OGH 8Ob141/10h

OGH8Ob141/10h29.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** A*****, vertreten durch Dr. Johannes Grahofer, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei J***** S*****, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt in Neumarkt am Wallersee, wegen Ausfolgung eines Erlags (Revisionsinteresse 35.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. Mai 2010, GZ 3 R 69/10b-22, womit das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 2. Februar 2010, GZ 32 Cg 17/09i-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.961,64 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 326,94 EUR USt) zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin schloss mit dem Beklagten zwei Kaufverträge über in seinem Eigentum stehende Liegenschaften samt darauf errichteten Wohngebäuden und einer Reithalle. Zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung am 28. 3. 2008 waren diese Liegenschaften noch (unter anderem) mit Belastungs- und Veräußerungsverboten zugunsten der Gattin des Beklagten sowie einem Vorkaufsrecht seiner Schwester grundbücherlich belastet. Als Termin für die tatsächliche Übergabe der Liegenschaften an die Käuferin vereinbarten die Streitteile den 15. 4. 2008.

Der Klägerin war eine rasche Übergabe wichtig, weil sie das Anwesen ab dem Sommer für Seminarveranstaltungen nutzen wollte und dafür noch größere Umbauten erforderlich waren. Aus diesem Grund bestand sie für den Fall, dass die Liegenschaften nicht „bis zum 15. 4. 2008 ordnungsgemäß übergeben“ werden sollten, auf der Vereinbarung einer Konventionalstrafe in Höhe von 1.000 EUR pro Tag des Verzugs. Der Beklagte war mit dieser Vertragsklausel zunächst nicht einverstanden, worauf ihm der anwaltliche Vertragsverfasser und die Klägerin erklärten, dass er die Strafe nur zahlen müsse, falls er die Liegenschaften nicht rechtzeitig räumen sollte. Erst daraufhin unterfertigte der Beklagte die vorbereiteten Kaufverträge. Er räumte die Liegenschaften tatsächlich bis 15. 4. 2008 von seinen Fahrnissen und übergab an diesem Tag der Klägerin die Schlüssel.

In der Folge stellte sich heraus, dass die Schwester des Beklagten ihr Vorkaufsrecht hinsichtlich einer der Liegenschaften ausüben wollte. Zwar kam eine Einlösung nicht zustande, die Vorkaufsberechtigte unterfertigte aber erst am 22. 8. 2008 eine grundbuchsfähige Löschungserklärung. Die Klägerin hatte mit ihren Adaptierungsarbeiten bis dahin zugewartet, weil sie für den Fall eines wirksamen Vorkaufs befürchtete, ihre Investitionen nicht ersetzt zu bekommen. Sie konnte aus diesem Grund einige bereits geplante Seminare nicht durchführen.

Das Klagebegehren ist auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtet, in die Ausfolgung des vom gemeinsamen Treuhänder bei Gericht zugunsten beider Streitteile hinterlegten Kaufpreisrests von 72.451,22 EUR an die Klägerin einzuwilligen. Die Klägerin habe Anspruch auf Zahlung der Konventionalstrafe (und weiteren Schadenersatz) in dieser Gesamthöhe, weil die rechtzeitige ordnungsgemäße Übergabe der Liegenschaften auch die unverzügliche Löschungserklärung der Vorkaufsberechtigten erfordert hätte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt und verpflichtete den Beklagten unter unangefochtener Abweisung des Mehrbegehrens, der Ausfolgung eines Betrags von 35.000 EUR zuzustimmen. Bei Vertragsabschluss hätten die Streitteile offenkundig noch nicht an mögliche Probleme im Zusammenhang mit dem Vorkaufsrecht gedacht. Redliche und vernünftige Vertragsteile hätten aber in der Situation der Streitteile wohl vereinbart, dass zu einer „ordnungsgemäßen“ Übergabe auch das Vorliegen einer verbücherungsfähigen Löschungserklärung der Vorkaufsberechtigten gehört. Die Konventionalstrafe sei allerdings auf den zuerkannten Betrag zu mäßigen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich, dass die Streitteile unter der „ordnungsgemäßen Übergabe“ der Liegenschaften bis zum 15. 4. 2008 nur die faktische Übergabe im geräumten Zustand und die Überlassung der Schlüssel gemeint haben könnten. Es sei ausdrücklich erklärt worden, dass bei rechtzeitiger Räumung der Liegenschaft keine Strafe zu zahlen sei. In rechtlicher Hinsicht sei die Wirksamkeit der Kaufverträge damals auch nicht nur von der Aufgabe des Vorkaufsrechts abhängig gewesen, sondern auch noch von einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung. Die ordentliche Revision sei aber zuzulassen, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage bestehe, ob die an eine ordnungsgemäße Übergabe geknüpfte Konventionalstrafe auch Schäden aus der verzögerten Abgabe einer Löschungserklärung der Vorkaufsberechtigten abdecke.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. An einen gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof auf die kurze Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Für welche konkreten Anlassfälle die Streitteile eine Konventionalstrafe vereinbart haben, ist eine typische Frage der Vertragsauslegung im Einzelfall, der in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt, selbst wenn nach dem Sachverhalt auch eine andere Auslegung vertretbar wäre (RIS-Justiz RS0112106; RS0044358; RS0042776; RS0042936; RS0044298). Eine auffallende Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müsste, ist dem Berufungsgericht nicht vorzuwerfen.

Die Revisionsausführungen beschränken sich im Wesentlichen auf die Darstellung der subjektiven Interessenlage der Klägerin, übergehen dabei aber die vom Berufungsgericht für seine Rechtsansicht herangezogenen wesentlichen Tatsachenfeststellungen. Die Klausel über die Konventionalstrafe wurde vor Kaufvertragsunterfertigung ausdrücklich besprochen und der Beklagte war damit erst einverstanden, nachdem die Klägerin und der Vertragsverfasser erklärt hatten, die Strafe sei nur zu zahlen, wenn er die Liegenschaft nicht rechtzeitig räume.

Nach der bei Verträgen geltenden Vertrauenstheorie, wonach die Rechtsfolgen einer Erklärung nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung zu verstehen ist, ist das rechtliche Ergebnis des Berufungsgerichts auf Grundlage des maßgeblichen Sachverhalts (zumindest) vertretbar (Rummel in Rummel ABGB³, § 914 Rz 4; Dittrich/Tades ABGB36 § 914 E 39, E 52 ff).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision mit zutreffender Begründung hingewiesen, sodass sein Schriftsatz (auch ohne ausdrücklichen Zurückweisungsantrag) der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente (vgl RIS-Justiz RS0035979 [T22]; RS0035962). Die in der Revisionsbeantwortung verzeichneten Kosten waren jedoch insofern zu kürzen, als der Einheitssatz richtig 50 % (statt 120 %) beträgt und auch die ERV-Gebühr überhöht geltend gemacht wurde.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte