OGH 7Ob164/13p

OGH7Ob164/13p16.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Mag. Norbert Abel als Insolvenzverwalter der V*****, vertreten durch Abel & Abel Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei A***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 3. Juli 2013, GZ 5 R 46/13s‑9, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 22. Jänner 2013, GZ 25 Cg 3/13a‑3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 1.751,04 EUR (darin enthalten 291,84 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 11. 1. 2013 des Handelsgerichts Wien wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und die klagende und gefährdete Partei (in Hinkunft: Kläger) zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger begehrte ursprünglich, die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei (in Hinkunft: Beklagte) schuldig zu erkennen, ihre vertraglichen Verpflichtungen einzuhalten und die am 14. 1. 2013 erfolgte Sperre von aktiven und kostenpflichtigen passiven Gesprächen konkret genannter Rufnummern aufzuheben. Zur Besicherung dieses Anspruchs beantragte er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach der Beklagten aufgetragen werden soll, die eben angeführten Sperren aufzuheben und zukünftige Sperren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen.

Mit Beschluss vom 1. 2. 2013 des Handelsgerichts Wien wurde die Schließung des Unternehmens der Gemeinschuldnerin angeordnet. Der Kläger zeigte gemäß § 124a IO die Masseunzulänglichkeit an. Weiters erklärte er mit Schreiben vom 4. 2. 2013, nicht in den Vertrag mit der Beklagten einzutreten.

Mit Schriftsatz vom 11. 2. 2013 änderte er sein Klagebegehren. Nunmehr begehrte er festzustellen, dass zwischen den Streitteilen vom Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Erklärung des Nichteintritts in den Vertrag ein aufrechtes Vertragsverhältnis bestanden habe und die vom 14. 1. 2013 bis 22. 1. 2013 durch die Beklagte erfolgten Sperren der Teilnehmernummern rechtswidrig gewesen seien.

Das Erstgericht erließ am 22. 1. 2013 die beantragte einstweilige Verfügung mit der Einschränkung, dass sie außer Kraft trete, wenn der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit anzeige.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge und wies den Sicherungsantrag ab. Die einstweilige Verfügung erlösche nicht mit Ablauf der vom Erstgericht gesetzten Frist (Anzeige der Masseunzulänglichkeit) von selbst, sondern es bedürfe eines gerichtlichen Aufhebungsakts, sodass die Beschwer der Beklagten gegeben sei. Diese sei auch berechtigt gewesen, ihre Leistungen ungeachtet des § 25a IO in Anwendung des § 21 IO zurückzuhalten und die Rufnummern teilweise zu sperren. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Unsicherheitseinrede des Vorleistungspflichtigen im Sinn des § 21 Abs 3 IO fehle.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs unzulässig.

1. Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer ‑ also ein Anfechtungsinteresse - voraus, weil es nicht Sache von Rechtsmittelgerichten ist, rein theoretische Fragen zu lösen (RIS‑Justiz RS0002495). Dabei unterscheidet man die formelle Beschwer, welche dann vorliegt, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrunde liegenden Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil abweicht, und die materielle Beschwer. Diese liegt vor, wenn die (materielle oder prozessuale) Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt wird, diese also für ihn ungünstig ausfällt. Kann ein Rechtsmittel seinen eigentlichen Zweck, die Rechtswirkungen der bekämpften Entscheidung durch eine Abänderung oder Aufhebung zu verhindern oder zu beseitigen, nicht mehr erreichen, dann fehlt es am notwendigen Rechtsschutzinteresse (RIS‑Justiz RS0002495 [T43, T78]; 7 Ob 115/13g). Die Beschwer muss zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0041770; RS0006880).

Zur Sicherung bloßer Feststellungsansprüche ist eine einstweilige Verfügung nicht statthaft. Sie ist nur zulässig, wenn hinter dem Feststellungsanspruch bedingte oder künftige Leistungsansprüche stehen (RIS‑Justiz RS0005153, RS0005149 [T6], RS0005138 [T2]; RS0011598). Sie kann nur für die Zukunft wirken (RIS‑Justiz RS0005070 [T3]) und muss sich im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Rahmen des bereits gerichtlich geltend gemachten oder noch geltend zu machenden Hauptanspruch halten (RIS‑Justiz RS0014289).

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass bereits die Schließung des Unternehmens der Gemeinschuldnerin angeordnet wurde und der Kläger erklärte, in den Vertrag mit der Beklagten nicht einzutreten. Dem trug er mit seinem geänderten Klagebegehren, das auch Gegenstand der Klagebeantwortung war, Rechnung. Das Klagebegehren ist nämlich nur mehr auf die Feststellung des Bestands des Vertragsverhältnisses und der Rechtswidrigkeit der Sperren für einen bereits vergangenen Zeitraum gerichtet. Vor diesem Hintergrund ist ein Interesse des Klägers an einer Aufhebung der Sperren und an deren zukünftigen Unterlassung nicht erkennbar. Durch die Abweisung seines darauf gerichteten Sicherheitsantrags ist seine Rechtsstellung nicht beeinträchtigt.

2. Ein bloßes Interesse an einer günstigen Kostenentscheidung begründet keine Beschwer als Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof (4 Ob 21/07b, 9 Ob 65/08m).

3. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis muss sich aus dem Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ergeben und kann auch nicht aus möglichen Folgeansprüchen nach § 394 EO abgeleitet werden (6 Ob 36/08z, 9 Ob 52/08z je mwN).

4. Da es dem Kläger für das Sicherungsverfahren am Rechtsschutzbedürfnis fehlt, ist der Revisionsrekurs gegen den den Sicherungsantrag abweisenden Beschluss des Rekursgerichts zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 402, 78 EO und §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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