European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00241.13M.0129.000
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Mit Beschluss vom 1. 2. 2012, GZ 42 Nc 3/10p‑15, wies das Handelsgericht Wien Verfahrenshilfeanträge der K***** GmbH zurück.
Am 14. 2. 2012 richtete S***** K***** an das Präsidium des Handelsgerichts Wien einen gegen das Handelsgericht Wien und das Bezirksgericht für Handelssachen Wien gerichteten Ablehnungsantrag, in dem sie angab, diesen nicht nur im eigenen Namen, sondern auch als Geschäftsführerin der K***** GmbH zu erheben.
Den gegen das Handelsgericht Wien gerichteten Ablehnungsantrag der K***** GmbH wies das Oberlandesgericht Wien zurück. Mangels ausreichender Substantiierung der Begründung für die angebliche Befangenheit aller Richter des Handelsgerichts Wien erweise sich der in Wahrheit pauschale Ablehnungsantrag als nicht gesetzmäßig ausgeführt.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der in einem einheitlichen Schriftsatz erhobene Rekurs sowohl der K***** GmbH als auch der S***** K*****.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist insgesamt zurückzuweisen.
Zum Rekurs der K***** GmbH:
1.1 Die Zustellung des angefochtenen Beschlusses erfolgte am 17. 4. 2012 durch Hinterlegung bei Gericht ohne vorangehenden Zustellversuch gemäß § 8 Abs 2 ZustG.
1.2 Ändert eine Partei während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, die Abgabestelle, ohne dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen, so ist gemäß § 8 Abs 2 ZustG die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorangehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten ermittelt werden kann. Die Voraussetzungen für die Zustellung des angefochtenen Beschlusses durch Hinterlegung gemäß § 8 Abs 2 ZustG lagen hier vor.
1.3 Die bisherige Abgabestelle wird nach der Rechtsprechung auch dann geändert, wenn die Partei an ihr während eines zumindest unverhältnismäßig längeren Zeitraums nicht mehr anzutreffen ist (RIS‑Justiz RS0083831). Dabei ist auch die Vorhersehbarkeit der Zustellung während dieses Zeitraums zu berücksichtigen (7 Ob 119/06k mwN). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass eine Abwesenheit von fünf Monaten (9 ObA 172/92) bzw rund einem haben Jahr (9 Ob 296/00b; 7 Ob 119/06k) als unverhältnismäßig lang und daher als Änderung der bisherigen Abgabestelle anzusehen ist, sodass die Zustellung gemäß § 8 Abs 2 ZustG zulässig ist. § 8 ZustG will jede Behinderung der Zustellung, die der Empfänger dadurch verantwortet, dass er Zustellungen an der bisherigen Abgabestelle durch sein Verhalten unmöglich macht, verhindern (8 Ob 15/12g mwN). Die K***** GmbH musste als Antragstellerin mit der Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken rechnen. Nachdem sämtliche Zustellungen an der von ihr bekannt gegebenen Adresse wegen jeweils mehrmonatiger bzw bis auf Widerruf bekannt gegebenen Ortsabwesenheiten gescheitert waren und weitere Erhebungen (Einholung von Zentralmeldeauskünften, Firmebuchauszüge, Versuch einer Kontaktaufnahme über E‑mail) keine andere Zustelladresse ergeben hatten, war das Vorgehen nach § 8 Abs 2 ZustG zulässig. Die Zustellung des angefochtenen Beschlusses erfolgte wirksam am 17. 4. 2012. Der am 28. 3. 2013 eingelangte Rekurs der K***** GmbH ist daher verspätet.
2. Im Übrigen wäre der Rekurs ‑ auch bei Annahme der Rechtzeitigkeit ‑ nicht berechtigt. Zutreffend ging das Oberlandesgericht Wien davon aus, dass im Fall der Ablehnung einer Mehrzahl von Richtern in Ansehung eines jeden einzelnen von ihnen konkrete Befangenheitsgründe detailliert dargetan werden müssen. Die pauschale Ablehnung aller Richter eines Gerichtshofs ist unzulässig. Die Ablehnung eines ganzen Gerichts ist vielmehr nur durch die Ablehnung jedes einzelnen Richters unter Angabe detaillierter Ablehnungsgründe für jede einzelne Person möglich, weil immer nur ein Richter als Person, niemals aber das Gericht als Institution abgelehnt werden kann (RIS‑Justiz RS0046005; RS0045983). Pauschal und ohne Anführung bestimmter Gründe zu jeweils namentlich bezeichneten Richtern eingebrachte Ablehnungserklärungen sind nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RIS‑Justiz RS0046011).
Der einzige namentlich erwähnte Richter, der Vizepräsident des Handelsgerichts *****, war an der Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag der K***** GmbH nicht beteiligt.
Zum Rekurs der S***** K*****:
Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist ausschließlich der Ablehnungsantrag der K***** GmbH. Der von diesem Beschluss nicht betroffenen S***** K***** fehlt es an der Beschwer, Rekurs im eigenen Namen zu erheben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)