European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00158.24X.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.410,90 EUR (darin enthalten 235,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin hat bei der Beklagten einen Kaskoversicherungsvertrag für ihr Kfz. Mit diesem Fahrzeug verursachte der damalige Lebensgefährte der Klägerin am 19. 5. 2023 in alkoholisiertem Zustand einen Verkehrsunfall.
[2] Die Parteien gehen übereinstimmend von der Geltung folgender Obliegenheit in ihrem Vertragsverhältnis aus:
„Zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr sind die Obliegenheiten vereinbart,
[...]
(2) dass sich der Lenker nicht in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet.
[...]“
[3] Die Klägerin begehrt die Versicherungsleistung für die unfallkausalen Schäden.
[4] Die Beklagte wendet – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – die Verletzung der Alkoholklausel ein.
[5] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren – soweit hier relevant – wegen schuldhafter Verletzung der Alkoholklausel ab.
[6] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision – nachträglich – zu, weil diese Klausel fixer Bestandteil zahlreicher Versicherungsverträge sei und hinsichtlich der Nachforschungspflicht höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Rechtliche Beurteilung
[7] Da die Klägerin in ihrer Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[8] 1. Die Verletzung der Alkoholklausel fällt nicht nur dem Versicherungsnehmer, wenn er selbst sein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat, zur Last, sondern auch dann, wenn er sein Fahrzeug einer derart beeinträchtigten Person zur Lenkung überlassen hat (vgl RS0081408 [T2] = 7 Ob 219/07t mwN für die Kaskoversicherung). Der Versicherte kann sich von den Folgen dieser Obliegenheitsverletzung nur durch den Beweis des Fehlens jedes Verschuldens oder den Kausalitätsgegenbeweis befreien (RS0081343). Wenn der Verdacht der Obliegenheitsverletzung nicht vollständig ausgeräumt werden kann, tritt die Leistungsfreiheit ein. Neagtivfeststellungen im Bereich des vom Versicherungsnehmer zu beweisenden mangelnden Verschuldens gehen daher zu seinen Lasten (vgl 7 Ob 219/07t mwN).
[9] 2. Wenn das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund davon ausgeht, die Negativfeststellung des Erstgerichts, wonach nicht feststehe, ob die Klägerin den – nach einem Lokalbesuch bei ihr zu Hause fortgesetzten – Alkoholkonsum ihres Lebensgefährten wahrgenommen habe, gehe zu Lasten der Klägerin, hält sich das im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung und ist damit nicht korrekturbedürftig.
[10] 3. Da bereits die Möglichkeit des unmittelbaren Wahrnehmens des Alkoholkonsums zu Lasten der Klägerin nicht ausgeschlossen werden kann, kommt es nach den oben dargestellten Beweislastregeln auf eine mögliche Nachforschungspflicht und das Auffallen von Alkoholisierungszeichen nicht mehr an. Soweit die Revision auf eine erforderliche positive Kenntnis einer Alkoholisierung bei Fahrtantritt Bezug nimmt (RS0080275), geht es dabei um die Voraussetzungen für das Vorliegen von § 61 VersVG und damit um grobes Verschulden, weshalb daraus für den Standpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen ist.
[11] 4. Das konstitutive Anerkenntnis ist eine Willenserklärung, die dadurch zustande kommt, dass der Gläubiger seinen Anspruch ernstlich behauptet und der Schuldner die Zweifel am Bestehen des behaupteten Rechts dadurch beseitigt, dass er das Recht zugibt. Es ruft das anerkannte Rechtsverhältnis auch für den Fall, dass es nicht bestanden haben soll, ins Leben und hat somit rechtsgestaltende Wirkung (RS0032496 [T6, T7, T9]). Es setzt die Absicht des Anerkennenden voraus, unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbstständige Verpflichtung zu schaffen (RS0032496 [T1]). Durch ein konstitutives Anerkenntnis wird eine bisherige Unsicherheit endgültig beseitigt; es bleibt auch gültig, wenn später eindeutig nachweisbar ist, was im Zeitpunkt des Anerkenntnisses noch strittig oder unsicher war. Das Anerkenntnis entfaltet somit wie ein Vergleich eine Bereinigungswirkung (RS0110121). Da nach österreichischem Recht abstrakte Geschäfte grundsätzlich unzulässig sind, ist ein konstitutives Anerkenntnis nur wirksam, wenn dadurch ein Streit oder Zweifel über das Bestehen eines bestimmten Rechts bereinigt werden soll (RS0114623).
[12] 5. Die hier – noch vor Übermittlung des Behördenakts ohne jegliche vorangegangene Auseinandersetzung mit möglichen Obliegenheitsverletzungen – erfolgte Information über die grundsätzliche Art der Abwicklung eines Totalschadensfalls haben die Vorinstanzen damit vertretbar nicht als ein konstitutives Anerkenntnis der Beklagten im Hinblick auf ihre Deckungspflicht gewertet.
[13] 6. Die Revision ist daher insgesamt mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
[14] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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