OGH 1Ob42/68

OGH1Ob42/684.3.1968

SZ 41/27

Normen

ABGB §36
ABGB §1295
ABGB §1319
ABGB §36
ABGB §1295
ABGB §1319

 

Spruch:

Wurde der Gastaufnahmevertrag im Inland abgeschlossen, so sind daraus abgeleitete Ersatzansprüche eines Ausländers nach inländischem Recht zu beurteilen.

Die Haftung aus dem Gastaufnahmevertrag umfaßt auch die Benützung des Schwimmbades im Winter zum Zwecke eines Sonnenbades.

Der Zaun eines Schwimmbades und die Türe darin sind Werke im Sinne des § 1319 ABGB.

Entscheidung vom 4. März 1968, 1 Ob 42/68.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Die Klägerin behauptet, als Gast des Hotels K. am 27. März 1962 auf anraten der Sekretärin des Beklagten das zum Hotelbetrieb gehörige Schwimmbad aufgesucht zu haben, um dort ein Sonnenbad zu nehmen. Beim Öffnen der Türe zu dem von einem Bretterzaun abgeschlossenen Schwimmbad sei diese nach innen umgefallen, weil sie sich, wie sich später herausstellte, nicht in den Angeln befunden habe, sondern nur angelehnt gewesen sei. Die Unterkante der schweren Türe sei auf das rechte Schienbein der Klägerin gefallen und habe ihr eine erhebliche Verletzung zugefügt. Sie begehrt vom Beklagten ein Schmerzengeld, den Ersatz ihres Verdienstentganges und den Ersatz von Auslagen im Gesamtbetrag von 55.340 S s. A.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Die Klägerin habe sich während ihres Aufenthaltes im Hotel des Beklagten an die Hotelsekretärin R. wegen eines ruhigen Platzes gewandt, wo sie ein Sonnenbad nehmen könne. Diese habe der Klägerin das Schwimmbad genannt und erwähnt, daß man dort gute Sonnenbäder nehmen könne, weil es absolut windgeschützt sei. Wenn sie einen Liegestuhl brauche, könne ihr der Hoteldiener einen hinausbringen. Die Hotelsekretärin habe der Klägerin auch den Weg zum Schwimmbad beschrieben. Während dieses Gesprächs sei ein Ehepaar aus Wien anwesend gewesen und habe der Klägerin bestätigt, daß sich dieses Bad wegen seiner Windgeschütztheit besonderes für Sonnenbäder eigne. Gleichzeitig habe dieses Ehepaar die Hotelsekretärin ersucht, den Eingang zum Bad etwas freischaufeln zu lassen. Auf Grund dieser Empfehlung der Hotelsekretärin habe sich die Klägerin zum Bad begeben. Sie habe mit einer Hand die Tür aufgemacht, weil sie in der anderen Hand ein Buch und ein Plaid gehabt habe. Hierauf sei die Tür umgekippt und auf ihr rechtes Bein gefallen, wodurch sie Verletzungen erlitten habe. Der Schnee sei vor der Türe nur in der Mitte ausgetreten und durch das viele Begehen vereist gewesen. Links und rechts von der Türe hätten sich etwa 60 cm hohe Schneehügel befunden. Die Klägerin habe dem Beklagten von dem Unfall keine Mitteilung gemacht. Sie habe nicht viel Aufsehen wegen des Unfalls machen wollen und habe die Verletzungsfolgen noch nicht gekannt. Nach dem Unfall habe sie noch ein- oder zweimal das Bad aufgesucht. Die Türe sei damals zur Seite gestellt, also an den Zaun oder das Holzhaus angelehnt gewesen.

In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht aus, es sei davon auszugehen, daß der Beklagte nichts von der Benützung des Schwimmbades für Sonnenbäder im Winter gewußt habe. Er hafte daher nach § 1295 ABGB. nicht. Seine Hotelsekretärin könne auch nicht als untüchtig im Sinne des § 1315 ABGB. angesehen werden. Der Klägerin habe die Gefährlichkeit des Betretens des Bades nicht bekannt sein können. Eine Haftung nach § 1313a ABGB. scheide aus, weil der Beklagte nichts von der Benützung des Bades im Winter gewußt habe. Es habe niemand damit rechnen können, daß die Klägerin bei nur angelehnter Tür die Gefährlichkeit des Öffnens der Tür nicht werde erkennen können. Das Erkennen dieser Gefahr wäre für sie zumutbar gewesen, zumal offensichtlich auch die übrigen Gäste, die das Bad benutzten, diese Gefahr erkannt und sich entsprechend verhalten hätten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Die Benützung des Schwimmbades zum Sonnenbaden sei nicht im Gastaufnahmevertrag vorgesehen gewesen. Daran könne auch die Empfehlung der Hotelsekretärin, das Schwimmbad zum Sonnenbaden zu benützen, nichts ändern. Nur wenn die Benützung des Schwimmbades Gegenstand des mit der Klägerin geschlossenen Gastaufnahmevertrages gewesen wäre, könnte für den Beklagten die Verpflichtung bestehen, das Schwimmbad auch im Winter in einem benützbaren und gefahrlosen Zustand zu halten und nur in diesem Falle hätte er gemäß § 1313a ABGB. auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen zu haften. Der Hotelbesitzer habe zwar jene Sorgfalt anzuwenden, die erforderlich ist, um die Gäste bei Benützung seiner Räumlichkeiten vor Schaden zu bewahren. Doch könnten nur solche Vorkehrungen in Betracht kommen, die vernünftigerweise nach der Auffassung des Verkehrs vom Beklagten verlangt werden konnten. Diese Sorgfalt verlange aber nur, daß sich die allgemein zugänglichen Räume des Hauses in einem die körperliche Sicherheit nicht beeinträchtigenden Zustand befänden, es könne aber nicht verlangt werden, daß der Zustand eines im Winter üblicherweise nicht benützten Schwimmbades überwacht werde. Der Haftungsgrund des § 1319 ABGB. komme nicht in Betracht, weil das Umstürzen der Tür nicht etwa wegen mangelhafter Beschaffenheit des Zaunes oder der Tür, sondern infolge der Unachtsamkeit der Klägerin eingetreten sei. Diese hätte aber bei gehöriger Aufmerksamkeit bemerken müssen, daß die Tür zum Schwimmbad nur angelehnt sei. Dies hätte ihr umsomehr auffallen müssen, als die Tür infolge der Schneedecke offensichtlich über die Türfüllung herausgeragt habe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob die Urteile beider Vorinstanzen auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Einleitend ist zu bemerken, daß in dieser Rechtssache österreichisches Recht anzuwenden ist. Denn der Gastaufnahmevertrag wurde in Österreich geschlossen, so daß, falls eine Vertragsverletzung als Rechtsgrund für die Ansprüche der Klägerin angenommen werden sollte, das Schuldstatut anzuwenden wäre (Raape, Internationales Privatrecht[5] S. 489, Schnitzer, Handbuch des Internationalen Privatrechtes[4] II S. 649, Köhler, Internationales Privatrecht[3] S. 157). Nach § 36 ABGB. wäre somit österreichisches Recht anzuwenden. Falls aber von einem deliktischen Verhalten des Beklagten auszugehen ist, dann ist das Recht des Ortes maßgebend, wo diese Handlung begangen wurde.

Die Klägerin hat nach den im Revisionsverfahren von dem Beklagten nicht mehr bekämpften Feststellungen des Erstgerichtes als Gast des Beklagten auf Anraten der Hotelsekretärin das zum Hotelbetrieb gehörende Schwimmbad aufgesucht, um dort ein Sonnenbad zu nehmen. Die Benützung des Schwimmbades war nur den Gästen des Hotels gestattet. Es war im Winter üblicherweise versperrt, doch wurde es von einem Teil der Gäste des Hotels als Sonnenbad benützt. Wenn nun die Hotelsekretärin die Klägerin zur Benützung des Schwimmbades für ein Sonnenbad ermunterte, womit sie sich zweifellos im Rahmen der ihr vom Beklagten anvertrauten Verwaltung hielt (§ 1029 ABGB.), so erweiterte sie damit die aus dem Gastaufnahmevertrag bestehenden Ansprüche des Gastes um das Recht, das Schwimmbad als Sonnenbad zu benützen. Die Klägerin benützte also befugterweise das Schwimmbad im Rahmen des Gastaufnahmevertrages für ein Sonnenbad. Daraus folgt aber schon die Verpflichtung des Beklagten, für die gefahrlose Benützung des Schwimmbades Sorge zu tragen. Wenn sich der Beklagte während des ganzen Winters überhaupt nicht um den Zustand des Schwimmbades kümmerte und es trotzdem seinen Gästen für Sonnenbäder überließ, wovon zumindest seine Vertreterin in der Verwaltung, die Hotelsekretärin, Kenntnis hatte, so hat er seine Sorgfaltspflicht verletzt, weil es ihm durchaus zumutbar war, sich vom Zustand des Schwimmbades auch im Winter fallweise zu überzeugen. Er haftet also für den infolge der mangelhaften Beschaffenheit der Tür der Klägerin zugefügten Schaden nach § 1295 ABGB.

Seine Haftung kann aber auch aus § 1319 ABGB. abgeleitet werden. Das Berufungsgericht erkennt zutreffend, daß auch ein Zaun als Werk im Sinne des § 1319 ABGB. angesehen werden kann, wovon dann die dem Zaun eingefügte Türe ein Teil ist. Die Meinung des Berufungsgerichtes geht nun dahin, daß die Haftung nach § 1319 ABGB. deshalb nicht in Betracht komme, weil das Umfallen der Tür nicht Folge ihrer mangelhaften Beschaffenheit, sondern der Unachtsamkeit der Klägerin beim Öffnen gewesen sei. Diese Rechtsansicht ist nicht zutreffend. Im Vordergrund steht doch die fehlende Befestigung der Türe am Türstock, weil sie aus den Angeln gehoben und nur angelehnt war. Daß das auslösende Moment für das Umfallen der Türe der Versuch der Klägerin selbst war, sie mit der Hand zu öffnen, kann die Haftung nach § 1319 ABGB. nicht ausschließen (SZ. XXXVI 103). Der Besitzer des Werks haftet nur bei Verschulden und hat seine Schuldlosigkeit zu beweisen. Dieser Beweis ist dann erbracht, wenn er alle Vorkehrungen getroffen hat, die vernünftigerweise nach der Lage der Umstände erwartet werden können (SZ. XXIV 78). Diesen Beweis hat der Beklagte nicht erbracht, weil er seine Verpflichtung zur Überwachung des Schwimmbades auch im Winter wegen seiner Benützung für Sonnenbäder durch seine Gäste nicht erfüllt hat.

Die Untergerichte haben nun die Meinung geäußert, daß die Klägerin die Gefahr beim Öffnen der Türe leicht hätte erkennen können. Dies ist aber eine rechtliche Schlußfolgerung, für die es an den erforderlichen Feststellungen fehlt.

Für die Frage des Mitverschuldens der Klägerin ist entscheidend, ob ihr geglaubt werden kann, daß die Tür so angelehnt war, daß ihr tatsächlich nicht auffiel, sie sei aus den Angeln, und ob ihr dies auch bei Anwendung eines solchen Grades der Aufmerksamkeit, welche bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewandt werden kann, nicht möglich war, zu erkennen (§ 1297 ABGB.) oder doch nach ihren tatsächlichen Fähigkeiten nicht auffallen konnte (vgl. Klang[2] VI 22 f.). Zur Behebung dieser Feststellungsmängel waren die Urteile der Untergerichte aufzuheben.

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