OGH 8Ob43/24t

OGH8Ob43/24t25.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin C*, vertreten durch Dr. Stefan Nenning und Mag. Jörg Tockner, Rechtsanwälte in Steyr, gegen die Antragsgegnerin E*, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler und andere Rechtsanwälte in St. Florian, wegen Genehmigung eines Antrags nach § 11 Landpachtgesetz (§ 835 ABGB), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 22. Februar 2024, GZ 2 R 141/23w‑8, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00043.24T.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin begehrte, ihr als Hälfteeigentümerin von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken gegenüber der Antragsgegnerin als zweiter Hälfteeigentümerin „im Sinn der §§ 833 ff ABGB den Antrag auf gerichtliche Festsetzung eines angemessenen Pachtzinses im Sinne des § 11 LPG mit Wirkung für die Streitteile als Verpächtergemeinschaft gegenüber der Antragsgegnerin als Pächterin zu genehmigen“.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der von der Antragsgegnerin gegen die übereinstimmende Antragsstattgebung der Vorinstanzen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf:

[3] 1.1. Die Frage, wie ein bestimmtes (Antrags‑)Begehren und das dazu erstattete Vorbringen zu verstehen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0042828 [insb T10]; RS0113563; RS0116144) und vermag somit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zu begründen, wenn dem Rekursgericht keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist.

[4] 1.2.1. In Bezug auf Miteigentümer ist § 835 ABGB unabhängig davon, ob es sich um eine Maßnahme der ordentlichen (§ 833 ABGB) oder der außerordentlichen (§ 834 ABGB) Verwaltung handelt, jedenfalls dann anzuwenden, wenn Uneinigkeit in Form einer Stimmengleichheit besteht (RS0013393 [T2]; RS0013734); in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung gilt dies nur soweit, als dies nötig ist, die sonst bei Stimmengleichheit unlösbare Pattstellung zu beheben (RS0013734 [T2]; vgl RS0013413). Bei Uneinigkeit zweier Hälfteeigentümer ist daher immer die Entscheidung des Außerstreitrichters notwendig (vgl 8 Ob 41/21v mwN).

[5] 1.2.2. In Beachtung des Grundsatzes, dass niemand in eigener Sache Richter sein kann, muss einem Miteigentümer (mag er auch Mehrheitseigentümer sein), gegen den sich eine wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB richten soll – etwa wenn Ansprüche der Gemeinschaft gegen ihn geltend gemacht werden sollen oder ein Mietvertrag mit ihm gekündigt werden soll –, die Mitwirkung an der Beschlussfassung der Miteigentümer über eine solche Sache grundsätzlich versagt werden (vgl RS0013594, RS0013436, RS0013609 [T9], RS0013680; hA: vgl auchKlausberger in Klang3 §§ 834, 835 ABGB [2022] Rz 13 und § 833 ABGB [2022] Rz 37, Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas 4 § 834 ABGB [2015] Rz 11 und Sailer/Painsi in KBB7 [2023] § 833 ABGB Rz 5, jeweils mwN aus Rsp und Lehre). Die anderen Miteigentümer, die eine solche außerordentliche Verwaltungsmaßnahme durchführen wollen, haben in einem solchen Fall die Ermächtigung durch den Außerstreitrichter einzuholen (vgl RS0013436; RS0013680).

[6] 1.2.3. Der Außerstreitrichter hat nach § 835 ABGB eine wichtige Veränderung (wie hier die Antragstellung nach § 11 LPG) zu genehmigen, wenn sie offenbar (also eindeutig) vorteilhaft ist. Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls und vom Standpunkt der Gesamtheit aller Miteigentümer zu beurteilen (RS0013703; RS0013440), etwa dahin, ob beispielsweise eine Maßnahme der Kündigung eines mietenden Miteigentümers bessere Verwendungsaussichten für das Objekt mit sich bringt (vgl 5 Ob 8/09a). Der Beschluss des Außerstreitrichters ist eine im Wesentlichen von Billigkeitserwägungen getragene Ermessensentscheidung (RS0013650 [T2]).

[7] Bei der Abwägung der Gesamtinteressen der Eigentumsgemeinschaft hat eine angemessene Berücksichtigung der subjektiven Lage der einzelnen Teilhaber, also der persönlichen und familiären Verhältnisse und Bedürfnisse einzufließen, was schon aus der innerhalb eines Gemeinschaftsverhältnisses bestehenden wechselseitigen Treuepflicht (vgl 5 Ob 249/12x) folgt, die auch die Rücksichtnahme auf die Interessen der übrigen Teilhaber erfordert (vgl RS0013701). Es kommt dabei nicht nur auf finanzielle Interessen an, sondern es sind die gesamten Umstände des Falls zu berücksichtigen, wie etwa ein persönliches (immaterielles) Interesse eines Miteigentümers am Weiterbestehen seiner Wohnmöglichkeit (vgl 5 Ob 8/09a mwN).

[8] Bei der Gesamtabwägung ist grundsätzlich – und immer unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falls (vgl 6 Ob 40/21g mwN) – darauf Bedacht zu nehmen, dass in der jeweiligen Nutzungsmöglichkeit des Miteigentumsobjekts die Eigentumsanteile annähernd entsprechend widergespiegelt werden (vgl RS0013701 [T1]).

[9] 1.2.4. Im Hinblick auf den damit verbundenen Wertungsspielraum und die Einzelfallbezogenheit ist eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs auch diesbezüglich nur zulässig, wenn dem Rekursgericht eine aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (vgl RS0013703 [T8]).

[10] 2. Die Voraussetzungen für die Anrufung des Obersten Gerichtshofs sind hier nicht gegeben.

[11] 2.1.1. Dass der von der Antragstellerin gestellte Antrag, über den das Erstgericht entschieden hat, ihrem Schriftsatz hinreichend klar zu entnehmen ist, haben schon die Vorinstanzen aufgezeigt.

[12] 2.1.2. In diesem Zusammenhang und auch als wesentliche unrichtige rechtliche Beurteilung wird im Revisionsrekurs ins Treffen geführt, die Frage der Anhebung des Pachtzinses, den die Antragsgegnerin für die nunmehr beiden Parteien je zur Hälfte gehörenden Grundstücke mit darauf von ihr betriebener Landwirtschaft zu zahlen hätte, müsse vom Standpunkt der Gesamtheit aller Miteigentümer von Vorteil sein; dazu habe die Antragstellerin kein Vorbringen erstattet.

[13] 2.1.3. Zur Frage der Nachteiligkeit des bestehenden Pachtzinses für die Eigentümergemeinschaft und die Auswirkungen einer Neufestsetzung hat die Antragstellerin jedoch behauptet, dass die Erträgnisse aus der Nutzung der gemeinsamen Liegenschaften unangemessen niedrig (und sie benachteiligend) seien (Pkt 5 des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes). Dies als hinreichend konkretes Vorbringen zu erachten, ist zumindest vertretbar.

[14] 2.2.1. Verfahrensgegenständlich ist die Frage der Berechtigung des Begehrens auf Genehmigung der Antragstellung auf Überprüfung des Pachtzinses im Sinne des § 11 LPG. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist damit nicht schon die abschließende Beurteilung der Frage, ob der Pachtzins angemessen ist, sondern nur, ob zugunsten der Miteigentumsgemeinschaft ein Verfahren durchgeführt werden darf.

[15] Die Bemühungen des Revisionsrekurses, die fehlende inhaltliche Berechtigung eines solchen inhaltlichen Antrags hervorzustellen, gehen daher ins Leere. Die diesbezüglichen Darlegungen des Erstgerichts und des dieses im Ergebnis bestätigenden Rekursgerichts dienen lediglich dazu, die Plausibilität des Genehmigungsantrags und dessen Vorteilhaftigkeit für die Eigentümergemeinschaft zu untermauern, ohne der abschließenden inhaltlichen Überprüfung im Sinne des § 11 LPG vorzugreifen.

[16] 2.2.2. Davon ausgehend ist die Ansicht der Vorinstanzen zumindest vertretbar, ein solches Überprüfungsverfahren sei im hier vorliegenden Einzelfall zum Vorteil aller Miteigentümer:

[17] Die Antragsgegnerin hat hier evidentermaßen einerseits als Teil der Miteigentumsgemeinschaft das Interesse, einen entsprechenden Pachtzins zu erzielen, und andererseits – durchaus gegenläufige – Interessen als Pächterin, das Pachtobjekt zu nutzen, und dies zu einem möglichst geringen Entgelt. Soweit letztere Interessen bei der Beantwortung der Frage, ob ein Verfahren auf Überprüfung des Pachtzinses zu genehmigen sei, überhaupt zu berücksichtigen wären, wäre es jedenfalls nicht unvertretbar, sie bei der hier anzustellenden Gesamtabwägung geringer als erstere zu gewichten. Auch bei der Antragsgegnerin sind eine aus ihrer Rolle als Miteigentümerin resultierende Treuepflicht und die auch ihr gebotene Bedachtnahme auf die Interessen der Antragstellerin als gleichberechtigter Teil der Miteigentumsgemeinschaft zu berücksichtigen. Zudem bleibt der Antragsgegnerin die Gegenstand des Pachtvertrags bildende (hälftige) Nutzung des von ihr gepachteten landwirtschaftlichen Betriebs an sich ohnehin erhalten: Der hier zu beurteilende Antrag stellt bloß darauf ab, die gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen, ob die Antragsgegnerin dafür einen – einem Fremdvergleich standhaltenden, zumindest aber einen den geänderten innerfamiliären Verhältnissen entsprechend anzupassenden – angemessenen Pachtzins (§§ 4, 11 LPG) an die Gemeinschaft zu zahlen hätte. Warum eine solche Überprüfung für die Gemeinschaft nicht von Vorteil sein sollte, legt der Revisionsrekurs letztlich nicht nachvollziehbar dar.

[18] 2.3. Soweit sich der Revisionsrekurs im Übrigen als Teil der allein erhobenen Rechtsrüge gegen die Ansicht des Rekursgerichts wendet, die Rechtsrüge im Rekurs sei mangels Bezugnahme auf den festgestellten Sachverhalt nicht gesetzmäßig ausgeführt, wird ebenfalls keine erhebliche (richtig:) Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens (vgl RS0043231 [T9, T12]) aufgezeigt:

[19] Einerseits griffen die Rekursargumente – ebenso wie dargelegt der Revisionsrekurs – der hier nicht gar nicht abschließend anzustellenden inhaltlichen Bewertung nach § 11 LPG vor, und andererseits führte die Antragsgegnerin über weite Strecken bloß ihren eigenen Verfahrensstandpunkt und die Bewertung von ihr behaupteter Umstände ins Treffen, ging aber nicht von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen als Grundlage für die hier relevante Frage aus, ob ein Verfahren der Miteigentumsgemeinschaft nach § 11 LPG gegen die Antragsgegnerin als Hälfteeigentümerin zu genehmigen wäre.

[20] 3. Der Ausschluss jedes Rechtsmittels gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über den Kostenpunkt gemäß § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG 2005 erstreckt sich auf sämtliche (auch Formal‑)Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten abgesprochen wird, also nicht nur die Bemessung der Kosten, sondern auch, ob überhaupt ein Anspruch auf Kostenersatz besteht, wem dieser zusteht, oder die Ablehnung einer Kostenentscheidung (RS0044233 [T26]; vgl auch RS0044228, RS0053407).

[21] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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