Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 906,52 EUR (darin enthalten 121,92 EUR USt, 175 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der 1925 geborene Beklagte ist Mieter der Wohnung top 4 in *****. Er bewohnt die Wohnung mit seinem Bruder. Die etwa 47 m² große Wohnung besteht aus einem Vorraum, einer Küche, einem Wohnzimmer, zwei Kabinetten und einem WC.
Im Zuge eines 2005 im Haus eingetretenen Wasserschadens besichtigte ein Mitarbeiter der klagenden Vermieterin die Wohnung und teilte den zuständigen Mitarbeitern der Klägerin mit, dass der Verdacht eines sanitären Überstands bestehe. Am 14. 12. 2005 führten Mitarbeiter der Klägerin mit einem Vertreter der MA 15 und der Gebietsbetreuung einen Lokalaugenschein in der Wohnung durch. Zu diesem Zeitpunkt waren Vorzimmer und Wohnzimmer der Wohnung teilweise bis zu den Decken mit verschmutzten und verstaubten Prospekten, Zeitschriften und Büchern vollgeräumt. Dabei handelte es sich überwiegend um Gegenstände des jüngeren Bruders des Beklagten, der ehemals zwei Architekturbüros besessen hatte und seine gesamten Unterlagen, Pläne und sonstigen Bücher in der Wohnung stapelte. Das Wohnzimmer war nur durch einen schmalen Gang zwischen den angesammelten Papieren zu betreten. Auf dem Gang selbst lagen Zettel. Eine Mitarbeiterin der Klägerin erläuterte dem Beklagten, dass Brandgefahr bestehe und teilte ihm mit, dass er die Sachen schlichten, in Kästen räumen und alles säubern müsse. Der Beklagte lehnte die von der Gebietsbetreuung angebotene Putzhilfe mit der Begründung ab, er wolle niemanden Fremden in die Wohnung lassen. Er werde mit seinem Bruder selbst aufräumen. Dafür wurde ihm eine Frist bis März 2006 gesetzt.
Bei einem am 30. 3. 2006 in der Wohnung durchgeführten Lokalaugenschein war der Zustand nahezu unverändert. Nur die ursprünglich am Gang gelegenen Zettel waren beseitigt worden. Der größte Teil der Sachen befand sich nach wie vor unaufgeräumt in den Wohnräumen. In der ganzen Wohnung waren Müll, Papier und Plastiksäcke gelagert. Man konnte nur durch den kleinen frei gebliebenen Gang zwischen Gerümpel und Papierbergen zu den beiden Schlafplätzen der Bewohner gehen. In den Regalen im Wohnzimmer befanden sich ebenfalls zahlreiche verschmutzte und verstaubte Schriftstücke, Zeitungen und sonstiges Papier. Bei dem Gerümpel handelte es sich zum Teil um Möbel und Kleidungsstücke, die der Bruder des Beklagten vom Müllplatz geholt hatte. Die gesamte Wohnung war sehr verschmutzt. Bei der Besichtigung der Schlafstellen wurde Wanzenbefall festgestellt. Im Schlafzimmer des Beklagten stand ein schmutziges Bett, das zur Hälfte mit Zetteln voll war. An der Schlafzimmerwand gab es Risse, aus denen Tierkot kam. An der Wand waren zerdrückte Wanzen samt Blutspuren ersichtlich. In den Spinnweben befanden sich tote Insekten. Im kleinen Kabinett des Bruders lagerte hüfthoch Papier und Bücher. Am Boden lag eine schmutzige Matratze zum Schlafen. Bei der Matratze war ein wenig Platz frei und man sah an der dortigen Wand ebenfalls zerdrückte Wanzen. Alle anderen Wände waren bis zur Decke voll geräumt. Eine Mitarbeiterin der Gebietsbetreuung bot wieder gratis eine Putzhilfe an, welche vom Beklagten erneut mit dem Hinweis abgelehnt wurde, man würde selber entrümpeln. Ein Unternehmen beseitigte am 11. 4. 2006 den Wanzenbefall und stellte fest, dass dieser noch nicht in das Mauerwerk eingedrungen war. Da die Klägerin in der Folge keine Nachricht über eine Entrümpelung der Wohnung erhielt - die auch nicht stattgefunden hatte -, brachte sie am 19. 5. 2006 die gerichtliche Aufkündigung ein.
Die Entrümpelung war bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt, weil sich der Bruder des Beklagten nicht von seinen Sachen trennen wollte. Überdies nahm der Beklagte die Aufforderung der Mitarbeiter der Klägerin zur Entrümpelung und Säuberung nicht vollends ernst. Er war außerdem der Ansicht, dass er das Entrümpeln selber mit seinem Bruder vornehmen werde, ohne dass es Dritter bedürfe.
Nachbarn teilten im Mai 2006 Mitarbeitern der Klägerin mit, dass es aus der Wohnung zu Geruchsbelästigungen komme. Nach Gesprächen ua mit der Gebietsbetreuung erteilten der Beklagte und sein Bruder schließlich die Zustimmung, dass ein Entrümpelungsdienst in die Wohnung kommen dürfe, der entrümpeln werde. Die Entrümpelung erfolgte am 6. 7. und 7. 7. 2006 über Vermittlung des Gesundheitsamts unter Verwendung öffentlicher Mittel.
Der Bruder des Beklagten holte sich im Sommer 2006 zwei fremde Thonet‑Sessel vom Sammelplatz in die Wohnung, um sie irgendwann einmal zu reparieren. Er holte teilweise auch eigene, bei der Entrümpelung entfernte Sachen zurück, weil er sich schwer bzw von manchen seiner Sachen gar nicht trennen konnte. Im August 2006 war die Wohnung wieder verschmutzt und das Wohnzimmer war wieder mit alten Büchern und Zeitschriften vollgestopft, sodass man nicht durchgehen konnte. Es gab auch ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt nach dem 11. 4. 2006 erneuten Wanzenbefall. Am 30. 8. 2006 nahm das schon zuvor beauftrage Unternehmen eine weitere Wanzenbekämpfung vor.
Der Beklagte hat seit August 2006 eine Heimhilfe, die einmal pro Woche für zwei Stunden kommt. Diese kehrt auf und wäscht das Geschirr ab.
Der Bruder des Beklagten erlitt im Juli 2006 beim Trinken eine Verätzung und wurde bald darauf zusammengeschlagen, sodass er insgesamt 2,5 Monate im Krankenhaus war. In dieser Zeit besuchte ihn der Beklagte 55 Mal. Er kümmerte sich in dieser Zeit nicht um eine weitere Entrümpelung.
Beim gerichtlichen Lokalaugenschein am 19. 2. 2007 war die Wohnung aufgeräumter. Sie machte zwar einen sehr angeräumten, aber keinen verschmutzten Eindruck. Man konnte sich ungehindert durch die Wohnung bewegen. Am Boden standen nur die Einrichtungsgegenstände und eine Kiste, jedoch kein Gerümpel oder Müll. Eine enorme Menge an alten Büchern und sonstigen Unterlagen war in Stellagen an den Wänden untergebracht. Die Stellagen reichen teilweise vom Boden bis an die Decke. Im Wohnzimmer war eine Zwischendecke eingezogen, um mehr Stauraum zu schaffen. Diese war ebenfalls mit altem Papier sowie mit anderen Sachen vollgeräumt. An der Wand beim Bett im Schlafzimmer des Beklagten waren an einer Stelle Tierexkremente sichtbar. In einer Spinnwebe im Eck eines Bücherregals oberhalb seines Bettes befanden sich tote Wanzen.
Dass der Bruder des Beklagten laufend entrümpelt, konnte nicht festgestellt werden.
Mit ihrer am 19. 5. 2006 beim Erstgericht eingelangten und dem Beklagten am 26. 5. 2006 zugestellten Aufkündigung, die auf § 30 Abs 2 Z 3 erster und zweiter Fall MRG gestützt wurde, kündigte die Klägerin den mit dem Beklagten geschlossenen Mietvertrag über die Wohnung zum 30. 6. 2006 auf. Sie brachte zusammengefasst vor, der Beklagte mache vom Mietgegenstand einen erheblich nachteiligen Gebrauch. Die Wohnung sei in arger Weise vernachlässigt. Es sei Wanzenbefall aufgetreten. Das stelle auch ein unleidliches Verhalten gegenüber Mitbewohnern des Hauses dar. Da in der Wohnung nach wie vor Gerümpel gelagert sei, bestehe die Gefahr, dass der Wanzenbefall wieder auftreten könne.
Der Beklagte erhob gegen die Aufkündigung rechtzeitig Einwendungen. Es sei zwar nach der Schädlingsbekämpfung im April 2006 neuerlich zu einem Wanzenbefall im Bereich der Betten gekommen. Er habe allerdings einen neuerlichen Bekämpfungsauftrag erteilt. Die Schädlingsbekämpfung sei am 30. 8. 2006 durchgeführt worden. Seither gebe es keine Wanzen in der Wohnung mehr. Am 10. 7. 2006 sei eine Entrümpelung und Grundreinigung durch die MA 47 durchgeführt worden. Der Zustand der Wohnung sei zwar nicht sehr gut, allerdings sei die Zukunftsprognose positiv.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für wirksam und verpflichtete den Beklagten zur Räumung der Wohnung.
Es erachtete rechtlich, dass zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung der geltend gemachte Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs iSd § 3 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG verwirklicht gewesen sei. Die Verwahrlosung eines Bestandobjekts in Verbindung mit der Gefahr des Ungezieferbefalls stelle einen erheblich nachteiligen Gebrauch dar. Das gelte auch für eine Anhäufung von Gerümpel in Verbindung mit der Gefahr der Ungezieferbildung. Ein Schaden an der Haussubstanz müsse noch nicht eingetreten sein. Der Kündigungsgrund setze kein Verschulden des Mieters voraus. Auch von einer positiven Zukunftsprognose könne nicht ausgegangen werden. Eine Verhaltensänderung nach Zustellung der Aufkündigung habe nur dann Einfluss auf das Schicksal der Aufkündigung, wenn eine Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei. Diese günstige Zukunftsprognose liege hier deshalb nicht vor, weil auch beim Lokalaugenschein trotz zweimaliger Wanzenbeseitigung wieder tote Wanzen in einer Spinnwebe und Tierkot an der Wand sichtbar gewesen seien.
Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Beklagten erhobenen Berufung Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Frage, ob erheblich nachteiliger Gebrauch vorliege, immer nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sei.
Das Berufungsgericht verwarf die vom Beklagten in seiner Berufung erhobene primäre Mängelrüge als unberechtigt und übernahm sämtliche Feststellungen des Erstgerichts. Es erachtete rechtlich, dass der geltend gemachte Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs iSd § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG hier grundsätzlich verwirklicht sei, weil zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung bis zu der erst am 6. 7. und 7. 7. 2006 erfolgten Entrümpelung Unrat in der Wohnung verblieben sei. Allerdings sei in der bereits rund sechs Wochen vor Zustellung der Aufkündigung einvernehmlich durchgeführten Schädlingsbekämpfung sowie der vereinbarten, wenn auch erst nach der Kündigung durchgeführten Entrümpelung und Säuberung der Wohnung ein konkludenter Verzicht auf die vorläufige Geltendmachung des Kündigungsgrunds unter der Voraussetzung der Beseitigung des Überstands sowie des künftigen Wohlverhaltens des Mieters und seines Mitbewohners zu erblicken. Dass der Beklagte zunächst der Ansicht gewesen sei, er könne die Entrümpelung gemeinsam mit seinem Bruder durchführen, ohne dass es der Hilfe Dritter bedürfte, erscheine bei objektiver Betrachtung nicht als Verweigerung der Aufforderung zur Entrümpelung, sondern als offenbar alters- und strukturbedingte Verkennung der Dringlichkeit und Überschätzung der eigenen Fähigkeiten. Dass der Beklagte ernstlich bemüht sei, die Wohnung künftig in Ordnung zu halten, zeige sich auch daran, dass er seit August 2006 eine Heimhilfe in Anspruch genommen habe und dass er Ende August 2006 eine weitere Schädlingsbekämpfung veranlasst habe. Dass beim Ortsaugenschein am 19. 2. 2007 Tierexkremente und eine Spinnwebe mit toten Wanzen im Eck eines Bücherregals sichtbar gewesen seien, sei noch nicht als neuerliche substanzschädigende Verwahrlosung zu erblicken. Es sei daher von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision „nicht zuzulassen"; hilfsweise stellt er den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil sich die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe auf den geltend gemachten Kündigungsgrund konkludent verzichtet, als korrekturbedürftig erweist. Die Revision ist auch berechtigt.
Der Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauchs iSd § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG liegt (ebenso wie der vergleichbare Aufhebungtatbestand des § 1118 erster Fall ABGB) vor, wenn durch eine wiederholte, längerwährende vertragswidrige Benützung eines Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen wichtige Interessen des Vermieters verletzt werden oder eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (RIS‑Justiz RS0067832; RS0068211; RS0020981; Würth in Rummel³ § 30 MRG Rz 16). Eine Verwahrlosung eines Bestandobjekts in Verbindung mit Ungezieferbefall oder auch bloßer Ungeziefergefahr stellt nachteiligen Gebrauch dar (RIS‑Justiz RS0067832; 10 Ob 272/99v = MietSlg 51.382; 9 Ob 304/01y = MietSlg 54.332; 3 Ob 164/02t = MietSlg 55.350; 8 Ob 18/08i). Dabei reicht es aus, dass dem Mieter unter Zugrundelegung des Maßstabs eines Durchschnittsmenschen (10 Ob 17/00y; RIS‑Justiz RS0070433 [T1]) das nachteilige Verhalten bewusst war oder bewusst sein musste (RIS‑Justiz RS0070433). Ein Verschulden des Mieters ist hingegen nicht erforderlich (RIS‑Justiz RS0020981 [T12]; 3 Ob 164/02t).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein geltend gemachter Kündigungsgrund verwirklicht wird, ist der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung (RIS‑Justiz RS0070378; 7 Ob 632/88 = MietSlg 40.435; 10 Ob 22/00h = MietSlg 52.431; Würth in Rummel³ § 33 MRG Rz 5).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze verwirklichte der Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG: Für diesen Zeitpunkt steht zwar nicht fest, ob der erneute Ungezieferbefall durch Wanzen bereits aufgetreten war oder ob der neuerliche Wanzenbefall erst nach Zustellung der Aufkündigung eintrat. Allerdings war das von den Vertretern der Klägerin beanstandete Gerümpel nach wie vor in der Wohnung. Auch eine Vernachlässigung einer Wohnung durch Anhäufung von Gerümpel bei Unterlassung jeglicher Reinigung verwirklicht aber den geltend gemachten Kündigungsgrund (RIS‑Justiz RS0068211). Dabei kann als bekannt vorausgesetzt werden, dass gerade die Ansammlung von Unrat und Gerümpel den idealen Nährboden für Ungeziefer aller Art darstellt (3 Ob 164/02t).
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe auf den in der Folge geltend gemachten Kündigungsgrund konkludent verzichtet; in der rund sechs Wochen vor Zustellung der Aufkündigung einvernehmlich durchgeführten Schädlingsbekämpfung sowie der vereinbarten, wenn auch erst nach der Kündigung durchgeführten Entrümpelung und Säuberung der Wohnung liege der konkludente Kündigungsverzicht; ist als korrekturbedürftig anzusehen: Die Annahme eines Verzichts auf einen Kündigungsgrund unter dem Gesichtspunkt des § 863 ABGB hat allgemein zur Voraussetzung, dass der Vermieter ein Verhalten setzt, aus welchem mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig bleibt, dass der Vermieter einen ihm bekannten Sachverhalt nicht als Kündigungsgrund geltend machen will (RIS‑Justiz RS0014423). Ob auf ein Recht iSd § 863 ABGB stillschweigend verzichtet wurde, ist unter Anlegung eines strengen Maßstabs zu prüfen (Rummel in Rummel³ § 863 Rz 14; Bollenberger in KBB² § 863 Rz 6 f je mwN; RIS‑Justiz RS0014420). Selbst wenn man mit dem Berufungsgericht davon ausgehen wollte, dass in den genannten „Vereinbarungen" bezüglich der Beseitigung des Ungeziefers und der Entrümpelung der Wohnung ein stillschweigender Verzicht der Klägerin auf die Geltendmachung des Kündigungsgrunds gelegen sei, so setzt diese Annahme zwingend voraus, dass der Beklagte sich an die getroffenen Abmachungen auch gehalten hätte. Das ist im vorliegenden Fall jedoch nicht geschehen. Obwohl die Klägerin ausdrücklich ihre Hilfe bei der Entrümpelung anbot, lehnte der Beklagte dieses Anbot mehrfach ab, ohne die Entrümpelung selbst bzw mit seinem Bruder absprachegemäß vorzunehmen. Der Beklagte hat sich somit selbst an die „Vereinbarung" mit der Klägerin nicht gehalten. Unter diesen Umständen kann der Klägerin keinesfalls unterstellt werden, auf die Einbringung der Aufkündigung trotz Weiterbestehens des Unrats in der Wohnung zu verzichten.
Aber auch die vom Berufungsgericht ins Treffen geführte „positive Zukunftsprognose" liegt nicht vor: Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Rechtsprechung nie davon abgegangen ist, dass grundsätzlich für die Beurteilung eines Kündigungsgrunds die Umstände zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung maßgebend sind. Nur dort, wo das Gesetz Zukunftsprognosen verlangt, kann das nach der Kündigung bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz an den Tag gelegte Verhalten des Gekündigten insoweit berücksichtigt werden, als es einen Schluss auf die Entwicklung in der Zukunft zulässt. Selbstverständlich führt dies aber dazu, dass das Verhalten nach Einbringung der Aufkündigung auf das Schicksal der Kündigung dann keinen Einfluss haben kann, wenn es nicht den Schluss zulässt, dass die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten ausgeschlossen ist (7 Ob 632/88 = MietSlg 40.435; 8 Ob 597/85 = MietSlg 38.444/4; RIS‑Justiz RS0070340). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann hier von einer positiven Zukunftsprognose nicht die Rede sein: Das zeigt sich am deutlichsten daran, dass zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt unmittelbar nach Vornahme der ersten Ungezieferbekämpfung erneut Wanzenbefall in der Wohnung aufgetreten ist, der erst nach Zustellung der Aufkündigung beseitigt wurde. Auch das Verhalten des Beklagten, der das von der Klägerin vor Einbringung der Aufkündigung gestellte Anbot auf Hilfe bei der Entrümpelung ablehnte, lässt sich nicht so beurteilen, dass eine Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist: Immerhin befand sich die aufgekündigte Wohnung auch noch zum Zeitpunkt des vom Erstgericht durchgeführten Ortsaugenscheins in einem Zustand, der in keiner Weise gewährleistet, dass nicht erneut Ungezieferbefall auftreten wird. Dazu ist nur exemplarisch auf die Feststellung des Erstgerichts zu verweisen, wonach bei der Durchführung des Ortsaugenscheins am 19. 2. 2007 an der Wand beim Bett im Schlafzimmer des Beklagten Tierexkremente und in einer Spinnwebe im Eck eines Bücherregals tote Wanzen sichtbar waren. Auch eine „laufende weitere Entrümpelung" durch den Bruder des Beklagten konnte das Erstgericht nicht feststellen.
Es ist somit zusammengefasst davon auszugehen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung der geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG verwirklicht wurde, dass die Klägerin auf die Geltendmachung dieses Kündigungsgrunds weder ausdrücklich noch stillschweigend verzichtete und dass in Gesamtwürdigung aller aufgezeigten Umstände eine günstige Zukunftsprognose nicht erstellt werden kann. Aus diesen Gründen erweist sich die Revision der Klägerin berechtigt. Es war demnach das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO iVm § 10 Z 2 lit c RATG.
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