European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121643
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Erleger hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Der Erleger stellte beim Erstgericht den Antrag auf Annahme eines Gelderlags von 273.755,06 EUR. Er brachte vor, es handle sich dabei um einen Teil des Kaufpreises einer Liegenschaft, deren Verkauf er als Rechtsanwalt und allseitiger Treuhänder der Erlagsgegner abzuwickeln habe. Die Erst- und Zweiterlagsgegner seien die Verkäufer, die Dritt- und Vierterlagsgegner die Käufer der Liegenschaft, die Fünftantragsgegnerin habe einen Teil des Kaufpreises finanziert, der auf seinem Treuhandkonto eingelangt sei.
Die Käufer hätten nach Unterzeichnung und Einzahlung des Kaufpreises die Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums erklärt und dem Erleger untersagt, weitere Abwicklungsschritte durchzuführen. Die Verkäufer wiederum hätten den Erleger aufgefordert, die bedungene Lastenfreistellung wie vereinbart durchzuführen und den Restkaufpreis an sie auszuzahlen. Über die Frage der Vertragsauflösung sei ein Rechtsstreit zwischen Käufern und Verkäufern anhängig.
Der Erleger sei konträren, mittlerweile auch mit Klagsandrohung bekräftigten Forderungen der Vertragsparteien ausgesetzt. Würde er die Abwicklung der bedungenen Lastenfreistellung durchführen, wäre es ihm im Fall der berechtigten Vertragsanfechtung und Rückabwicklung nicht mehr möglich, den vorigen Zustand herzustellen und den Kaufpreis an die Käufer zurückzuzahlen.
Auch sei der Kaufpreis nicht zur Gänze erlegt und insoweit die Erfüllung der Ausfolgungsbedingungen unklar. Aufgrund des Konflikts zwischen den Treugebern und der bestehenden unklaren Sach- und Rechtslage sei er zum Erlag berechtigt. Es sei ihm nicht möglich und zumutbar, die strittigen Tatumstände selbst zu erheben.
Das Erstgericht nahm den Erlag mit Beschluss vom 22. 12. 2016 antragsgemäß an.
Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Erst‑ und Zweiterlagsgegner keine Folge und bestätigte den erstgerichtlichen Beschluss mit der Maßgabe, dass es einen gerügten Schreibfehler berichtigte.
Im Erlagsverfahren sei grundsätzlich nur zu prüfen, ob ein schlüssiger Erlagsgrund behauptet wurde, aber nicht, ob er tatsächlich vorliege. Aus diesen Gründen sei das Verfahren erster Instanz auch grundsätzlich einseitig gestaltet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Erst- und Zweitantragsgegner sieht – wie auch schon das Rekursgericht – die Zulässigkeit des Revisionsrekurses insbesondere darin begründet, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung fehle, ob den Erlagsgegnern im erstinstanzlichen Verfahren zwingend rechtliches Gehör zu gewähren ist.
Der Erleger hat eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
1. Trotz Zulässigerklärung des Revisionsrekurses muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel zurückzuweisen (8 Ob 113/15y; 8 Ob 75/16m). Dies ist hier der Fall.
2. Der Erlag durch den Schuldner nach § 1425 ABGB setzt voraus, dass die Schuld nicht bezahlt werden kann, „weil der Gläubiger unbekannt, abwesend, oder mit dem Angebotenen unzufrieden ist, oder aus anderen wichtigen Gründen nicht bezahlt werden“ kann. Die in § 1425 ABGB vorausgesetzte Unmöglichkeit der Leistung muss keine absolute sein; es ist ausreichend, dass die Schuldbefreiung aus Gründen, die auf Seite des Gläubigers liegen, nicht ohne Gefahr einer nochmaligen Leistung erreicht werden kann (RIS‑Justiz RS0118151 = 5 Ob 116/03z).
Bei Auftreten mehrerer Forderungsprätendenten ist der Gerichtserlag durch den Schuldner dann zulässig, wenn dem Schuldner objektiv nach verständigem Ermessen nicht zugemutet werden kann, den in Ansehung seiner Leistung Berechtigten auch bei sorgfältiger Prüfung zu erkennen (RIS‑Justiz RS0033597).
3. Das Erlagsgericht hat nur zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung iSd § 1425 ABGB an sich taugt, also eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0112198 [T3, T19, T20], RS0106153 [T1]). Ein Erlagsgegner kann im Erlagsverfahren selbst wirksam nur geltend machen, dass das tatsächlich erstattete – und nicht das richtigerweise zu erstatten gewesene – Vorbringen des Erlegers über ein mit dem eigenen Ausfolgeanspruch konkurrierendes Recht unschlüssig sei. Auch wenn behauptet wird, der Erleger mache unrichtige oder unvollständige Angaben über die Rechte der einzelnen Erlagsgegner, ist dennoch die Schlüssigkeit nur aufgrund der Behauptungen des Erlegers im Erlagsantrag zu überprüfen (RIS‑Justiz RS0116213 [T1]). Die Frage, ob der Erlag berechtigt war, kann letztlich nur im Prozess erfolgen (RIS‑Justiz RS0106153).
Dies gesteht der Revisionsrekurs grundsätzlich auch zu, setzt sich aber anschließend wieder in logischen Widerspruch zu dieser Erkenntnis, wenn er ausführt, dass wegen der bloßen Schlüssigkeitsprüfung ein „hoher Maßstab an die Richtigkeit und Vollständigkeit“ des Vorbringens anzulegen sei, der ein rechtliches Gehör des Erlagsgegners erfordere. Damit verkennt er, dass die Richtigkeit und Vollständigkeit des Vorbringens nicht Thema des Erlagsverfahrens sind.
4. Für die Beurteilung der Schlüssigkeit des Erlagsantrags sind immer die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, die keine erhebliche Rechtsfrage begründen, wenn – wie hier – die Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht unvertretbar ist (1 Ob 255/15d; RIS‑Justiz RS0116144 [T5] ua).
Wenn der Revisionsrekurs auf die vereinbarte Unwiderruflichkeit des Treuhandauftrags pocht und daraus ableiten will, dass der Standpunkt der Käufer offenkundig unrichtig sei, bedenkt er nicht, dass diese den Kaufvertrag (unter anderem) wegen Irrtums angefochten haben und er auch selbst einräumt, dass der Kaufvertrag teilweise unvollständig sei.
5. Das in § 3 VerwEinzG als lex specialis geregelte Hinterlegungsverfahren ist ein besonderes außerstreitiges Verfahren (RIS‑Justiz RS0033469), das keine gesonderte Aufforderung an den Erlagsgegner zur Äußerung nach § 17 AußStrG vorsieht, weil die Entscheidung allein aufgrund des Antragsvorbringens des Erlegers zu ergehen hat.
Es entspricht zudem der ständigen Rechtsprechung, dass der Rechtsmittelgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs im Außerstreitverfahren nicht absolut wirkt, sondern nur dann zur Aufhebung der betroffenen Entscheidung führen kann, wenn es dem Rechtsmittelwerber gelingt, die Relevanz des Verfahrensmangels aufzuzeigen (RIS‑Justiz RS0120213 [T14, T21]). Für die Wahrung des Parteiengehörs genügt es hier im Außerstreitverfahren, wenn die in erster Instanz nicht angehörte Partei alle Argumente für ihren Standpunkt im Rekurs äußern konnte (RIS‑Justiz RS0006057; 1 Ob 255/15d; 2 Ob 121/17h).
6. Aus dem Akt ergibt sich, dass der Erleger und sämtliche Erlagsgegner nach Erhebung des Revisionsrekurses und vor Erstattung der Rechtsmittelbeantwortung, dem Erstgericht eine gütliche Einigung mitgeteilt und einen gemeinsamen (vgl RIS‑Justiz RS0001611 [T1]) Ausfolgungsantrag auf das Treuhandkonto gestellt haben. Im Hinblick darauf kommt aber der Entscheidung, ob der Erlag angenommen werden durfte, nur mehr theoretisch-abstrakte Bedeutung zu und ist das Rechtsschutzinteresse der Rechtsmittelwerber weggefallen (RIS‑Justiz RS0041770).
Dieses kann auch nicht mit einem Interesse an der Beseitigung der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung begründet werden (RIS‑Justiz RS0002396; RS0043815 [T2] ua). Im Kostenpunkt ist der Revisionsrekurs – wie die Rechtsmittelwerber auch selbst erkennen – außerdem jedenfalls unzulässig (§ 62 Abs 2 Z 1 AußStrG).
7. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
Die nach dem gemeinsamen Ausfolgungsantrag eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung diente keiner erkennbaren zweckentsprechenden Rechtsverfolgung mehr, sodass dafür kein Kostenersatz gebührt (§ 78 Abs 2 AußStrG).
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