European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00165.18T.0926.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Vaters unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Begründung:
Das Erstgericht erhöhte den vom Vater zu leistenden Unterhalt antragsgemäß.
Die Versuche des Erstgerichts, dem Vater diesen Beschluss durch die Post und den Gerichtsvollzieher zuzustellen, blieben erfolglos. Das Erstgericht nahm nach weiteren Erhebungen wegen angeblicher Ortsabwesenheitsmitteilungen des Vaters betreffend seine Postanschriften in Wien und Salzburg für einen Zeitraum von 16. 2. 2016 bis 15. 2. 2017 die Zustellung des Beschlusses gestützt auf § 8 Abs 2 ZustG durch Hinterlegung im Akt am 24. 5. 2016 vor.
Der Vater übernahm den Beschluss beim Erstgericht am 31. 8. 2016 persönlich und stellte am 2. 9. 2016 (Postaufgabe) einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rekursfrist und führte in einem den Rekurs aus.
Das Erstgericht wies den Wiedereinsetzungantrag ab. Es stellte zur Behauptung des Vaters, seine Ortsabwesenheitsmitteilung habe nur seine Postanschrift in Wien, nicht aber jene in Salzburg betroffen, fest:
„Es kann nicht festgestellt werden, ob die Ortsabwesenheit seitens der Post fehlerhaft vermerkt worden ist.“
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters gegen die Abweisung seines Wiedereinsetzungsantrags nicht Folge und es wies mit dem angefochtenen Beschluss – soweit dies für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutungist – dessen Rekurs zurück. Es war der Rechtsansicht, dass die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes gesetzmäßig erfolgt und das Erstgericht danach wegen der Ortsabwesenheitsmitteilungen des Vaters gemäß § 8 Abs 2 ZustG berechtigt gewesen sei, die Zustellung durch Hinterlegung im Akt vorzunehmen. Der Rekurs des Vaters sei demnach verspätet.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob der Begriff der „Kenntnis“ vom Verfahren in § 8 Abs 1 ZustG subjektives Wissen der Partei vom Verfahren oder nur eine gesetzmäßige Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags erfordere, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, diesen aufzuheben und dem Rekursgericht die meritorische Erledigung des Rekurses aufzutragen.
Die Mutter erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, den Revisionsrekurs zurückzuweisen; hilfsweise den angefochtenen Beschluss zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und berechtigt.
1. Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies zufolge § 8 Abs 1 ZustG der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs 2 ZustG, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
2. Die bisherige Abgabestelle wird nach der Rechtsprechung auch dann geändert, wenn die Partei an ihr während eines zumindest unverhältnismäßig längeren Zeitraums nicht mehr anzutreffen ist (RIS-Justiz RS0083831). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass eine Abwesenheit von fünf Monaten (9 ObA 172/92) bzw rund einem halben Jahr (9 Ob 296/00w; 7 Ob 119/06k) als unverhältnismäßig lang und daher als Änderung der bisherigen Abgabestelle anzusehen ist, sodass die Zustellung gemäß § 8 Abs 2 ZustG zulässig ist (7 Ob 241/13m).
3.1. Das Rekursgericht hat gestützt auf die zuvor dargestellte Rechtsprechung die Zustellung nach § 8 Abs 2 ZustG aufgrund der Ortsabwesenheitsmitteilungen des Vaters für seine beiden Postanschriften für den Zeitraum von 16. 2. 2016 bis 15. 2. 2017 für gerechtfertigt erachtet.
3.2. Der Vater vertritt den Standpunkt, seine Ortsabwesenheitsmitteilung habe nur seine Postanschrift in Wien, nicht aber jene in Salzburg betroffen und es beruhe auf einem Fehler der Post, dass diese in Salzburg die Zustellung des angefochtenen Beschlusses nicht vorgenommen habe.
3.3. Zu dieser Frage hat das Erstgericht in seinem Beschluss über den Wiedereinsetzungsantrag des Vaters eine Negativfeststellung getroffen, also offen gelassen, „ob die Ortsabwesenheit seitens der Post fehlerhaft vermerkt worden ist“.
4. Ein Rechtsmittel hat die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich (RIS-Justiz RS0006965). Bleiben Zweifel an der Verspätung des Rechtsmittels, so geht dies zu Lasten der Behörde und nicht des Rechtsmittelwerbers (RIS‑Justiz RS0006965 [insbes T17]).
5. Im Hinblick auf die bezeichnete Negativfeststellung des Erstgerichts bleibt zweifelhaft, ob die Zustellung nach § 8 Abs 2 ZustG gesetzmäßig war. Das Rekursgericht wird daher das Rechtsmittel des Vaters unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu erledigen haben. Die Zulassungsfrage stellt sich nicht.
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