OGH 7Ob248/04b

OGH7Ob248/04b17.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Kalivoda und Hon. Prof. Dr. Neumayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Mayrhofer & Rainer Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 80.667,47 sA (Revisionsinteresse EUR 68.453,77), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. Februar 2004, GZ 39 R 16/04y-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29. Oktober 2003, GZ 46 C 22/03g-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung der klagenden Partei bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Begründung

Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die beklagte Partei, deren Geschäftsanteile je zur Hälfte von Dr. Andreas G***** und Dr. Wolfgang H***** gehalten werden, die auch selbständig zeichnungsberechtigte Geschäftsführer sind, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 22. 11. 2001 gegründet. Unternehmensgegenstand ist die Ausübung der Rechtsanwaltschaft, insbesondere die Fortsetzung des bisher in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes unter der Bezeichnung G***** & Partner geführten gemeinsamen Kanzleibetriebes der Gesellschafter einschließlich der erforderlichen Hilfstätigkeiten und der Verwaltung des Gesellschaftsvermögens. Mit Einbringungsvertrag vom 20. 12. 2001 brachten die Geschäftsführer ihre Mitunternehmensanteile an der genannten Gesellschaft bürgerlichen Rechts in die beklagte GmbH zum Stichtag 31. 3. 2001 ein.

Für den Betrieb der Rechtsanwaltskanzlei waren 1981 bzw 1997 im Haus ***** W***** 6, dessen Eigentümer die klagende Partei ist, miteinander verbundene Räumlichkeiten angemietet worden, wobei in den Mietverträgen die Verwendung als Rechtsanwaltskanzlei ausdrücklich angeführt ist. Da die klagende Partei als Mieter nur natürliche Personen akzeptierte, scheinen in den Mietverträgen Dr. G***** und Dr. H***** als Mieter auf.

Die klagende Partei macht als Vermieter einen Mietzinsrückstand der beklagten Partei geltend, den sie zuletzt (nach Klagsausdehnung) mit EUR 80.667,47 bezifferte. Sie habe den Hauptmietzins ab 1. 1. 2002 auf den nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen, angemessenen Betrag angehoben, da die Einbringung der Unternehmensanteile der Rechtsanwaltskanzlei in die beklagte GmbH eine Unternehmensveräußerung iSd § 12a MRG darstelle.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Die Mieter Dr. G***** und Dr. H***** hätten zunächst der G***** & Partner GesbR sowie später der beklagten Partei lediglich ein Mitbenützungsrecht an den gegenständlichen Räumen eingeräumt. Mit der Einbringung der Dr. G***** und Dr. H***** gehörenden Mitunternehmeranteile an der GesbR sei eine Änderung der Hauptmieter der gegenständlichen Objekte in keiner Weise verbunden gewesen. Eine Unternehmensveräußerung iSd § 12a Abs 1 MRG liege nicht vor, da kein Unternehmen, sondern Mitunternehmeranteile an der GesbR eingebracht worden seien, was unter analoger Anwendung der Bestimmung des § 142 HGB zu einer Gesamtrechtsnachfolge führe.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass der Anspruch der klagenden Partei auf Anhebung des Hauptmietzinses ab 1. 1. 2002 hinsichtlich der vier (ziffernmäßig bezeichneten) Objekte im Haus ***** W***** 6 dem Grunde nach zu Recht bestehe. Der weitere Ausspruch des Erstgerichtes, wonach der Anspruch auf Mietzinsanhebung hinsichtlich eines Objektes im Haus ***** W*****, ***** 7 nicht zu Recht bestehe, blieb unbekämpft und ist daher nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Das Berufungsgericht bestätigte die von der Beklagten (im anspruchsbejahenden Teil) angefochtene erstinstanzliche Entscheidung. Bei der festgestellten Vertragslage und der ausschließlichen Nutzung durch die Rechtsanwaltskanzlei sei davon auszugehen, dass die Anmietung zum Betrieb der Rechtsanwaltskanzlei erfolgt sei. Der Einbringungsvorgang sei als Einzelrechtsnachfolge zu qualifizieren, weil mangels Vermögenszuständigkeit der GesbR die Gesellschafter Träger der Unternehmensanteile gewesen seien und sie daher das in den Mietobjekten geführte Unternehmen als Sacheinlage in die beklagte GmbH eingebracht hätten. Für diesen § 12a Abs 1 MRG zu unterstellenden Einbringungsvorgang sei es nicht maßgeblich, ob damit eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten verbunden gewesen sei. Entgegen der Meinung der Beklagten sei auch nicht ein bloßes Mitnutzungsrecht übertragen worden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob die Einbringung einer GesbR in eine Kapitalgesellschaft als Einzelrechts- oder Gesamtrechtsnachfolge zu qualifzieren sei, keine höchstgerichtliche Judikatur bestehe.

Entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

Als Veräußerung des Unternehmens iSd § 12a Abs 1 (§ 12 Abs 3 aF) MRG ist nach stRsp jedes Rechtsgeschäft anzusehen, das nach seiner Art darauf gerichtet ist, im Wege der Einzelrechtsnachfolge eine Änderung in der sachenrechtliche Zuständigkeit an der Gesamtsache Unternehmen herbeizuführen (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 12a MRG Rz 11 mwN). Ob damit auch eine wirtschaftliche Änderung am Unternehmen herbeigeführt wird, ist - wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung eines verst. Senates zu 5 Ob 267/98w, JBl 2000, 643 = ecolex 2000/203 = immolex 2000/142 = RdW 2000/308 = woBl 2000/92 = MietSlg 52.288 ausgesprochen hat - für den Grundtatbestand des § 12a Abs 1 MRG bedeutungslos. Eine Unternehmensveräußerung, die zum Eintritt eines anderen Rechtssubjekts in die Mieterposition führt, verwirklicht demnach den Anhebungstatbestand des § 12a Abs 2 (bzw § 12 Abs 3 aF) MRG auch dann, wenn neuer Mieter eine Gesellschaft wird, an der der ursprüngliche Mieter in rechtlich und wirtschaftlich bedeutender Funktion beteiligt ist (5 Ob 111/98d, MietSlg 50.290/21 = ecolex 1999, 99 mwN, ua). Wie schon nach § 12 Abs 3 aF MRG fällt daher nach nunmehr hM nicht etwa nur Kauf oder Schenkung des Unternehmens, ein dieses erfassender Übergabs- oder Leibrentenvertrag etc (vgl Würth/Zingher/Kovanyi aaO mwN) unter die Unternehmensveräußerung nach § 12a Abs 1 MRG, sondern auch jegliche Einbringung in eine Gesellschaft als Sacheinlage (zB MietSlg 39.283; MietSlg 39.288/5; MietSlg 40.291; woBl 1997/18), insbesondere auch durch Einbringung des Unternehmens einer Personengesellschaft des Handelsrechtes in eine GmbH (5 Ob 12/96, WoBl 1997/5; 5 Ob 56/99t, MietSlg 52.289 ua), ohne dass es dabei auf eine Änderung der Eigentümerstruktur ankäme.

In der Entscheidung 5 Ob 56/88, SZ 61/182, wurde bereits auch ausgesprochen, dass die Einbringung eines Unternehmens (dort einer Trafik), das bürgerlich-rechtliche Gesellschafter gemeinsam führten, in eine von ihnen gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine Unternehmensveräußerung mit den Rechtsfolgen des § 12 Abs 3 aF MRG darstelle.

Die angefochtene Entscheidung steht daher im Einklang mit gesicherter oberstgerichtlicher Judikatur. Reicht doch, um eine gesicherte Rsp des Obersten Gerichtshofes annehmen zu können, nach stRsp schon das Vorliegen auch nur einer, ausführlich begründeten, grundlegenden und veröffentlichten Entscheidung, der keine gegenteiligen entgegenstehen, insbesondere dann, wenn sie auch im Schrifttum nicht auf beachtliche Kritik gestoßen ist (4 Ob 8/98z, RdW 1998, 406; RIS-Justiz RS0103384 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen, zuletzt etwa 3 Ob 134/02f, 9 Ob 55/03h und 7 Ob 23/04i; Kodek in Rechberger2 Rz 3 zu § 502 ZPO). Diese Voraussetzungen werden von der zitierten Entscheidung SZ 61/182 alle erfüllt. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Einbringung des Unternehmens einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes in eine GmbH führe zur Einzelrechtsnachfolge der Gesellschaft in alle zum Unternehmen gehörigen Rechte und es komme daher gemäß § 12a Abs 1 MRG zum Eintritt der GmbH in bestehende Mietverhältnisse, auch wenn die bisherigen Mieter entscheidende rechtliche und wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten in der in den Mietvertrag eingetretenen juristischen Person haben, folgt der mit 5 Ob 267/98w eröffneten Judikaturlinie.

Auch sonst wird von der Revisionswerberin, deren Ausführungen nicht geeignet sind, die Richtigkeit der zitierten Rechtsprechung zur Unternehmensveräußerung nach § 12a Abs 1 bzw § 12 Abs 3 aF MRG in Zweifel zu ziehen, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan. Soweit ein Grund für die Zulassung der Revision von ihr noch darin erblickt wird, dass das Berufungsgericht den Inhalt der Mietverträge nicht dahin interpretiert habe, dass der GesbR die Mietrechte nur zum Gebrauch (quoad usum) überlassen worden seien, wird keine Fehlbeurteilung aufgezeigt, die aus Gründen der Rechtssicherheit und der Einzelfallgerechtigkeit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Dies wäre aber Zulassungsvoraussetzung: Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nämlich nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936; RS0044298; RS0044358, jeweils mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Davon kann hier aber gar keine Rede sein.

Die Revision der Beklagten muss daher zurückgewiesen werden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 2 ZPO. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist ein Zwischenurteil des Erstgerichtes über den Grund des Anspruches nach § 393 Abs 1 ZPO. Das Revisionsverfahren über ein solches Urteil ist kein selbständiger Zwischenstreit, bei dem die Kostenersatzpflicht vom Ausgang der Hauptsache unabhängig wäre (M. Bydlinski, Der Kostenersatz im Zivilprozess 371). Da ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruches noch keine Beurteilung des endgültigen Ausmaßes des Obsiegens ermöglicht, fehlt für die Kostenentscheidung eine sichere Grundlage; es ist daher bei einem Zwischenurteil über den Grund des Anspruches die Entscheidung über die Kosten stets der Endentscheidung vorzubehalten (M. Bydlinski in Fasching Komm2 § 52 ZPO Rz 5, 7; 8 Ob 66/03v; 8 Ob 68/03p ua). Dies auch dann, wenn die zugelassene Revision gegen ein Zwischenurteil mangels Vorliegens einer Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 3 ZPO zurückgewiesen wurde und - wie hier die Klägerin - der Gegner in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0117737, zuletzt etwa 3 Ob 128/03z, 1 Ob 127/03p und 8 Ob 8/04s). Der Erfolg der Klägerin im Revisionsverfahren über den Grund des Anspruches, der in der ihrem Antrag entsprechenden Zurückweisung der Revision der Prozessgegnerin liegt, kann einen Kostenersatzanspruch nur begründen, soweit der Klägerin ein solcher nach den Quoten des endgültigen Obsiegens und Unterliegens zustehen wird. Erwähnt sei noch, dass das Revisionsinteresse im Hinblick darauf, dass die erstgerichtliche Entscheidung hinsichtlich des Mietzinserhöhungsbegehrens betreffend das Objekt F***** 7 in Höhe von EUR 12.213,70 unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, (lediglich) EUR 68.453,77 beträgt.

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