Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der Erblasser verstarb am 27. 5. 2011. Er hinterließ eine Ehefrau und vier volljährige Kinder, darunter P***** G*****. Über das Vermögen von P***** G***** wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 29. 12. 2011 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und der Revisionsrekurswerber zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene Sohn P***** G***** verzichtete mit Schreiben vom 24. 1. 2012 auf seinen Erb‑ und Pflichtteil. Nachdem die anderen drei Kinder bereits mit Notariatsakt vom 7. 12. 1979 gegenüber ihren Eltern auf ihren Erb‑ und Pflichtteil verzichtet hatten, gab die Witwe auf Grund des Gesetzes zum gesamten Nachlass die unbedingte Erbantrittserklärung ab.
Der Revisionsrekurswerber wurde mangels Kenntnis vom Schuldenregulierungsverfahren der Abhandlung vom Erstgericht nicht beigezogen.
Mit dem angefochtenem Einantwortungsbeschluss antwortete das Erstgericht der Witwe auf Grund der unbedingten Erbantrittserklärung den Nachlass zur Gänze ein (Punkt 1), verwies darauf, dass auf der dem Erblasser zur Hälfte gehörenden Liegenschaft das Eigentumsrecht für die Witwe zur Gänze einzuverleiben sei (Punkt 2), bestimmte die Gebühren der Gerichtskommissärin (Punkt 3) und erklärte, dass der Einantwortungsbeschluss hinsichtlich der Punkte 1 und 2 rechtskräftig sei und sie gemäß § 180 AußStrG sofort in Vollzug gesetzt würden (Punkt 4).
Das Rekursgericht wies den dagegen vom Insolvenzverwalter erhobenen Rekurs zurück. Der Sohn P***** G***** habe die Erbschaft nicht angetreten. Der Insolvenzverwalter habe bisher noch keine Erbantrittserklärung abgegeben. Es liege damit keine Erbschaft vor, die als Insolvenzmasse zu qualifizieren sei. Mit Abgabe des Einantwortungsbeschlusses an die Geschäftsabteilung zur Ausfertigung sei das Gericht an ihn gebunden. Später seien erbrechtliche Ansprüche nur noch mit Klage geltend zu machen. Ein übergangener Erbe könne den Einantwortungsbeschluss nicht mit Rekurs bekämpfen, sodass der Insolvenzverwalter auf den streitigen Rechtsweg zu verweisen und sein Rekurs zurückzuweisen sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Rechtsprechung dazu, ob der Insolvenzverwalter in das Abhandlungsverfahren einzubeziehen sei, fehle nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung.
Am 3. 8. 2012 gab der Insolvenzverwalter eine bedingte Erbantrittserklärung auf Grund des Gesetzes zu 2/3 des Nachlasses ab.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Insolvenzverwalters mit dem Antrag, den Einantwortungsbeschluss aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Rechtswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens treten mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Insolvenzedikts folgt (§ 2 Abs 1 IO). Rechtshandlungen des Schuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welche die Insolvenzmasse betreffen, sind den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam (§ 3 Abs 1 IO). Der Insolvenzverwalter kann anstelle des Schuldners Erbschaften mit dem Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventars antreten (§ 4 Abs 1 IO).
§ 4 IO führt die allgemeine Regelung des § 3 IO über die Verfügungsunfähigkeit des Gemeinschuldners in Ansehung bestimmter Vermögenszuwächse näher aus. Sie fallen, gleichgültig ob sie vor oder nach Konkurseröffnung angefallen sind, in die Konkursmasse. Dies gilt insbesondere für eine dem Gemeinschuldner angefallene Erbschaft (Schubert in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, zur gleichlautenden Bestimmung § 4 KO, Rz 1). Hat etwa der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine ihm angefallene Erbschaft allein oder in Gemeinschaft mit Miterben angetreten (die Erbantrittserklärung abgegeben), steht dem Insolvenzverwalter das Recht zu, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anstelle des Gemeinschuldners dessen Rechte aus dem Erbanfall zu vertreten und zwar unter Ausschluss des Schuldners (5 Ob 249/07i zu § 4 Abs 1 KO = RIS‑Justiz RS0063894).
Die Bestimmungen der IO sind sinngemäß auch für das Außerstreitverfahren anzuwenden (§ 8a IO). Das außerstreitige Verfahren wird unterbrochen, wenn die Insolvenz über das Vermögen einer Partei eröffnet wird, sofern dies die Bestimmungen der IO vorsehen (§ 25 Abs 1 Z 4 AußStrG). Der Oberste Gerichtshof hat zu 5 Ob 249/07i zur Rechtslage nach der KO (= RIS‑Justiz RS0123119) ausgesprochen, dass durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des einzigen Erbanwärters, der eine Erbantrittserklärung abgegeben hat, das Verlassenschaftsverfahren unterbrochen wird. Es ist von Amts wegen unter Beiziehung des Insolvenzverwalters fortzusetzen, wozu es eines klarstellenden Beschlusses bedarf.
Im vorliegenden Fall haben weder der Schuldner noch der Insolvenzverwalter im erstinstanzlichen Verfahren Erbsantrittserklärungen abgegeben. Weder der Schuldner noch der Insolvenzverwalter wurden damit Partei des Verlassenschaftsverfahrens (RIS‑Justiz RS0006398). Schon weil sich das Schuldenregulierungsverfahren nicht auf einen erbantrittserklärten Erben, also eine Partei nach § 25 Abs 1 Z 4 AußStrG, bezieht, wird das Verlassenschaftsverfahren durch dessen Eröffnung nicht unterbrochen.
Ist die Erbschaft durch den Tod des Erblassers angefallen, darf nach § 4 IO der Insolvenzverwalter an Stelle des Schuldners eine bedingte Erbantrittserklärung abgeben. Er wurde aber im vorliegenden Verfahren mangels Kenntnis vom Schuldenregulierungsverfahren nicht beigezogen.
Das neue AußStrG legt ‑ anders als dies nach der früheren Rechtslage der Fall war ‑ den Streit über das Erbrecht in einen eigenen rechtsstreitähnlichen Abschnitt des Verlassenschaftsverfahrens selbst, nämlich in das „Verfahren über das Erbrecht“. In § 164 AußStrG wird darüber hinaus auch die nach früherer Rechtslage schwierig zu lösende Frage beantwortet, ob ein bei der Einantwortung mangels abgegebener Erbantrittserklärung nicht berücksichtigter Erbansprecher den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs bekämpfen ‑ und sich so gegebenenfalls nachträglich in das Verlassenschaftsverfahren „hineinreklamieren“ ‑ kann oder ob er darauf verwiesen ist, seine behaupteten erbrechtlichen Ansprüche mit eigener Klage zu verfolgen. Nach § 164 Abs 1 AußStrG kann ‑ im erstinstanzlichen Verfahren ‑ eine Erbantrittserklärung noch so lange abgegeben werden, als das Gericht nicht an einen gefassten Beschluss über die Einantwortung gebunden ist. Nach Satz 2 dieser Bestimmung sind erbrechtliche Ansprüche später noch mit Klage geltend zu machen. Der Gesetzgeber stellt damit nicht auf die inhaltliche (allenfalls im Rechtsmittelweg überprüfte) Richtigkeit des Einantwortungsbeschlusses ab, sondern bloß auf dessen Erlassung. Daraus folgt zwingend (und dies ist den Gesetzesmaterialien auch ausdrücklich zu entnehmen), dass ein Rechtsmittelverfahren nicht mehr die Möglichkeit bieten soll, die bisher ‑ aus welchen Gründen immer ‑ unterlassene Abgabe einer Erbantrittserklärung nachzuholen. Das bestätigt § 164 Satz 2 AußStrG, wonach erbrechtliche Ansprüche später, das heißt nach Bindung des Verlassenschaftsgerichts an seinen Beschluss, nur noch mit Klage geltend zu machen sind (1 Ob 86/08s, 3 Ob 227/10v je mwN ua). Der Oberste Gerichtshof hat unter Ablehnung der Entscheidung 4 Ob 50/08v ausgesprochen, dass es dem Erben nach der Übergabe des Einantwortungsbeschlusses an die Geschäftsabteilung verwehrt ist, den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs zu bekämpfen und darin etwa geltend zu machen, das Erstgericht habe es verabsäumt, ihm Gelegenheit zur rechtzeitigen Abgabe einer Erbantrittserklärung zu geben. (RIS‑Justiz RS0123316, RS0126598).
Im vorliegenden Fall wurde der Insolvenzverwalter, der nach § 4 IO an die Stelle des Schuldners tritt, übergangen; es wurde ihm nicht die Möglichkeit zur Abgabe einer bedingten Erbantrittserklärung an Stelle des Schuldners gegeben. Dies kann aber im Sinn der dargelegten Judikatur nach Übergabe des Einantwortungsbeschlusses an die Geschäftsstelle nicht im Verlassenschaftsverfahren geltend gemacht werden. Der Insolvenzverwalter kann die Ansprüche der Masse nur mehr im Klageweg verfolgen.
Das Rekursgericht hat daher den Rekurs zu Recht zurückgewiesen.
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