Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Im Vorverfahren zu 2 C ***** des Bezirksgerichts Linz hat der Kläger eine Scheidungsklage wegen Zerrüttung aus dem Verschulden der Beklagten eingebracht. Mit Urteil vom 23. 1. 2014 wurde die Scheidungsklage abgewiesen. Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 8. 10. 2014, *****, wurde dieses Urteil bestätigt; dieses ist in Rechtskraft erwachsen. Das Begehren im Scheidungsverfahren hat der Kläger darauf gestützt, dass die Beklagte im Juni 2011 ein sexuelles Verhältnis gehabt und Ehebruch begangen habe. Außerdem habe sie seit 23. 2. 2012 ihre Unterhaltspflicht verletzt. Die Scheidungsklage wurde mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger der Beklagten deren Ehebruch verziehen habe. Aus diesem Grund sei der Auszug des Klägers aus der Ehewohnung Anfang Jänner 2012 grundlos erfolgt, weshalb der Unterhaltsanspruch (für die Zeit nach dem Auszug) verwirkt sei. Die Beklagte habe ihre Unterhaltspflicht nicht verletzt.
Im vorliegenden Verfahren begehrte der Kläger letztlich rückständigen Unterhalt für die Zeit von März 2012 bis Dezember 2012 (3.956,98 EUR) sowie von Jänner 2013 bis Juli 2013 (2.523,82 EUR). Er habe Anspruch auf Unterhalt gemäß § 94 ABGB. Er selbst sei nicht in der Lage, ein eigenes Erwerbseinkommen zu erwirtschaften. Er habe keine Bordelle besucht.
Die Beklagte entgegnete, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt den Haushalt geführt habe. Außerdem sei ein allfälliger Unterhaltsanspruch verwirkt; die Geltendmachung von Unterhalt durch den Kläger erfolge rechtsmissbräuchlich. Ab 2006 habe der Kläger seine Verpflichtungen aus dem Eheverhältnis verletzt und unter anderem Bordelle besucht. Anfang Jänner 2012 habe er die Ehewohnung verlassen. Der Kläger sei auch arbeitsfähig und selbst in der Lage, aus eigenen Kräften die Mittel zur Deckung der seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnissen aufzubringen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger begehre Unterhalt für die Zeit nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts. Er habe der Beklagten deren Eheverfehlung (einmonatiges sexuelles Verhältnis) verziehen. Die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts durch den Kläger Anfang Jänner 2012 sei grundlos und eigenmächtig erfolgt. Dadurch habe er den geltend gemachten Unterhaltsanspruch verwirkt. Ein durch Rechtsmissbrauch verwirkter Unterhaltsanspruch lebe nicht wieder auf.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Zu den Bordellbesuchen des Klägers, zur Verzeihung des einmonatigen sexuellen Verhältnisses der Beklagten sowie zum grundlos erfolgten Auszug des Klägers aus der Ehewohnung sowie zur fehlenden Verletzung der Unterhaltspflicht durch die Beklagte wegen Verwirkung des Unterhaltsanspruchs des Klägers sei die Bindungswirkung des rechtskräftigen Scheidungsurteils ‑ auch von Amts wegen ‑ zu berücksichtigen. Bindungswirkung trete ein, wenn vom Inhalt der rechtskräftig entschiedenen Streitsache notwendig die Entscheidung eines weiteren Anspruchs abhänge. Dies sei hier der Fall. Im Scheidungsverfahren sei der Beklagten Ehebruch und die Verletzung der Unterhaltspflicht (ab 23. 2. 2012) vorgeworfen worden. Bei diesen behaupteten Eheverfehlungen habe es sich um den unmittelbaren Gegenstand des Scheidungsverfahrens gehandelt. Eine nunmehrige Bejahung einer Unterhaltspflicht würde das unvereinbare Gegenteil zur Entscheidung im Vorverfahren darstellen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob die in einem Scheidungsverfahren verneinte Unterhaltsverletzung in einem bestimmten Zeitraum eine Bindungswirkung für das nachfolgende Unterhaltsverfahren hinsichtlich desselben Zeitraums entfalte, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigen. Macht er hingegen nur Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer solchen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen. Dass zu einer konkreten Fallgestaltung keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, begründet keine erhebliche Rechtsfrage, wenn die relevanten rechtlichen Grundsätze in der Rechtsprechung des Höchstgerichts geklärt sind oder sich der Anlassfall anhand gesicherter Grundsätze lösen lässt (vgl 8 Ob 121/15z). Dies ist hier der Fall.
2.1 Das Berufungsgericht hat den vom Kläger geltend gemachten Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, der sich auf die Nichteinvernahme beantragter Zeugen bezogen hat, mit dem Argument verneint, dass zu den sich darauf beziehenden Sachverhaltskomplexen (Bordellbesuche des Klägers, Verzeihung des einmonatigen sexuellen Verhältnisses der Beklagten, grundloser Auszug des Klägers aus der Ehewohnung, Verwirkung des Unterhaltsanspruchs des Klägers und daher fehlende Unterhaltsverletzung durch die Beklagte) von einer Bindungswirkung des rechtskräftigen Scheidungsurteils auszugehen sei.
Ein vom Berufungsgericht verneinter Verfahrensmangel kann nur dann vor dem Obersten Gerichtshof angefochten werden, wenn das Berufungsgericht bei Behandlung der Mängelrüge von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist (vgl 8 ObA 66/15m). Entscheidend ist daher die Frage nach der Reichweite der Bindungswirkung des rechtskräftigen Scheidungsurteils. Die dafür maßgebenden Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nicht vor.
2.2 Die Bindungswirkung einer Entscheidung schließt die neuerliche inhaltliche Prüfung des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs aus. Bindungswirkung im Sinn der Präjudizialität der rechtskräftigen Entscheidung ist dann gegeben, wenn der als Hauptfrage rechtskräftig entschiedene Anspruch eine Vorfrage für den Anspruch im zweiten Prozess bildet. Maßgebend sind die entscheidungserheblichen rechtserzeugenden Tatsachen, die zur Individualisierung des herangezogenen Rechtsgrundes erforderlich sind, und der rechtliche Subsumtionsschluss. Als Teil der Bindungswirkung ist die Präklusionswirkung anerkannt. Dementsprechend wird durch die Rechtskraft der Entscheidung auch das Vorbringen aller Tatsachen ausgeschlossen, die zur Begründung oder Widerlegung des entschiedenen Anspruchs rechtlich erforderlich waren und schon bei Schluss der mündlichen Verhandlung bestanden haben. Der Kläger wird mit allen Tatsachen präkludiert, auf die er den geltend gemachten Anspruch noch hätte stützen können. Für den Beklagten schließt die Präklusionswirkung die Geltendmachung bereits vorhandener Gestaltungsrechte und Gegenrechte aus (siehe dazu 8 ObA 19/11v; 8 Ob 64/14s).
Nach der Rechtsprechung ist jeweils im Einzelfall konkret zu prüfen, worüber im Vorprozess als Hauptfrage entschieden wurde. Zur Individualisierung des Hauptgegenstands sind auch die rechtserzeugenden Tatsachen und der rechtliche Subsumtionsschluss heranzuziehen (8 ObA 19/11v). Danach ist zu prüfen, ob die Entscheidung über den neuen Anspruch vom Inhalt (Thema als Hauptfrage) der bereits rechtskräftig entschiedenen Streitsache erfasst und abhängig ist oder das Begehren das begriffliche Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs darstellt. Im gegebenen Zusammenhang wurde bereits ausgesprochen, dass der Ausspruch des Erlöschens des Unterhaltsanspruchs wegen Verwirkung das begriffliche Gegenteil zu einem Zuspruch von Ehegattenunterhalt darstellt (3 Ob 167/13z).
2.3 Die Scheidungsklage des Klägers war auf die Scheidung der Ehe wegen Zerrüttung aus dem Verschulden der Beklagten gerichtet. Dazu hat der Kläger im Scheidungsverfahren vorgebracht, dass die Beklagte die Ehe im Juni 2011 mehrfach gebrochen und gegenüber dem Kläger seit 23 Monaten (seit 23. 2. 2012) ihre Unterhaltspflicht verletzt habe. Sowohl das einmonatige sexuelle Verhältnis der Beklagten als auch die behauptete Verletzung der Unterhaltspflicht waren damit Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Scheidungsverfahrens. In diesem Verfahren wurde entschieden, dass der Kläger der Beklagten ihren Ehebruch (am P***** See) wirksam verziehen und die Beklagte die Unterhaltspflicht zufolge Verwirkung nicht verletzt hat. Die Verneinung der Verletzung der Unterhaltspflicht für einen bestimmten Zeitraum wegen Verwirkung ist dem Ausspruch des Erlöschens des Unterhaltsanspruchs für diesen Zeitraum gleichzuhalten. Dieser Ausspruch und die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Tatsachenkomponenten sind demnach von der Bindungswirkung des Scheidungsurteils umfasst. Dies gilt im Anlassfall für die Erklärung der Verzeihung des Ehebruchs am P***** See und ebenso dafür, dass für den Auszug des Klägers aus der Ehewohnung Anfang Jänner 2012 kein (berechtigter) Grund festgestellt wurde.
2.4 Wenn der Kläger meint, die Verzeihung bedeute nicht zwingend, dass der Auszug grundlos erfolgt sei, hätte er eine behauptete Unvollständigkeit des Sachverhalts (im Sinn eines sekundären Feststellungsmangels) im Scheidungsverfahren geltend machen müssen. Das Gleiche gilt für das Argument, dass es sich beim grundlosen Auszug aus der Ehewohnung um eine überschießende Feststellung gehandelt habe. An der vom Berufungsgericht zu Recht bejahten Bindungswirkung vermögen diese Überlegungen des Klägers nichts zu ändern.
3. Die übrigen vom Kläger behaupteten Verfahrensmängel betreffen ebenfalls das erstinstanzliche Verfahren. Wie bereits dargelegt, können angebliche Verfahrensmängel, die das Rechtsmittelgericht nicht als solche anerkannt hat, nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RIS‑Justiz RS0042963).
4. Eine in der Revision behauptete entscheidungsrelevante Aktenwidrigkeit (siehe dazu RIS‑Justiz RS0043277; RS0043284) liegt nicht vor.
Dem Kläger geht es in Wirklichkeit nicht darum, ob die Verzeihung des Ehebruchs der Beklagten bei Gesprächen am P***** See oder im Oktober 2011 erfolgt ist. Vielmehr versucht er die (im Scheidungsverfahren getroffene) Feststellung zu bekämpfen, dass er der Beklagten das einmonatige sexuelle Verhältnis überhaupt verziehen habe. Derartigen Versuchen steht die Bindungswirkung des Scheidungsurteils entgegen.
Bei der Negativfeststellung des Erstgerichts, wonach ehebrecherisches Verhalten der Beklagten, das von der Verzeihung des Klägers nicht umfasst gewesen sei, nicht hätte festgestellt werden können, handelt es sich um eine Konkretisierung zum Tatsachensubstrat im Scheidungsverfahren, wonach für den Auszug des Klägers aus der Ehewohnung kein (berechtigter) Grund festgestellt wurde. Auch dieses Tatsachensubstrat ist von der Bindungswirkung des Scheidungsurteils umfasst.
5. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen.
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