Spruch:
Dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wird hinsichtlich des Monats Jänner 1995 nicht Folge gegeben.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten;
2. den
Beschluß
gefaßt:
Im übrigen wird den Revisionsrekursen Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden insoweit aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Das gemäß § 40 Abs 2 MRG angerufene Erstgericht sprach aus, daß der von der Antragsgegnerin der Antragstellerin für das Geschäftslokal top Nr. 4 in ***** vorgeschriebene Nettohauptmietzins von S 4.468 für die Monate Jänner und Februar 1995 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß insofern übersteigt, als der gesetzlich zulässige Hauptmietzins im Jänner 1995 S 1.930 und im Februar 1995 S 3.608 beträgt. Im übrigen stellte das Erstgericht fest, daß der gemäß § 46a Abs 3 MRG angemessene Mietzins für dieses Geschäftslokal S 27.100 beträgt. Hiebei ging es im wesentlichen davon aus, daß das im Bestandobjekt betriebene Unternehmen, ein Souvenirhandel, mit 1.12.1991 verpachtet wurde, und daß der angemessene Hauptmietzins zum 1.12.1991 S 38.800, für den Zeitraum März 1994 bis Februar 1995 einheitlich S 35.300 netto, und die leistbare Höchstnettomiete im Zeitraum 1991 bis 1995 durchgehend S 27.100 beträgt.
In rechtlicher Hinsicht erwog das Erstgericht, es sei unstrittig, daß die Voraussetzungen des § 46a Abs 3 MRG vorlägen. Die Antragsgegnerin habe der Antragstellerin ein der Form des § 46b MRG entsprechendes schriftliches Anhebungsbegehren zugesandt. Dieses Begehren sei bei der Antragstellerin im Dezember 1994 eingelangt; das Anhebungsbegehren müßte aber einen Monat vor dem Zinstermin, zu dem die Entrichtung des angehobenen Mietzinses gefordert werde, bekanntgegeben werden. Damit könne die Anhebung für Jänner 1995 noch nicht in Wirksamkeit treten. Da im Falle einer schrittweisen Anhebung auch nach § 46a Abs 3 MRG gemäß § 46b MRG ein verspätetes Anhebungsbegehren nicht den Verlust des Anhebungsrechts für das gesamte Kalenderjahr bewirke, sei die Anhebung mit Wirksamkeit ab Februar 1995 erklärt worden. Auf den Zeitpunkt des Beginns des Pachtverhältnisses sei nicht abzustellen; ob sich der angemessene Mietzins auf den Zeitpunkt Beginn der Geltung des 3. WÄG, auf den Zeitpunkt des Zugangs des Anhebungsbegehrens oder des Beginns der Anhebung beziehe, könne auf sich beruhen, da für diese Zeiträume der jeweils angemessene Mietzins jedenfalls ident sei. Bei der Bemessung des angemessenen Mietzinses gemäß §§ 16, 12a Abs 2 MRG sei überdies die im Mietgegenstand ausgeübte Geschäftstätigkeit zu berücksichtigen. Diese Bedachtnahme auf die Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit sei ausdrücklich zur Vermeidung sozialer Härten angeordnet. Infolgedessen sei als Obergrenze des angemessenen Mietzinses im konkreten Fall der leistbare und erwirtschaftbare Nettohauptmietzins (exklusive der noch zusätzlich zu bezahlenden Betriebskosten) anzusehen. Der für Februar 1995 zulässigerweise forderbare Nettohauptmietzins ergebe sich aus der Fünfzehntel-Anhebung des § 46a Abs 3 MRG.
Das Rekursgericht gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Zum Rekurs der Antragstellerin führte es aus, deren Rechtsansicht, bei Überlassung des Unternehmens an die Kinder im Wege der Verpachtung liege kein Anhebungsfall vor, finde im Gesetz keinerlei Deckung. § 46a Abs 3 MRG ordne eine Möglichkeit einer Mietzinsanhebung für jede Form eines Pachtvertrages an, der vor dem 1.3.1994 geschlossen worden und noch aufrecht sei. Motive für den Abschluß des Pachtvertrages bzw eine wirtschaftliche Vorteiligkeit für den Verpächter fänden im Gesetzestext keinerlei Niederschlag. Im übrigen liege auch kein unbilliger Wertungswiderspruch vor, da die Antragstellerin sich auf eine vorgezogene "Erbfolge" berufen wolle und gerade eine Erbfolge ebenfalls einen Erhöhungstatbestand darstelle (§ 46a Abs 2 MRG). Ergänzend sei auch darauf hinzuweisen, daß in der Verhandlung vom 11.10.1995 zwischen den Parteien ausdrücklich außer Streit gestellt worden sei, daß die Anhebung des Mietzinses gemäß § 46a Abs 3 MRG grundsätzlich berechtigt sei. Auch sei ein Vorbringen über eine zu geringe Höhe des Pachtzinses wegen familienrechtlicher Verhältnisse in erster Instanz nicht erstattet worden. Wenn auch davon auszugehen sei, daß eine Außerstreitstellung einer rechtlichen Beurteilung grundsätzlich unbeachtlich sei, könne für den Rechtsstandpunkt der Antragstellerin aus dem Gesetz nichts entnommen werden. Das Erstgericht sei daher zu Recht von einer grundsätzlichen Berechtigung eines Erhöhungsbegehrens gemäß § 46a Abs 3 MRG ausgegangen.
Zur Rechtsrüge der Antragsgegnerin führte das Rekursgericht folgendes aus:
Den Feststellungen des Erstgerichts könne nicht entnommen werden, daß die vom Sachverständigen ermittelte leistbare Höchstnettomiete im Zeitraum 1991 bis 1995 nur deshalb so niedrig sei, da es sich bei dem Geschäft der Antragstellerin um ein schlecht geführtes Geschäft handle. Aus den Unterlagen, die dem Gutachten des Sachverständigen angeschlossen seien, gehe eindeutig hervor, daß auch in ein und derselben Branche Unterschiede hinsichtlich der Ertragsfähigkeit dahingehend bestünden, daß größere Unternehmungen einen besseren Ertrag erwirtschaften als kleinere. Es sei daher auch aus dem Gutachten des Sachverständigen erkennbar, daß Unterschiede der Ertragslage unabhängig von der Art der Führung des Geschäfts bestünden. Im übrigen ergebe sich im gesamten erstinstanzlichen Verfahren keinerlei Hinweis auf eine schlechte Führung des gegenständlichen Geschäfts. Der Sachverständige habe daher berechtigterweise von den konkret erwirtschafteten Erträgnissen ausgehen können. Die von ihm angestellte Berechnung in Form einer Restgrößenberechnung unter Berücksichtigung einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals und der Arbeitskraft des Unternehmers stelle im übrigen bereits das äußerste zumutbare Maß der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens zur Aufbringung einer Mietzinserhöhung dar. Wie bereits vom Erstgericht richtig und umfassend ausgeführt, könne es nicht Sinn der Vorschriften über die Anhebung des Mietzinses gemäß §§ 12a, 46a MRG sein, Mietzinse anzusetzen, die die wirtschaftliche Kraft eines konkreten Unternehmens - soweit dies nicht auf schlechte Geschäftsführung zurückzuführen sei - überstiegen. Aufgrund der vom Sachverständigen vorgenommenen Berechnung des höchstleistbaren Gesamtmietzinses habe das Erstgericht auch zu Recht die zusätzlich als Mietzinsbestandteil zu leistenden Betriebskosten von der festzusetzenden Nettohauptmiete in Abzug gebracht.
Da zur Frage der Berücksichtigung der Ertragslage eines Unternehmens bei der Festsetzung des Mietzinses unter Berücksichtigung der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege, sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig.
Gegen diesen Sachbeschluß richten sich die Revisionsrekurse beider Parteien. Die Antragstellerin beantragt den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß ein Mietzinserhöhungsanspruch als nicht berechtigt erkannt werde. Die Antragsgegnerin beantragt die Abänderung dahin, daß der angemessene Mietzins mit S 38.800 und das Recht der Antragsgegnerin zur entsprechenden Fünfzehntel-Erhöhung festgestellt werde. Hilfsweise werden jeweils Aufhebungsanträge gestellt.
In ihren Revisionsrekursbeantwortungen beantragen die Parteien jeweils, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Die Revisionsrekurse sind zulässig, weil das Rekursgericht die neueste einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes noch nicht berücksichtigen konnte; sie sind - mit der aus dem Spruch ersichtlichen Ausnahme - im Sinne der gestellten Aufhebungsanträge auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zum Revisionsrekurs der Antragstellerin:
Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3, § 528a ZPO, § 37 Abs 3 Z 16 MRG).
Die Rechtsansicht der Antragstellerin, bei Verpachtung an Kinder bestehe kein Recht des Vermieters zur Mietzinsanhebung, findet im Gesetz keine Deckung, wie schon das Rekursgericht richtig erkannt hat. § 46a Abs 3 und § 12a Abs 5 MRG enthalten für den Fall der Familienzugehörigkeit des Pächters keine Ausnahme (vgl 5 Ob 88/97w zu § 46a Abs 4 Z 1 MRG).
Im übrigen wird auf die folgenden Ausführungen zum Rechtsmittel der Antragsgegnerin verwiesen.
Zum Revisionsrekurs der Antragsgegnerin:
Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, der Fünfzehntel-Anhebung sei der angemessene Mietzins zu Verpachtungsbeginn ohne Berücksichtigung der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit zugrunde zu legen.
Die vom Erstgericht angenommene Verspätung des Anhebungsbegehrens für Jänner 1995 wird von der Antragsgegnerin im Rechtsmittelverfahren nicht in Zweifel gezogen. Insoweit waren die vorinstanzlichen Sachbeschlüsse daher zu bestätigen. Im übrigen wurde folgendes erwogen:
Wie der erkennende Senat in 5 Ob 10/97z = WoBl 1997, 190/64 (Würth) in einem Fall des § 46a Abs 3 MRG mit näherer Begründung ausgesprochen hat, ist am Wortlaut des § 46a Abs 6 iVm § 12a Abs 7 MRG festzuhalten, demzufolge es auch bei der Verpachtung eines Unternehmens vor dem 1.3.1994 bei der Ermittlung des nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Hauptmietzinses auf die Verhältnisse bei Pachtbeginn ankommt (vgl auch 5 Ob 148/97v). Den für damals angemessenen Hauptmietzins hat das Erstgericht ohnehin bereits ermittelt. Mehr begehrt die Antragsgegnerin in ihrem Abänderungsantrag auch gar nicht.
Zu prüfen bleibt noch, ob wegen der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit ein Abschlag vorzunehmen ist. Mit der Rechtsfrage, wie die "Art der Geschäftstätigkeit" zu berücksichtigen ist (hier gemäß § 46a Abs 3 iVm Abs 2 letzter Satz MRG) hat sich der erkennende Senat kürzlich in 5 Ob 109/97h ausführlich befaßt (vgl auch 5 Ob 148/97v). Von den Ausführungen in 5 Ob 109/97h ist für den vorliegenden Fall hervorzuheben, daß einer generellen Richtschnur für die teleologische Auslegung der fraglichen Mietzinsregelung folgend ein Mietzins festgesetzt werden soll, der soziale Härten vermeidet und die Ertragsmöglichkeiten der im Mietobjekt ausgeübten Geschäftstätigkeit berücksichtigt. Mit dem dehnbaren Begriff "Art" der Geschäftstätigkeit sollte offensichtlich ein Beurteilungsspielraum geschaffen werden, der es ermöglicht, die Mietzinsreduzierung nur den typischerweise ertragsschwachen Branchen zugute kommen zu lassen, und unter diesen wiederum nur jenen, die selbst - wie etwa die "Nahversorger" - eine vom Gesetzgeber als schützenswert anerkannte soziale Aufgabe in den Versorgungsstrukturen des betreffenden Gebietes erfüllen. Damit scheiden ua die Inhaber von Unternehmen, die - wenn auch ertragsschwach - mit ihren Geschäften keinen Beitrag zur Aufrechterhaltung der notwendigen Versorgungsstruktur leisten, aus dem Kreis der Begünstigten der Mietzinsregelung aus. Die Mietzinsreduzierung ist vor allem Kleinkaufleuten und Kleingewerbetreibenden zugedacht. Ist ihr Geschäftszweig die Versorgung der Bevölkerung mit Sachgütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, kann die in § 12a Abs 2 bzw § 46a Abs 2 MRG vorausgesetzte soziale Komponente des angemessenen Mietzinses als im Zweifel erfüllt angesehen werden. Wird jedoch - wie hier - dieser Kreis verlassen, bedarf es konkreter Anhaltspunkte für eine besondere Schutzwürdigkeit der betreffenden Branche. Um den Mietzins zu mäßigen, müßte nicht nur die Überforderung der üblichen Ertragsmöglichkeiten vergleichbarer Geschäfte durch die Einhebung des nach § 16 Abs 1 MRG ("vollen") angemessenen Mietzinses feststehen, sondern auch dargetan werden, daß eine soziale Rücksichtnahme auch der konkret betroffenen Branche gebührt. Daß dies auf den Souvenirhandel zuträfe, ist nach der bisherigen Aktenlage nicht erkennbar.
Um die Antragstellerin mit dieser Rechtsansicht aber nicht zu überraschen, ist ihr Gelegenheit zu geben, ein ergänzendes Vorbringen zur besonderen Schutzwürdigkeit ihrer Branche im obigen Sinne sowie zu weiteren im Lichte von 5 Ob 109/97h allenfalls bedeutsamen Umständen zu erstatten. Die Rechtssache war daher unter teilweiser Aufhebung der vorinstanzlichen Sachbeschlüsse an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, daß ein Abschlag nicht schon aus den oben genannten Erwägungen auszuschließen ist, werden auch die übrigen, hier nicht wiedergegebenen, in 5 Ob 109/97h aufgestellten Grundsätze zu berücksichtigen sein. Diesfalls ist zu erwähnen, daß die Ausführungen der Immobiliensachverständigen über Vergleichsobjekte (AS 51, 53) auf eine ausreichende Ertragskraft der Branche hindeuten.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm § 52 Abs 2 ZPO. Im Rechtsmittelverfahren wurden keine Kosten verzeichnet.
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