Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Dem zwischen den Streitteilen (beide GmbH) abgeschlossenen Kaufvertrag lagen unstrittig AGB zugrunde (Band II, AS 51), die auszugweise lauten wie folgt:
„III.3. Die Zurückhaltung von Zahlungen oder die Aufrechnung wegen etwaiger vom Lieferer bestrittener Gegenansprüche des Bestellers sind nicht statthaft.
VII.4. Zur Vornahme aller dem Lieferer nach billigem Ermessen notwendig erscheinenden Ausbesserungen und Ersatzlieferungen hat der Besteller nach Verständigung dem Lieferer die erforderliche Zeit und Gelegenheit zu geben, sonst ist der Lieferer von der Mängelhaftung befreit. Nur in dringenden Fällen der Gefährdung der Betriebssicherheit ... oder wenn der Lieferer mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist, hat der Besteller das Recht, den Mangel selbst oder durch Dritte beseitigen zu lassen und vom Lieferer Ersatz der notwendigen Kosten zu verlangen." (Beilage ./A)
Die Klägerin begehrte restl EUR 23.038,81 für eine Dosenabfüllmaschine und EUR 12.153,41 für „darüberhinaus zu den selben Bedingungen verkaufte" Kunststofftransportbehälter (Band I, AS 2 und Band II, AS 84), die man benötigt, um die Anlage mit Nüssen zu beschicken. Gegenforderungen könne die Beklagte nicht geltend machen, weil sich aus Punkt III.3. der AGB ein Aufrechnungsverbot ergebe.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Die Anlage weise eine Reihe von im Einzelnen dargestellten Mängeln auf, durch die der vereinbarte vom tatsächlichen Leistungsumfang stark abweiche. Aus den Titeln „Deckungskapital für notwendige Verbesserungen", „Preisminderungsbegehren" und „Mängelfolgeschaden aus der Minderleistung" wendete die Beklagte Beträge von EUR 153.673,33, EUR 120.390,32 bzw EUR 217.728 kompensando als Gegenforderungen ein. Das vereinbarte Aufrechnungsverbot beziehe sich nicht auf die Ansprüche iSd Punktes VII.4. der AGB, sondern nur auf „atypische".
Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit EUR 12.184,09 (ds EUR 30,68 an offenem Restkaufpreis für die [mangelhafte] Dosenabfüllmaschine und EUR 12.153,41 für die [mangelfreien] Kunstoffcontainer) als zu Recht bestehend, wies die prozessuale Aufrechungseinrede ab, verplichtete die Beklagte, der „beklagten Partei" [gemeint: Klägerin] EUR 12.184,09 sA zu bezahlen und wies das Mehrbegehren von EUR 23.008,13 (an „Preis- bzw Wertminderung" gemäß Art 50 UN-K infolge zu geringer Befüllerleistung der Maschine) ab. Eine Aufrechnung mit Gegenforderungen der Beklagten komme wegen des in den ABG vereinbarten Kompensationsausschlusses nicht in Betracht.
Im Berufungsverfahren bekämpfte die Klägerin die Abweisung ihres Mehrbegehrens, während sich die Beklagte gegen den Zuspruch des Teilbetrags von EUR 12.184,09 sA wendete. Das Gericht zweiter Instanz gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge, bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Nur gegen den die Klagestattgebung bestätigenden Teil dieser Entscheidung erhob die Beklagte außerordentliche Revision mit dem Antrag, diese zuzulassen und das Urteil des Berufungsgerichts im klageabweisenden Sinne abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Richtig ist, dass für die Rechtsmittelzulässigkeit - wie bereits die Revisionswerberin aufzeigt - weder das Revisionsinteresse noch der Streitwert in erster Instanz von Bedeutung sind, weil es ausschließlich auf den Entscheidungsgegenstand, über den das Berufungsgericht erkannte, ankommt. Dieser ergibt sich, wenn die Klagsforderung - wie hier - nur teilweise als zu Recht bestehend erkannt wurde, im Fall eines Rechtsmittels beider Parteien aus der Summierung der durch die Anfechtung erfassten Teile (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 134 f mwN) und übersteigt daher EUR 20.000, weshalb das darunter liegende Revisionsinteresse der Beklagten der Erhebung ihrer außerordentlichen Revision tatsächlich nicht entgegensteht.
Dass die Entscheidungen der Vorinstanzen der oberstgerichtlichen Judikatur widersprächen, trifft jedoch nicht zu:
Vorweg ist festzuhalten, dass vertragliche Aufrechnungsverbote nach stRsp grundsätzlich nicht sittenwidrig sind, weil die Gegenforderung gesondert geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0018102; zuletzt etwa 8 Ob 106/04b mwN; Dullinger in Rummel³, § 1140 ABGB Rz 29 und 31 mwN). Demgemäß geht die Revisionswerberin selbst ausdrücklich davon aus, dass auch eine Vereinbarung, wonach der Käufer Zahlungen wegen behaupteter Gewährleistungsansprüche nicht zurückhalten darf, zulässig ist. Die Beklagte beruft sich lediglich darauf, dass dies dann nicht gelte, wenn - wie hier - bereits feststehe, dass das Werk mangelhaft sei, weil das Sachverständigengutachten zum Zeitpunkt der erstmaligen Erwähnung des Kompensationsverbotes bereits vorgelegen und die Mangelhaftigkeit der gelieferten Anlage daher „prozessual schon gesichert" gewesen sei.
Diesen Ausführungen ist zuzugestehen, dass ein in AGB enthaltenes Aufrechnungsverbot unter Unternehmern für konnexe Gegenforderungen zB bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung unwirksam sein kann (Bollenberger in KBB [2005] § 879 ABGB Rz 24 aE), und dass der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, es sei sittenwidrig, sich auf eine (an sich zulässige) Vereinbarung, wonach der Käufer nicht Zahlungen wegen Gewährleistungsansprüchen zurückhalten darf, zu berufen, wenn nach gerichtlichem Sachverständigenbefund bereits feststeht, dass die Ware beziehungsweise das Werk mangelhaft ist und die Gewährleistungsansprüche begründet sind (RIS-Justiz RS0016592 [T3, T5 und T6]; zuletzt: 8 Ob 37/04f mwN).
Für den Standpunkt der Beklagten ist daraus aber nichts zu gewinnen, weil sie einen Sittenwidrigkeitseinwand in Bezug auf die durch die genannte Vereinbarung übernommene Vorleistungspflicht (vgl dazu 1 Ob 101/00k [wo jedoch - anders als hier - ein dermaßen mangelhaftes Werk vorlag, dass damit auch dessen Unbrauchbarkeit verbunden war: RIS-Justiz RS0114177]) in erster Instanz gar nicht erhoben hat; auf die Präzisierung des Vorbringens der Klägerin zum Aufrechnungsverbot laut Punkt III.3. der AGB hat die Beklagte nämlich außer Streit gestellt, dass diese AGB Vertragsbestandteil geworden sind und lediglich erwidert, das vereinbarte Aufrechnungsverbot beziehe sich nicht auf die Ansprüche iSd Punktes VII.4. der AGB, sondern nur auf „atypische" (Band II, 51 f).
Die Sittenwidrigkeit ist aber nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede wahrzunehmen, wobei Tatsachen vorzubringen sind, die die Sittenwidrigkeit begründen (Bollenberger aaO § 879 ABGB Rz 28; RIS-Justiz RS0016435; RS0016453; 1 Ob 2311/96a; zuletzt: 6 Ob 37/03i). Die erst im Rechtsmittelverfahren erhobene Einwendung der Sittenwidrigkeit stellt somit eine unzulässige Neuerung dar, auf die nicht weiter einzugehen ist (RIS-Justiz RS0016481; zuletzt: 6 Ob 37/03i). Da sich die Frage, ob die Berufung auf das Kompensationsverbot allenfalls sittenwidrig sein könnte, also gar nicht stellt, kann darin auch kein tauglicher Grund für die Zulassung der Revision gelegen sein.
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