Spruch:
Die Revisionen sowohl der klagenden Partei als auch deren Nebenintervenientin werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit jeweils EUR 962,88 (hierin enthalten EUR 160,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen zu ersetzen.
Text
Begründung
Vom 18. 7. bis 12. 8. 2000 mietete der Verein "S*****" (im Folgenden kurz: Verein oder "Falken") einen von der beklagten Partei betriebenen Gruppenzeltplatz im sog Europacamp in W*****. Es handelt sich um ein ca 3 ha großes Wiesenareal, wobei der Verein auch berechtigt war, die Küche zu benützen und ihm auch ein Raum im sog "Steinhaus" als Kantine bzw Besprechungsraum der (Unter-)Gruppenleiter zur Verfügung gestellt wurde. Dieses "Steinhaus" befand sich an der Südostecke des Campingplatzareals. An der Westseite desselben befand sich ein 1,2 m tiefer, ca 80 bis 100 cm im Quadrat messender Wartungsschacht mit einem Absperrventil für die Wasserversorgung des "Steinhauses". Dieser Schacht war mit einer 25 bis 30 kg schweren Eisenplatte, die auf der Metallumrahmung des Schachtes auflag und plan mit der Betoneinfassung des Schachtes abschloss, abgedeckt. In der Platte befand sich eine Ausnehmung, sodass eine Person unter Zuhilfenahme eines Werkzeuges (etwa eines Schraubenziehers) die Abdeckung anheben und die Platte wegziehen konnte. Tatsächlich haben eine oder mehrere Personen zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 23. 7. und 25. 7. 2000, 1,30 Uhr, diese Abdeckung entfernt und in den Schacht geworfen. Das "Steinhaus" hatte auch eine Außenbeleuchtung, die aber bei Dunkelheit nicht immer eingeschaltet war; das Licht wurde spätestens mit Schluss der Kantine gelöscht.
Die vom Verein "Falken" entsandte Gruppe umfasste insgesamt 120 Jugendliche im Alter zwischen 7 und 17 Jahren, die in aus acht bis zehn Personen bestehende Untergruppen untergliedert wurden. Der Kläger betreute eine dieser Gruppen.
Die Beklagte ihrerseits beschäftigte damals zehn bis elf Personen. Zu den Arbeiten ihres Personals zählte ua die Überprüfung der Sicherheit und die Kontrolle der Jugendlichen in der Nacht. Zu diesem Zwecke machten zwei Personen in unregelmäßigen Abständen bis 3,00 Uhr früh täglich mehrere Kontrollrundgänge. Diese Rundgänge führten sie auch am "Steinhaus" vorbei. Keinem dieser Mitarbeiter fiel bis zum verfahrensgegenständlichen Unfall auf, dass die Abdeckung des Wartungsschachtes gefehlt hätte.
Am 25. 7. 2000 hatte der Kläger gemeinsam mit einem weiteren Betreuer des Vereins Nachtwache. Gegen 1,30 Uhr führten sie einen Kontrollgang durch. Sie beabsichtigten an der Westseite des "Steinhauses" zur Steinmauer nahe des dortigen Baches zu gehen, an der sich die Jugendlichen häufig trafen. Die Westseite des Hauses war zu diesem Zeitpunkt weder von innen noch von außen beleuchtet. Die beiden Betreuer hatten auch keine Taschenlampen bei sich. Als der Kläger eine Flasche auf ein Fensterbrett an der Westseite stellen wollte, trat er mit dem rechten Fuß ins Leere und stürzte in den offenen Wartungsschacht, den er zuvor nie wahrgenommen hatte, und verletzte sich hiebei schwer.
Mit der am 7. 2. 2002 eingebrachten und in der Folge mehrfach ausgedehnten Klage begehrte er die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von (zuletzt) EUR 15.344,87 sA und stellte auch ein Feststellungsbegehren. Die beklagte Partei hafte aus den Titeln der Vertragsverletzung, Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, nach § 1319 ABGB sowie aus jedem sonstigen erdenklichen Rechtsgrund.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach.
Während des Verfahrens trat die Nebenintervenientin dem Verfahren auf Seiten der klagenden Partei bei.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger EUR 15.299,52 samt Staffelzinsen (zusammengesetzt aus EUR 8.261 Schmerzengeld, EUR 6.938,52 Verdienstentgang und EUR 100 sonstige Spesen) zu bezahlen und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren von EUR 43,35 sA sowie das Feststellungsbegehren (unangefochten und rechtskräftig) ab. Nach Auffassung des Erstgerichtes habe der zwischen dem Verein und der beklagten Partei abgeschlossene Mietvertrag auch Schutzpflichten zugunsten des Klägers entfaltet; gemäß § 1298 ABGB hätte die Beklagte beweisen müssen, dass sie ohne ihr Verschulden an der Erfüllung ihrer vertraglichen Schutzpflichten gehindert worden wäre. Dieser Beweis sei angesichts der Nichtfeststellbarkeit des Zeitpunktes der Entfernung der Schachtabdeckung nicht erbracht worden.
Das von der beklagten Partei lediglich aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung angerufene Berufungsgericht änderte das Urteil im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung ab. Es sprach darüber hinaus aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte es - zusammengefasst - aus, dass der Abschluss des Schachtes mit einer ca 25 bis 30 kg schweren Eisenplatte als objektiv sorgfaltsgemäß angesehen werden müsse und eine vorsätzliche Entfernung der Metallplatte (unter Zuhilfenahme eines Werkzeuges) als unvorhersehbar erachtet werden müsste, dass bei objektiv sachkundiger Betrachtung mit einer Gefährdung nicht habe gerechnet werden können. Der beklagten Partei sei der ihr obliegende Beweis eines fehlenden Verschuldens betreffend allfälliger (weiterer) präventiver Sicherungsmaßnahmen gelungen. Die Unaufklärbarkeit des (genauen) Zeitpunktes, wann die Schachtabdeckung entfernt worden sei, gehe zu Lasten des Geschädigten. Auch im Lichte des § 1319 ABGB wäre es eine Überspannung der erforderlichen Sorgfaltspflichten, wenn die beklagte Partei nicht für eine mangelhafte Beschaffenheit im engeren Sinn als Schadensursache, sondern einen Mutwillensakt Dritter einzustehen habe, weil vernünftigerweise nach der Auffassung des Verkehrs diese nicht habe erwarten können, dass in Ansehung einer zumindest 25 kg schweren Schachtabdeckung, die überdies nur mittels eines Werkzeuges habe entfernt werden können, noch weitergehende spezifische Kontrollmaßnahmen außer die gesetzten und festgestellten erforderlich gewesen wären. Aus diesen Gründen komme auch eine Haftung nach § 1319 ABGB, selbst wenn diese als Gefährdungshaftung anzusehen wäre, hier nicht zum Tragen.
Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, "weil der maßgeblichen Rechtsfrage, zu wessen Lasten die nach den Feststellungen gegebene Unaufklärbarkeit des genauen Zeitpunktes der Entfernung der Platte geht, über den vorliegenden Einzelfall hinaus von erheblicher rechtlicher Bedeutung erscheint und im Hinblick auf die neueren Entscheidungen 1 Ob 93/00h und 1 Ob 129/02f des Obersten Gerichtshofes Rechtsausführungen des OGH zur Beweislast für nicht mehr aufklärbare Umstände für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle von rechtserheblicher Bedeutung wären."
Gegen diese Entscheidung richten sich die jeweils auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revisionen sowohl der klagenden Partei als auch der auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenientin mit den Anträgen, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise werden auch Aufhebungsanträge gestellt.
Die beklagte Partei hat zu beiden Revisionen Revisionsbeantwortungen erstattet, in welchen primär die Zurückweisung der gegnerischen Rechtsmittel mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO, in eventu, diesen keine Folge zu geben, beantragt wird.
Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden; gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann er sich bei der Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. In diesem Sinne ist den Rechtsmitteln beider Rechtsmittelwerber Folgendes entgegenzuhalten:
Rechtliche Beurteilung
Vorauszuschicken ist, dass in den vom Berufungsgericht in seinem Zulassungsausspruch zitierten Entscheidungen 1 Ob 93/00h (ZVR 2002/21) und 1 Ob 129/02f (SZ 2002/87 = ZVR 2003/37) - denen überdies nur bedingt vergleichbare Sachverhalte zugrunde lagen - keine beweislastmäßigen "Unaufklärbarkeiten" zu lösen waren. Selbst wenn die vom Berufungsgericht in den Vordergrund seines Zulassungsausspruches gestellte Negativfeststellung (im Lichte des § 1298 ABGB) zu Lasten der haftungsmäßig in Anspruch genommenen beklagten Partei zu beurteilen wäre, wäre nämlich damit (im Ergebnis) für den Standpunkt der Revisionswerber nichts gewonnen. Dies aus folgenden weiteren Überlegungen:
Unstrittig bestand zwischen dem Kläger und der beklagten Partei keine unmittelbare, direkte vertragliche Beziehung, sodass das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen sowohl unter dem Gesichtspunkt allgemeiner Verkehrssicherungspflichten als auch aus dem Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte sowie schließlich auch unter jenem des § 1319 ABGB zu prüfen ist.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits vielfach ausgesprochen hat, ist es ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass jeder für die Verkehrssicherung zu sorgen hat, der auf einem ihm gehörenden oder seiner Verfügung unterstehenden Grund und Boden einen Verkehr eröffnet (RIS-Justiz RS0023355). Wer insoweit eine Gefahrenquelle schafft, hat auch die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung hieraus abzuwenden (RIS-Justiz RS0022778). Diese (allgemeine) Verkehrssicherungspflicht (auch im Rahmen des sog Ingerenzprinzips: 1 Ob 77/03k; RIS-Justiz RS0022671; RS0022458) verlangt nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung zwar Sicherungsmaßnahmen zum Schutz aller Personen, deren Rechtsgüter durch die Schaffung einer Gefahrenlage verletzt werden können; Voraussetzung ist allerdings immer, dass die Möglichkeit der Verletzung von Rechtsgütern Dritter bei objektiv sachkundiger Betrachtung zu erkennen ist (RIS-Justiz RS0023801; RS0023231). Dies bezieht sich dann auch auf durch einen unerlaubten und vorsätzlichen Eingriff eines Dritten entstandene Gefahrenlagen (RIS-Justiz RS0023801) - wie dies hier von der beklagten Partei von Verfahrensbeginn an unter Hinweis auf "vandalistische Täter" behauptet und durch die Feststellung, wonach eine oder mehrere (unbekannte) Personen die Abdeckung des Schachtes entfernt und diese in den Schacht geworfen hatten, hervorgekommen ist. Da jedoch weiters feststeht, dass der Schacht mit einer 25 bis 30 kg schweren Eisenplatte, die auf einer Metallumrandung plan auflag und abschloss, abgedeckt war, welche (nur) unter Zuhilfenahme eines geeigneten Werkzeuges angehoben und weggezogen werden konnte, würde es auch nach Auffassung des erkennenden Senates eine Überspannung der Sorgfaltspflichten und damit auch der Grenzen des Zumutbaren bedeuten (RIS-Justiz RS0023397) - selbst unter Zugrundelegung des von der klagenden Partei unter Hinweis auf § 1299 ABGB beim Campingplatzvertrag (vgl 1 Ob 93/00h = ZVR 2002/21) geforderten erhöhten Sorgfaltsmaßstabes -, über die festgestellten mehrfachen nächtlichen Kontrollgänge ihrer Sicherheitsbeauftragten hinaus, noch weitergehende Kontroll- und Sicherungspflichten zu verlangen, zumal auch (vernünftigerweise) wohl nicht damit gerechnet werden musste, dass die vom Verein "Falken" installierte eigene "Nachtwache", zu der auch der Kläger gehörte, für ihre eigenen Kontrollgänge im Gelände nicht einmal Taschenlampen mitzuführen pflegte. Auch wenn - weil es sich ja um eine Jugendgruppe handelte - speziell bei Kindern ein höheres Anforderungsprofil Platz zu greifen hat, dürfen auch insoweit nach der Rechtsprechung die Pflichten im Zusammenhang mit der Sicherung von Gefahrenquellen nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0023819).
Damit muss aber auch eine Haftung aus dem Institut des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte (nämlich aus dem zwischen der beklagten Partei und dem Verein "Falken" geschlossenen Camping- bzw Mietvertrag) scheitern, weil auch dafür jedenfalls die gleichen (objektiven) Vorhersehbarkeits- und damit auch Zumutbarkeitskriterien in Anwendung gebracht werden müssen.
Auch für den Schuldlosigkeitsbeweis des "Besitzers" nach § 1319 ABGB - unter welche Bestimmung auch Gruben (7 Ob 215/98p), Schächte (SZ 61/132; ZVR 2003/37), Kanaldeckel (4 Ob 2334/96f; 10 Ob 2444/96a) und -gitter (6 Ob 30/98z) gezählt werden - genügt es, wenn dieser alle Vorkehrungen getroffen hat, die vernünftigerweise nach den Umständen von ihm erwartet werden konnten (RIS-Justiz RS0030035). § 1319 ABGB normiert weder eine Erfolgs- (so allerdings Reischauer in Rummel, ABGB³ Rz 15 zu 1319: durch Entlastbarkeit abgeschwächte Erfolgshaftung) noch eine Gefährdungs- (so allerdings [vereinzelt] ZVR 2003/37), sondern nach herrschender Meinung eine Verschuldenshaftung mit Umkehr der Beweislast (RIS-Justiz RS0023525; JBl 2002, 463; 6 Ob 60/02m; Koziol, Haftpflichtrecht I³ Rz 1/5; Terlitza, Aktuelle Rechtsprechung zur Bauwerkehaftung [§ 1319 ABGB], immolex 2001, 184 [186]). Dem Geschädigten obliegt zwar nur der Beweis des "Besitzes" des Beklagten am (schadenstiftenden) Bauwerk sowie dessen Mangelhaftigkeit als Schadensursache, dem beklagten Besitzer hingegen, dass er die erforderlichen (vernünftigen: RIS-Justiz RS0030049) Schutzvorkehrungen getroffen hat (SZ 41/27; EvBl 1983/63; Reischauer, aaO Rz 16 und 17; Harrer in Schwimann, ABGB² Rz 13 zu § 1319; Terlitza, aaO immolex 2001, 185 f; Wolff in Klang VI² 109), die nach der Auffassung des Verkehrs erwartet werden konnten (6 Ob 80/02m; RIS-Justiz RS0030035). Diesbezüglich gelten hier die gleichen Kriterien wie zuvor.
Dass diese Beurteilung insgesamt stets von der Kasuistik, speziell der Örtlichkeit des betroffenen Gefahrenortes bestimmt und damit jeweils einzelfallorientiert ist, liegt auf der Hand. Eine solche Beurteilung lässt sich grundsätzlich nicht verallgemeinern und begründet schon deshalb in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO. Dies trifft auch auf den vorliegenden Fall zu.
Beide Revisionen waren damit als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in beiden Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Rechtsmittel aus dem Fehlen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ausdrücklich hingewiesen.
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