OGH 1Ob86/08s

OGH1Ob86/08s11.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Sigmund Veit-Ludwig Johann Erich Buchonius F*****, verstorben am 16. Oktober 2005, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Verlassenschaft nach Elisabeth Ursula Heide F***** und der Anna Catharina F*****, beide vertreten durch Prof. Dr. H. Peter Draxler und Dr. Peter Stock, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 31. Jänner 2008, GZ 10 R 90-93/07-57, mit dem unter anderem die Beschlüsse des Bezirksgerichts Tulln vom 2. August 2007, GZ 1 A 634/05b-24 und 25, bestätigt und die Anträge auf Unterbrechung des Rekursverfahrens abgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Beschluss des Rekursgerichts, der in seinen Punkten 1), 2) und 4) als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird in seinen Punkten 3) und 5) aus Anlass des Revisionsrekursverfahrens aufgehoben und insoweit das Rekursverfahren für nichtig erklärt. Die Rekurse - einschließlich des Antrags auf Unterbrechung des Rekursverfahrens - werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Erblasser und seine damalige Gattin (im Folgenden: Witwe), beide deutsche Staatsangehörige, errichteten am 21. 12. 2004 ein gemeinschaftliches Testament, das am 16. 2. 2005 abgeändert wurde. Nach dem Wortlaut dieser letztwilligen Verfügung - soweit er für dieses Verfahren von Interesse ist - setzte der Erblasser seine nunmehrige Witwe zur Vorerbin ein und bestimmte einen gemeinsamen Sohn zum Nacherben. Die Vorerbin sollte von allen gesetzlichen Beschränkungen soweit befreit werden, als dies möglich ist. Der überlebende Ehegatte sollte über seinen Nachlass vollkommen frei - auch letztwillig - verfügen dürfen, allerdings nur insofern, als gemeinschaftliche Abkömmlinge bedacht werden.

In den Nachlass nach dem Erblasser fielen auch Liegenschaften in Österreich, die Gegenstand des Verlassenschaftsverfahrens vor dem Erstgericht waren. Nachdem die Witwe die unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben hatte und ein Teil des österreichischen Liegenschaftsvermögens mit abhandlungsgerichtlicher Genehmigung um 57.000 EUR verkauft worden war, wurde der österreichische Nachlass der Witwe mit Einantwortungsbeschluss vom 19. 2. 2007 zur Gänze eingeantwortet und dabei angeordnet, dass im Grundbuch die fideikommissarische Substitution zugunsten des Sohnes angemerkt werde. Dieser Beschluss wurde dem Vertreter der Witwe zugestellt und nicht bekämpft.

Nachdem die Witwe am 21. 3. 2007 verstorben und in dem ihren Nachlass betreffenden Verlassenschaftsverfahren als Vertreter der von ihr als Erbin eingesetzten Enkelin jener Bevollmächtigte aufgetreten war, den bereits die Witwe im Verlassenschaftsverfahren nach dem Erblasser bevollmächtigt hatte, wurde über Anregung des Gerichtskommissärs im Verlassenschaftsverfahren nach dem Erblasser die Substitutionsabhandlung eingeleitet. Zu dieser wurde die Enkelin nicht beigezogen, die als Erbin nach der Witwe am 6. 8. 2007 die bedingte Erbantrittserklärung zu deren Nachlass abgab.

Die Substitutionsabhandlung nach dem Erblasser endete mit den angefochtenen Beschlüssen ON 25 und 24, mit denen das Erstgericht den inländischen unbeweglichen Nachlass nach dem Erblasser dem Sohn einantwortete (ON 25) und aussprach, dass der auf einem Treuhandkonto erliegende Kaufpreis von 57.000 EUR samt Zinsen zur freien Verfügung des Sohnes zu halten sei (ON 24 Punkt 2).

Dagegen richteten sich die Rekurse der nunmehrigen Revisionsrekurswerberinnen, in denen geltend gemacht wurde, dass das dem Sohn des Erblassers eingeantwortete österreichische Vermögen richtigerweise der Enkelin zufallen müsste. Einerseits enthalte das gemeinschaftliche Testament unter Berücksichtigung seines gesamten Inhalts gar keine Anordnung einer Nacherbschaft zugunsten des Sohnes. Andererseits sei eine allfällige Substitution nachträglich erloschen, weil die Witwe gemäß dem gemeinschaftlichen Testament berechtigt gewesen sei, über das vom Erblasser erhaltene Vermögen letztwillig anderweitig zu verfügen und dieses somit jemand anderem zukommen zu lassen als dem als Nacherben benannten Sohn; sie habe mit letztwilliger Verfügung diese Vermögenswerte auch der Enkelin zugewendet. Letztlich wurde beantragt, das Rekursverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung eines in Deutschland geführten Rechtsstreits zwischen dem Sohn des Erblassers auf der einen und der Enkelin und ihrem Ehegatten auf der anderen Seite zu unterbrechen (ON 42).

Das Rekursgericht gab diesen Rekursen nicht Folge, wies den Unterbrechungsantrag ab, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Die Einantwortungsurkunde, die die Beschränkung der Witwe durch die zugunsten des Sohnes angeordnete Substitution enthalten habe, sei ordnungsgemäß zugestellt und von der Witwe nicht angefochten worden. Auch die Enkelin als ihre (testamentarische) Rechtsnachfolgerin könne daher nicht mehr bestreiten, dass zum Zeitpunkt der Einantwortung eine Beschränkung durch die angeordnete Substitution bestanden habe. Die nunmehrige Behauptung, die Substitution sei zu einem späteren Zeitpunkt erloschen, verstoße gegen das Neuerungsverbot des § 49 AußStrG. Die Enkelin sei im Verlassenschaftsverfahren nach der Witwe vom selben Bevollmächtigten vertreten worden wie die Witwe im Verlassenschaftsverfahren nach dem Erblasser, sodass ihr der Inhalt des Einantwortungsbeschlusses bekannt gewesen sei. Sie wäre daher gehalten gewesen, im Verlassenschaftsverfahren (Substitutionsabhandlung) schon vor Erlassung der nunmehr angefochtenen Beschlüsse entsprechendes Vorbringen zu erstatten und Anträge zu stellen. Darüber hinaus wären im Verfahren erster Instanz unterbliebene Anträge auch in jenen Fällen nicht zulässig, in denen § 49 Abs 2 AußStrG als Ausnahme vom generellen Neuerungsverbot das Geltendmachen neuer Tatsachen und Beweismittel erlaubt. Auf die Frage der Rekurslegitimation müsse daher nicht näher eingegangen werden. Dies gelte auch für die Frage, in welcher Form, zu welchem Zeitpunkt und von wem geltend gemacht werden könne, dass in Wahrheit keine Nacherbschaft gemeint gewesen sei. Nach der Rechtsprechung könne die strittige Frage, ob eine letztwillige Erklärung als Anordnung einer Nacherbschaft anzusehen ist, nur auf dem Rechtsweg geklärt werden. Zur früheren Rechtslage ergangene Entscheidungen würden allerdings dafür sprechen, in analoger Anwendung der §§ 160 ff des neuen AußStrG auch die Frage, ob eine Anordnung als Vor- und Nacherbschaft oder als Vollerbschaft anzusehen sei, im Rahmen eines Erbrechtsstreits im Zuge des außerstreitigen Verlassenschaftsverfahrens zu klären. Da letztlich auf die Frage der Auslegung des (gemeinschaftlichen) Testaments gar nicht einzugehen sei, komme dem in Deutschland anhängigen Rechtsstreit auch keine Präjudizialität zu, weshalb eine Unterbrechung des Verlassenschaftsverfahrens bis zur Entscheidung über diesen Rechtsstreit nicht in Betracht komme; darüber hinaus sei auch dort die Frage der Auslegung des Testaments lediglich Vorfrage der Hauptsachenentscheidung. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil Rechtsfragen von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung nicht zu behandeln gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs ist zulässig. Allerdings ist die fehlende Rekurslegitimation der Einschreiterinnen aus Anlass der Behandlung der aufgeworfenen Rechtsfragen aufzugreifen.

Wie bereits das Rekursgericht angedeutet hat, verlegt das neue AußStrG - anders als dies nach der (weitgehend von der Judikatur geprägten) früheren Rechtslage der Fall war - den Streit über das Erbrecht in einen eigenen „rechtsstreitähnlichen" Abschnitt des Verlassenschaftsverfahrens selbst, nämlich in das „Verfahren über das Erbrecht". In § 164 AußStrG wird darüber hinaus auch die nach früherer Rechtslage schwierig zu lösende Frage beantwortet, ob ein bei der Einantwortung mangels abgegebener Erbantrittserklärung nicht berücksichtigter Erbansprecher den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs bekämpfen - und sich so gegebenenfalls nachträglich in das Verlassenschaftsverfahren „hineinreklamieren" - kann oder ob er darauf verwiesen ist, seine behaupteten erbrechtlichen Ansprüche mit eigener Klage (§ 823 ABGB) zu verfolgen (vgl etwa RIS-Justiz RS0006472).

Nach § 164 Satz 1 AußStrG kann - im erstinstanzlichen Verfahren - eine Erbantrittserklärung noch so lange abgegeben werden, als das Gericht nicht an einen gefassten Beschluss über die Einantwortung gebunden ist. Nach Satz 2 dieser Bestimmung sind erbrechtliche Ansprüche später nur noch mit Klage geltend zu machen.

Aus der Anordnung, dass nach Fällung einer gerichtlichen Entscheidung über die Einantwortung erbrechtliche Ansprüche nur noch mit Klage geltend gemacht werden können, folgt unzweifelhaft auch, dass es der betreffenden Partei verwehrt ist, den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs zu bekämpfen und darin etwa geltend zu machen, das Erstgericht habe es verabsäumt, ihr die Gelegenheit zur rechtzeitigen Abgabe einer Erbantrittserklärung zu geben. Dies ergibt sich auch klar aus den Gesetzesmaterialien (vgl nur ErläutRV, abgedruckt etwa bei Fucik/Kloiber, AußStrG 483 f), nach denen verhindert werden soll, dass eine Durchführung des Einantwortungsbeschlusses ansonsten vor Ablauf der Rekursfrist nicht möglich wäre, weil der Ablauf der Frist auch für bisher nicht Beteiligte abgewartet werden müsste; der Erleichterung, die dadurch dem zu spät kommenden Prätendenten in extrem selten vorkommenden Fällen gewährt werde (ihm ersparte dies die Erbschaftsklage), stünde in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle, in denen es zu keinem derartig späten Einstieg komme, eine unvertretbare Verzögerung gegenüber.

Damit hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass sich ein am Verlassenschaftsverfahren nicht beteiligter Erbansprecher mit dessen Ergebnis abzufinden hat, dieses nur im Klageweg wieder beseitigen kann, und daher auch nicht berechtigt ist, den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs zu bekämpfen.

Für den erkennenden Senat ist nun kein Grund ersichtlich, die hier vorliegende Konstellation anders zu beurteilen, geht es doch auch hier darum, dass bisher am Verlassenschaftsverfahren (hier: an der Substitutionsabhandlung) nicht Beteiligte die materielle Unrichtigkeit des Einantwortungsbeschlusses mit der Begründung in Zweifel ziehen wollen, dass in Wahrheit sie berechtigt wären, das Eigentum an den aus dem Nachlass des Erblassers stammenden Vermögensgegenständen zu erhalten bzw zu behalten. Hat das Erstgericht einmal den (österreichischen) Nachlass des Erblassers - auch im Rahmen einer Substitutionsabhandlung - dem Sohn eingeantwortet, kann eine allfällige materielle Unrichtigkeit im Sinne des § 164 Satz 2 AußStrG nur noch im streitigen Rechtsweg geltend gemacht werden. Soweit die erste Revisionsrekurswerberin den Standpunkt vertritt, sie hätte (nachträglich) unbeschränktes Volleigentum erworben, ist sie zudem darauf hinzuweisen, dass derjenige, der behauptet, dass ihm an Vermögenswerten, die in die Substitutionsabhandlung einbezogen werden (können), das Eigentumsrecht zusteht, dieses Recht stets im Prozessweg geltend zu machen hat (RIS-Justiz RS0006472).

Die Anordnung des Gesetzes, nach der erbrechtliche Ansprüche nach Bindung des Gerichts an einen Einantwortungsbeschluss von bisher nicht am Verfahren Beteiligten nicht mehr im Rahmen des Außerstreitverfahrens, sondern ausschließlich mit eigener Klage geltend gemacht werden können, betrifft nicht allein den eigentlichen Einantwortungsbeschluss, sondern auch allenfalls gesondert ausgefertigte Beschlüsse, sofern diese an die Einantwortung anknüpfen. Auch der gleichzeitig mit dem Einantwortungsbeschluss ergangene Ausspruch, dass der auf einem Treuhandkonto erliegende Kaufpreis aus dem Verkauf eines Teils des Substitutionsvermögens zur freien Verfügung des eingeantworteten Erben zu halten sei, kann daher nicht von einem anderen Erbprätendenten mit der Begründung angefochten werden, mangels wirksamer Anordnung einer Nacherbschaft bzw infolge deren nachträglichen Wegfalls habe die testamentarische Erbfolge nach der fälschlicherweise als Vorerbin behandelten Person einzutreten.

Da sich die Rekurse der beiden Einschreiterinnen somit als unzulässig erweisen, weil deren rechtliches Anliegen jedenfalls nicht im außerstreitigen Rechtsweg durchgesetzt werden kann, sind die meritorischen Entscheidungen des Rekursgerichts im Umfang der Anfechtung gemäß § 56 Abs 2 AußStrG aufzuheben ist, das Rekursverfahren für nichtig zu erklären, und sind die Rekurse zurückzuweisen.

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