European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126913
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Antragsteller ist der Vater der (volljährigen) Antragsgegnerin. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs ist er zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 780 EUR verpflichtet.
Der Antragsteller begehrt
1. festzustellen, dass durch die von ihm im Zeitraum Dezember 2017 bis einschließlich April 2019 geleisteten Zahlungen für Unterhalt an die Antragsgegnerin eine Überzahlung des Unterhalts im Umfang von 780 EUR gegenüber der Unterhaltsverpflichtung für die Zeiträume Jänner 2018 bis einschließlich Mai 2019 erfolgt ist und diese Überzahlung für Juni 2019 anzurechnen sei, sowie
2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, Auskunft über ihre Einkünfte ab einschließlich Juli 2016 bis laufend zu erteilen; weiters Auskunft über Tätigkeiten oder Umstände, die sie an der Erzielung von Einkünften hindern, zu erteilen, insbesondere über einen allfälligen Schul‑ und Studienverlauf unter Angabe der besuchten Schulen und Universitäten, und die Bestätigungen über den Besuch der Schule, die Schulzeugnisse, Inskriptionsbestätigungen und Prüfungszeugnisse sowie Bestätigungen über die jeweils erreichten ECTS-Punkte vorzulegen.
Dazu brachte er vor, dass sich das rechtliche Interesse an der Feststellung laut Punkt 1 daraus ergebe, dass er ein Unterhaltsguthaben aufgrund Überzahlungen habe, ihm für den Fall einer Aufrechnungserklärung jedoch die Einleitung eines Exekutionsverfahrens in Aussicht gestellt worden sei.
Die Antragsgegnerin habe sich weiters geweigert, ihm Nachweise über ein Ausbildungsverhältnis bzw Studium vorzulegen. Nur auf Basis einer solchen Auskunft sei er aber in der Lage, gegebenenfalls einen Antrag in Richtung eines Erlöschens oder Einschränkung der Unterhaltspflicht zu stellen.
Das Erstgericht wies den Feststellungsantrag (Punkt 1) ab und den Antrag auf Erteilung von Auskünften und Vorlage von Urkunden (Punkt 2) zurück.
Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs nicht Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss mit der Maßgabe, dass der Antrag laut Punkt 1 ebenfalls zurückgewiesen wird.
Zuviel bezahlte Unterhaltsbeiträge könnten nicht gegen laufenden Unterhalt aufgerechnet werden. Zudem sei im Außerstreitverfahren die einredeweise Geltendmachung von (nicht in diesem Verfahren zu entscheidenden) Gegenforderungen unzulässig, eine solche Aufrechnungseinrede sei mit Beschluss zurückzuweisen.
Zu Punkt 2 stelle der Unterhaltsverpflichtete ausschließlich einen Beweisantrag, jedoch ohne Sachantrag. Ein solches Vorgehen sei nur in Ausnahmen wie etwa im Rahmen einer Stufenklage zulässig. Im konkreten Fall behaupte der Rekurswerber jedoch gar nicht, dass die Unterhaltspflichtige über ein Eigeneinkommen verfügt, sondern wolle lediglich Nachweise. Dafür bestehe keine gesetzliche Grundlage.
Zum mit einem Unterhaltsenthebungsantrag verbundenen Kostenrisiko verwies das Rekursgericht auf die Abmilderung des Erfolgsprinzips in § 78 Abs 2 zweiter Satz AußStrG aus Gründen der Billigkeit.
Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich mit der Begründung zu, es sei nicht geklärt, ob die unzulässige Aufrechenbarkeit gegen laufenden Unterhalt einem Antrag auf Feststellung einer Überzahlung entgegenstehe. Außerdem komme der Frage erhebliche Bedeutung zu, ob dem Unterhaltspflichtigen zur Vermeidung des mit einem Enthebungsantrag verbundenen Kostenrisikos ein Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch zuzubilligen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, „die verfahrensgegenständlichen Anträge zuzulassen, über diese das Verfahren einzuleiten und zu entscheiden“.
Die Antragsgegnerin beantragte, den Revisionsrekurs zurück-, in eventu abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Ein Begehren auf Rückzahlung zuviel gezahlter Unterhaltsbeiträge ist nicht im Außerstreitverfahren, sondern im streitigen Verfahren geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0114452). Unterhaltsbeträge, die vom Unterhaltspflichtigen irrtümlicherweise zuviel bezahlt und vom Berechtigten redlich verbraucht wurden, können nicht zurückgefordert und daher auch nicht gegen weitere Unterhaltsforderungen aufgerechnet werden (RS0047200). Auch eine Aufrechnung im Falle einer rückwirkenden Unterhaltsherabsetzung mit laufendem Unterhalt ist mangels rechtlichem Zusammenhang unzulässig (RS0003952 [T4]). Die Entscheidung 8 Ob 32/06y betraf die hier nicht vorliegende Sonderkonstellation, dass nach Ende der Unterhaltspflicht noch Unterhalt rechtswidrig im Exekutionsweg hereingebracht wurde. Lediglich für diesen Fall wurde die Aufrechnung gegen für die Vergangenheit rückwirkend erhöhten Unterhalt für zulässig erachtet.
Wenn der Antragsteller darauf verweist, es gehe nicht um die Frage der Aufrechnung, sondern um die Feststellung, dass Überzahlungen des Unterhalts in der Vergangenheit auf künftig fälligen Unterhalt gewidmet werden sollen, verkennt er, dass es sich bei der begehrten „Widmung“ um nichts anderes als um eine Aufrechnung handelt. Die „Widmung“ erfolgte selbst nach dem Vorbringen des Antragstellers nicht zum Zeitpunkt der Zahlung. Somit versucht er lediglich, die nicht zulässige Aufrechnung dadurch „zu umgehen“, in dem er die Aufrechnung seines allfälligen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruchs gegen die laufende Unterhaltsverpflichtung als Widmung und nicht als Aufrechnung tituliert.
2. Während nach älterer Rechtsprechung die Unterhaltsleistungsverpflichtung keine Rechnungslegungspflicht oder Eidespflicht begründete (RS0035020), wird von der jüngeren Judikatur eine solche zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im streitigen Verfahren als zulässig erachtet (RS0035020 [T1]; RS0119467). Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass im streitigen Unterhaltsverfahren keine Verpflichtung des Beklagten besteht, aktiv an der Feststellung seiner Einkommensverhältnisse mitzuwirken, während es im außerstreitigen Unterhaltsfestsetzungsverfahren der ständigen Rechtsprechung entspreche, dass der Unterhaltspflichtige bei der Feststellung seiner Einkommensverhältnisse mitzuwirken hat, widrigenfalls sein Einkommen nach freier Würdigung geschätzt werden könne (2 Ob 217/04g; 7 Ob 123/13h). Gemäß § 16 Abs 2 AußStrG ist die Partei eines Unterhaltsverfahrens verpflichtet, dem Gericht vollständig und wahrheitsgemäß alle ihr bekannten, für die Entscheidung des Gerichts maßgebenden Tatsachen und Beweise vorzubringen und anzubieten und alle darauf gerichteten Fragen des Gerichts zu beantworten. Gemäß § 102 Abs 1 AußStrG haben Personen, deren Einkommen oder Vermögen für die Entscheidung über den gesetzlichen Unterhalt zwischen in gerader Linie verwandten Personen von Belang ist, dem Gericht hierüber Auskunft zu geben und die Überprüfung von deren Richtigkeit zu ermöglichen.
Der Rechnungslegungsanspruch wurde zunächst im Fall von Unterhaltsansprüchen volljähriger Kinder, über die zu diesem Zeitpunkt noch im streitigen Verfahren zu entscheiden war, bejaht. Dies wurde damit begründet, dass es einen Wertungswiderspruch darstellen würde, wenn nur bei minderjährigen Kindern eine Mitwirkungspflicht des Unterhaltspflichtigen an der Feststellung seiner Einkommensverhältnisse bestünde, nicht aber bei großjährigen. Dieser könne nur dadurch beseitigt werden, dass man den großjährigen Kindern die Möglichkeit einräumt, eine Stufenklage nach Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO einzubringen (2 Ob 217/04g). In weiterer Folge wurde die Stufenklage auch im Bereich des Ehegattenunterhalts bejaht (10 Ob 47/07w; 7 Ob 123/13h).
Da es sich im gegenständlichen Fall um eine Unterhaltsleistungsverpflichtung handelt, die im Außerstreitverfahren geltend zu machen ist, besteht kein Rechnungslegungsanspruch vergleichbar einer Stufenklage nach Art XLII EGZPO. Ein solcher ist zur Geltendmachung von Ansprüchen auch nicht erforderlich. Im außerstreitigen Verfahren muss ein Antrag grundsätzlich kein bestimmtes Begehren enthalten, jedoch hinreichend erkennen lassen, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit der Antragsteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet. Wird ausschließlich eine Geldleistung begehrt, ihre Höhe aber nicht bestimmt angegeben, so hat das Gericht die Partei unter Setzung einer angemessenen Frist zur ziffernmäßig bestimmten Angabe des Begehrens aufzufordern, sobald die Verfahrensergebnisse eine derartige Angabe zulassen (vgl § 9 AußStrG). Damit hat der Unterhaltsverpflichtete ebenso wie der Berechtigte die Möglichkeit, sich die Konkretisierung seines Antrags vorzubehalten bis ihm dies aufgrund der Verfahrensergebnisse möglich ist.
Die Verpflichtung zur Vorlage von entsprechenden Unterlagen bildet in diesem Konnex die Beweisgrundlage sowohl für die Konkretisierung des Antrags als auch die Entscheidung des Gerichts. Ein eigenständiger Anspruch auf Rechnungslegung ergibt sich aus dieser Bestimmung dagegen nicht.
Ein Herabsetzungsantrag wurde vom Antragsteller nicht gestellt.
3. Dem vom Rekursgericht in seinem Zulassungsausspruch betonten Kostenrisiko, mit dem ein ohne entsprechende Informationen gestellter Enthebungsantrag verbunden sei, ist entgegenzuhalten, dass § 78 Abs 2 AußStrG aus Gründen der Billigkeit ein Abweichen vom Erfolgsprinzip ermöglicht.
Nach dem zu EFSlg 133.139 veröffentlichten Leitsatz können tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten ein Abweichen vom Erfolgsprinzip erfordern (so auch EFSlg 137.174). Nach den Entscheidungen des Landesgerichts Salzburg und des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien EFSlg 133.140 könne die Aussage von EFSlg 133.139 etwa dann gelten, wenn der Antragsteller von Tatsachen ausgegangen ist, die letztlich nicht zutreffen, aber von denen er mangels Aufklärung durch die Gegenseite ausgehen durfte (so auch EFSlg 125.795 und EFSlg 137.175).
3.4. Nach der Entscheidung des Landesgerichts Wels, EFSlg 137.176, werde ein Anwendungsfall der „tatsächlichen Schwierigkeiten“ zudem regelmäßig auch dann gegeben sein, wenn diese sich außerhalb der Sphäre beider Parteien abspielen, wenn der Antragsteller also etwa von Tatsachen ausgegangen ist, die letztlich nicht zutrafen, deren Unrichtigkeit er allerdings auch aufgrund zumutbarer Nachforschungen nicht feststellen konnte.
Eine nahezu idente Konstellation wie im vorliegenden Fall lag einer Entscheidung des Landesgerichts Linz (15 R 55/14k EFSlg 144.387) zugrunde: Dort hatte der Antragsteller die Antragsgegnerin zweimal außergerichtlich (erfolglos) zur Vorlage einer Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss eines Schuljahres aufgefordert. Der Antrag auf Unterhaltsbefreiung wurde in der Folge (offenbar nach Vorlage der Unterlagen im Gerichtsverfahren) zurückgezogen. Nach Auffassung des Landesgerichts Linz sei das Legen der Kostennote unmittelbar nach Antragszurückziehung nur als Einschränkung auf Kosten zu werten. Ein Abweichen vom Erfolgsprinzip sei gerechtfertigt, sofern eine Partei alleine einen ihr zuzurechnenden Verfahrensaufwand verursacht habe. Voraussetzung sei, dass ein wenngleich nicht verbotenes, der Risikosphäre einer bestimmten Partei eindeutig zurechenbares Verhalten zu Störungen oder Verzögerungen bzw Handlungen führt, die beim Gegner (Mehr‑)Kosten verursachen (EFSlg 144.387).
Demgegenüber vertrat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (45 R 428/14w vom 19. 1. 2015; EFSlg 148.039) die Auffassung, das Kostenseparationssystem in § 78 Abs 2 Satz 2 AußStrG sei für das Verhalten einer Partei im Prozess und einem dadurch dem Gegner allenfalls verursachten Mehrkostenaufwand, nicht jedoch für das Verhalten außerhalb eines Gerichtsverfahrens konzipiert. Zur Kostenseparation habe seit jeher das Nichtbefolgen derjenigen Obliegenheiten zu führen, die eine Partei im ordentlichen Gang des Verfahrens wider die andere erfüllen muss, damit das Gericht die kontradiktorische Grundlage für den Prozessstoff gewinnen könne; der Mehraufwand, der durch schikanöse, grundlose oder auch nur überflüssige Prozesshandlungen dem Gegner erwächst, sei unabhängig vom Erfolg stets aus Gründen der Billigkeit zu ersetzen.
Nach Obermaier (in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 78 Rz 103) sei der Billigkeitsgrund der tatsächlichen Schwierigkeiten nur dann ein Grund, vom Erfolgsprinzip abzuweichen, wenn er zumindest deutlich überwiegend nur auf eine Seite zutrifft. Verschleiere oder verheimliche zB ein Unterhaltspflichtiger seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse, so würden die tatsächlichen Schwierigkeiten nur auf Seiten des Unterhaltsberechtigten vorliegen, sodass gegen seine kostenmäßige Begünstigung keine Bedenken bestehen.
Auch nach Gitschthaler ist im Sinne der Billigkeitsklausel des § 78 Abs 2 AußStrG etwa zu berücksichtigen, dass der Antragsteller von Tatsachen ausgegangen ist, die letztlich nicht zutrafen, aber von denen er mangels Aufklärung durch die Gegenseite ausgehen durfte (Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe‑ und Partnerschaft, § 78 AußStrG, Rz 20; so auch Klicka in Rechberger, Außerstreitgesetz2 § 78 Rz 2; Fucik/Kloiber, Außerstreitgesetz, § 78 Rz 29).
Zusammenfassend vertreten somit die veröffentlichten zweitinstanzlichen Entscheidungen ganz überwiegend die Ansicht, in einem Fall wie dem gegenständlichen wäre das Billigkeitsprinzip des § 78 Abs 2 AußStrG aufgrund der tatsächlichen Schwierigkeiten anzuwenden. Dies entspricht auch der Ansicht in der Literatur. Damit ist das vermeintliche mit einem Enthebungsantrag verbundene Kostenrisiko kein Grund, von den unter 2. dargelegten Grundsätzen abzuweichen.
4. Damit erweist sich die Entscheidung des Rekursgerichts als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG.
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