OGH 8Ob32/06y

OGH8Ob32/06y19.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Markus G*****, und 2.) Barbara G*****, beide vertreten durch Dr. Michael Mathes, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hartwig L*****, vertreten durch Dr. Georg Prantl, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 10.412,54 s.A., über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. Oktober 2005, GZ 42 R 212/05w-39, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2. Februar 2005, GZ 3 C 111/02b-34, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 19. 9. 1983 geborene Erstkläger und die am 23. 4. 1982 geborene Zweitklägerin, sind Kinder des Beklagten. Dieser verpflichtete sich in einem (pflegschaftsbehördlich genehmigten) gerichtlichen Vergleich vom 3. 8. 1998 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltes von EUR 247,09 für den Erstkläger und EUR 268,89 für die Zweitklägerin. Das tatsächliche Einkommen des Beklagten wurde im erwähnten Verfahren nicht ermittelt; dem Vergleich wurde von den Parteien ein Einkommen von ATS 20.000 zu Grunde gelegt. Mit Juni 2002 stellte der Beklagte seine Zahlungen ein; daher zogen die Kläger am 2. 7. 2002 beim Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien den Unterhaltsrückstand sowie ab dem 1. 7. 2002 einen laufenden Unterhalt in dieser Höhe in Exekution. Dabei wurden für den Erstkläger EUR 5.930,-- und zu Gunsten der Zweitklägerin EUR 6.453,36 hereingebracht.

Weiters brachten die Kläger die vorliegenden Klage ein auf Leistung eines monatlichen Unterhaltes von je EUR 474,43, ab 1. 10. 2002 eingeschränkt auf EUR 298,-- (für den Erstkläger) bzw. EUR 174,40 (für die Zweitklägerin) sowie die Zahlung eines Unterhaltsrückstandes ab 1. 7. 1999 von EUR 8.069,87 s.A. (für den Erstkläger) bzw. EUR 7.306,87 s.a. (für die Zweitklägerin). Ausgehend vom Einkommen des Beklagten und seinen Sorgenpflichten sei eine Neubemessung und Unterhaltserhöhung gerechtfertigt.

Der Beklagte bestritt und beantragte, die Klage abzuweisen. Weiters hat er selbst eine im Juli 2002 der Klägerin zugestellte Oppositionsklage gegen das Exekutionsbegehren der Kläger eingebracht. Die Selbsterhaltungsfähigkeit der Kläger sei bereits eingetreten und daher der Unterhaltsanspruch erloschen. Aufgrund ihres Alters wären beide Kläger in der Lage, einer Beschäftigung nachzugehen; dies verabsäumten sie jedoch schuldhaft. Der Beklagte wendete schließlich auch eine Gegenforderung, nämlich den für den Zeitraum 1. 7. 2002 bis 1. 7. 2004 exekutiv hereingebrachten Unterhalt, ein. Das Erstgericht verband die Verfahren. Es wies - bereits rechtskräftig im ersten Rechtsgang - das Unterhaltsbegehren, soweit es auch den Unterhalt erfasste, der bereits zuerkannt war, zurück und gab der Oppositionsklage des Beklagten statt. Weiters wies es die Unterhaltserhöhungsbegehren hinsichtlich des laufenden Unterhaltes ab. Für die Vergangenheit erweise sich das Unterhaltsbegehren der Kläger aber teilweise als berechtigt, und zwar von 1. 7. 1999 bis 31. 12. 2001. In diesem Zeitraum hätte der Beklagte den Klägern einen höheren Unterhalt zu leisten gehabt; es ergäbe sich daher für den Erstkläger ein Rückstand von EUR 5.533,32 und für die Zweitklägerin von EUR 4.879,32. Diese Beträge habe der Beklagte den Klägern zu ersetzen. Insgesamt ging das Erstgericht davon aus, dass die Kläger mit 1. 1. 2002 selbsterhaltungsfähig wurden. Eine Aufrechnung der Unterhaltsnachzahlungen für die Zeit von 1. 7. 1999 bis 31. 12. 2001 mit den Rückforderungsanspüchen aus den danach durch die Exekution hereingebrachten Unterhaltszahlungen nahm das Erstgericht nicht vor. Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Beklagten das Ersturteil insoweit ab; es sprach aus, dass die Forderungen der beiden Kläger in der vom Erstgericht zuerkannten Höhe zu Recht bestehen, ebenso jedoch - bis zu dieser Höhe des Klagebegehrens - die Gegenforderung des Beklagten und wies die Klage daher ab. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dass gesetzliche Unterhaltsleistungen beschränkt pfändbare Forderungen nach § 290a Abs 1 Z 10 EO darstellen. In ständiger Rechtsprechung werde vertreten, dass einer Aufrechnung bei rückwirkenden Unterhaltsherabsetzung gegen laufende Unterhaltsforderungen, deren Unpfändbarkeit entgegen stehe; im vorliegenden Fall jedoch stehe der exekutiv für einen Zeitraum, in dem der Anspruch bereits erloschen war, hereingebrachte Unterhalt einer rückwirkenden Erhöhung gegenüber. Da die Kläger keinen Anspruch mehr auf Zahlung von Unterhalt hätten, sei eine Aufrechnung in diesem Fall möglich. Ein gutgläubiger Verbrauch des exekutiv hereingebrachten Unterhaltes liege nicht vor, da die Kläger von der Oppositionsklage des Beklagten gewusst hätten.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof zu, da zur Frage der Aufrechenbarkeit von rückständigem Unterhalt gegen exekutiv hereingebrachten Unterhaltes unter Berücksichtigung des Erlöschens des Unterhaltsanspruches keine Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig, aber nicht berechtigt.

Nicht mehr strittig ist die Rückzahlungsverpflichtung als solche (vgl zu den mangelnden Voraussetzungen eines gutgläubigen Verbrauches etwa RIS-Justiz RS0033885 mwN zuletzt etwa OGH 3 Ob 219/98x). Ausschließlicher Gegenstand der Ausführungen der Revision ist es, dass auch im vorliegenden Fall die Aufrechnung unzulässig sei. Unterhaltsforderungen stellen beschränkt pfändbare Forderungen dar (§ 290a Abs 1 Z 10 EO). Die Aufrechnung gegen der Exekution entzogene Unterhaltsforderungen ist nur unter den Voraussetzungen des § 293 Abs 3 EO zulässig. Danach ist die Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil der Forderung nur - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - zur Einbringung eines Vorschusses, einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden Gegenforderung oder einer Schadenersatzforderung, wenn der Schaden vorsätzlich zugefügt wurde, zulässig. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, wird insoweit von der Rsp eine Aufrechnung im Falle einer rückwirkenden Unterhaltsherabsetzung mit laufendem Unterhalt für unzulässig erachtet, also der rechtliche Zusammenhang verneint (vgl RIS-Justiz RS0003952 mwN OGH 1 0b 262/70 = SZ 43/229, Oberhammer in Angst [Hrsg] Kommentar zur EO § 293 Rz 7; Deixler-Hübner in Resch [Hrsg] Exekutionsordnung § 293 Rz 19).

Im vorliegenden Fall jedoch stellt sich die Aufrechnungslage anders dar: es stehen einander rückwirkend erhöhter Unterhalt und ein danach zuviel geleisteter, nicht mehr geschuldeter Unterhalt gegenüber. Der Unterhaltsanspruch der Kläger ist bereits erloschen. Während es also in den Vorentscheidungen darum ging, dass nicht der laufende Unterhaltsanspruch durch in der Vergangenheit liegende behauptetermaßen zu viel geleistete Unterhaltszahlungen gemindert werden sollte, wurde hier im Ergebnis der Unterhalt nach Fälligkeit erbracht.

Betrachtet man nun allgemein die Voraussetzung des § 293 Abs 3 EO betreffend den „rechtlichen Zusammenhang", so wird dieser ua dort bejaht, wo Forderungen aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis hergeleitet werden, jedoch auch gefordert, dass ein unmittelbarer enger Bezug besteht und bei der Beurteilung dem Schutzzweck der Norm Rechnung getragen wird (vgl Oberhammer aaO § 293 Rz 7, Heidinger in Schwimann ABGB3 § 1440 Rz 16). Der Zweck des § 293 EO besteht in der Verhinderung der Umgehung der Pfändungsbeschränkungen (Heidinger aaO Rz 14). Diese Pfändungsbeschränkungen sollen dem Schuldner (Unterhaltsgläubiger) zeitbezogen das Existenzminimum sichern. Er soll über diese Beträge dann verfügen können.

Unter diesem Aspekt unterscheiden sich aber die bisher entschiedenen Fälle, bei denen der laufende Unterhalt dadurch gemindert werden könnte, dass mit in der Vergangenheit behauptetermaßen erbrachten Mehrleistungen aufgerechnet würde, von dem vorliegenden Fall, bei dem in der Vergangenheit aufgebaute teilweise Unterhaltsrückstände durch nach dem Ende der Unterhaltspflicht erbrachte Mehrleistungen gemindert werden könnten. Hat doch hier im Ergebnis der vormals Unterhaltsberechtigte sein Unterhaltsmehrbegehren nach der Fälligkeit zu einem Zeitpunkt, in dem er auch schon selbsterhaltungsfähig war, befriedigt erhalten und konnte seine offenen Unterhaltsbedürfnisse befriedigen. Der Schutzzweck der Norm steht hier der Annahme eines rechtlichen Zusammenhangs und damit der Aufrechenbarkeit nicht entgegen.

Im Ergebnis ist daher eine Aufrechnung von exekutiv nach Ende der Unterhaltspflicht noch rechtswidrig hereingebrachtem mit für die Vergangenheit rückwirkend erhöhtem Unterhalt zulässig. Der Revision der Kläger war dementsprechend nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 50 und 40 ZPO. Ein Kostenverzeichnis hat der Beklagte nicht gelegt (vgl § 54 Abs 1 ZPO).

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