären. Es wurde nicht versucht, Einsicht in den Strafakt zu nehmen. Im Strafverfahren hatte der Kläger bereits am 7. 8. 2008 bei seiner Einvernahme vor der Polizei zugegeben, die Kollegin „geschubst“ zu haben, ohne von einem absichtlichen Fallenlassen zu sprechen.

Zwischen dem Vorfall vom 31. 7. 2008 und dem 29. 8. 2008 war der Kläger durchgehend seiner Arbeit bei der beklagten Partei nachgegangen, er wurde nicht suspendiert. Ihm wurde auch nicht zur Kenntnis gebracht, dass auf eine Entlassung nicht verzichtet werde, sondern die Ergebnisse des Strafverfahrens abgewartet würden, oder dass die Entlassung vom Ergebnis des Strafverfahrens abhängig gemacht werde.

Auch der Geschäftsführer der Beklagten war zwischen dem Vorfall vom 31. 7. 2008 und der Entlassung des Klägers zweimal vor Ort im Betrieb der beklagten Partei, wobei in dieser Zeit der Kläger jeweils dort arbeitete.

Der Kläger wurde für seine Tätlichkeit im Strafverfahren vor dem Landesgericht Innsbruck mit rechtskräftigem Urteil vom 17. 9. 2008 wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt.

In seiner Klage vertrat der Kläger den Standpunkt, der Entlassungsgrund sei nicht unverzüglich geltend gemacht worden. Er begehrte Kündigungsentschädigung samt anteiligen Sonderzahlungen, restliche Urlaubsersatzleistung und Abfertigung sowie die Nachtschichtzulage für den Monat August 2008.

Die Beklagte wandte ihrerseits Schadenersatzforderungen aus dem Titel der Entgeltfortzahlung für die verletzte Dienstnehmerin und Verdienstentgang aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht stellte sowohl die Klagsforderung als auch die Gegenforderung als berechtigt fest und sprach dem Kläger den sich aus 16.148,60 EUR brutto abzüglich 8.934,39 EUR netto ergebenden Gesamtnettobetrag samt Zinsen unter Abweisung des Mehrbegehrens zu.

Die Beklagte habe während des Zeitraums vom Vorfall bis zur Entlassung trotz Kenntnis der wesentlichen Umstände keinerlei weitere Aufklärung veranlasst, die das lange Zuwarten mit dem Entlassungsausspruch rechtfertigen hätte können, und dem Kläger gegenüber auch keinen Vorbehalt geäußert. Sie habe daher das grundsätzlich bestehende Entlassungsrecht verwirkt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen den klagsabweisenden Teil der Entscheidung nicht Folge. Hingegen gab es der Berufung der Beklagten Folge und stellte fest, dass die Klagsforderung mit dem (entlassungsunabhängigen) Anspruch von 288,12 EUR und die Gegenforderung bis zu dieser Höhe zu Recht bestehe, sodass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Unter ausführlicher Wiedergabe der ständigen Rechtsprechung zum Erfordernis der unverzüglichen Geltendmachung von Auflösungsgründen im Arbeitsrecht gelangte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, der Kläger habe durch wissentlich unwahre Angaben gegenüber dem Betriebsleiter bewirkt, dass für diesen eine unklare Situation vorgelegen habe. Deshalb und wegen des anhängigen Strafverfahrens habe er nicht damit rechnen dürfen, dass das mehrwöchige Zögern des Arbeitgebers einen Verzicht auf das Entlassungsrecht bedeute, zumal er sich nicht auf seine eigene Unredlichkeit berufen könne.

Die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung strebt eine vollinhaltliche Klagsstattgebung an. Die Beklagte hat eine ihr gemäß § 508a Abs 2 ZPO freigestellte Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts - zulässig, weil dessen Rechtsansicht im vorliegenden Einzelfall aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtssicherheit einer Korrektur bedarf, sie ist aber nur teilweise berechtigt.

1. Die Revisionsschrift führt, entgegen der das gesamte Klagebegehren umfassenden Anfechtungserklärung, überhaupt keine Gründe gegen die von den Vorinstanzen übereinstimmend beurteilte Berechtigung der Gegenforderung der Beklagten ins Treffen. Der Oberste Gerichtshof hat das Bestehen dieser Gegenforderung daher mangels gesetzmäßiger Anfechtung nicht mehr zu überprüfen (RIS-Justiz RS0007416 [T2]).

2. Die Gründe für eine vorzeitige Lösung eines Dienstverhältnisses sind bei sonstiger „Verwirkung“ des Entlassungsrechts unverzüglich, das bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, geltend zu machen. Der Dienstgeber darf mit der Ausübung seines Entlassungsrechts nicht wider Treu und Glauben so lange warten, dass der Arbeitnehmer aus diesem Zögern auf einen Verzicht auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe schließen muss; der Dienstnehmer, dem ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen wird, soll darüber hinaus nicht ungebührlich lange über sein weiteres dienstrechtliches Schicksal im Unklaren gelassen werden (RIS-Justiz RS0031799; RS0028965 ua; Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 25 Rz 28 ff).

Bei dieser Beurteilung sind keine starren zeitlichen Grenzen zu ziehen. Wesentliches Kriterium für die Unschädlichkeit eines Zuwartens mit der Entlassung ist, ob das Zögern des Dienstgebers aufgrund der Sachlage begründet war, oder ob im Einzelfall darin ein schlüssiger Verzicht auf die Geltendmachung des Entlassungsgrundes zu erblicken war.

Auch eine verzögerte Entlassung kann daher noch rechtzeitig sein, wenn sie etwa aufgrund unternehmensinterner Hierarchien der Genehmigung durch den Vorgesetzten oder den Vorstand bedarf. Der Dienstgeber muss sich aber den Kenntnisstand eines mit Personalagenden befassten leitenden Angestellten zurechnen lassen, und zwar auch dann, wenn dieser selbst nicht zum Ausspruch von Entlassungen berechtigt ist (Friedrich aaO Rz 30; 4 Ob 74/75 Arb 9424 = ZAS 1977/20 [Marhold]; 8 ObA 223/98x).

Auch wenn ein unklarer Sachverhalt vorliegt, dessen Aufklärung noch weiterer Ermittlungen bedarf, kann dafür ein längeres Zuwarten zu tolerieren sein, weil bloße Verdachtsmomente die Entlassung nicht rechtfertigen. Bei strafrechtlich relevantem Verhalten des Arbeitnehmers ist dem Arbeitgeber vor Auflösung des Dienstverhältnisses auch das Recht zuzubilligen, ein strafgerichtliches Urteil abzuwarten, allerdings muss dem Arbeitnehmer gegenüber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden, dass man sich durch das Strafverfahren weitere Aufschlüsse erwarte und daher nicht auf das Recht zur vorzeitigen Beendigung verzichte (RIS-Justiz RS0029297). Hat der Arbeitnehmer die strafbare Handlung geleugnet, läuft seine Einwendung, dass der Arbeitgeber die Entlassung schon früher hätte aussprechen können, auf nichts anderes als eine gegen Treu und Glauben verstoßende und daher unzulässige Berufung auf seine eigene Unredlichkeit hinaus (4 Ob 98/81, DRdA 1984, 233 [Apathy]).

Die Revision macht aber im Ergebnis zutreffend geltend, dass die dargestellten Kriterien für eine unschädliche Verzögerung im vorliegenden Fall objektiv nicht vorliegen.

Der Geschäftsleiter und Prokurist der Beklagten war bereits am Vorfallstag in Kenntnis des gegen den Kläger erhobenen Vorwurfs. Er wusste, dass die Verletzte ein Hinunterstoßen behauptete und der Kläger einen „Schubs“ selbst zugestanden hat. Zwar war er zu weitergehenden Nachforschungen während seines Urlaubs nicht verpflichtet, er hat aber auch nach seiner Rückkehr in Kenntnis der unterschiedlichen Versionen der Beteiligten keine weiteren Nachforschungen zur Aufklärung des Tathergangs angestellt. Obwohl ihm die gravierenden Folgen durch die Krankmeldung der Mitarbeiterin bekannt waren, verständigte er den Geschäftsführer von dem Vorfall zunächst nicht. Über seine Anweisung wurde sogar die Krankmeldung der Verletzten ohne Hinweis auf einen Unfall weitergeleitet.

Dem Umstand, dass der Kläger gegenüber dem Vorgesetzten versucht hat, den Vorfall verharmlosend darzustellen, kommt dabei nach dem vorliegenden Sachverhalt keine entscheidende Bedeutung zu, weil sie für die Verzögerung nicht ursächlich war. Das Tatsachengeständnis des Klägers, die Kollegin gestoßen zu haben, war dem Vorgesetzten von Anfang an bekannt. Abgesehen davon, dass die Version eines absichtlichen Treppensturzes mit Inkaufnahme schwerer Verletzungen unter den zugestandenen Umständen ohnehin höchst unglaubwürdig erscheinen musste, würde auch schon ein bloßer körperlicher Übergriff ohne Verletzungsfolgen den Entlassungsgrund der groben Ehrenbeleidigung iSd § 82 lit g GewO 1859 verwirklichen (vgl RIS-Justiz RS0060957 mwN; RIS-Justiz RS0029821 mwN).

Die Überlegung des Berufungsgerichts, es habe keine unmittelbaren Zeugen des Vorfalls gegeben, die zur Aufklärung beitragen hätten können, übergeht die Verletzte selbst. Der Betriebsleiter der Beklagten hat trotz der ihm von Anfang an bekannten unterschiedlichen Versionen des Vorfalls gar nicht versucht, von sich aus die verletzte Mitarbeiterin anzurufen und über ihre Sicht zu befragen.

Selbst unter der für den Standpunkt der Beklagten günstigsten Prämisse, dass die Nachforschungspflicht des Dienstgebers durch einen solchen Anruf während des noch laufenden Krankenstands der Mitarbeiterin überspannt würde, wäre es aber jedenfalls geboten gewesen, dem Kläger gegenüber unmissverständlich klarzustellen, dass die lange Untätigkeit des Dienstgebers keinen Verzicht auf arbeitsrechtliche Konsequenzen bedeutet. Weder hat aber der Betriebsleiter, dessen Verhalten der Beklagten zuzurechnen ist, irgendeinen Vorbehalt gegenüber dem Kläger dahin erklärt, dass noch weitere Ermittlungen - welcher Art auch immer - abgewartet würden, noch hat tatsächlich eine aktive Sachverhaltsermittlung stattgefunden. Durch die mehrwöchige vorbehaltslose Weiterbeschäftigung des von Anfang an teilgeständigen Klägers hat die Beklagte ihm gegenüber vielmehr schlüssig zu erkennen gegeben, dass sie die Aufrechterhaltung seines Dienstverhältnisses zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist nicht als unzumutbar ansieht.

Der Betriebsleiter sah sich nach den Feststellungen erst dann veranlasst, den Geschäftsführer von dem Vorfall zu verständigen, als ein schweigendes Übergehen der Angelegenheit wegen der Ankündigung der Verletzten, ihr Dienstverhältnis aus Angst vor dem Kläger beenden zu wollen, nicht länger möglich war. Hier ist aber dem Erstgericht beizupflichten, dass die Erklärung der Verletzten zwar das auslösende Motiv für die Beendigung des Dienstverhältnisses sein mochte, daraus aber kein eigenständiger neuer Entlassungsgrund abzuleiten ist.

Die Höhe der wechselseitigen Forderungen ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. In teilweiser Stattgebung der Revision war daher das Ersturteil wieder herzustellen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf § 2 ASGG, §§ 41, 43 Abs 1 und 50 ZPO.

Im Berufungsverfahren steht dem Kläger weder für sein eigenes erfolgloses Rechtsmittel, noch für seine als verspätet zurückgewiesene Berufungsbeantwortung ein Kostenersatz zu, der Beklagten waren die Kosten ihrer Berufungsbeantwortung - allerdings nur auf Basis des Berufungsinteresses des Klägers von 8.934,39 EUR netto - zuzusprechen.

Im Revisionsverfahren ist der Kläger mit rund 45 % seines Interesses durchgedrungen und hat daher Anspruch auf den aliquoten Ersatz der Pauschalgebühr, der Beklagten steht der Ersatz von 10 % der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu.

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