OGH 7Ob133/10z

OGH7Ob133/10z14.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. K***** M*****, vertreten durch HASCH & PARTNER Anwaltsgesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) Verlassenschaft nach E***** N*****, und 2.) Dr. M***** E*****, beide vertreten durch Dr. Markus Tesar, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.613,88 EUR und Feststellung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. Jänner 2010, GZ 39 R 230/09a-125, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 10. April 2009, GZ 45 C 136/03i-122, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger hat von den Beklagten (die ursprünglich Erstbeklagte ist inzwischen verstorben) die Wohnung Top 3 im Haus W***** in Wien gemietet. Am 5. 8. 2000 und am 31. 7. 2001 kam es in der Wohnung zu Leitungswassereintritten, wodurch Architekturpläne des Klägers unbrauchbar wurden. Zuvor war es bereits in den Jahren 1993, 1994, 1995 und 1996 zu Leitungswasserschäden in der Wohnung des Klägers gekommen. Mit der Behauptung, die Beklagten seien ihrer Instandhaltungspflicht als Vermieter nicht nachgekommen; sie hätten insbesondere Dichtheitskontrollen nicht ordnungsgemäß durchgeführt und eine längst notwendige Sanierung der Wasserleitungsrohre unterlassen; begehrte der Kläger von den Beklagten seine Aufwendungen für die Wiederherstellung der Pläne in Höhe von insgesamt 1.613,88 EUR ersetzt. Weiters begehrte er die Feststellung der Haftung der Beklagten für allfällige weitere zukünftige Schäden aus der Zerstörung der Pläne.

Die Beklagten (deren Passivlegitimation im Revisionsverfahren keinen Streitpunkt mehr darstellt) wendeten ein, die von ihnen beauftragten Hausverwaltungs- und Installationsfirmen sowie ein Hausbesorger hätten alle erforderlichen Erhaltungs- und Sorgfaltsmaßnahmen getroffen. Der Zweitbeklagte machte eine die Klagsforderung übersteigende Gegenforderung kompensando geltend. Der Kläger habe durch eine mangelhafte Verfugung seiner Dusche seinerseits einen Wasserschaden in der Arztpraxis des Zweitbeklagten verursacht.

Das Erstgericht erachtete die Gegenforderung des Zweitbeklagten für nicht berechtigt und gab - im dritten Rechtsgang - sowohl dem Leistungs- als auch dem Feststellungsbegehren des Klägers statt. Die Beklagten hafteten als Vermieter gemäß § 1295 Abs 1 ABGB in Verbindung mit § 1096 Abs 1 ABGB für die durch die Vernachlässigung ihrer Instandhaltungspflichten entstandenen Schäden. Sie hätten aufgrund des Alters der im Haus befindlichen Wasserrohre und der bereits mehrmals eingetretenen Wasserschäden mit weiteren Schäden rechnen müssen. Der Beweis, alle Vorkehrungen und Instandhaltungsmaßnahmen getroffen zu haben, sei von den Beklagten nicht erbracht worden. Die Dichtheitskontrollen seien von den von den Beklagten beauftragten Firmen nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden; vorbeugende Maßnahmen zur Erkennbarkeit der Schäden seien unterlassen worden. Hinsichtlich der Gegenforderung sei eine mangelhafte Verfugung der Dusche des Klägers nicht eindeutig als Ursache für die Feuchtigkeitsschäden in der Wohnung des Zweitbeklagten festgestellt worden. Da die Möglichkeit zukünftiger Schäden bestehe, sei auch das Feststellungsbegehren berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Seit 1993 seien im Haus vor den gegenständlichen Schadensfällen bereits sechs, auf undichte Wasserrohre zurückzuführende, Gebrechen aufgetreten, die zum Teil erhebliche Schäden zur Folge gehabt hätten. Aufgrund dieser Vorfälle und des Alters und daher der Schadensgeneigtheit der wasserführenden Anlagen wären den Beklagten zusätzliche Maßnahmen (häufigere Dichtheitsproben mit erhöhtem Betriebsdruck, Austausch schadensgeneigter alter Leitungen) zumutbar gewesen. Die Rohrgebrechen seien für die Beklagten bei objektiver Betrachtung vorhersehbar gewesen. Als Verkehrssicherungspflichtige seien ihnen die Schäden des Klägers zuzurechnen, weil sie die erkennbaren Gefahren ignoriert hätten, wobei sie für das Verschulden der von ihnen herangezogenen Hilfspersonen ebenso hafteten wie für ihr eigenes Verschulden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige. Auf Antrag der Beklagten nach § 508 ZPO änderte es den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu den Fragen vorliege, ob 1. die Verkehrssicherungspflichten des Hauseigentümers dadurch überspannt würden, dass nach mehrfachen Wasserrohrgebrechen der Austausch sämtlicher, überwiegend unter Putz verlegter Wasserleitungen als zumutbar anzusehen seien und 2. der Mieter durch die Lagerung wertvoller Architektenpläne in seiner Wohnung gegen Schadensminderungspflichten verstoßen habe.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem nach § 508a Abs 1 ZPO den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch liegt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht vor. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken:

Der Vermieter ist nach § 1096 ABGB verpflichtet, das Bestandobjekt in einem brauchbaren Zustand zu erhalten und dem Mieter den bedungenen Gebrauch der Bestandsache zu verschaffen und zu sichern. Er hat daher auch dafür Sorge zu tragen, dass der Mieter nicht durch in sein Bestandobjekt eindringendes Wasser in dessen Gebrauch gestört wird. Kommt der Vermieter dieser Verpflichtung nicht nach, so haftet er für den dem Mieter hiedurch entstandenen Schaden (7 Ob 774/81 MietSlg 34.281 mwN; vgl MietSlg 48.122 ua). War ein Wasserrohrbruch für den Vermieter nicht vorhersehbar, weil der Rohrbruch außerhalb jeden Einflussbereichs für Instandhaltungs- und Pflegemaßnahmen war, kann dem Vermieter ein Verschulden an dem dadurch entstandenen Schaden des Mieters nicht angelastet werden (MietSlg 34.281). Ist allerdings etwa aufgrund des Alters von Wasserrohrleitungen erkennbar, dass die Lebensdauer eines Wasserrohrs sich ihrem Ende zuneigt, hat der Vermieter durch Wartungs- und Überprüfungsmaßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass dem Mieter kein Schaden entsteht. Zwar darf die den Vermieter diesbezüglich treffende Verkehrssicherungspflicht nicht überspannt werden (vgl RIS-Justiz RS0023487), soll sie keine in Wahrheit vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben (RIS-Justiz RS0023950). Die betreffende Sicherungspflicht findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (stRsp; vgl etwa 7 Ob 73/06w mwN; RIS-Justiz RS0023397). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RIS-Justiz RS0023726). Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht kann nur von Fall zu Fall bestimmt werden (RIS-Justiz RS0029874; RS0110202); entscheidend ist vor allem, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind (7 Ob 51/00a, ZVR 2000/94; 7 Ob 118/04k; 7 Ob 245/05p ua). Ob eine Situation geschaffen wurde, die eine Schädigung wahrscheinlich macht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (7 Ob 73/06w mwN; vgl RIS-Justiz RS0111380). Eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO muss über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls hinaus Bedeutung haben. Soweit sich das Berufungsgericht im Rahmen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bewegt, die Rechtslage nicht verkennt und nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls seine Entscheidung trifft, ohne von einer in ständiger Rechtsprechung anerkannten Ermessensübung abzuweichen, liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor (stRsp; Kodek in Rechberger 3 § 502 ZPO Rz 13 mwN uva).

Ein Abweichen des Berufungsgerichts von nach oberstgerichtlicher Judikatur anerkannter Ermessensausübung ist im vorliegenden Fall unter Zugrundelegung der eben dargestellten Grundsätze nicht gegeben. Der Einwand der Revisionswerber, der Austausch aller Wasserleitungsrohre des Hauses sei ihnen nicht zumutbar gewesen, zumal ein solcher Austausch von den Versicherungen nicht gedeckt werde und in W***** Altbauten daher unüblich sei, übersieht, dass das Berufungsgericht nicht grundsätzlich einen Austausch aller Wasserleitungen des Hauses verlangt. Es meinte vielmehr, dass die zahlreichen Wasserschäden in den Jahren zuvor (bereits viermal war allein die Innenleitung der Wohnung des Klägers betroffen gewesen) die Beklagten zur vorbeugenden Überwachung der Anlagendichtheit und allenfalls zu Sanierungsmaßnahmen im Wohnungsbereich des Klägers veranlassen hätten müssen. Fest steht, dass die Beklagten (bzw die von ihnen beauftragten Firmen, deren Verhalten den Beklagten nach § 1313a ABGB zuzurechnen ist) über Reparaturen schadhafter Leitungsteile hinaus keine Erneuerungen der alten Rohrleitungen im Wohnungsbereich des Klägers vorgenommen und insbesondere aber auch die nach § 15 Abs 4 des Wiener Wasserversorgungsgesetzes vorgeschriebenen Kontrollen zur vorbeugenden Überprüfung der Anlagendichtheit (monatliches Ablesen des Wasserverbrauchs und Nachschau bei Mehrverbrauch oder eine Drucküberprüfung alle drei Monate durch einen befugten Gewerbsmann) unterlassen haben. Von einer Überspannung der Verkehrssicherungspflicht kann unter diesen Umständen entgegen der Ansicht der Revisionswerber keine Rede sein. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 92/05y ausgeführt hat, ist ein Wasserrohrbruch für einen Hauseigentümer dann vorhersehbar, wenn aufgrund des Alters der Wasserversorgungsanlage und bereits in der Vergangenheit aufgetretener gleich gelagerter Wasserrohrbrüche mit einem solchen Schadensfall gerechnet werden musste. Dies trifft im vorliegenden Fall zu. Demnach haben die Vorinstanzen dadurch, dass sie die Vorhersehbarkeit weiterer Wasserrohrbrüche und damit eine Haftung der beklagten Vermieter - die nach § 1298 ABGB zu beweisen gehabt hätten, alle ihnen zu Gebote gestandenen Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben, um dem Kläger den bedungenen Gebrauch der Bestandsache zu erhalten (vgl RIS-Justiz RS0020873) - bejaht haben, die Rechtslage nicht verkannt.

Mangels einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung stellt sich eine erhebliche Rechtsfrage auch im Zusammenhang mit der grundsätzlich bestehenden Verpflichtung des Klägers zur Schadensminderung nicht. Hier werden die Revisionsausführungen dem festgestellten Sachverhalt insofern nicht gerecht, als der Kläger die betroffenen Architekturpläne nach Ansicht der Revisionswerber deshalb nicht in dem in seiner Wohnung eingerichteten Arbeitszimmer (zwischen-)lagern hätte dürfen, weil sie besonders wertvoll gewesen seien. Dieser Einwand wird allerdings bereits durch den festgestellten Wiederherstellungspreis von insgesamt 1.613,88 EUR widerlegt.

Schließlich verkennen die Ausführungen, mit denen die Revisionswerber Aktenwidrigkeiten geltend machen wollen, das Wesen dieses Rechtsmittelgrundes. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur bei einem Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und der darauf beruhenden wesentlichen Tatsachenfeststellung im Urteil vor, der nicht das Ergebnis eines richterlichen Werturteils ist, wobei dieser Widerspruch einerseits wesentlich, andererseits unmittelbar aus den Akten ersichtlich sein muss (7 Ob 93/09s uva). In der Gewinnung tatsächlicher Feststellungen durch Schlussfolgerungen kann eine Aktenwidrigkeit nicht gelegen sein (RIS-Justiz RS0043421). Eine Aktenwidrigkeit wird demnach, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO), von den Revisionswerbern nicht aufgezeigt.

Da auch im Hinblick auf die Gegenforderung des Zweitbeklagten und damit insgesamt ein tauglicher Grund, das Rechtsmittel der Beklagten zuzulassen, nicht vorliegt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels seiner Prozessgegner zutreffend hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte