OGH 8Ob26/10x

OGH8Ob26/10x22.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** V*****ges.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Andreas Haberl, Dr. Gotthard Huber, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei 1. V***** GmbH, *****, vertreten durch Draxler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, 2. B***** Gesellschaft m.b.H., *****, 3. N***** S.A., *****, beide vertreten durch Dr. Werner Loibl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei DI M***** GmbH, *****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 610.875,61 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 24. September 2009, GZ 6 R 116/09i-141, den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

B e g r ü n d u n g :

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, ob Verjährung eingetreten ist, kann nur für den Einzelfall beurteilt werden und stellt grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar. Eine krasse Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen, die aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte, ist nach dem für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellten Sachverhalt nicht zu erkennen.

Gemäß § 1489 ABGB verjähren Schadenersatzansprüche in drei Jahren von der Zeit an, zu welcher der Schaden und die Person des Ersatzpflichtigen dem Geschädigten bekannt wurden, gleichviel ob der Schaden durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht wurde. Diese Verjährung wird erst in Gang gesetzt, wenn dem Geschädigten der Eintritt des Schadens - und damit auch der Ursachenzusammenhang - sowie die Person des Ersatzpflichtigen so weit bekannt wurden, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg angestellt werden kann, allerdings darf der Geschädigte nicht so lange zuwarten, bis ihm hieb- und stichfeste Beweise zur Verfügung stehen und er im Rechtsstreit zu gewinnen glaubt (1 Ob 601/93 [verst Senat]; RIS-Justiz RS0087615; RS0034515; RS0034440).

Ist die Person des Schädigers nicht bekannt, beginnt die Verjährung zu dem Zeitpunkt, zu dem der Geschädigte ausreichend Gewissheit über das Verschulden des Ersatzpflichtigen hat oder weiß, dass er ohne eigene Aktivität, zu der dann auch die Einholung sachverständigen Rates gehört, seinen Wissensstand nicht mehr erhöhen kann (RIS-Justiz RS0050360 [Amtshaftung]). Der Geschädigte darf auch dabei mit der Klageführung nicht so lange zuwarten, bis er im Rechtsstreit zu gewinnen glaubt (EvBl 1996/11 = ecolex 1991, 91 [verstärkter Senat]; SZ 64/23). Jeder Kläger muss auch damit rechnen, dass sich seine scheinbare Kenntnis des Schadens und des Ersatzpflichtigen als irrig herausstellt, weil etwa Zeugen oder Sachverständige etwas anderes bekunden könnten (1 Ob 1004/96). Wo die Grenzen der Erkundigungspflicht des Geschädigten liegen, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0034440 [T18]).

Die Klägerin erlangte spätestens am 7. 9. 1999 Kenntnis von Verpackungspapiereinschlüssen in der von ihr hergestellten Betonfläche. Sie war damit nicht nur in Kenntnis des Primärschadens, sondern auch in der Lage, die möglichen Ursachen dafür zu ermitteln. Abgesehen von einer (nicht behaupteten) mangelhaften Verarbeitung durch die eigenen Leute der Klägerin kamen offenkundig nur ein Verpackungsmaterialfehler der von der Erstnebenintervenientin gelieferten auflösbaren Stahlfasersäcke oder ein Fehler bei der Beimengung der Stahlfasersäcke durch die Fahrer und Fahrzeuge der Beklagten in Frage. Zwar war eine objektive Kontrolle des Beimischvorgangs für die Klägerin im Nachhinein nicht mehr möglich, die Überprüfung eines möglichen Materialfehlers der Gebindesäcke stand ihr aber sofort offen. Nach dem unstrittigen Inhalt der Widerklage der Revisionswerberin vom 9. Mai 2000 zu AZ 21 Cg 87/00d des Landesgerichts Klagenfurt wurde auch tatsächlich über Veranlassung der Erstnebenintervenientin eine Materialprüfung durch einen Sachverständigen durchgeführt und das Ergebnis, nämlich dass „von einem Verarbeitungsfehler ... als wahrscheinlicher Schadensursache“ auszugehen ist (zumal sich nicht nur Teile der Stahlfasersäcke, sondern auch Reste anderer Sackgebinde in der Betonplatte befanden), der Klägerin im Februar 2000 bekannt. Der Umstand, dass die Klägerin in der Folge ungeachtet dieses Wissensstands auf einem Materialfehler beharrte und nur gegen die Erstnebenintervenientin Ansprüche geltend machte, schob den Beginn der Verjährung gegenüber der Beklagten nicht hinaus.

Im Ergebnis ebenfalls nicht zielführend ist das Argument der Revisionswerberin, bei den in der Klagsforderung enthaltenen Kosten der Sanierung der mangelhaften Betonplatte handle es sich inhaltlich um eine Regressforderung iSd § 1313 Satz 2 ABGB.

Im Werkvertragsrecht bestehen Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche in voller Konkurrenz nebeneinander. Der Besteller kann deshalb wegen Mängeln des Werks vom Unternehmer auch Schadenersatz verlangen, sofern die Mängel auf dessen rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zurückzuführen sind (verst Senat 1 Ob 536/90 = SZ 63/37 = JBl 1990, 648 und folgende stR). Der Auftragnehmer kann diesen Schadenersatz nach § 1313 ABGB bei seinem Subunternehmer regressieren, selbst wenn dieser dem Besteller nicht unmittelbar haftet, wobei die Verjährungsfrist für diesen Regress nach der ständigen Rechtsprechung nicht mit Kenntnis des Mangels, sondern erst mit der Zahlung des Auftragnehmers beginnt (RIS-Justiz RS0017495 [T8 - „Feststehen der Zahlungspflicht“]; RS0017558 [zum Solidarschuldner]; Mader/Janisch in Schwimann, ABGB³ § 1489 Rz 29).

Die auf § 1313 ABGB gegründete Regressforderung gegen einen Subunternehmer aufgrund der Verletzung eines Werkvertrags unterliegt der dreijährigen Verjährungsfrist (RIS-Justiz RS0017447; Mader/Janisch aaO, § 1489 Rz 28).

Die Klägerin hat (unstrittig, Klage S 4) ihre Schlussrechnung an den Auftraggeber am 31. Dezember 1999 mit Fälligkeit zum 1. März 2000 gelegt. Die Auftraggeberin hielt ihrem Werklohnanspruch (nach Skontoabzug) von 6.870.931,73 ATS, auf den bereits Teilzahlungen von 4.190.000 ATS geleistet worden waren, Sanierungskosten von 6.378.105,96 ATS aufrechnungsweise entgegen. Der sich unter Berücksichtigung der Teilzahlungen ergebende Differenzbetrag zugunsten der Auftraggeberin wurde mit fälligen Forderungen der Klägerin aus anderen Bauvorhaben kompensiert. Die geltend gemachten Sanierungskosten wurden damit durch Aufrechnung bezahlt und der Lauf der Verjährungsfrist für Regressansprüche nach § 1313 ABGB in Gang gesetzt. Dem entsprechend hat die Klägerin diese Kosten auch schon am 9. Mai 2000, allerdings nur gegenüber der Erstnebenintervenientin und nicht gegenüber der Beklagten, unter Hinweis auf die bereits erfolgte Aufrechnung eingeklagt. Die Prozessführung gegen einen „falschen“ Beklagten hat aber grundsätzlich keinen Einfluss auf eine laufende Verjährung gegenüber dem tatsächlich Ersatzpflichtigen.

Auch mit dem Einwand, die Verjährungseinrede verstoße gegen Treu und Glauben, vermag die Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, insbesondere auch keine grobe Fehlbeurteilung des Einzelfalls durch die Vorinstanzen, aufzuzeigen.

Gegen Treu und Glauben verstößt die Verjährungseinrede, wenn das Fristversäumnis des Berechtigten auf ein Verhalten seines Gegners zurückzuführen ist (RIS-Justiz RS0014838). Gemeint ist dabei ein Verhalten des Beklagten, aus dem die klagende Partei mit Recht annehmen konnte, er werde sich in einem späteren Prozess auf sachliche Einwendungen beschränken und keine Verjährungseinrede erheben (RIS-Justiz RS0034537 [T1; T6]; RS0103007 [T2]; RS0014850), aber nicht das bloße Bestreiten des materiellen Anspruchs.

Die Revision macht schließlich geltend, der Schadenersatzanspruch der Klägerin gründe sich auf eine Verletzung der Warnpflicht der Beklagten, weil deren Geschäftsführer bereits beim Ausbringen des Betons Papiereinschlüsse bemerkt, aber darüber geschwiegen habe. Von dieser Pflichtverletzung habe die Klägerin erst im Zuge der Aussage des Geschäftsführers als Partei im Verfahren gegen die Erstnebenintervenientin vor dem Landesgericht Klagenfurt Kenntnis erlangt.

Ob im Einzelfall das Unterbleiben der Aufklärung über einen bei vorauszusetzender Sachkunde erkennbaren Umstand eine schuldhafte, haftungsbegründende Warnpflichtverletzung darstellt, kann wegen der Kasuistik der Fallgestaltung keine allgemein bedeutsame Frage des materiellen Rechts abgeben, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0116074).

Allgemein ist die Warnpflicht eine werkvertragliche Interessenwahrungspflicht des Unternehmers, die einsetzt, wenn die vom Unternehmer erkannte oder für ihn erkennbare Gefahr besteht, dass das Werk wegen außerhalb der unmittelbaren Sphäre des Unternehmens liegender Umstände auf Bestellerseite misslingen und dem Besteller dadurch ein Schaden entstehen könnte (RIS-Justiz RS0022205 [T2]). Eine eigenständige Pflicht des Unternehmers iSd § 1168a ABGB zur Warnung vor erkannten Mängeln seines eigenen Werks ist darunter nicht zu verstehen, zumal er für diese Mängel jedenfalls Gewähr bzw Schadenersatz zu leisten hat.

Die Beklagte hatte nach den Verfahrensergebnissen den Mischbeton zu liefern, die Beimengung der Zusätze lag im Verantwortungsbereich der Klägerin. Selbst wenn der Werkvertrag zwischen den Streitteilen auch das ausreichende Vermischen der von Leuten der Klägerin in die Mischfahrzeuge eingefüllten Stahlfasern umfasste, bestand eine eigenständige, von ihrer werkvertraglichen Erfüllungspflicht zu trennende Warnpflicht der Beklagten nur insoweit, als die Stahlfasergebinde tatsächlich zur bedungenen Verarbeitung durch Einmischen ungeeignet gewesen wären, was unstrittig nicht der Fall war. Das Vorbringen der Revisionswerberin läuft nur darauf hinaus, dass der Geschäftsführer der Beklagten den Folgeschaden des eigenen Werkmangels verhindern hätte können, woraus keine die Verjährung hinausschiebende eigenständige Anspruchsgrundlage abzuleiten wäre.

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