OGH 7Ob250/11g

OGH7Ob250/11g25.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Parteien 1. A***** P*****, 2. E***** P*****, und 3. I***** P*****, alle vertreten durch Doschek Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei N***** B*****, vertreten durch Dr. Stefan Vargha, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Klage) und Unterlassung sowie Feststellung (Widerklage), über die außerordentliche Revision der klagenden und widerbeklagten Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Oktober 2011, GZ 4 R 105/11g-57, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Grundsätze für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigen Gründen gelten nach ständiger Rechtsprechung auch für sonstige Dauerrechtsverhältnisse (9 Ob 233/01g mwN), wie hier den Vertrag über die Beteiligung des Beklagten an den Erträgen eines Patents.

Dauerschuldverhältnisse können durch einseitige Erklärung vorzeitig aufgelöst werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für einen der Vertragsteile unzumutbar erscheinen lässt. Als wichtige Gründe kommen insbesondere Vertragsverletzungen, der Verlust des Vertrauens in die Person des Vertragspartners oder schwerwiegende Änderungen der Verhältnisse in Betracht, welche die Fortsetzung der vertraglichen Bindungen nicht zumutbar erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0018305 [T57]; RS0018377 [T20]; RS0027780 [T47]).

2. Welche schwerwiegenden Gründe im Einzelfall die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses bewirken und zu dessen Auflösung berechtigen, ist eine Frage der Abwägung im Anlassfall und kann nur aus einer umfassenden Sicht aller dafür und dagegen sprechenden Gegebenheiten des Einzelfalls beantwortet werden (RIS-Justiz RS0018305 [T52]; RS0042834; RS0111817). Das gilt auch für die Frage, wie die zwischen dem Erstkläger und dem Beklagten geschlossene Vereinbarung, für deren Erfüllung - nach der Beurteilung der Vorinstanzen - auch der Zweitkläger und die Drittklägerin haften, in Ansehung der Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung auszulegen ist (vgl 4 Ob 2/10p).

3. Die Berechtigung zur vorzeitigen Vertragsauflösung ist im Rahmen einer auf den Zeitpunkt der Auflösungserklärung bezogenen Gesamtbetrachtung und umfassenden Abwägung der Bestandsinteressen des einen Vertragspartners und des Auflösungsinteresses des anderen zu beurteilen (1 Ob 340/98a mwN). Eine solche Auflösung ist das „äußerste Notventil“. Die Gründe müssen ein erhebliches Gewicht haben (4 Ob 211/03p = SZ 2003/169 mwN). Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die „undiplomatischen Handlungen“ des Beklagten, die letztlich folgenlos blieben, bei einer umfassenden Interessenabwägung nicht so schwerwiegend sind, um dem Beklagten die Erträge aus der Patentverwertung für seine zuvor geleistete Tätigkeit zu entziehen, bewegt sich durchaus im Rahmen des dem Rechtsanwender eingeräumten Beurteilungsspielraums, sodass insoweit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt.

4. Soweit die Kläger pauschal mit der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch den Beklagten argumentieren, zeigen sie weder einen solchen Verstoß konkret - bezugnehmend auf den Vertrag - auf, noch beziehen sie sich auf den festgestellten Sachverhalt. Dass der Beklagte „bereits zehn Prozesse gegen die Kläger angestrengt“ habe, „wodurch er seine Drohungen umgesetzt“ habe, ist schon als Neuerung (§ 504 Abs 2 ZPO) unbeachtlich. Welches zukünftige Verhalten der Beklagte setzen könnte, ist rechtlich nicht relevant. Im Zusammenhang mit der vom Beklagten vorgeschlagenen Patentübernahme gehen die Kläger nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Wenn die Vorinstanzen bei der Abwägung des Auflösungsinteresses des einen Teils gegen das Bestandsinteresse des anderen Teils das Handlungsmotiv des Beklagten - seine Sorge um das Patent und seine Identifikation damit - mitberücksichtigten, liegt darin keine aufzugreifende Fehlbeurteilung.

5. Zusammenfassend zeigt die außerordentliche Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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