Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Begründung
Die Revisionswerberin stellte am 14. 5. 2014 den Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin. Sie bescheinigte den Bestand einer titulierten Insolvenzforderung in Höhe von 336.822,65 EUR sA, zu deren Gunsten ein Höchstbetragspfandrecht auf einer der Antragsgegnerin zur Hälfte gehörigen Liegenschaft haftet. Der geschätzte Verkehrswert der gesamten Liegenschaft beträgt rund 264.000 EUR.
Die Antragsgegnerin hat zahlreiche weitere, zum Teil exekutiv betriebene Verbindlichkeiten, ist nicht berufstätig und für ein Kind sorgepflichtig. Sie lebt von bedarfsorientierter Mindestsicherung und verfügt, abgesehen von geringwertigem gebrauchtem Hausrat und einem rund 14 Jahre alten Pkw, über kein verwertbares Vermögen.
Nachdem die Antragstellerin dem Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses von 2.000 EUR zur Deckung der voraussichtlichen Kosten des Verfahrens nachgekommen war, eröffnete das Erstgericht mit Beschluss vom 4. 7. 2015 das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der Antragsgegnerin, entzog ihr die Eigenverwaltung und bestellte einen Insolvenzverwalter.
Dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rechtsmittel der Antragsgegnerin gab das Rekursgericht Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es den Eröffnungsantrag abwies. Ein Insolvenzverfahren sei nicht zu eröffnen, wenn schon von Vornherein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit keinem Massevermögen zu rechnen sei, selbst wenn die Anlaufkosten noch gedeckt wären. Der Zweck des Insolvenzverfahrens, eine gleichmäßige Verteilung des vorhandenen Vermögens unter den Gläubigern zu gewährleisten, könne ohne Masse nicht erreicht werden.
Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit mehr als 30.000 EUR und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Frage, ob nach Erlag eines aufgetragenen Kostenvorschusses durch den antragstellenden Gläubiger das Schuldenregulierungsverfahren auch bei voraussichtlichem Fehlen von Massevermögen zu eröffnen sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Die Antragsgegnerin hat eine Rechtsmittelbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Gemäß § 70 Abs 1 IO ist das Insolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine ‑ wenngleich nicht fällige -Insolvenzforderung hat und der Schuldner zahlungsunfähig ist. Nach § 71 IO ist das Vorhandensein kostendeckenden Vermögens weitere Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Fehlt es daran, so ist das Verfahren nach § 71a IO dennoch zu eröffnen, wenn der Antragsteller auf Anordnung des Gerichts innerhalb einer bestimmten Frist einen von diesem zu bestimmenden Betrag zur Deckung der Kosten vorschussweise erlegt. Weitere Eröffnungsvoraussetzungen sieht das Gesetz nicht vor, insbesondere ist im Eröffnungsstadium noch keine Prüfung der Aussichten auf eine Quote für die Insolvenzgläubiger vorgesehen (vgl Übertsroider in Konecny, IO § 70 Rz 91; OLG Linz 2 R 83/09b).
Soll ein Schuldenregulierungsverfahren auf Antrag eines Gläubigers eröffnet werden, gelten dafür die allgemeinen Regelungen der §§ 70 ff IO (s Kodek, Privatkonkurs² Rz 108). Ergibt die Vorprüfung des Antrags durch das Insolvenzgericht, dass kostendeckendes Vermögen vorhanden ist, oder wurde ein Kostenvorschuss erlegt, ist das Verfahren jedenfalls zu eröffnen (Kodek, aaO Rz 99 ff; Mohr, IO11 § 71 E 1; RIS‑Justiz RS0119707).
In der (älteren) Rechtsprechung sowie in der Literatur (RIS‑Justiz RS0063939 = SZ 15/54; OLG Wien EvBl 1936/896 = MGA IO11 § 71a Rz 20 ff; Kodek, Privatkonkurs² Rz 70; vgl aber RZ 2001, 111 [115 FN 35]) findet sich aber auch wiederholt der vom Berufungsgericht herangezogene Rechtssatz, die Möglichkeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Erlag eines Kostenvorschusses bestehe dann nicht, wenn es an jeglichem Vermögen des Schuldners mangle und nicht zu erwarten sei, dass er ‑ insbesondere durch seine Arbeitstätigkeit ‑ solches im Zuge des Verfahrens erlangt.
Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, wird primär an eine offenbar missbräuchliche Inanspruchnahme des Antragsrechts (§ 7 Abs 2 IO; RIS‑Justiz RS0123950; 6 Ob 156/08x) zu denken sein, weil sich ein Gläubiger, der gutes Geld dem schlechten nachwirft und einen Kostenvorschuss einsetzt, um die Insolvenzeröffnung zu erreichen, obwohl er die Aussichtslosigkeit erkennen kann, dem Verdacht der Verfolgung verfahrensfremder Zwecke aussetzt. Eine andere rechtfertigende Begründung für die Verweigerung einer Verfahrenseröffnung trotz bestehender Kostendeckung ist ‑ soweit überblickbar ‑ weder Judikatur noch Literatur zu entnehmen.
Ansätze für eine missbräuchliche Antragstellung sind im vorliegenden Verfahren aber nicht hervorgekommen. Zudem darf bei der Beurteilung, ob es nicht nur an jeglichem Vermögen des Schuldners mangelt, sondern auch nicht zu erwarten ist, dass er solches erlangen wird, gerade im Schuldenregulierungsverfahren kein strenger Maßstab angelegt werden.
Der Verfahrenszweck der geregelten Verteilung des Vermögens unter den Gläubigern tritt hier hinter den Zweck der Sanierung verschuldeter Privathaushalte zurück. Dem mittellosen Schuldner, der nicht einmal über kostendeckendes Vermögen verfügt, bietet die Einleitung des Verfahrens über Gläubigerantrag die Möglichkeit zur Stellung eines Antrags auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens, ohne die Voraussetzungen des § 183 IO nachweisen zu müssen. Es kommt nicht darauf an, ob die Erteilung einer Restschuldbefreiung wahrscheinlich ist (8 Ob 264/02p; 8 Ob 115/03z).
Im vorliegenden Fall verfügt die Antragsgegnerin über Hälfteeigentum an einer Liegenschaft. Berücksichtigt man, dass sie für die Forderung der Antragstellerin als Solidarschuldnerin mit dem zweiten Hälfteeigentümer haftet, ist ein in die Masse fallender Erlösanteil zwar unwahrscheinlich, aber nicht von Vornherein auszuschließen.
Es ist auch nicht unmöglich, dass es der 54‑jährigen Schuldnerin gelingt, in den nächsten Jahren noch ein das Existenzminimum übersteigendes Arbeitseinkommen zu erzielen.
Der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts war daher aufzuheben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
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