European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00133.24W.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.032,90 EUR (darin 172,15 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist die Schwester, der Beklagte der Sohn des mittlerweile verstorbenen E* F*. Dieser erteilte dem Beklagten zu Lebzeiten eine umfassende Vollmacht zur Vertretung in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten, von der die Klägerin wusste.
[2] Die Klägerin pflegte den Vater des Beklagten von Februar 2020 bis April 2021 in ihrem Haus. Der Beklagte teilte der Klägerin mit, dass sie aufgrund der finanziellen Situation seines Vaters nicht mehr als 200 EUR wöchentlich von dessen Konto beheben könne, sonst müsse dieser woanders unterkommen. Damit war die Klägerin einverstanden. Ab August 2020 wurde dem Vater des Beklagten Pflegegeld der Stufe 6 zuerkannt und auf dessen Konto angewiesen. Nicht festgestellt werden kann, ob zwischen der Klägerin und dem Beklagten vereinbart war, dass die Klägerin zusätzlich zu den 200 EUR wöchentlich das gesamte Pflegegeld bekomme. In der Folge erhielt die Klägerin vom Beklagten einmalig 1.000 EUR für Mehraufwendungen im Zusammenhang mit der Pflege und durfte nun wöchentlich 250 EUR für „Betreuung/Versorgung“ vom Konto des Gepflegten beheben.
[3] Die Klägerin begehrt vom Beklagten 10.774,70 EUR sA. Ihr stehe das Pflegegeld für den Zeitraum, in dem der Vater des Beklagten bei ihr gewohnt habe, als Ersatz für Pflegeleistungen zu. Sie stütze ihr Begehren auf eine Vereinbarung mit dem Beklagten, hilfsweise auf Geschäftsführung ohne Auftrag und Bereicherungsrecht, jedoch dezidiert nicht auf einen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Beklagten übergegangenen Anspruch. Schließlich sei die Zahlung von 1.000 EUR ein Anerkenntnis ihrer Forderung gegen den Beklagten.
[4] Der Beklagte bestritt die behauptete Vereinbarung und brachte vor, dass nicht er, sondern sein Vater das Pflegegeld erhalten habe.
[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die von der Klägerin behauptete Vereinbarung nicht festgestellt habe werden können. Selbst wenn es eine solche Vereinbarung gegeben hätte, wäre diese zwischen der Klägerin und dem Vater des Beklagten zustande gekommen, sodass der Beklagte auch nicht passivlegitimiert sei.
[6] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Ein Anerkenntnis liege nicht vor, weil sich der Beklagte zu wöchentlichen Zahlungen von mehr als 250 EUR nie verpflichtet habe. Es liege auch weder eine Geschäftsführung ohne Auftrag vor, noch bestehe ein Bereicherungsanspruch der Klägerin.
[7] Die Revision ließ das Berufungsgericht nachträglich zu, weil nicht auszuschließen sei, dass es der Geschäftsführung ohne Auftrag und der ungerechtfertigten Bereicherung zu wenig Beachtung geschenkt und nicht hinreichend berücksichtigt habe, wem das Pflegegeld tatsächlich zugute gekommen sei.
[8] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, diese dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde.
[9] Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[10] Da die Klägerin in ihrer Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[11] Die Entscheidung über die Frage der Sachlegitimation (Aktivlegitimation oder Passivlegitimation) ist nichts anderes als die meritorische Entscheidung über den Klagsanspruch im Hinblick auf seine subjektiven Voraussetzungen (RS0035170). Es müssen daher – entgegen der offenbaren Ansicht der Rechtsmittelwerberin – für jeden geltend gemachten Anspruch die Tatsachen vorgebracht werden, aus denen sich in rechtlicher Beurteilung die Sachlegitimation einer Partei bzw deren Mangel ergibt (vgl RS0065553). Hier wurden die geltend gemachten Ansprüche jeweils bereits aus anderen Gründen verneint, sodass auf die Frage der Passivlegitimation des Beklagten nicht mehr eingegangen werden musste, weil auch deren Bejahung nicht zur Klagestattgebung geführt hätte:
[12] 1. Die Klägerin konnte die von ihr behauptete Vereinbarung mit dem Beklagten nicht nachweisen.
[13] 2. Unter einer Geschäftsführung ohne Auftrag ist die eigenmächtige Besorgung der Angelegenheiten eines anderen (des Geschäftsherrn) in der Absicht, dessen Interessen zu fördern, zu verstehen (RS0019737). Dass die Klägerin bei der Pflege ihres Bruders die Absicht hatte, die Interessen des Beklagten zu fördern, hat sie in erster Instanz weder vorgebracht, noch wurde dies festgestellt, sodass diese Anspruchsgrundlage schon deshalb ausscheidet. Das nunmehr in der Revision erstattete Vorbringen verstößt gegen das Neuerungsverbot und ist unbeachtlich.
[14] 3. In Analogie zu § 1435 ABGB kann einem Pflegenden ein Bereicherungsanspruch dann zustehen, wenn Pflegeleistungen in der zumindest erkennbaren (aber enttäuschten) Erwartung einer Gegenleistung erbracht wurden (5 Ob 86/19m; 2 Ob 217/22h; RS0033606 [T6]). Ganz abgesehen davon, dass die dargestellte Judikatur Ansprüche gegen den zu Pflegenden betraf, besteht ein solcher Anspruch nur dann, wenn dem Leistungsempfänger klar war oder bei Berücksichtigung der gesamten Umstände hätte klar sein müssen, dass die Leistungen in Erwartung einer späteren Zuwendung erfolgen (RS0033952 [T15]; RS0033606). Dass diese Voraussetzung in Bezug auf den Beklagten vorliegen würde, hat die Klägerin in erster Instanz gar nicht vorgebracht. Sie ergibt sich auch nicht ansatzweise aus dem festgestellten Sachverhalt. Wenn die Revision in diesem Zusammenhang behauptet, aus der dem Beklagten eingeräumten unbeschränkten Vollmacht lasse sich ableiten, er habe das Pflegegeld einbehalten, wodurch er bereichert sei, so ist dies weder nachvollziehbar, noch entspricht es den getroffenen Feststellungen.
[15] 4. Eine konkludente Willenserklärung ist nur dann anzunehmen, wenn kein vernünftiger Grund übrig bleibt, daran zu zweifeln, dass eine Willenserklärung (hier: das Anerkenntnis) gewollt ist (RS0013947; RS0014150). Aus einer Teilzahlung allein ist die Anerkennung der Restschuld nicht zu erschließen. Sie ist nur als schlüssiges Anerkenntnis dem Grunde nach zu sehen, wenn durch diese Teilzahlung in irgendeiner Weise zum Ausdruck gebracht wurde, dass nur auf Abschlag einer weiteren Verpflichtung geleistet werde (RS0014276 [T2]; vgl auch RS0032733). Warum hier in der einmaligen Zahlung von 1.000 EUR für die Abgeltung eines Mehraufwands im Zusammenhang mit der Betreuung/Versorgung des Verstorbenen durch den Beklagten ein Anerkenntnis für die Zahlung des (gesamten) Pflegegeldes an die Klägerin liegen soll, kann die Revision nicht schlüssig darlegen.
[16] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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