European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00010.21K.0325.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Die Beklagte war vom 27. 8. 2016 bis zu ihrer Kündigung per 28. 2. 2019 Dienstnehmerin der Klägerin.
[2] Die Parteien unterfertigten am 23. 5. 2016 eine „Rückzahlungsvereinbarung“ mit folgendem Inhalt:
„1. Art und Dauer der Ausbildung
Der Dienstgeber fördert nachstehende, ausdrücklich freiwillige berufliche Aus- und Weiterbildung des Dienstnehmers:
Bezeichnung der Ausbildung: Speditionsangestellter im 2. Ausbildungsweg
Art der Ausbildung: Speditionskaufmann/‑frau
Dauer der Ausbildung: 26. 8. 2016 – 25. 8. 2018
Diese Ausbildung kann der Dienstnehmer nach eigener Einschätzung auch bei anderen Dienstgebern verwerten.
2. Rückersatzpflichtige Kosten
2.1 Soweit die Ausbildung in die Normalarbeitszeit fällt, erfolgt Entgeltfortzahlung ohne Mehr-, Überstunden- oder Reisezeitvergütung. Das fortgezahlte Entgelt infolge Dienstfreistellung beträgt für den gesamten Zeitraum der Ausbildung ca 6.751 EUR.
Der Dienstgeber übernimmt die notwendigen Kosten der Ausbildung, wie Schulkostenbeiträge, Umlagen und Prüfungsgebühren sowie die Anschaffung der Lernmittel (über deren Höhe im Einzelnen Einvernehmen erzielt werden muss). Der Dienstnehmer erhält während der Dauer seiner Ausbildung das laufende Gehalt weiterbezahlt.
2.2 Die Übernahme der oben genannten Kosten durch den Dienstgeber erfolgt gegen die Verpflichtung des Dienstnehmers zur Rückerstattung bei Ende des Dienstverhältnisses vor Ablauf der Bindungsdauer von drei Jahren, ausgenommen jene Beendigungsarten, in denen das Gesetz den Rückersatz ausschließt. Die Rückersatzpflicht verringert sich aliquot je begonnenen Monat, berechnet von der Beendigung der Ausbildung bis zum Ende der vereinbarten Bindungsdauer.“
[3] Die Klägerin begehrte den Rückersatz von Ausbildungskosten in Höhe von 5.625,88 EUR sA. Die Rückforderungsvereinbarung beschränke sich auf den betraglich ausdrücklich genannten Rückersatz der Entgeltfortzahlung.
[4] Die Beklagte wandte ein, die Rückzahlungsvereinbarung sei mangels konkreter Bezifferung der Höhe der zu ersetzenden Kosten intransparent und nichtig.
[5] Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Nach ständiger Rechtsprechung setze die Verpflichtung eines Arbeitnehmers zum Rückersatz von Ausbildungskosten bzw eines fortgezahlten Entgelts zu ihrer Rechtswirksamkeit den Abschluss einer vorangehenden schriftlichen Vereinbarung voraus, aus welcher die konkrete Höhe der zu ersetzenden Kosten hervorgehe. Sei eine vertragliche Regelung gesetzwidrig, so sei primär der Schutzzweck der Verbotsnorm dafür maßgebend, ob die gesamte Regelung nichtig sei oder von der Restgültigkeit der übrigen Bestimmung auszugehen sei. Zweck der Regelung des § 2d AVRAG sei es, für den Arbeitnehmer Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen. Entscheidend sei, ob sich der Arbeitnehmer schon bei Eingehen der Verpflichtung, also bei Abschluss der schriftlichen Vereinbarung, vollständige Klarheit darüber verschaffen könne, mit welchen Forderungen er im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses konfrontiert sein könnte. Enthalte aber – wie hier – die getroffene Vereinbarung eine Auflistung rückersatzpflichtiger Kosten, in welcher sich zwar das fortgezahlte Entgelt ziffernmäßig finde, jedoch nicht die Höhe der notwendigen Kosten der Ausbildung, werde damit den gesetzlichen Anforderungen insgesamt nicht entsprochen. Eine geltungserhaltende Reduktion scheitere am Zweck der Verbotsnorm.
[6] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Frage, ob die Teilnichtigkeit einer Vereinbarung nach § 2d AVRAG (nur zum Teil ziffernmäßige Konkretisierung) die Unwirksamkeit der gesamten Rückzahlungsvereinbarung zur Folge habe, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukomme.
[7] Die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Selbst wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hatte, die ordentliche Revision sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0102059).
Rechtliche Beurteilung
[8] 1. Die Klägerin wendet sich in ihrem Rechtsmittel ausschließlich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass mit den in Punkt 2.2 der „Rückzahlungsvereinbarung“ genannten Kosten mangels anderslautender Regelung zweifellos sowohl das fortgezahlte Entgelt als auch die Ausbildungskosten selbst gemeint seien, jedenfalls aber nicht nur das fortgezahlte Entgelt. Nach dem Standpunkt der Klägerin würden sich die „oben genannten Kosten“ in Punkt 2.2 nur auf die Kosten der Fortzahlung des Entgelts während der Ausbildungszeit beziehen, weil nur dieser Ersatz beabsichtigt gewesen sei und nur diese Kosten beziffert seien.
[9] 2. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Frage, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0042776). Das gilt auch dann, wenn eine andere Auslegung ebenfalls vertretbar wäre (RS0112106 [T3, T4]).
[10] 3. Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass schon die Überschrift des Punktes 2. („Rückersatzpflichtige Kosten“) dafür spricht, dass die Ersatzpflicht nicht nur das der Klägerin infolge Dienstfreistellung für den gesamten Zeitraum der Ausbildung fortgezahlte und mit „ca 6.751 EUR“ bezifferte Entgelt, sondern auch die beispielhaft angeführten unbeziffert gebliebenen „notwendigen Kosten der Ausbildung“ umfasst, die ebenfalls unter diesem Punkt angeführt werden. Mangels Differenzierung kann der Verweis auf die „oben genannten Kosten“ in Punkt 2.2 nur als Bezugnahme auf sämtliche in Punkt 2.1 dargestellten Kosten, ob beziffert oder nicht, verstanden werden, zu deren Übernahme sich die Klägerin verpflichtet hat. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Rückzahlungsvereinbarung entgegen ihrem Aufbau und ihrem Wortlaut „von vornherein ausschließlich das fortgezahlte Entgelt“ gemeint habe, bleibt die Klägerin schuldig.
[11] 4. Mit ihren Ausführungen zeigt sie daher keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
[12] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte hat nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)