OGH 7Ob155/13i

OGH7Ob155/13i16.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH & Co *****, vertreten durch Dr. Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck gegen die beklagten Parteien 1. G***** M*****, 2. K***** M*****, beide: *****, beide vertreten durch Mag. Friedrich Hohenauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 179.401,06 EUR sA und Räumung, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. April 2013, GZ 1 R 208/12p‑14, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 22. Mai 2012, GZ 11 C 455/11w‑10, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00155.13I.1016.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Mit schriftlichem Mietvertrag vom 1. 1. 1985 mietete der Erstbeklagte ab 1. 2. 1985 auf unbestimmte Zeit von der damaligen Eigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses das nunmehr mit Top 1 bezeichnete Geschäftslokal (im Erdgeschoss) im Ausmaß von 128,57 m². Als Verwendungszweck wurde der Betrieb einer Buchbinderei vereinbart. In Punkt VII des Mietvertrags wurde festgelegt, dass sich der Mieter verpflichte, den Mietgegenstand nur für eigene Geschäftszwecke („Betreibung einer Buchbinderei“) zu benützen, und dass eine Untervermietung oder sonstige Überlassung des Mietgegenstands an Dritte (in welcher Form auch immer, und zwar auch in Form der Bildung einer Gesellschaft oder Unternehmensverpachtung) nur mit schriftlicher Zustimmung des Vermieters gestattet sei.

Ob zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, davor oder danach, zwischen den Vertragsteilen vereinbart wurde, dass der Betrieb als Familienbetrieb, also sowohl vom Erstbeklagten als auch von seiner (zweitbeklagten) Ehefrau, geführt werden soll, war nicht feststellbar. Jedenfalls hat der Erstbeklagte in der Folge dort den Betrieb der Buchbinderei geführt und auf einen Verlag und eine Druckerei ‑ alles im Rahmen der Gewerbebewilligung ‑ ausgedehnt. Davon wurden die jeweiligen Eigentümer informiert und haben dies zur Kenntnis genommen. Die Klägerin wurde mit Kaufvertrag vom 16. 3. 2007 Eigentümerin der betreffenden Liegenschaft und somit Rechtsnachfolgerin nach den seinerzeitigen Vermietern, wobei es dazwischen auch noch andere Liegenschaftseigentümer gab. Übergabsstichtag an die Klägerin war der 1. 4. 2007.

In einem von der Klägerin eingeleiteten Msch‑Verfahren wegen Duldung von Umbaumaßnahmen hat der Erstbeklagte in seinem Verfahrenshilfeantrag vom 15. 3. 2010 angegeben, derzeit als Pensionist (wegen Krankheit) über eine monatliche Pension von 739,24 EUR zu verfügen und sonstiges Einkommen aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit verneint. Dem Antrag war unter anderem ein Bescheid der Sozialversicherungsanstalt vom 21. 11. 2007 über den Bezug von Erwerbsunfähigkeitspension für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit des Erstbeklagten angeschlossen. Die daraufhin angestellten Nachforschungen der Klägerin ergaben, dass er die ihm in den Jahren 1984 und 1989 erteilten Gewerbeberechtigungen als Buchbinder und hinsichtlich des Gewerbes des Buch‑, Kunst‑ und Musikalienverlags (beschränkt auf Faksimileverlag) jeweils seit 31. 12. 2004 ruhend gemeldet hatte und diese Gewerbeberechtigungen nach wie vor ruhen.

Die Zweitbeklagte ist aufgrund des Bescheids des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 24. 1. 2005 (GZ *****) Gewerbeinhaberin des Gewerbes des Buch‑, Kunst‑ und Musikalienverlags am fraglichen Standort. Der Erstbeklagte hatte den Betrieb als nicht protokolliertes Einzelunternehmen geführt; seit Anfang 2005 war dieser Betrieb von der Zweitbeklagten als nicht protokolliertes Einzelunternehmen weitergeführt worden. Ob dieser Umstand den Rechtsvorgängern der Kläger als Vermieter von den Beklagten jemals angezeigt wurde, konnte nicht festgestellt werden. Eine entsprechende Anzeige an die Klägerin ist nicht erfolgt.

Zum Zeitpunkt der Anmietung des Bestandobjekts durch den Erstbeklagten waren die Beklagten noch nicht verheiratet; die Ehe wurde erst am 27. 9. 1986 geschlossen. Die Zweitbeklagte war aber bereits Lebensgefährtin des Erstbeklagten, mit dem sie gemeinsam drei Kinder hat, die in den Jahren 1984, 1985 und 1989 geboren wurden. Der Betrieb, der im fraglichen Objekt geführt wird, ist die einzige Einkommensquelle der (Zweit‑)Beklagten. Es gibt ein Konto für den Betrieb, von dem sämtliche Zahlungen abgebucht werden. Auch die Miete wird weiterhin von diesem Konto abgebucht. Abgesehen von der Führung des Unternehmens hat sich am Betrieb nichts geändert.

Eine formelle Vereinbarung zwischen dem Erstbeklagten und der Zweitbeklagten, wie und in welcher Form die Firma zu führen ist, wurde nicht getroffen. Auch ein Pachtvertrag wurde nicht abgeschlossen.

Der Erstbeklagte hat seine Gewerbeberechtigung ruhend gemeldet und den Betrieb an die Zweitbeklagte übergeben, weil er aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr in der Lage war, den Betrieb zu führen. Wegen eines Tumors im Kopf musste er starke Medikamente nehmen, die auch seine Wahrnehmung beeinträchtigten, sodass es ihm nicht mehr zumutbar war, die im Objekt befindlichen Maschinen zu bedienen. Der Erstbeklagte war bereits in den Jahren 2003 und 2004 mit gesundheitlichen Problemen konfrontiert und es war absehbar, dass er den Betrieb selbst nicht mehr werde weiterführen können.

Die Zweitbeklagte hat dem Erstbeklagten schon von Anfang an beim Betrieb des Unternehmens geholfen, die Akquisition gemacht, die Bedienung der Maschinen erlernt, die Maschinen bedient sowie die Buchhaltung und Büroarbeit erledigt, wobei zunächst die wesentlichen Arbeiten (noch) vom Erstbeklagten durchgeführt wurden. Im Lauf der Zeit hatte die Zweitbeklagte begonnen, diese Arbeiten selbst durchzuführen. Über ihre Veranlassung wurden neue Maschinen angeschafft und ein Verlag gegründet. Sie hatte zunächst vier Jahre bei einem Steuerberater gearbeitet, dann fünf Jahre als Leiterin der Lohnverrechnung eines anderen Unternehmens, in dem auch der Erstbeklagte zunächst beschäftigt gewesen war. Der Erstbeklagte hatte dort die Meisterprüfung ablegen können und schließlich beschlossen, sich selbständig zu machen. Auch die Zweitbeklagte wollte aus diesem Unternehmen ausscheiden. Sie bekam jedoch ihr erstes Kind und war dann ‑ ausgenommen die Zeit der Karenz ‑ im Betrieb des Erstbeklagten angestellt. Das Angestelltenverhältnis dauerte bis zum Jahr 2005, als die Zweitbeklagte den Betrieb übernahm. Seit sie den Betrieb führt, scheint in ihrer Buchhaltung als Betriebsaufwand auch Miete auf, die Mietzahlungen werden also über die Zweitbeklagte abgewickelt. Sie hat beim Finanzamt eine eigene Steuernummer, die Rechnungen werden aber nach wie vor mit dem Namen „Buchbinderei M*****“ verschickt. Seit die Zweitbeklagte das Gewerbe übernommen hat und den Betrieb führt, also seit dem Jahr 2005, werden die Rechnungen nicht mehr vom Erstbeklagten, sondern von der Zweitbeklagten ausgestellt. Die Vorgangsweise hinsichtlich der Ruhendstellung aller Gewerbe des Erstbeklagten und der Beantragung eines eigenen Gewerbescheins durch die Zweitbeklagte samt Betriebsführung durch die Zweitbeklagte aufgrund ihres eigenen Gewerbescheins hat diese mit der Wirtschaftskammer abgestimmt, nachdem ihr dort entsprechende Informationen erteilt wurden.

Die Klägerin hatte erstmals im Frühjahr 2011 ein Bestandszins‑Anhebungsbegehren gegenüber den Beklagten gestellt und darauf gestützt, dass die Zweitbeklagte den Betrieb führe. Dieses Ansinnen wurde vom Vertreter der Beklagten abgelehnt.

Seit die Klägerin (Liegenschafts‑)Eigentümerin ist, hat sich am Betrieb des im Bestandobjekt befindlichen, nicht protokollierten Einzelhandelsunternehmens, das seit dem Jahr 2005 durch die Zweitbeklagte geführt wird, nichts verändert. Die Beklagten, seit 2005 die Zweitbeklagte, zahlen nach wie vor regelmäßig monatlich (vom gemeinsamen Konto) die Miete von 544,56 EUR netto (zuzüglich USt) und entsprechende Betriebskosten.

Von den Beklagten ist auch „angedacht“, dass der Erstbeklagte bei Besserung seines Gesundheitszustands wieder den Betrieb führen wird, wobei derzeit nicht absehbar ist, wann und ob dies der Fall sein wird.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin vom Erstbeklagten 179.401,06 EUR sA sowie Räumung des Bestandobjekts und von der Zweitbeklagten 157.570,52 EUR zur ungeteilten Hand mit dem Erstbeklagten; hilfsweise fordert die Klägerin von beiden Beklagten geringere Zahlungen und begehrt auch von der Zweitbeklagten die Räumung. Da der Tatbestand der Unternehmensverpachtung nach § 12a MRG erfüllt sei, ergebe sich ein angemessener Hauptmietzins im Sinn des § 16 Abs 1 MRG von 25 EUR netto pro m², also eine Anhebung auf monatlich 3.214,25 EUR (zuzüglich USt und Nebenkosten). Insoweit seien der Erst- und die Zweitbeklagte auch schadenersatzpflichtig gegenüber der Klägerin, weil die in § 12a MRG geforderte Anzeige nicht erstattet worden sei. Unter Berücksichtigung der bezahlten Bestandzinse (von 544,56 EUR monatlich) ergebe sich im Zeitraum 1. 4. 2007 bis November 2011 (somit für 56 Monate) ein Differenzbetrag von insgesamt 179.401,06 EUR inklusive 20 % USt (richtig: 179.403,17 EUR), den der Erstbeklagte trotz Aufforderung nicht bezahlt habe, weshalb die Klägerin den Rücktritt vom Vertrag erkläre und die Räumung des Objekts begehre. Auch die Zweitbeklagte sei schuldhaft ihrer Anzeigeverpflichtung nicht nachgekommen und hafte daher zumindest bis zum Zeitpunkt des Mietzinserhöhungsbegehrens der Klägerin für die Differenz zwischen bezahltem und angemessenem Bestandzins, also für den Zeitraum 1. 4. 2007 bis 28. 2. 2011 (somit für 47 Monate) mit dem Beklagten zur ungeteilten Hand, woraus sich eine Forderung von 157.570,52 EUR (richtig: 150.570,52 EUR) ergebe. Weil die Übergabe des Objekts und die Führung des Betriebs durch die Zweitbeklagte nur vermutet werden könne, stütze die Klägerin ihr Eventual‑Leistungsbegehren auch auf den Tatbestand der Unternehmensveräußerung nach § 12a MRG. In diesem Fall hätte der Mietzins ‑ bei rechtzeitiger Anzeige ‑ ab dem Jahr 2005 jährlich um 1/15 der Differenz des angemessenen zum tatsächlich bezahlten Mietzins angehoben werden können. Davon ausgehend würden „in eventu“ 60.662,40 EUR gegenüber der Zweitbeklagten geltend gemacht. Davon seien 47.205,60 EUR von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand zu bezahlen. Im Fall einer Unternehmensveräußerung wäre die Zweitbeklagte ex lege in das Bestandverhältnis eingetreten. Da sie den erhöhten Mietzins ebenfalls nicht bezahlt habe, erklärte die Klägerin auch ihr gegenüber den Rücktritt vom Mietverhältnis. Es werde daher auch gegenüber der Zweitbeklagten ein Eventual‑Räumungsbegehren gestellt. Das Rechtsobjekt „Familienbetrieb“ sei dem österreichischen Recht fremd. Die Klägerin habe erstmals im Msch‑Verfahren von diesen Umständen Kenntnis erlangt und daraufhin unverzüglich Klage erhoben.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten ‑ zum Anspruchsgrund ‑ ein, die Klägerin versuche, die Beklagten durch zahlreiche gegen sie geführte Verfahren dazu zu bringen, das Bestandobjekt zu verlassen. Der Erstbeklagte habe sein Gewerbe krankheitsbedingt ruhend gemeldet. Es sei aber weder eine Unternehmensveräußerung noch eine Unternehmensverpachtung erfolgt; vielmehr führe die Zweitbeklagte den Betrieb weiter, bis der Erstbeklagte wieder selbst zur Betriebsführung in der Lage sei. Diese Umstände seien dem Vermieter bekannt. Der Betrieb werde nach wie vor als Familienbetrieb geführt. Es fehlten die Voraussetzungen für eine Anhebung des Bestandzinses. § 12a MRG sei auf den Sachverhalt nicht anwendbar.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt‑ als auch das Eventualbegehren ab. Rechtlich vertrat es den Standpunkt, dass § 12a Abs 5 MRG für den Fall der Familienzugehörigkeit des Pächters keine Ausnahme enthalte. Dieser Anhebungstatbestand sei grundsätzlich verwirklicht, wenn feststehe, dass ein Mieter das bisher im Mietobjekt betriebene Unternehmen künftig nicht mehr weiterführen wolle/könne und es deshalb zur Verpachtung des Unternehmens komme. Die Beweispflicht hinsichtlich des Umstands, dass die im Gesetz geforderte Anzeige erfolgt sei, treffe den jeweiligen Mieter, der hier eine entsprechende Anzeige nicht habe unter Beweis stellen können. Der Klägerin sei auch darin beizupflichten, dass sich infolge Betriebsführung durch die Zweitbeklagte eine wesentliche Änderung in den wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten im Sinn des § 12a MRG eingestellt habe. Hier sei allerdings davon auszugehen, dass der verwirklichte Sachverhalt keinem der Tatbestände des § 12a MRG unterstellt werden könne: Ein Fall des § 12a Abs 1 MRG (Veräußerung des Unternehmens) liege nicht vor, und § 12a Abs 3 MRG sei nicht anwendbar, weil es sich auf Seite des Bestandnehmers um keine juristische Person handle; § 12a Abs 5 MRG fordere eine Verpachtung des Unternehmens, die ebenfalls nicht gegeben sei. Die Beklagten hätten lediglich dadurch (neue) „Tatsachen“ geschaffen, dass die bereits im Betrieb tätige Zweitbeklagte sich ‑ angesichts des Gesundheitszustands ihres Mannes ‑ eine Gewerbeberechtigung verschafft und er seine Gewerbeberechtigung ruhend gestellt habe. Der Betrieb sei jedoch weitergeführt worden. Der Gesetzgeber spreche ausdrücklich von einer Verpachtung, was eine entsprechende Willensübereinstimmung erfordert hätte. Es gebe hier aber keine Hinweise für eine Verpachtung des im Bestandobjekt betriebenen Unternehmens, das die einzige Einkommensquelle der Beklagten darstelle. Im Rahmen eines Familienverbands sei es durchaus üblich, dass dann, wenn einer in der Familie ausfalle, ein anderer einspringe. Darin sei kein (gesetzlich geregelter) Umstand zu erblicken, der zur Anhebung des vereinbarten auf den angemessenen Bestandzins berechtige. Der laufende Bestandzins werde bezahlt. Die Klagebegehren auf Zahlung oder Räumung seien abzuweisen, weil der festgestellte Sachverhalt den Bestimmungen des § 12a MRG zwar nahekomme, den dort genannten Tatbeständen aber nicht entspreche.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es erkannte der Beweisrüge keine Berechtigung zu. Aus der Rechtsprechung zu § 12a Abs 3 und 5 MRG (sogenannte „Machtwechseltheorie“) leitete es Folgendes ab: Für die Fälle einer Anhebung des Mietzinses bei Übergang des Mietrechts komme es nicht nur auf die rechtlichen, sondern entscheidend auch auf die faktischen Machtverhältnisse im Unternehmen an, das in den Bestandräumlichkeiten betrieben werde. Die hier zu beurteilende Änderung der Unternehmensführung eines Einzelunternehmens belege einen „Machtwechsel“, weil die krankheitsbedingte Beendigung der Erwerbstätigkeit des Erstbeklagten dazu geführt habe, dass die Zweitbeklagte nunmehr die gewöhnliche Geschäftstätigkeit im Unternehmen bestimmen könne. Durch die auf nicht absehbare Zeit erfolgte Ruhendstellung der Gewerbeberechtigung des Erstbeklagten sei eine entscheidende Änderung seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten auf das Unternehmen eingetreten, nämlich „sein völliger Verlust jeglichen Einflusses auf sein früheres Unternehmen“. Die Voraussetzungen für die Mietzinsanhebung seien daher dem Grunde nach gegeben. Mangels Feststellungen zur Höhe des Mietzinses vergleichbarer Objekte in vergleichbarer Lage sei es dem Berufungsgericht aber nicht möglich, abschließend über die Klagsforderungen abzusprechen. Die Festsetzung des angemessenen Mietzinses orientiere sich zunächst am marktkonformen (ortsüblichen) Mietzins; die besonderen Bemessungskriterien des § 16 Abs 1 MRG seien durch Zu- oder Abschläge zu berücksichtigen und letztlich unter Anwendung des § 273 nach richterlichem Ermessen zu bestimmen. Der bisher festgestellte Sachverhalt reiche nicht aus, um nach diesen Kriterien den zulässigen Hauptmietzins festzusetzen, weshalb die Rechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung zurückzuweisen sei.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil keine Judikatur zur Rechtsfrage vorliege, ob ein faktischer Machtwechsel in einem (im Bestandobjekt betriebenen) Einzelunternehmen dem Bestandgeber die Möglichkeit eines Anhebungsbegehrens nach § 12a MRG eröffne.

Dagegen richtet sich der Rekursder Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen; in eventu, dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

In ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Klägerin, dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber ‑ im Ergebnis ‑ nicht berechtigt.

Die Rekurswerber halten der Beurteilung des Berufungsgerichts entgegen, dass eine Änderung der „Machtverhältnisse“ für sich allein nicht die Zulässigkeit einer Mietzinsanhebung nach § 12a MRG bewirken könne, weil das Gesetz auf die Begriffe der Veräußerung oder Verpachtung des Unternehmens abstelle. Der Nachweis, dass einer dieser gesetzlichen Tatbestände erfüllt sei oder dass ein Machtwechsel vorliege, sei der Klägerin nicht gelungen. Im vorliegenden Fall handle es sich um eine spezielle, weder einer Veräußerung noch einer Verpachtung unterzuordnende Konstellation „unter besonderen Umständen und Bedingungen“. Zum einen sei kein wirtschaftlicher Vorteil aus einer Veräußerung oder Verpachtung erzielt worden, an dem die Klägerin teilnehmen könnte, stehe doch fest, dass das im Bestandobjekt betriebene Unternehmen weiterhin unverzichtbare Einkommensquelle im Familienverband der Beklagten sei; zum anderen sei gar kein „Machtwechsel“ erfolgt, weil das Unternehmen weiterhin im Familienverband unter Mitwirkung der beklagten Eheleute geführt werde. Diese hätten bloß „formalrechtliche Änderungen“ vornehmen und „Fakten“ schaffen müssen, um das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens sicherzustellen.

Die Rekursbeantwortung beruft sich hingegen darauf, dass „wohl“ von einer Verpachtung im Sinn des § 12a MRG auszugehen sei, weil das Unternehmen nicht endgültig, sondern nur bis zu dem Zeitpunkt einer Besserung des Gesundheitszustands des Erstbeklagten von der Zweitbeklagten übernommen worden sei. Da das Mietrechtsgesetz eine Privilegierung von Familienmitgliedern bei der Unternehmensverpachtung (Übergabe auf Zeit) nicht vorsehe, sei ein Fremdvergleich vorzunehmen. In § 12a MRG sei auch der vorliegende Fall einer Erkrankung bedacht worden, weil die Anhebung des Mietzinses ausgeschlossen sei, wenn das im Mietgegenstand betriebene Unternehmen vom Hauptmieter aus wichtigen, in seiner Person gelegenen Gründen, wie insbesondere Krankheit, für insgesamt fünf Jahre verpachtet werde. Die Bestimmungen des § 12a MRG könnten nicht dadurch umgangen werden, dass ein Unternehmen an den schon früher mitarbeitenden Ehegatten übergeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt bekräftigt hat (1 Ob 73/10g; 9 Ob 53/11a), ist Voraussetzung für eine Anhebung des Hauptmietzinses nach § 12a Abs 3 MRG eine Änderung der Einflussmöglichkeit innerhalb der betroffenen Mietergesellschaft, die kumulativ sowohl für den rechtlichen als auch für den wirtschaftlichen Bereich gegeben sein muss (RIS‑Justiz RS0069560). Ein derartiger Machtwechsel in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht wird grundsätzlich dann bejaht, wenn es zum „Kippen der Mehrheitsverhältnisse“ gekommen ist (RIS‑Justiz RS0111167).

Der Anhebungstatbestand des § 12a Abs 3 MRG wurde geschaffen, um Veräußerungsvorgänge und Fälle des Machtwechsels in der Mieter-Gesellschaft zu erfassen, die sich formalrechtlich nicht in die institutionelle Übertragung des vom bisherigen Mieter im Mietgegenstand betriebenen Unternehmens auf ein anderes Rechtssubjekt oder in eine institutionelle Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Mieter‑Gesellschaft einordnen lassen; es besteht demnach kein Grund für eine Aufweichung der in den übrigen Anhebungstatbeständen des § 12a MRG verwendeten Rechtsbegriffe, insbesondere nicht für eine eher wirtschaftliche als rechtliche Betrachtung der in § 12a Abs 1 MRG behandelten Unternehmensveräußerung (RIS‑Justiz RS0116543; Prader, MRG4.00 § 12a E 40 mwN; so auch A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 12a MRG Rz 20). Damit ist die Möglichkeit einer Analogie zu § 12a Abs 3 MRG verneint (RIS‑Justiz RS0116543 [T1]). Ebenso hat die Anhebung des Mietzinses nach § 12a Abs 5 MRG für die Dauer der Pachtzeit unabhängig davon zu erfolgen, ob sich die wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten geändert haben (RIS‑Justiz RS0110677; so auch Vonkilch aaO § 12a MRG Rz 57).

Die Rechtsprechung lehnt es bei der Veräußerung oder Verpachtung eines im Mietgegenstand betriebenen Unternehmens somit ab, in Analogie zu § 12a Abs 3 MRG zusätzlich einen „wirtschaftlichen Machtwechsel“ für die Erfüllung der Anhebungstatbestände nach § 12a Abs 1 und 5 MRG zu fordern. Aus dieser Unbeachtlichkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse ergibt sich aber ‑ entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ‑, dass ein wirtschaftlicher oder faktischer Machtwechsel allein diese Tatbestände jedenfalls nicht erfüllen kann; entscheidend ist vielmehr, ob in rechtlicher Hinsicht eine Veräußerung oder Verpachtung vorliegt.

Auf eine Veräußerung im Sinn einer Übertragung des Eigentums am fraglichen Unternehmen (vgl RIS‑Justiz RS0070118) beruft sich die Klägerin nicht (mehr). Sie macht in ihrer Rechtsmittelbeantwortung nur noch geltend, dass „wohl“ eine Unternehmensverpachtung anzunehmen sei. Diesen Ausführungen ist (zwar) zuzugestehen, dass § 12a Abs 5 MRG ‑ wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat ‑ keine Ausnahme für den Fall der Familienzugehörigkeit des Pächters enthält (5 Ob 288/97g mwN). Die Anhebung des Mietzinses setzt jedoch die Gefahr voraus, dass das Mietrecht zu Lasten des Vermieters wirtschaftlich verwertet und damit ausgenützt wird (RIS‑Justiz RS0107075). Tragender Gedanke dafür, dass der Vermieter (auch im Fall der Unternehmensverpachtung, also der Nutzungsüberlassung des Unternehmens an Dritte) den Mietzins auf den angemessenen Mietzins anheben kann, ist daher folgender (RIS‑Justiz RS0107074):

Der Vermieter soll nicht mehr an einen unangemessen niedrigen Mietzins gebunden bleiben, wenn sein Vertragspartner (Hauptmieter) das in den Mieträumen betriebene Unternehmen nicht mehr selbst auf eigene Rechnung führt und somit kein existenzielles, schützenswertes eigenes Unternehmerinteresse an der Beibehaltung des niedrigen Mietzinses haben kann (Reich‑Rohrwig, Mietzinserhöhung bei Geschäftsraum-Hauptmiete, 134). Demnach soll § 12a Abs 5 MRG auch auf andere Gestaltungsformen angewendet werden, wenn sie materiell eine Nutzungsüberlassung des Unternehmens darstellen; also auch beim Betriebsführungsvertrag, wenn der Umsatz‑ oder Gewinnanteil des Betriebsführers mehr als die Hälfte des im Unternehmen erzielbaren Gewinns beträgt (Reich‑Rohrwig aaO, 132 ff, 143). In all diesen Fällen würde der günstige Mietzins nur noch zu Lasten des Vermieters verwertet werden, weshalb die Anhebung auf einen angemessenen Zins gerechtfertigt ist (RIS‑Justiz RS0107074 [T1]).

Das mit einer Unternehmensverpachtung durch den Mieter verbundene Mietzinsanhebungsrecht des Vermieters wurde durch das 3. WÄG (BGBl 1993/800) in den neu geschaffenen § 12a MRG aufgenommen. Indem der Gesetzgeber die ursprünglich in § 12 Abs 3 MRG aF und nunmehr in § 12a Abs 1 MRG als Grundtatbestand des Mietrechtsübergangs konzipierte Unternehmensveräußerung (vgl Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht²² § 12a MRG Rz 1) unter anderem um diese Form der Verwertung eines „günstigen“ Mietrechts (vgl A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 12a MRG Rz 5) ergänzte, trug er ‑ wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 1 Ob 129/11v aufgezeigt hat ‑ dem Umstand Rechnung, dass mit der Unternehmensverpachtung wirtschaftlich ein der Unternehmensveräußerung nahekommendes Ergebnis erzielt wird (Ofner, Maßgebender Zeitpunkt für die Mietzinsberechnung nach § 46a MRG, ecolex 1998, 322 [325]; A. Vonkilch aaO; Reich‑Rohrwig, Mietrechtsanhebung bei Geschäftsraum-Hauptmiete, 128). Die Erweiterung der Zinsanhebungstatbestände des § 12a MRG gegenüber der Vorläuferbestimmung des § 12 Abs 3 MRG aF verfolgte damit den Zweck, rechtlichen Umgehungskonstruktionen zu begegnen (RIS‑Justiz RS0106127).

Für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Tatbestands, der zur Anhebung des Mietzinses berechtigt, ist der Vermieter behauptungs‑ und beweispflichtig (vgl 3 Ob 78/07b mwN [zur Behauptungs‑ und Beweislast des Vermieters für eine Änderung der Gesellschaftsverhältnisse und wirtschaftlichen Machtverhältnisse nach § 12a Abs 3 MRG]).

Ob der Klägerin dieser Beweis gelungen ist, kann derzeit noch nicht beurteilt werden: Das Erstgericht hat in diesem Zusammenhang nämlich zum einen festgestellt, die beklagten Eheleute hätten keine „formelle Vereinbarung“ darüber getroffen, wie und in welcher Form die Firma zu führen sei und auch keinen Pachtvertrag abgeschlossen; durch die „Übernahme“ des Betriebs durch die Zweitbeklagte sei es „zu keiner Änderung an der Führung des Betriebs“ gekommen. Andererseits ist ‑ nach der berufungsgerichtlichen Beurteilung ‑ den Feststellungen „in ihrer Gesamtheit“ zu entnehmen, dass sich durch die Betriebsübernahme im Jahr 2005 auch die Führung des Unternehmens geändert habe, was eine „inhaltliche Änderung der Entscheidungsgrundlage“ aber nicht bewirke (Seite 7 der Berufungsentscheidung).

Dem kann nicht gefolgt werden.

Eheleute sind verpflichtet, einander auch im Fall einer Krankheit und einer physischen Behinderung beizustehen, im Rahmen des Möglichen das Leben zu erleichtern und in jeder Weise Rücksicht zu nehmen. Auch der Beistand im Krankheitsfall umfasst daher sowohl eine materielle als auch eine immaterielle Komponente (Smutny in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.101 § 90 Rz 30). Die in § 90 Abs 2 ABGB normierte Mitwirkung im Erwerb des Partners ist ein Unterfall der Beistandspflicht (Schwimann/Ferrari in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar zum ABGB4 § 90 Rz 12).

Da die Ehegatten mehrere Wahlmöglichkeiten zur Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen aus der Mithilfe im Erwerb des anderen haben, muss, wenn zum Beispiel ein Arbeitsverhältnis angenommen werden soll, dessen Abschluss deutlich zum Ausdruck kommen. Die sonst recht großzügig gehandhabte Anwendung des § 863 ABGB greift hier nicht, weil man in der Regel keine zweifelsfreie Situation vorfindet. Im Zweifel ist daher davon auszugehen, dass Familiendienste (allein) der Erfüllung familiärer Beistandspflichten und Mitwirkungspflichten gelten (RIS‑Justiz RS0009631).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt dem Begehren auf Anhebung des Mietzinses also nicht schon deshalb ‑ dem Grunde nach ‑ Berechtigung zu, weil im Einzelunternehmen des Erstbeklagten ein „faktischer Machtwechsel“ stattgefunden hat. Entscheidend ist vielmehr, ob eine Verpachtung des Unternehmens erfolgte, was ‑ wie bereits ausgeführt ‑ nach rechtlichen und nicht nach wirtschaftlichen Kriterien zu prüfen ist: Auch wenn bei ähnlichen Sachverhalten regelmäßig der „Übergeber“ und der „Übernehmer“ des Unternehmens „wohl“ zumindest schlüssig übereinkommen werden, dass das Unternehmen zur Nutzung überlassen wird, könnte daher im hier zu beurteilenden Fall von einem anderen Sachverhalt auszugehen sein, weil eben keine „großzügige“ Anwendung des § 863 ABGB in Frage kommt:

Sollte die Zweitbeklagte das Unternehmen nicht auf Basis einer entsprechenden vertraglichen Willenseinigung nutzen, sondern den Betrieb während der Krankheit des Erstbeklagten in Erfüllung ihrer ehelichen Beistandspflicht (zum Beispiel aufgrund einer ihr vom Erstbeklagten eingeräumten Verwaltungsbefugnis) führen, wäre der Klägerin der Beweis einer Veräußerung oder Verpachtung des Unternehmens nämlich nicht gelungen; diese besondere Konstellation würde daher ‑ trotz gegenteiliger Anhaltspunkte ‑ bedeuten, dass eine Verpachtung des im Bestandobjekt betriebenen Unternehmens zwischen den Beklagten auch nicht schlüssig vereinbart wurde.

Anderes würde aber gelten, sollte es zutreffen, dass der Erstbeklagte ‑ wovon das Berufungsgericht ausgeht ‑ seit der Ruhendstellung seiner Gewerbeberechtigung im Jahr 2005 „keine Einflussmöglichkeiten auf die Unternehmensführung“ hat und das Unternehmen seither tatsächlich „selbständig“ durch die Zweitbeklagte geführt wird. Dann spräche nämlich alles dafür, dass die beiden Beklagten ‑ wie im Regelfall ‑ zumindest schlüssig übereingekommen sind, der Zweitbeklagten das Unternehmen zur Nutzung zu überlassen.

Auf Grundlage der einander widersprechenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen zur entscheidenden Frage, ob sich an der Führung des Unternehmens ‑ allenfalls infolge nur formeller „Übernahme“ ‑ durch die nunmehr gewerbeberechtigte Zweitbeklagte wirklich „nichts geändert“ oder ob sie im Jahr 2005 den Betrieb „selbständig übernommen“ hat, ist eine abschließende Beurteilung nicht möglich. Ersteres erscheint ‑ wie bereits ausgeführt ‑ nur denkbar, wenn die Erstbeklagte aufgrund ehelicher Beistandspflichten infolge erteilter Verwaltungsbefugnis tätig wird, das Unternehmen des Zweitbeklagten also nicht „selbständig“ nutzt, sondern für diesen führt. Die zu dieser Frage getroffenen unklaren Feststellungen werden entsprechend zu verdeutlichen sein.

Da das Berufungsgericht das Ersturteil somit im Ergebnis zu Recht aufgehoben hat, ist dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 52 ZPO.

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