OGH 4Ob74/75

OGH4Ob74/752.12.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer DDr. Skrovanek und Mr. Pharm. Srb als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, Angestellter, *, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Firma A* m.b.H., *, vertreten durch Dr. Peter Kauten, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 24. März 1975, GZ. 44 Cg 40/75‑15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 3. Dezember 1974, GZ. 6 Cr 175/74‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00074.75.1202.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Untergerichte werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

“Das zwischen den Parteien am 1. Oktober 1972 eingegangene Arbeitsverhältnis besteht aufrecht fort.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei, die mit S 18.279,‑‑ bestimmten Kosten des Verfahrens I. Instanz (darin sind S 783,‑‑ an Barauslagen und S 1.296,‑‑ an Umsatzsteuer enthalten) sowie die mit S 6.998,40 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin sind S 518,40 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.295,04 bestimmten. Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 96,— an Barauslagen und S 311,04 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt die Feststellung des aufrechten Bestandes seines mit der beklagten Partei am 5. Oktober 1972 abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses. Zur Begründung führt er aus, er sei Angestellter der beklagten Partei. Das auf unbestimmte Zeit eingegangene Arbeitsverhältnis habe vereinbarungsgemäss so lange Gültigkeit, als ein zwischen der beklagten Partei und der C* AG abgeschlossenes Vertragsverhältnis bestehe. Ungeachtet des fortdauernden Bestandes dieses Vertragsverhältnisses habe die beklagte Partei das Arbeitsverhältnis des Klägers vertragswidrig, nämlich in Widerspruch zu der erwähnten vertraglichen Unkündbarkeit, durch Entlassung aufgelöst.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Der Kläger sei am 25. April 1974 zunächst entlassen worden, weil er dem Geschäftsführer einer Spedition gegenüber, mit der die beklagte Partei in Geschäftsverbindung stehe, abfällige Bemerkungen über die beklagte Partei und deren Geschäftsführung gemacht sowie den Montageleiter der beklagten Partei aufgefordert habe, mit dessen Monteuren die beklagte Partei zu verlassen und in die Dienste des Klägers zu treten. Der Seniorchef der beklagten Partei, Ingenieur * R*, habe aber zugleich dem Kläger mitgeteilt, man sei entgegenkommenderweise bereit, die Entlassung in eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 1974 umzuwandeln. Der Kläger habe sich das Angebot reiflich überlegt, sei dann zum Seniorchef zurückgekehrt und habe sein Einverständnis zu dessen Vorschlag erklärt. Hierauf sei das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst und die Ansprüche des Klägers seien in diesem Sinn abgerechnet worden. Das Feststellungsbegehren sei unzulässig, weil auch eine ungerechtfertigte Entlassung ein auf bestimmte Zeit abgeschlossenes Arbeitsverhältnis auflöse.

Der Kläger bestritt dieses Vorbringen, insbesondere die behaupteten Entlassungsgründe und das Zustandekommen einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Eine Änderung des Arbeitsvertrages habe vereinbarungsgemäss die Schriftform vorausgesetzt. Das Arbeitsverhältnis sei mit der zwischen der beklagten Partei und der C* AG vereinbarten Vertragsbeziehung derart verknüpft gewesen, dass eine Entlassung unzulässig gewesen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Parteien haben in dem am 5. Oktober 1972 abgeschlossenen Arbeitsvertrag (unter anderem) folgendes vereinbart:

„Das am 1. 10. 1972 begonnene Dienstverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, hat jedoch so lange Gültigkeit, als das Vertragsverhältnis zwischen C* AG und der Aufbaugesellschaft aufrecht besteht ..... Die Lösung des Dienstverhältnisses kann seitens des Dienstnehmers unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist am letzten eines jeden Kalendermonats erfolgen. Im übrigen gelten die Bestimmungen des Angestelltengesetzes und des obgenannten Kollektivvertrages. Jede Änderung der vorstehenden Bedingungen wie auch eine allfällige Kündigung des Dienstverhältnisses bedürfen der schriftlichen Form.“

Der Kläger war mit dem Vertrag nicht zufrieden und bemühte sich schon nach einigen Monaten um eine Abänderung. Darüber fanden zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses laufend Gespräche statt, die einmal zu einer Abänderung führten.

Am 24. April 1974 erfuhr der Geschäftsführer der beklagten Partei aus Aktennotizen des Leiters der Personalabteilung, Dr. W*, von angeblichen Äusserungen des Klägers einem Kunden und einem Arbeitnehmer der beklagten Partei gegenüber, die er als Entlassungsgründe beurteilte. Nach einer Beratung mit dem Beklagtenvertreter beauftragte er seinen Vater Ing. * R*, den Hauptgesellschafter der beklagten Partei, den Kläger am folgenden Tag zu entlassen, ermächtigte ihn aber zu einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Am Vormittag des 25. April 1974 ließ Ing. R* den Kläger zu sich rufen und sprach dessen Entlassung aus, nachdem er ihm die von Dr. W* angefertigten Aktenvermerke vorgelesen hatte. Der Kläger, der noch nervöser war als sonst, wollte sich zunächst in eine Verhandlung nicht einlassen, sondern beabsichtigte, einen Rechtsanwalt beizuziehen. Schliesslich ließ er sich doch in eine Erörterung ein und bezeichnete die ihm vorgeworfenen Äusserungen als übertrieben. Ing. * R* schlug dann dem Kläger vor, die Entlassung in eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses umzuwandeln, damit der Kläger aus der Beantwortung von künftigen Anfragen anderer Unternehmen durch die beklagte Partei keinen Schaden erleide. Er forderte ihn auf, seine Unterlagen zu packen und ihm dann Bescheid zu geben. Im Falle der Nichtannahme seines Vorschlages bleibe es bei der Entlassung. Der Kläger packte daraufhin seine Sachen in Gegenwart des Dr. W* und des Prokuristen W* und begab sich schliesslich wieder zu Ing. R*, um sich zu verabschieden. Auf dessen Frage, wie er sich entschieden habe, antwortete er: „Wenn ohnedies beides egal ist, dann meinetwegen einvernehmlich.“ Nicht erwiesen werden konnte, dass der Kläger im Zeitpunkt der Abgabe dieser Erklärung des Gebrauches der Vernunft beraubt gewesen wäre. Die Erklärung des Klägers war vielmehr ernstlich gemeint und konnte von Ing. * R* nur so aufgefasst werden.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht von einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus. Daran vermöge auch die für Vertragsänderungen und für Kündigungen vereinbarte, von den Parteien jedoch nicht beachtete Schriftform nichts zu ändern, weil die Parteien von einer solchen Vereinbarung einvernehmlich jederzeit abgehen könnten. Da eine ungerechtfertigte Entlassung das Arbeitsverhältnis mit Rücksicht auf dessen Unkündbarkeit nicht aufgelöst hätte, sei das Feststellungsinteresse des Klägers zu bejahen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-- nicht übersteige. Es führte die Verhandlung gemäss dem § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG durch Verlesung der Protokolle über die vor dem Erstgericht aufgenommenen Beweise sowie durch Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden neu durch und gelangte zu den gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Das Berufungsgericht traf jedoch folgende wesentliche zusätzliche Feststellungen:

Der Kläger hatte schon lange vor dem 25. April 1974 die Absicht, das Unternehmen der beklagten Partei zu verlassen. Er sagte zu den Kunden seines Arbeitgebers, dessen Zahlungsmoral sei nicht in Ordnung, es werde zu spät an die Lieferanten bezahlt und es fehle der Wille zu Investitionen; er habe ein scheussliches Büro und die Arbeitsverhältnisse mit Frau G*, einer ehemaligen Freundin des Geschäftsführers, seien nicht günstig. Einem Arbeitnehmer eines fremden Unternehmens gegenüber hat der Kläger von seinen Vertragsdifferenzen mit der beklagten Partei berichtet. Zu P*, dem Montageleiter der beklagten Partei, sagte der Kläger: „Machen wir uns selbständig, fangen wir gemeinsam irgend etwas an.“ Er fügte bei, auch P* werde unzufrieden werden und von der beklagten Partei weggehen; er solle dann zum Kläger kommen.

Der Kläger hat um Bedenkzeit gebeten, um den Vorschlag des Ing. * R*, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufzulösen, überlegen zu können. Der Ausspruch der Entlassung des Klägers erfolgte nicht verspätet, obgleich der Personalchef der beklagten Partei, Dr. W*, bereits Ende März 1974 von den Entlassungsgründen Kenntnis hatte. Dr. W* war nämlich ohne Zustimmung des Geschäftsführers der beklagten Partei zur Entlassung von leitenden Angestellten nicht berechtigt.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, die in der Berufung erstmals behauptete Unzurechnungsfähigkeit des Klägers im Zeitpunkte der einvernehmlichen Vertragsauflösung könne dahingestellt bleiben, sodass sich die Einholung des dazu beantragten Sachverständigengutachtens erübrige. Denn wenn der Kläger tatsächlich unzurechnungsfähig gewesen sein sollte, bliebe die Entlassung aufrecht. Ing. R* habe nämlich ausdrücklich erklärt, der Kläger solle sich seinen Vorschlag, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufzulösen, überlegen, aber grundsätzlich bleibe es bei der Entlassung. Die festgestellten Äusserungen des Klägers rechtfertigten jedoch dessen Entlassung. Die Rechtzeitigkeit dieser Vertragsauflösung müsse nach dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Verfehlungen des Klägers durch die allein zur Entlassung berechtigte Geschäftsleitung beurteilt werden. Da diese Kenntnisnahme am 24. April 1974 erfolgt sei, müsse die am 25. April 1974 ausgesprochene Entlassung als rechtzeitig anerkannt werden. Die vereinbarte Schriftform gelte nur für Kündigungen und nicht für Entlassungen, die im übrigen nicht abdingbar seien.

Zu dem in der Berufung erstatteten Vorbringen, der Kläger sei über die Frage der Rechtzeitigkeit der Entlassung in Irrtum geführt worden, beide Teile seien damals von der (in Wahrheit nicht zutreffenden) Rechtzeitigkeit ausgegangen, hat das Berufungsgericht nicht Stellung genommen.

Die vom Kläger gegen dieses Urteil erhobene Revision wurde vom Berufungsgericht mit Beschluss vom 23. Juni 1975, 44 Cg 40/75‑19 (in der durch den Beschluss vom 25. September 1975, ON 24, ergänzten Fassung) im Hinblick auf den vorerwähnten Streitwertausspruch als unzulässig zurückgewiesen. Der Oberste Gerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 18. November 1975, 4 Ob 64/75, dem Rekurs des Klägers Folge gegeben und den Zurückweisungsbeschluss ersatzlos aufgehoben. Aus den in dieser Entscheidung näher dargelegten Gründen, auf die hiermit verwiesen wird, hatte das Berufungsgericht bei seinem Streitwertausspruch mangels sinngemässer Anwendung der §§ 5460 JN die ihm zustehende Entscheidungsbefugnis überschritten, sodass das Revisionsgericht, an diesen Ausspruch nicht gebunden ist. Da der Streitwert aus den in der vorerwähnten Entscheidung angeführten Gründen bei sinngemässer Anwendung des § 58 Abs. 2 JN den Betrag von S 15.000,-- übersteigt, ist die Revision zulässig.

Der Kläger macht die Revisionsgründe des § 503 Z. 14 ZPO geltend und beantragt, die Urteile der Untergerichte im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Eine Nichtigkeit erblickt der Revisionswerber in dem Umstand, dass das Berufungsgericht im Gegensatz zum Erstgericht auf die Frage der Rechtswirksamkeit, insbesondere der Rechtzeitigkeit der Entlassung eingegangen sei und diese Frage bejaht habe. Dadurch sei aber dem Kläger die Möglichkeit genommen worden, vor den Untergerichten über diese Frage zu verhandeln, sodass das angefochtene Urteil mangelhaft und nicht überprüfbar sei.

Mit diesem Vorbringen verkennt jedoch der Berufungswerber sowohl das durch den Neuverhandlungsgrundsatz geprägte Wesen des arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahrens als auch den Inhalt des Nichtigkeitsgrundes des § 477 Abs. 1 Z. 9 ZPO. Da gemäss dem § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG das Verfahren vor dem Berufungsgericht neu durchzuführen ist, war das Berufungsgericht berechtigt, auf Grund der von ihm in der Berufungsverhandlung durch Verlesung der Verhandlungsprotokolle des Erstgerichts angenommenen Beweise (eine Einsprache wurde von den Parteien nach der Aktenlage dagegen nicht erhoben) Feststellungen zum Fragenkomplex der Entlassung zu treffen. Dem Kläger war im Rahmen des gesetzmässig durchgeführten Verfahrens keineswegs die Gelegenheit genommen, über diese Frage zu verhandeln, ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten und Beweisanträge zu stellen. Er hat sogar die Möglichkeit gehabt, durch Erhebung einer Einsprache gegen die Verlesung der in erster Instanz aufgenommenen Protokolle die neuerliche Vernehmung der Zeugen zu erzwingen. Von all diesen nach den Verfahrensvorschriften gebotenen Möglichkeiten hat er jedoch keinen Gebrauch gemacht. Der vom Kläger geltend gemachte Nichtigkeitsgrund setzt voraus, dass die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend, begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt. Nur der Mangel der Gründe nicht aber eine mangelhafte Begründung bildet den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z. 9 ZPO (Arb 8609 ua; Fasching IV, 139). Diese Voraussetzungen treffen im Gegenstand nicht zu, weil das Berufungsgericht seine Eventualannahme einer rechtswirksamen Entlassung begründet hat.

Unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit bekämpft der Kläger den Streitwertausspruch des Berufungsgerichtes. Auf diese Ausführungen ist im Hinblick auf die oben erwähnte, in dieser Streitsache ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18. November 1975, 4 Ob 64/75, die dem Bedenken des Klägers Rechnung trägt, hier nicht mehr einzugehen.

Verfehlt ist aber auch die Mängelrüge, mit der sich der Revisionswerber neuerlich dagegen wendet, dass das Berufungsurteil auf die vom Erstgericht nicht erörterte Entlassung eingegangen sei. Diesbezüglich, ist auf die bereits zur behaupteten Nichtigkeit erstatteten Ausführungen auf den Neuverhandlungsgrundsatz zu verweisen.

Mit der Rechtsrüge bekämpft der Revisionswerber die Auffassung des Berufungsgerichtes, die Entlassung sei rechtzeitig erfolgt. Der Kläger wendet sich ferner gegen die Annahme einer einvernehmlichen Auflösung seines Arbeitsverhältnisses.

Die Rechtsrüge ist im Ergebnis berechtigt.

Da sie gesetzmässig ausgeführt wurde, ist die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte rechtliche Beurteilung ohne Bindung an die Rechtsmittelausführungen nach allen Richtungen zu prüfen. Eine solche Prüfung führt jedoch zu dem Ergebnis, dass die tragende Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, es komme auf die Frage der Handlungsfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Vertragsauflösung nicht an, weil selbst im Falle der Handlungsunfähigkeit des Klägers das Arbeitsverhältnis dann eben nicht einvernehmlich, sondern durch die ursprünglich ausgesprochene gerechtfertigte Entlassung aufgelöst worden sei, auf einer für den vorliegenden Fall, nicht zutreffenden Voraussetzung beruht. Diese alternative Auffassung des Berufungsgerichtes setzt nämlich eine gerechtfertigte Entlassung des Klägers voraus und gerade eine solche wirksame Vertragsauflösung ist, wie noch darzulegen sein wird, nicht erfolgt. Trotzdem kann die Frage der Handlungsfähigkeit des Klägers auf sich beruhen, weil die einvernehmliche Vertragsauflösung, wie gleichfalls noch auszuführen sein wird, im Gegenstand eine gerechtfertigte, somit wirksame Entlassung als Beweggrund vorausgesetzt hat. Diese Voraussetzung trifft jedoch gleichfalls nicht zu.

Die rechtliche Beurteilung hat davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien für die Dauer der Vertragsbeziehungen der beklagten Partei zu der C* AG von Seiten der beklagten Partei unkündbar war. Dies ergibt sich aus dem festgestellten Text des Arbeitsvertrages, wonach dieser auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde, jedoch solange Gültigkeit besitzen sollte, als die oben erwähnten Vertragsbeziehungen aufrecht bestehen; ferner aus der Vereinbarung, dass das Arbeitsverhältnis von Seiten des Klägers unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist am (richtig wohl: zum) Letzten eines jeden Kalendermonats, gekündigt werden könne. Mit dieser Vereinbarung wurde die grundsätzlich unbestimmte Vertragsdauer für einen zeitlichen Teilbereich, der mit der – vorläufig ebenfalls unbestimmten – Dauer einer anderen Vertragsbeziehung fixiert wurde, insofern unauflösbar gestaltet, als das Arbeitsverhältnis während dieses Zeitraumes wohl von Seiten des Klägers, nicht aber auch durch die beklagte Partei gekündigt werden kann. Da dieses andere Vertragsverhältnis im Zeitpunkt der Entlassung des Klägers noch aufrecht war, stand die vertraglich vereinbarte Unkündbarkeit in diesem Zeitpunkt noch in Geltung. Daraus folgt entgegen der Auffassung der beklagten Partei, dass das Arbeitsverhältnis durch eine ungerechtfertigte Entlassung nicht aufgelöst werden konnte, weil durch die Vereinbamg der Unkündbarkeit der Arbeitnehmer einen ähnlichen Bestandschutz seines Arbeitsverhältnisses erhält wie ein kraft Gesetzes kündigungsgeschützter Arbeitnehmer (Arb 8732, 9740, 9258; Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht, 144; Bydlinski, JBl 1964, 573; Strasser, JBl 1968, 380 f; Schwimann, ZAS 1969, 121 ff; Adler-Höller in Klang 2, V, 326; Kuderna, Entlassungsrecht 22; Martinek-Schwarz, AngG2, 306, 364).

Zu prüfen ist daher, ob die Entlassung gerechtfertigt war. Rechtsprechung und Lehre stimmen darin überein, dass die Entlassung unverzüglich, nämlich sofort nachdem der Entlassungsgrund dem Arbeitgeber bekannt geworden ist, ausgesprochen werden muss, widrigenfalls das Entlassungsrecht des Arbeitgebers erlischt (Arb 9091, 8318, 7742, 7483, 7139 uva; Adler-Höller aaO 340; Mayer-Maly aaO, 142; Martinek-Schwarz aaO, 371, 403 ff; Kuderna aaO, 15 ff). Der Grundsatz der Unverzüglichkeit, dem der Gedanke zugrunde liegt, dass ein Arbeitgeber, der eine Verfehlung seines Arbeitnehmers nicht sofort mit der Entlassung beantwortet, dessen Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar ansieht und auf die Ausübung des Entlassungsrecht im konkreten Fall verzichtet, darf aber nicht überspannt werden. Es muss vielmehr bei der Anwendung dieses Grundsatzes den Erfordernissen des Wirtschaftslebens und den Betriebsverhältnissen insbesondere der Organisationsform des Unternehmens, Rechnung getragen und dem Arbeitgeber eine Überlegungsfrist zugebilligt werden (Arb 9091, 6566, 5498 uva; Martinek-Schwarz aaO, 405; Kuderna aaO). Bekannt geworden ist der Entlassungsgrund dem Arbeitgeber, sobald diesem alle für die Beurteilung des Vorliegens des Entlassungsgrundes wesentlichen Einzelheiten der Handlung und der Person zur Kenntnis gelangt sind. Der Kenntniserlangung durch den Arbeitgeber ist die Kenntnisnahme durch seinen Stellvertreter oder durch einen ganz oder teilweise mit Personalagenden befassten leitenden Angestellten gleichzuhalten, wenn dieser dem Arbeitgeber oder seinem Stellvertreter von dem Entlassungsgrund nicht unverzüglich berichtet hat. Der Arbeitgeber muss die Kenntnis dieser Personen vom Entlassungsgrund unabhängig davon gegen sich gelten lassen, ob er sie zur Vornahme einer Entlassung ermächtigt hat. Wollte man in diesen Fällen die Rechtzeitigkeit einer Entlassung allein auf die Kenntnisnahme des Arbeitgebers abstellen, hätte dies eine weitgehende Beseitigung dieses Grundsatzes zur Folge, weil der Arbeitgeber in großen Betrieben Verfehlungen von Arbeitnehmern nur selten unmittelbar persönlich zu erfahren pflegt und weil im allgemeinen derartige leitende Angestellte, insbesondere die Leiter von Personalabteilungen, zur Vornahme von Entlassungen berechtigt sind. Die dem Grundsatz der Rechtzeitigkeit der Entlassung zugrunde liegenden, oben bereits erwähnten Gedanken treffen auch dann zu, wenn ein den Arbeitgeber im vorliegenden Zusammenhang repräsentierender leitender Angestellter das Entlassungsrecht nicht unverzüglich ausübt oder den betreffenden Arbeitnehmer nicht davon in Kenntnis setzt, dass er dem Arbeitgeber oder dem dazu innerbetrieblich zuständige Organ von dem vorgefallenen berichten werde. In diesem letztgenannten Falle könnte der Arbeitnehmer innerhalb eines für die Überlegungsfrist maßgebenden Zeitraumes nicht annehmen, der Arbeitgeber habe auf die Ausübung seines Entlassungsrechtes verzichtet. Ebensowenig wäre ein Schluss auf die fehlende Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung gerechtfertigt (vgl. JBl 1957, S. 375, Arb 8634; Gegen die Begünstigung von Unternehmen mit komplizierter Organisationsform, hinsichtlich der Kenntniserlangung vom Entlassungsgrund und der Rechtzeitigkeit der Entlassung insbesondere auch Mayer-Maly aaO).

Im Gegenstand hat Dr. W*, der Leiter der Personalabteilung, von den Äusserungen des Klägers, sohin vom Entlassungsgrund, bereits Ende März 1974 Kenntnis erlangt, hat aber erst am 24. April 1974 den Geschäftsführer der beklagten Partei davon verständigt. Weder aus dem Prozessvorbringen der beklagten Partei noch aus den Beweisergebnissen lässt sich ein Anhaltspunkt dafür gewinnen, dass dies Zuwarten in den besonderen Umständen des Falles (Arb 7139) begründet gewesen wäre. (Dr. W* gab als Zeuge dazu vernommen im wesentlichen an, die im Zusammenhang mit Verhandlungen über eine Änderung des Arbeitsvertrages vom Kläger gestellten, vom Zeugen für unmässig gehaltenen Forderungen hätten ihn veranlasst, dessen Äusserungen in zwei Aktenvermerken am 24. April 1974 schriftlich festzuhalten und diese dem Geschäftsführer am selben Tag zu übergeben.)

Geht man nun von den oben dargelegten Erwägungen aus, dann ist der Zeitpunkt Ende März 1974 für das Bekanntwerden des Entlassungsgrundes entscheidend, weil es auf die Kenntniserlangung durch den Leiter der Personalabteilung ankommt und nicht auf den Zeitpunkt in dem der Geschäftsführer der beklagten Partei vom Personalchef über den Entlassungsgrund in Kenntnis gesetzt wurde. Der Frage, ob Dr. W* zur Vornahme von Entlassungen berechtigt war, kommt in diesem Zusammenhang keine Relevanz zu.

Aus diesen Rechtsausführungen ist somit zu folgern, dass die Entlassung des Klägers mangels Rechtzeitigkeit und im Hinblick auf die vertraglich vereinbarte Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses rechtsunwirksam geblieben war. Die Frage der Tatbestandsmässigkeit der geltend gemachten Entlassungsgründe kann daher auf sich beruhen.

Zu untersuchen bleibt aber noch die Frage, ob das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst wurde. Hiebei ist davon auszugehen, dass nach den Feststellungen die Parteien beabsichtigten, die Entlassung in eine einvernehmliche Vertragsauflösung umzuwandeln, damit der Kläger aus der Beantwortung von künftigen Anfragen anderer Unternehmen keinen Schaden leide; für den Fall der Nichtannahme dieses Vorschlages durch den Kläger sollte es bei der Entlassung bleiben. Aus diesen Feststellungen folgt, dass zwischen der Entlassung und der einvernehmlichen Vertragsauflösung ein untrennbarer Zusammenhang in der Weise bestehen sollte, dass die einvernehmliche Vertragsauflösung eine wirksame Entlassung voraussetzte. Denn eine ungerechtfertigte und somit unwirksam gebliebene Entlassung lässt das Arbeitsverhältnis aufrecht und es besteht schon nach den Gesetzen der Logik keine Möglichkeit für eine Umwand1ung der durch diese Entlassung gar nicht herbeigeführten Vertragsauflösung in eine einvernehmliche Vertragsauflösung. Die Absicht der Parteien ging nicht etwa dahin, eine unwirksame oder hinsichtlich ihrer Berechtigung zweifelhafte Vertragsauflösung durch eine wirksame und rechtlich unangreifbare zu ersetzen, sondern vielmehr eine hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen und ihrer Auswirkung auf Auskunftserteilungen an andere Unternehmungen für den Kläger ungünstigere, aber wirksame Vertragsauflösung durch eine für ihn günstigere, gleich wirksame zu ersetzen. Ohne wirksame Entlassung hätten die Parteien, insbesondere der Kläger, keinen Anlass für eine einvernehmliche Vertragsauflösung gehabt. Eine wirksame Entlassung des Klägers bildete daher die der einvernehmlichen Vertragsauflösung von beiden Parteien zugrundegelegte Geschäftsgrundlage, deren auf einen Geschäftsirrtum beruhenden Mangel der Gültigkeit der einvernehmlichen Vertragsauflösung entgegensteht (vgl. Koziol-Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts3, I, 100 ff). Auf die behauptete Handlungsfähigkeit des Klägers ist daher nicht mehr einzugehen. Daraus folgt, dass das Arbeitsverhältnis weiterhin aufrecht besteht und dass das auf die Feststellung dieses Rechtsverhältnis abzielende Klagebegehren berechtigt ist.

Der Revision war somit Folge zu geben und die Urteile der Untergerichte im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO. begründet.

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